Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 15.05.2001

Untertitel: Ich begrüße Sie ganz herzlich zur Eröffnung des 57. Weinbaukongresses und der Fachmesse "INTERVITIS / INTERFRUCTA 2001".
Anrede: Meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/07/40307/multi.htm


Anrede

Ich begrüße Sie ganz herzlich zur Eröffnung des 57. Weinbaukongresses und der Fachmesse "INTERVITIS / INTERFRUCTA 2001".

Der Stuttgarter Killesberg ist in dieser Woche das internationale Forum, auf dem Experten aus den Obst- und Weinbaubetrieben, den Wein- und Sektkellereien, den Wein- und Obstbrennereien und der Fruchtsaftindustrie zusammenkommen.

Mehr als 700 Aussteller aus dem In- und Ausland präsentieren einem internationalen Fachpublikum zukunftsweisende Trends und Innovationen, insbesondere in den Schwerpunktbereichen Anbautechnik sowie Verarbeitung und Vermarktung bei Wein und Fruchtsaft.

Ich bin sicher, als weltweit bedeutendste Fachmesse ihrer Art wird die "INTERVITIS / INTERFRUCTA 2001" deutliche Impulse für die Zukunft geben.

es gibt im Zusammenhang unseres Themas ein schönes Zitat von Bertolt Brecht.

Der schreibt, im "Leben des Galilei" : Zu einem alten Wein oder einem neuen Gedanken könnte er nicht nein sagen."

Ich meine, das trifft es doch ziemlich.

Wir haben es mit Qualität und Genuss zu tun, und mit der ständigen Herausforderung zu neuem Denken.

Dies gilt im besonderen Maße für den Obst- und Weinbau. Auch hier wird der internationale Wettbewerb härter, der Innovationsdruck erhöht sich. Es werden neuen Techniken eingeführt, und die Konsumgewohnheiten verändern sich.

Und doch wird es bei aller Notwendigkeit von Neuerungen und Veränderungen darauf ankommen, die traditionell hohe Qualität der Erzeugnisse und Verfahren zu pflegen.

Bei allen neuen Konzepten und Vermarktungsideen wird stets die Qualität unserer Obst- und Weinbauerzeugnisse den Ausschlag geben.

Der Weinbau in Deutschland hat eine fast 2000-jährige Tradition. Wir haben die nördlichsten zusammenhängenden Weinbaugebiete der Welt.

Dort gedeihen Weine mit einem durch das Klima geprägten, unverwechselbaren Charakter. Die hohe, auch internationale Anerkennung etwa deutscher Riesling-Weine zeigt, welch große Erfolge man erzielen kann, wenn dieser besondere Charakter liebevoll und kenntnisreich kultiviert wird.

Deutschland ist sowohl klassischer Weinerzeuger als auch Verbraucherland: Mit rund 10 Millionen Hektolitern wird etwa so viel Wein importiert, wie deutsche Winzer selbst erzeugen.

Aber die deutschen Winzer müssen sich mit ihren Produkten keineswegs hinter der Konkurrenz aus dem sonnigeren Ausland verstecken.

Ich hatte Anfang März in Berlin Gelegenheit, mich auf einer Weinpräsentation mit Winzern aus allen deutschen Anbaugebieten abermals von der Vielfalt und hervorragenden Qualität deutscher Weine zu überzeugen.

Was dort an Spitzenqualitäten - sowohl bei den Weiß- als auch bei den Rotweinen - vorgestellt wurde, hat mich sehr beeindruckt.

Es könnte sich deshalb ruhig noch ein bisschen stärker herumsprechen: Deutsche Winzer erzeugen Spitzenweine, die - egal ob weiß oder rot - jeden Vergleich mit Spitzenqualitäten anderer renommierter Weinbauländer aufnehmen können.

Auch von unserer Seite aus versuchen wir als Bundesregierung dafür etwas zu tun - ob bei offiziellen Regierungsanlässen, oder bei Empfängen unserer Botschaften im Ausland.

Jedenfalls nehmen wir die Gelegenheiten wahr, unseren Gästen und ausländischen Weinfreunden die guten Traditionen und hohe Qualität deutscher Weine näher zu bringen.

Meine Damen und Herren,

wir alle wissen, dass es im deutschen Weinbau auch weniger erfreuliche Zeiten gegeben hat. Deshalb ist die Verbindung von "altem Wein" und "neuen Gedanken" so wichtig.

Denn damals haben vorausschauende Winzer erkannt, dass es auf die Dauer nicht reichen wird, die Massennachfrage mit teilweise schon industriell hergestellter Massenware zu befriedigen - von den Schummeleien, die sich manche damals haben zuschulden kommen lassen, will ich hier gar nicht reden.

Diese vorausschauenden Winzer haben erkannt, dass eine stärkere Qualitätsprofilierung deutscher Weine unerlässlich war.

Sie haben sich auf alte Traditionen des Weinbaus und Kelterns besonnen, und sie haben damit sehr schnell eine begeisterte Kundschaft und viele gute Nachahmer gefunden.

Elementare und unabdingbare Voraussetzung sind dabei kleine Hektar-Erträge."Klasse statt Masse" ist ja nicht nur ein Slogan, der für die dringend nötige Neuausrichtung unserer Landwirtschaft und Agrarpolitik gilt. Für den Weinbau war dieses Prinzip buchstäblich überlebenswichtig.

Natürlich bedarf es auch weiterhin konstanter Anstrengungen, um die Qualität zu halten, weiter zu verbessern und das Image zu pflegen.

