Redner(in): Monika Grütters
Datum: 08. Juni 2016
Untertitel: Beim "Kultursalon unter der Kuppel" hat Kulturstaatsministerin Grütters den Wert der Kultur als Integrationsmotor herausgestellt. "Kultur ist dabei "Brückenbauerin und Türöffnerin, aber auch Ausdruck unserer Identität", so Grütters. Neben dem Engagement vieler Künstlerinnen und Künstler würdigte sie auch die Arbeit der Kultureinrichtungen und das Engagement vieler Bürger.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/06/2016-06-15-gruetters-kultursalon.html
Beim "Kultursalon unter der Kuppel" hat Kulturstaatsministerin Grütters den Wert der Kultur als Integrationsmotor herausgestellt."Kultur ist dabei" Brückenbauerin und Türöffnerin, aber auch Ausdruck unserer Identität ", so Grütters. Neben dem Engagement vieler Künstlerinnen und Künstler würdigte sie auch die Arbeit der Kultureinrichtungen und das Engagement vieler Bürger.
Veranstaltungen der CDU / CSU-Fraktion "unter der Kuppel" heißen in der Regel "Fraktionssitzung" und tragen zugegebenermaßen vielleicht nicht immer zur Kultivierung jener Kunst des gepflegten Gesprächs in geselliger Atmosphäre bei, die man gemeinhin als "Salonkultur" bezeichnet. Es fehlt an Genussmitteln, man sitzt im Licht der Neonröhren doch etwas ungesellig nebeneinander in langen Reihen, die Redezeiten sind begrenzt und die Themen sperrig: Zu Wortungetümen wie "Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz" hebt man nicht im Geiste mal eben die Welt aus den Angeln - so wie die deutschen Dichter und Denker, die einst in den berühmten Berliner Salons verkehrten.
Einer von ihnen war der Dichter Jean-Paul. Von ihm stammt der schöne Satz "Entwirf bei Wein, exekutiere bei Kaffee" - eine Devise, die sich vielleicht auch für den "Kultursalon unter der Kuppel" anbietet. Vielen Dank für die Einladung, lieber Marco Wanderwitz, und für ein abwechslungsreiches Programm, das der Salonkultur alle Ehre macht! Exekutiert werden muss heute Abend zum Glück nichts mehr; umso mehr können wir Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker uns freuen, bei einem schönen Glas Wein mit Ihnen, den Künstlerinnen und Künstlern, den Kreativen und Kulturverantwortlichen ins Gespräch zu kommen und dabei vielleicht auch - im Sinne Jean Pauls - den einen oder anderen Plan für die Zukunft zu entwerfen. Themen, die uns unter den Nägeln brennen, gibt es ja beiderseits genug.
Mir liegt vor allem eines am Herzen ( und offenbar auch vielen von Ihnen, wenn ich die hohe Zahl der Anmeldungen zum Podium 1 "Kultur als Mediator und Motor der Gesellschaft" richtig deute ) : nämlich dass Kunst und Kultur in besonderer Weise zur Integration der Menschen beitragen können und sollten, die zu Hunderttausenden Zuflucht in Deutschland suchen. Das ist die größte politische Herausforderung der nächsten Jahre - und es ist nicht zuletzt auch eine kulturpolitische Herausforderung. zum einen, weil die Angst vor der vermeintlich drohenden Dominanz kultureller Minderheiten, die populistischen und nationalistischen Bewegungen Zulauf beschert, das große Bedürfnis nach Vergewisserung unserer eigenen kulturellen Identität offenbart. zum anderen, weil kulturelle Teilhabe eine grundlegende Voraussetzung dafür ist, dass Zuwanderer in der Fremde heimisch werden.
Das Bedürfnis nach kultureller Selbstvergewisserung einerseits und der Anspruch auf kulturelle Teilhabe andererseits stecken den Bereich der Mitverantwortung der Kulturpolitik und der Kultureinrichtungen für Integration und Zusammenhalt ab. Kultur ist dabei Brückenbauerin und Türöffnerin, aber auch Ausdruck und Spiegel unserer Identität.
