Redner(in): Angela Merkel
Datum: 10. Juni 2016

Anrede: Sehr geehrter Herr Professor Hennerkes,sehr geehrte Herren Botschafter,meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/06/2016-06-10-bkin-familienunternehmen.html


Ich freue mich, auch beim diesjährigen Tag des deutschen Familienunternehmens wieder dabei zu sein. Es ist ja in der Tat so: Die hier versammelte Gruppe von Menschen trägt zum Wohlstand, aber auch zur Charakterisierung Deutschlands durch das Thema Familienunternehmen in gutem Sinne bei. Wenn wir gute Wirtschaftsdaten haben, dann hängt das sehr stark auch mit Ihnen, mit jedem einzelnen von Ihnen, zusammen. Wir haben über 43Millionen Erwerbstätige in Deutschland. Das ist eine Rekordzahl. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist auf Rekordniveau. Aber wir wissen natürlich, dass wir uns darauf nicht ausruhen dürfen, sondern immer wieder für Bedingungen sorgen müssen, dass in Deutschland investiert und produziert wird. Das geht ohne starke Familienunternehmen nicht.

Einen Lackmustest für Sie, was unsere Worte in der Praxis bedeuten, ist immer wieder das Thema Erbschaftsteuer. Ich weiß, wie sensibel es ist. Es ist aufgrund der Vielfalt der Unternehmen auch gar nicht so einfach, Lösungen zu finden, die für alle vertretbar sind. Sie wissen, dass das Schönste gewesen wäre, das Bundesverfassungsgericht hätte die Erbschaftsteuer so gelassen, wie sie war. Daran hatten sich alle gewöhnt. Aber diesen Gefallen hat uns das Bundesverfassungsgericht nicht getan. Das heißt, wir müssen jetzt eine Lösung finden, die den Bedenken oder den Beschwernissen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung trägt. Wir müssen darauf achten, dass die Unternehmer, die Familienunternehmer, nicht beliebig von der Erbschaftsteuer freigestellt werden können. Das macht uns erhebliche Probleme. Bei den größeren Familienunternehmen stellt sich die Lage völlig anders dar als bei den kleineren Unternehmen. Wir dürfen bei den kleineren Unternehmen nicht so viele herausnehmen, dass zum Schluss quasi keine Unternehmen mehr übrig bleiben. Jetzt gibt es auf der Zielgeraden noch einmal ein Ringen um eine faire Lösung.

Sie haben sachkundiger als ich das Thema beim Bundesfinanzminister platziert, wahrscheinlich auch noch bei vielen Ministerpräsidenten, sodass ich mir keine Sorgen mache, dass die Beschwernisse nicht bekannt sein könnten. Wenn Sie sich auch ein bisschen mit den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten befassen, dann ist das sicherlich für die Einigkeit in der großen Koalition sehr hilfreich.

Dabei will ich es einmal belassen. Ich glaube, unter dem Strich ist es besser, uns jetzt nicht auf einen Weg zu begeben, auf dem wir gar keine Einigung finden, und darauf zu warten, dass das Bundesverfassungsgericht das Thema für uns regelt. Das kann man auch machen; man kann lange genug warten. Dann wird aber wieder einer klagen und dann gibt es eine Ausführung durch das Gericht. Ich weiß nicht, ob uns damit mehr gedient ist. Deshalb haben sich die Beratungen das wird Herr Professor Hennerkes vielleicht auch zugestehen in den letzten Wochen eigentlich nicht in eine schlechte Richtung entwickelt. Wenn wir diesen Trend anhalten lassen könnten, dann wäre das, glaube ich, schon eine halbwegs gute Nachricht. Mehr reüssieren kann ich mit dem Thema heute nicht. Deshalb gebe ich das dann auch in die Hand derer, die von der Materie sehr viel mehr verstehen als ich.

Ich bin heute bei Ihnen in einer Zeit durchaus großer Turbulenzen und großer Herausforderungen. Das hängt auch mit einer Vielzahl von internationalen Konflikten zusammen. Ich will die Anwesenheit des russischen Botschafters nutzen, um deutlich zu machen, dass wir Frankreich und Deutschland zusammen mit der Ukraine und Russland jetzt wieder in einer sehr intensiven Phase sind, das Minsker Abkommen qualitativ noch ein Stück weiter umzusetzen. Wir haben nach wie vor eine sehr fragile Situation. Ich glaube, das Minsker Abkommen ist nach wie vor das beste Stück es ist auch das einzige Stück, auf das wir uns geeinigt haben, das wir jetzt umsetzen müssen. Es gibt sehr intensive Gespräche mit Vertretern der russischen und der ukrainischen Seite. Meine Hoffnung ist immer noch, dass wir im Monat Juni ein klares Stück vorankommen.