Und dazu gehört eben auch die entsprechende Technik, über die sich auf dieser Messe gut 60.000 Besucher aus rund 50 Ländern informieren werden. Die Aussteller präsentieren

kostensparende und umweltschonende Konzepte für den Obst- und Weinbau,

wirtschaftliche Lösungen für die Wein-und Fruchtsaftindustrie sowie

neue Ideen für die effektive Vermarktung von Wein und Fruchtsäften.

Meine Damen und Herren,

abgesehen von der Qualität geht es natürlich auch um die Wirtschaftlichkeit des Wein- und Obstbaus, wo ja zu allermeist in Klein- und Mittelbetrieben gearbeitet wird.

Die Bundesregierung bemüht sich mit ihrer Steuer- und Finanzpolitik, einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der Wettberwerbsfähigkeit und der Wachstumskräfte nicht nur der deutschen Wirtschaft insgesamt, sondern besonders der Klein- und Mittelbetriebe zu leisten.

Unsere Steuerreform, das bisher größte Steuersenkungsprogramm in der Geschichte Deutschlands, bietet Unternehmen und Arbeitnehmern schrittweise und für jeden berechenbar deutliche Entlastungen bis 2005. Die Senkung des Körperschaftsteuersatzes und die durchgängige Reduzierung der Steuersätze bei den Einkommen verschafft uns auch im internationalen Vergleich wieder eine ausgezeichnete Position.

Ein entscheidendes Ziel der steuerlichen Entlastung des Unternehmens-Sektors ist dabei die Stärkung der Investitionskraft der kleinen und mittleren Unternehmen.

Darum haben wir nicht nur die Tarife in der Einkommenssteuer abgesenkt, sondern de facto für die meisten Betriebe die Gewerbesteuerbelastung abgeschafft.

Damit haben wir eine alte Forderung der mittelständischen Wirtschaft erfüllt. Das allein dadurch bedingte Entlastungsvolumen für die Unternehmen beträgt in diesem Jahr rund 7 Milliarden Mark.

Insgesamt steigt der Umfang der jährlichen Entlastung für den Mittelstand bis zum Jahre 2005 auf netto rund 30 Milliarden Mark an.

Meine Damen und Herren,

Sie werden mir zustimmen, diese Zahlen können sich sehen lassen. Davon wird auch der auf dieser Messe vertretene Technologiesektor profitieren.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang gleich das Thema Pflichtpfand für Einweg-Getränkeverpackungen ansprechen.

Diese Diskussion ist nicht immer von großer Kenntnis geprägt. Ich habe schon den Eindruck, dass manch einer, der sich in diesen Tagen zu Wort gemeldet hat, einem Irrtum erlegen ist.

Die Bundesregierung hat eine Novelle vorgelegt, die dem Umweltschutz Rechnung trägt und die Rechtslage vereinfacht. Wir haben zum Beispiel berücksichtigt, dass nicht jedes Einwegsystem gegenüber Mehrwegbehältern ökologisch nachteilig ist.

Und wir haben uns nach intensiven Gesprächen mit den deutschen Winzern darauf geeinigt, Weinflaschen von der Pfandpflicht auszunehmen. Dabei soll es nach dem Willen der Bundesregierung auch bleiben.

Sollte allerdings die Novelle der Bundesregierung im Bundesrat abgelehnt werden, würde trotzdem eine Pfandpflicht eingeführt. Dann allerdings auf Grundlage der geltenden Verordnung, die noch die Vorgängerregierung beschlossen hatte.

Und dann, das muss jeder wissen, fallen auch Weinflaschen unter die Pfandpflicht. Ich hoffe sehr, dass es uns gemeinsam gelingt, das zu verhindert.

Meine Damen und Herren,

das Motto des 57. Weinbaukongresses "Zeit für Visionen - Zeit zum Handeln" ist anspruchsvoll.

Technik alleine reicht aber nicht aus; Technik kann nur Mittel zum Zweck sein, um eine gute Zukunft zu gestalten. Langfristig Erfolg wird nur haben, wer Visionen für die Zukunft hat und diese Visionen umsetzt.

Ein aktuelles Beispiel für das "Handeln" ist die Vermarktungskonzeption "Classic" und "Selection" für deutsche Weine.

Hier haben sich Erzeuger und Handel zusammengesetzt und vom Markt ausgehend geprüft, wie ein Produkt beschaffen sein muss, damit es den Vorstellungen der Konsumenten entspricht und welche Maßnahmen die Erzeuger treffen müssen, um ein solches Produkt herzustellen.

Mit diesen neuen Profilweinen kann die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Weine ganz sicher gestärkt und ausgebaut werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

angesichts der ermutigenden Perspektiven für den Wein- und Obstbau haben die hier auf der "INTERVITIS / INTERFRUCTA 2001" vertretenen Branchen wirklich allen Grund zum Optimismus.

Ich wünsche allen Ausstellern, dass sie von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung profitieren und hier auf ein an guten Geschäften interessiertes Fachpublikum treffen.

Und alle Besucher mögen von dieser Messe der Neuheiten und Ideen wertvolle Anregungen mit nach Hause nehmen.

Ich wünsche allen Ausstellern und Besuchern neue Erkenntnisse für die betriebliche Praxis, erfolgreiche Geschäfte und einen interessanten internationalen Erfahrungsaustausch.

In dieser Hoffnung heiße ich Sie alle - Besucher und Aussteller aus dem In- und Ausland - hier in der Hauptstadt des Wein- und Obstbaulandes Baden-Württemberg herzlich willkommen.

Die "INTERVITIS / INTERFRUCTA 2001" und den 57. Weinbaukongress erkläre ich damit für eröffnet.