Wie viel unsere Kultureinrichtungen in diesem Sinne landauf landab zum Gelingen kultureller Vielfalt beitragen, ist uns leider nicht immer bewusst. Umso wichtiger ist es, ihren Beitrag stärker sichtbar zu machen: als Einladung zu interkulturellen Begegnungen vor Ort, aber auch als Ausdruck des Selbstverständnisses einer weltoffenen Gesellschaft. Deshalb habe ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern und Kommunen und mit zivilgesellschaftlichen Organisationen die Initiative "Kultur öffnet Welten" ins Leben gerufen. Am 21. Mai, dem UNESCO-Tag der kulturellen Vielfalt, haben wir den Startschuss für eine bundesweite Aktionswoche gegeben, in der unsere Kultureinrichtungen ihre Aktionen, Programme und Konzepte zur kulturellen Integration präsentiert haben.
Nicht weniger wichtig für eine Kultur des Ankommens in Deutschland ist und bleibt das bürgerschaftliche Engagement: Da gibt es zum Beispiel das Projekt "Multaka", das Geflüchtete aus Syrien und dem Irak zu Guides in Berliner Museen ausbildet. Da gibt es die Dresdner Brass-Band "Banda Internationale", in der deutsche Musiker und geflüchtete Musiker aus aller Welt zusammen Musik machen. Da gibt es "Kino Asyl", ein Filmfestival in München, dessen Programm jugendliche Geflüchtete mit Filmen aus ihren Heimatländern gestalten. Diese drei Initiativen habe ich gerade mit einem neuen "Sonderpreis für kulturelle Projekte mit Flüchtlingen" meines Hauses ausgezeichnet. Sie zeigen, was Kunst - was Musik, Tanz, Literatur, Film, Theater oder auch bildende Kunst - zu leisten imstande ist: Kunst kann gemeinsame Sprache sein, wo unterschiedliche Begriffe Schweigen oder Missverstehen provozieren; sie kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft ab- und ausgrenzt; sie kann uns aber auch nötigen, die Perspektive zu wechseln und die Welt aus anderen Augen zu sehen. Ja, Kultur öffnet Welten und überwindet Grenzen, so dass wir sagen können: Wir schaffen das!
Künstlerinnen und Künstler sind dafür unsere wichtigsten Botschafter: Sie sind kommunikativ: Ihr größtes Talent ist ihre Ausdrucksstärke. Sie sind empathisch: Mit ihrem Einfühlungsvermögen können sie uns das Fühlen, Denken und Handeln anderer Menschen und Charaktere näher bringen. Sie sind neugierig und experimentierfreudig, leben weltoffen und arbeiten international. Damit sind sie Vorbilder in einer pluralistischen Gesellschaft, und ich bin dankbar, dass viele Künstler und Kreative auch persönlich Haltung zeigen für ein weltoffenes Deutschland - für ein Deutschland, das Menschen Schutz gewährt vor Krieg und Gewalt. Die Mühen der Integration werden unser aller Kraft erfordern. Schlimmer als daran zu scheitern wäre allerdings, es nicht einmal versucht zu haben.
Vielleicht, meine Damen und Herren, entstehen dafür ja heute Abend mit all der Expertise und den unterschiedlichen Nationalitäten, die hier vertreten sind, neue gute Ideen. Die brauchen wir auch in Zukunft, denn leider ist die Lösung von Integrationsproblemen nicht immer so einfach wie einst für den eingangs zitierten Jean Paul - einen Bayern, der sich zwar in den literarischen Salons Berlins durchaus als integrationsfähig erwies, für den die Weltoffenheit aber an der Getränketheke aufhörte. Das Bier in Berlin lehnte er als schlicht ungenießbar ab und orderte regelmäßig Nachschub aus der oberfränkischen Heimat. An einen Freund schrieb er einmal, ich zitiere: "Sollte das Bier schon unterwegs sein - was Gott gebe - so bitt ich Sie herzlich, sogleich neues nachzusenden, weil der Transport vom Fass in mich viel schneller geht als von Bayreuth nach mir!" Angesichts einer breiten Auswahl bayerischer Biere auch außerhalb Bayerns muss das heute zum Glück niemand mehr befürchten - womit dann auch unmittelbar einleuchtet, dass Vielfalt nicht das Problem, sondern die Lösung ist ( oder zumindest die Lösung sein kann ) . Darüber jedenfalls lohnt es sich zu diskutieren.
Für welches Getränk auch immer Sie sich entscheiden, meine Damen und Herren: Ich wünsche Ihnen einen inspirierenden Abend im "Kultursalon unter der Kuppel" und uns allen Salonkultur im besten Sinne - geistreiche Gespräche, gesellige Runden und Freiraum für unkonventionelle Gedanken und Ideen!