Ich weiß, dass viele von Ihnen auch Beschwernisse mit den Sanktionen haben. Die Sanktionen haben wir durch die Europäische Union verhängt im Zusammenhang mit der Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine. Einerseits gibt es die sogenannten Sanktionen im Zusammenhang mit der Krim, andererseits gibt es die Sanktionen im Zusammenhang mit den Vorgängen in Donezk und Lugansk. Ich will ganz deutlich sagen: Sanktionen sind kein Selbstzweck. Sie sind verhängt in einem bestimmten Zusammenhang. Das Minsker Papier ist sozusagen die Grundlage, auf der wir die Voraussetzungen schaffen können, diese Sanktionen wieder aufzuheben. Ich habe vielfach und das will ich auch hier wieder betonen gesagt: Gute Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland sind in unser aller Interesse. Unser Langfristziel muss sein, dass wir eine sehr viel größere Annäherung bekommen. Also, an der Idee eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Wladiwostok bis Lissabon wie ja auch der russische Präsident sagte sollten wir schrittweise arbeiten.

Dann möchte ich mich noch einmal kurz auf die Probleme im Zusammenhang mit der Europäischen Union konzentrieren. Wir werden ein Referendum in Großbritannien haben. Das ist eine Entscheidung der britischen Bürgerinnen und Bürger. Trotzdem will ich auch in diesem Kreis nochmals deutlich machen, dass aus meiner Sicht ein Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union für uns alle das Beste und Wünschenswerteste ist. Wir haben in vielen Fragen eine sehr enge Kooperation mit Großbritannien und würden diese natürlich gern im Rahmen der Europäischen Union fortsetzen.

Wenn ich von dieser Kooperation spreche, dann komme ich gleich zu einem Thema, das uns im Augenblick in der Europäischen Union ebenfalls sehr beschäftigt. Das ist die Frage der Freihandelsabkommen. Wir haben gesehen, dass sich das Abschließen von Freihandelsabkommen immer positiv für beide Seiten ausgewirkt hat. Das letzte Beispiel ist das Freihandelsabkommen mit Südkorea. Hierzu gab es eine Vielzahl von Bedenken, insbesondere auch in der deutschen Automobilindustrie. Herausgekommen ist aber, dass wir unsere Exporte steigern konnten auch die Zulieferer von Automobilteilen und sich die Handelsbeziehungen mit Südkorea erheblich intensiviert haben.

Wir sind in der Schlussrunde, was das Freihandelsabkommen mit Kanada anbelangt das sogenannte CETA-Abkommen. Die Chancen stehen sehr günstig, dass wir das im Herbst finalisieren können. Wir haben eine große gesellschaftliche Debatte um die Frage eines Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, das im Augenblick in seinen Grundzügen noch verhandelt wird.

Ich weiß nicht, ob ich in diesem Kreis werben muss. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir durch ein solches Abkommen zwischen dem Europäischen Binnenmarkt und dem großen amerikanischen Markt sehr viel mehr Vorteile haben können als wir Nachteile zu befürchten haben. Das Abkommen ist deshalb so umstritten, weil es tiefer als andere Freihandelsabkommen geht. Bislang hat man mit den Freihandelsabkommen im Wesentlichen Zölle abgebaut. In diesem Fall aber geht man auch an die nichttarifären Hemmnisse heran. Bei den nichttarifären Hemmnissen spielen auch Schutzstandards eine Rolle ökologische Standards, Verbraucherschutzstandards, soziale Standards. Hier setzen die Befürchtungen an. Deshalb will ich nochmals wiederholen: Es wird keiner dieser Standards, die in der Europäischen Union vereinbart sind, angetastet, sondern diese Standards bleiben erhalten. Es wird auch dafür Sorge getragen, dass bei der Fortentwicklung europäischer Standards diese dann auch jeweils wieder als Standards im Handelsabkommen gelten.

Wenn wir uns anschauen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika mit Staaten im pazifischen Raum ein Freihandelsabkommen fertiggestellt haben, dann müssen wir uns auf europäischer Seite fragen: Wollen wir bei der globalen Standardsetzung mithelfen oder wollen wir solche bilateralen Handelsabkommen anderen überlassen und im Grunde nur zuschauen? Wenn ich mir anschaue, wie hoch die Arbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern ist, wie sehr wir Impulse für Wirtschaftswachstum brauchen, dann kann ich nur dafür plädieren, alles daranzusetzen, um für uns in Europa ein gutes, ein zufriedenstellendes Abkommen hinzubekommen, und die Arbeit, die durch die Kommission geleistet wird, deutlich zu unterstützen.

Wir haben in den letzten Jahren, Herr Professor Hennerkes, oft über den Euroraum und über die Stabilisierung des Euroraums gesprochen. Wir sind hierbei erheblich vorangekommen. Wir haben nach wie vor intensive Gespräche mit Griechenland. Auch da ist das letzte Programm jetzt einigermaßen umgesetzt worden. Die Voraussetzungen sind dafür gegeben, dass eine nächste Tranche ausgezahlt werden kann. Wir sehen eine deutliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in einigen Ländern Portugal, Spanien und Irland, die solche Programme durchlaufen haben. Und wir haben uns eine sehr viel bessere Architektur für die Eurozone insgesamt geschaffen. Wir sind also krisenfester geworden.

Wenn Sie sich einmal anschauen, was in den letzten Jahren passiert ist, dann wissen Sie, dass Europa im Grunde sehr häufig von globalen Kräften getestet worden ist. Nach der internationalen Finanzkrise kam zuerst die Eurokrise. Man hat gefragt: Wie sicher ist eigentlich eure gemeinsame Währung? Ihr seid ein Zusammenschluss von 19Staaten mit sehr unterschiedlichen Wirtschaftspolitiken. Ihr habt zwar einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, aber wie weit seid ihr eigentlich bereit, für diese gemeinsame Währung einzutreten?

Diese Anfragen kamen aus den internationalen Finanzmärkten. Sie haben uns vor die Aufgabe gestellt, die Eurozone krisenfester zu machen und nicht einfach zu einer Vergemeinschaftung von Schulden und Lasten zu kommen, sondern zu sagen: Da, wo Eigenanstrengungen unternommen werden, sind wir bereit zu helfen. Aber diese Eigenanstrengungen muss es geben und sie müssen zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit führen. Wir können und dürfen nicht mit völlig unterschiedlichen strukturellen Ansätzen ganz unterschiedliche Wirtschaftspolitiken betreiben, die nicht zu einer Konvergenz führen, aber letztlich die Lasten und die Schulden vergemeinschaften. Das war ein harter Kampf. Dieser Kampf wird in gewisser Weise auch immer weitergehen. Aber ich glaube, dass wir auf dem eingeschlagenen Weg eine Menge erreicht haben.

Im vergangenen Jahr ist etwas anderes passiert. Wieder gab es eine Art Anfrage an die Europäische Union diesmal mit Blick auf die Freizügigkeit innerhalb dieser Europäischen Union: Seid ihr in der Lage in eurem Gebilde, das ja kein Staat ist, sondern ein Zusammenschluss von Staaten, die einige Kompetenzen weggegeben haben, im Schengen-Raum eure Außengrenzen zu schützen? Jedes Gebilde, das Freizügigkeit im Inneren hat, muss auch in der Lage sein, seine Außengrenzen zu schützen.

Dieser Druck ist im Grunde entstanden durch Bürgerkriege durch den IS im Irak und in Syrien und durch die vielen Flüchtlinge vor allem aus Syrien. Das alles hat einen erheblichen Druck entfaltet. Vorher hatten wir schon viele Flüchtlinge bzw. Asylbewerber aus den Staaten des westlichen Balkans. Dieses Problem haben wir dann ja schrittweise gelöst. Aber danach kam eben dieser große Druck durch Flüchtlinge, die nach Europa im Wesentlichen über die Türkei kamen und so, wie wir es jetzt im Augenblick erleben auch aus Libyen.

Der Schengen-Raum ist ein von uns allen geschätzter Raum, der uns Niederlassungsfreiheit, Bewegungsfreiheit und Reisefreiheit zwischen den allermeisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ein paar anderen Staaten ermöglicht. Die Grenze dieses Schengen-Raums beginnt quasi am Nordpol und führt zunächst an Russland und Weißrussland vorbei zur Ukraine. Gegenüber Bulgarien am Schwarzen Meer liegt Georgien. Dann kommen wir zur Türkei. Nach der Türkei kommt Syrien; Syrien wiederum ist Nachbar von Zypern. Dann geht es weiter über Libanon, Israel, Ägypten, Libyen, Tunesien und Algerien bis nach Marokko. Die Außengrenze des Schengen-Raums verläuft also von Norwegen bis nach Marokko. Damit haben wir sozusagen eine ziemlich geballte Ladung von nicht unkomplizierten Nachbarschaften. Das zeigt, wie sehr es auch im Interesse Europas ist, all die Konflikte, die im mediterranen Raum bestehen, zu lösen und uns einfach auch aktiv und wahrscheinlich in Zukunft noch aktiver einzumischen. Denn dadurch, dass keine große Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas aus diesem Raum mehr besteht, wird das Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika an diesem Raum auch nicht gerade zunehmen.

Nun erweist sich die Kontrolle von Außengrenzen dort, wo man eine Landgrenze hat, noch als relativ einfach. Die Kontrolle von Außengrenzen dort, wo man eine Wassergrenze hat, erweist sich hingegen als komplizierter. Ohne Hilfe der Nachbarschaft lassen sich Wassergrenzen sehr schwer kontrollieren. Das heißt, man muss Abmachungen treffen. Deshalb ist die Abmachung mit der Türkei die Professor Hennerkes hier heute, glaube ich, kritisiert hat eine Abmachung, die ich für zwingend halte. Im Übrigen haben Spanien und Portugal schon seit Jahren Abmachungen mit Senegal, Marokko und Algerien wie auch Italien Abmachungen noch zu Gaddafis Zeiten mit Libyen hatte das haben wir nur kaum bemerkt, um sozusagen eine faire Lastenteilung zwischen den jeweiligen Nachbarn im Zusammenhang mit Flüchtlingskrisen zu bekommen.

Jetzt haben wir eine besondere Situation in Syrien. In Syrien ist wahrscheinlich etwa die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht 22Millionen Einwohner hatte Syrien, etwa elfMillionen sind auf der Flucht, davon ungefähr sechsMillionen innerhalb Syriens und fünfMillionen außerhalb Syriens. Diese fünfMillionen Flüchtlinge außerhalb Syriens mindestens fünfMillionen, wahrscheinlich sogar eher sechsMillionen verteilen sich im Wesentlich auf die Türkei mit fast dreiMillionen Flüchtlingen sowie auf Libanon und Jordanien. Der Libanon hat knapp fünfMillionen Einwohner und hat zeitweise über 1, 5Millionen Flüchtlinge gehabt.

Die Europäische Union hat sich über Jahre für dieses Thema nicht interessiert. Wir haben auch Fehler gemacht. So mussten zum Beispiel die Rationen gekürzt werden. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Eine Lebensmittelration vom Welternährungsprogramm kostet im Monat pro Flüchtling 27 bis 30US-Dollar. Wenn das auf 13US-Dollar gekürzt wird und außerdem die Kinder keine Schulbildung bekommen, und das vielleicht schon seit fünf Jahren, dann verwundert es nicht, dass Menschen unruhig werden und sich überlegen: Was kann ich für mich und meine Familie tun?

Europa hat auch im letzten Jahr noch keine Million Syrer aufgenommen 500Millionen Europäer und keine Million Syrer, während andere Anrainerstaaten ganz andere Lasten geschultert haben. Ich glaube, niemand verlässt leichtfertig seine Heimat. Ich glaube, dass es gut ist, wenn Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat bleiben können. Deshalb ist es richtig, der Türkei dreiMilliarden Euro zur Verfügung zu stellen, damit sie an der türkisch-syrischen Grenze vernünftige Lebensbedingungen für die vielen syrischen Flüchtlinge schaffen kann.

Ich glaube, dass es absolut richtig und im Übrigen auch im gegenseitigen Interesse ist, dass Schmuggler und Schlepper nicht darüber bestimmen, wer für viel Geld und geringen Schutz irgendwohin fliehen kann. Vielmehr muss es der Anspruch von Staaten sein immerhin sind die Türkei, Griechenland und wir alle in einem militärischen Bündnis, legale Lösungswege zu finden und auf legalem Wege Lastenteilungen durchzuführen. Illegale Machenschaften von Schleppern dürfen nicht darüber bestimmen, wie viele Menschen zu uns kommen und wie viele nicht.

Im Übrigen haben allein im Januar und Februar dieses Jahres, als das Türkei-Abkommen noch nicht richtig funktioniert hat, rund 400Menschen in der Ägäis auf dieser kleinen Meerenge ihr Leben verloren; in den letzten beiden Jahren waren es bereits über 10. 000Menschen auf dem Weg von Libyen nach Italien. Ich glaube, allein das zeigt, dass es alle Anstrengungen wert ist, dass nicht Schlepper bestimmen, wann einer weggeht, sondern dass wir das an unserer Außengrenze mit den Nachbarn hinbekommen.

Natürlich muss dieser Prozess geordnet und gesteuert werden. Und natürlich müssen wir daran arbeiten und wir haben ja auch daran gearbeitet, dass sich die Zahl der zu uns kommenden Flüchtlinge reduziert. Es stellt sich nur die Frage: Wie machen wir das? Ich habe immer gefragt und darüber gab es ja eine Kontroverse: Machen wir das an der deutsch-österreichischen Grenze, machen wir das an der mazedonisch-griechischen Grenze? Das hat dann nur den Nachteil, dass die Flüchtlinge in Griechenland sitzen. Griechenland hat zehnMillionen Einwohner. In Griechenland sind in den Monaten zwischen der Finalisierung des EU-Türkei-Abkommens und der Schließung der mazedonisch-griechischen Grenze von mazedonischer Seite aus 50. 000Flüchtlinge angekommen. Das müssen Sie mit acht multiplizieren, damit Sie auf die gleiche Zahl an Flüchtlingen pro Einwohner in Deutschland kommen; das wären dann also 400.000 in einem Monat. Unsere höchste Zahl in einem Monat war 211.000. Sie können sich also vorstellen, was das für Griechenland bedeutet. Griechenland ist Teil des Schengen-Raums. Griechenland ist auf Freizügigkeit angewiesen ich denke nur an die vielen Urlauber, auch wirtschaftlich.

Auch wenn wir nach Italien blicken, stellt sich wieder die Frage: Ist eine europäische Lösung eine Lösung am Brenner? Ich würde sagen: Nein. Wir müssen also versuchen, eine Lösung an den Außengrenzen des Schengen-Raums zu bekommen und nicht an irgendeinem Ort innerhalb des Schengen-Raums, sonst ist es keine europäische Lösung. Meine These ist und deshalb war es richtig, zu warten und trotzdem daran zu arbeiten, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, dass eine gemeinsame Währung und ein gemeinsamer Binnenmarkt nur dann funktionieren können, wenn wir auch wirklich die Außengrenzen schützen und im Inneren Freizügigkeit lassen. Das ist in unserem tiefsten wirtschaftlichen Interesse; und darum ging und geht es. Gleichzeitig müssen wir die Fluchtursachen bekämpfen und legale Wege finden, wie Menschen zu uns kommen können aber über von Staaten bestimmte, und nicht von Schleppern determinierte Wege.

Jetzt werden wir das, was wir mit der Türkei getan haben, auch mit vielen anderen Ländern tun müssen. Die Europäische Kommission hat einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Wir müssen mit afrikanischen Ländern reden, mit Ägypten und auch mit Libyen das schließt dort das Werben um eine Einheitsregierung mit ein, etwa auch mit dem Niger und anderen Ländern, über die oder aus denen Flüchtlinge kommen, so dass klar wird: Wir als Staaten bestimmen, wer zu uns kommt, welche humanitären Kontingente es gibt und wo es in unserem Interesse ist, Einwanderung von Fachkräften zu haben. Es bestimmen aber nicht Schlepper und Schmuggler über diese Themen.

Das hat jetzt einige Monate gedauert, ja, aber ich glaube, es war den Einsatz wert. Wir sind auch noch nicht am Ende dieser Arbeit. Denn gerade, was die afrikanische Küste anbelangt, haben wir noch sehr viel zu tun. Die Bedingungen dort sind hinreichend kompliziert. Außerdem wissen heute per Handy eigentlich alle Menschen, wie es woanders ist und wie sie ihr Leben gegebenenfalls auch anders führen könnten. Wir werden mehr für Entwicklungshilfe ausgeben müssen, wir werden uns um die Konflikte in unserer Nachbarschaft stärker kümmern müssen, wir werden mit dafür sorgen müssen, dass Menschen dort, wo sie geboren sind und wo sie leben, vernünftiger leben können als heute, und wir werden mit unseren afrikanischen Kollegen verstärkt über gute, transparente Regierungsführung und vieles andere mehr sprechen.

Das gesagt habend, kann ich mich noch kurz und stichpunktartig einigen innenpolitischen Dingen zuwenden. Über den Arbeitsmarkt habe ich gesprochen. Wir investieren nach wie vor viel in Innovation und Forschung wir sind mit unseren Ausgaben für Forschung und Entwicklung nahe an dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts, müssen allerdings sagen, dass es inzwischen Länder wie Korea oder Israel gibt, die vierProzent ausgeben. Das heißt, wir müssen bei den Innovationen sehr stark dranbleiben.

Wir haben das große Thema erneuerbare Energien. Mit der letzten Gesetzesnovelle sind wir ein ganzes Stück vorangekommen; der Kabinettsbeschluss ist diese Woche gefasst worden. Von der staatlichen Festsetzung von Preisen für die Vergütung von Strom aus Windenergie oder Biomasse gehen wir jetzt zu Ausschreibungen über. Das heißt, wir machen einen kräftigen Schritt in Richtung marktwirtschaftlicher Mechanismen. Das ist eine gute Botschaft. Wir erleben allerdings auch, dass die Koordinierung von Netzausbau und dem Anwachsen möglicher Leistungen im Bereich der erneuerbaren Energien nicht gut funktioniert. Deshalb haben wir im Erneuerbare-Energien-Gesetz jetzt auch zum ersten Mal eine Verbindung zwischen Netzausbau und Ausschreibungsmengen insbesondere im Norden hergestellt. Das hat die Bundesländer im Norden nicht so erfreut, aber es hat ja keinen Sinn, Strom zu produzieren, der zum Schluss nicht bei denen ankommt, die ihn auch wirklich verbrauchen.

Die Tatsache, dass uns die Europäische Kommission sozusagen angehalten hat ich sage es einmal vorsichtig, Unbundling zu betreiben, das heißt, Stromerzeugung und -netze voneinander zu entkoppeln, hilft uns beim koordinierten Ausbau von Netzen und Energiekapazität nicht richtig. Wir müssen das aber lernen. Und deshalb muss die Politik hierbei eine steuernde Funktion einnehmen. Darüber wird auch noch manche Schlacht im parlamentarischen Verfahren zu schlagen sein. Jedenfalls ist das Thema Kostengünstigkeit oder Kostenvertretbarkeit, sage ich einmal beim Strom natürlich ein zentrales für Ihre Unternehmen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen also: Es ist im politischen Bereich weiterhin viel zu tun. Es gibt viele kontroverse Diskussionen. Gerade auch das Thema Flüchtlinge hat viele solcher Kontroversen ausgelöst. Ich habe Ihnen meine Sicht der Dinge dargestellt, möchte aber nicht schließen, ohne den vielen Menschen die es sicherlich auch unter Ihnen und in Ihren Betrieben gibt, die mit Hand angelegt haben und die geholfen haben, ein herzliches Dankeschön zu sagen. Trotz aller Aufgaben, die durch die vielen zu uns gekommenen Menschen zu leisten sind, ist nach wie vor eine sehr große Prozentzahl der Deutschen bereit, Menschen, die wirklich vor Not fliehen, die wirklich vor Krieg fliehen, Hilfe zu leisten. Dafür mein herzliches Dankeschön.

Ansonsten könnte ich jetzt noch lange über Integrationsaufgaben sprechen; das mache ich aber nicht. Wir werden weiter auf Sie setzen, also darauf, dass Sie Familienunternehmer sind, die sozusagen zum Charakter unseres Landes gehören, und werden versuchen, Ihnen im Rahmen unserer Anstrengungen erträgliche bis gute Wirtschaftsbedingungen zu geben. Dazu gehört auch die politische Stabilität in unserem Land.

Herzlichen Dank.