Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 15.05.2001
Untertitel: Viele von Ihnen wissen, dass ich ein enges Verhältnis zur regionalen und lokalen Presse habe - übrigens eines, das gekennzeichnet ist durch eifriges und interessiertes Lesen.
Anrede: Sehr geehrter Herr Dr. Röhm, sehr geehrter Herr Schulte-Strathaus, meine Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/63/40663/multi.htm
Viele von Ihnen, auch Sie, Herr Schulte-Strathaus, wissen, dass ich ein enges Verhältnis zur regionalen und lokalen Presse habe - übrigens eines, das gekennzeichnet ist durch eifriges und interessiertes Lesen. Das mache ich auch jetzt immer noch, denn in den lokalen Blättern wird man wirklich informiert, erfährt man, was man aus keiner anderen Quelle erfahren kann. In der Lokalpresse wird berichtet vom Leben und von den Menschen in den Gemeinden, den Städten und in den Regionen.
Viele von denen, die hier sitzen, kenne ich, weil das Land, in dem ich acht Jahre lang die Freude hatte zu arbeiten, über eine wirklich vielfältige Presselandschaft verfügt. Wir haben immer nach Kräften dazu beigetragen, dies zumindest nicht zu behindern. Einige Ihrer Kollegen wissen das. Ich sehe natürlich mit Freude, dass schon wieder ein Niedersachse in Berlin Karriere machen soll, denn Sie werden Herrn Schulte-Strathaus aus Delmenhorst zum Chef Ihres Verbandes wählen. Es ist keine schlechte Lösung - das weiß das Land ebenso offenkundig wie die Zeitungsverleger - , wenn man einen Niedersachsen an die Spitze setzt.
Ich bin wirklich daran interessiert, dass es eine vielfältige lokale und regionale Presselandschaft gibt, und zwar nicht nur, weil bekanntlich alle Politik lokal sein soll, wie das einmal ein amerikanischer Demokrat gesagt hat. Das heißt: Das, was in der Welt geschieht oder was in der so genannten "großen Politik" entschieden wird, lässt sich herunterbrechen auf die lokalen und regionalen Verhältnisse, auf die Zusammenhänge, in denen es die Menschen erreicht und vor allem betrifft. Das gilt nicht nur für den Fall, dass beispielsweise ein örtlicher Betrieb wegen der Entwicklung der Finanzmärkte in Schwierigkeiten kommt, sondern das gilt auch für viele Entscheidungen, die im Bund oder im Land getroffen werden. Sie haben lokale und regionale Auswirkungen - Auswirkungen, die sich auf Städte und Gemeinden beziehen und damit Thema lokaler Zeitungen sind.
Die Diskussion über Bürgerkriegsflüchtlinge oder Zuwanderung ist eben nicht nur eine Diskussion, die ein nationales oder ein europäisches Thema betrifft, sondern je nachdem, wie man die Entscheidungen trifft, werden diese - wie wir hoffen: zustimmend und freundlich - in den Regionen, den Gemeinden und in den Städten lokal verarbeitet werden müssen. Damit wird ein vorgeblich abstraktes, großes, nationales Thema ein unmittelbar lokales und regionales Thema; denn die Konflikte, die entstehen können, aber auch die Freundlichkeiten sind Gegenstand der Berichterstattung in der lokalen Presse. Gegenstand heißt zugleich, dass sie als Lokalpresse mithelfen können, für ein Klima des gegenseitigen Respekts zu sorgen. An diesem Beispiel mag man merken, dass es auch eine, wenn ich so sagen darf, überregionale, nationale, europäische Verantwortung einer Presse gibt, die, was ihr Erscheinen angeht, eben nicht nur regional oder lokal ist.
Um ein anderes Beispiel zu nennen: Die Entscheidung, welchen Weg der privaten Altersvorsorge die Menschen wählen sollen, treffen die Einzelnen nicht im Bundesrat oder im Bundestag. Diese Entscheidung treffen sie auch nicht anhand von noch so gut gemeinten Broschüren, sondern sie treffen sie umso eher und umso besser, je mehr es eine auch lokale Auseinandersetzung über das Für und Wider gibt. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass Sie bei den Anzeigen, die da nötig sind, berücksichtigt werden.
Ich habe das, um das gleich einfließen zu lassen, wirklich nicht gewusst. Ich will mich nicht herausreden, aber so etwas passiert gelegentlich, wenn ein Amt eine Agentur beauftragt, die entlang von Reichweiten entscheidet, die schematisch festgestellt werden, sich aber gar nicht vergewissert, was politisch vielleicht sinnvoller wäre. Ich meine das jetzt nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern eine so wichtige, notwendige Reform muss eben auch zum Gegenstand lokaler, regionaler Berichterstattung gemacht werden. Und das heißt dann natürlich auch, dass diejenigen, die darüber berichten wollen, sollen oder jedenfalls sollten, nicht weggelassen werden können, wenn es um die wirtschaftlichen Auswirkungen geht. Also: Ich werde mich aus Freude an der Sache selbst darum kümmern und will einmal nachvollziehen, wie der Entscheidungsweg verlaufen ist. Ich werde das dem neuen Präsidenten dann mitteilen. So geht es jedenfalls nicht - darin sind wir uns wohl einig.
Ich möchte noch etwas zu ein paar weiteren Bedingungen sagen. Die Bedeutung der Lokalpresse in der Politik hat auch etwas mit einem vernünftig verstandenen Subsidiaritätsprinzip zu tun. Wir versuchen, das - so weit es irgendwie geht - in der nationalen Politik durchzuhalten. Wir versuchen aber auch, es nach Europa zu übertragen. Wir haben gerade eine große Auseinandersetzung über die europäischen Perspektiven. Ich will das hier nicht wiederholen; Sie kennen das. Aber ein Teil der Auseinandersetzung hat eben auch damit zu tun, dass wir nicht nur Entscheidungsmöglichkeiten im Sinne von mehr Integration in Europa auf Europa übertragen müssen, weil zum Beispiel eine gemeinsame Währung auf Dauer sonst nicht funktionieren kann.
Wenn Sie einen gemeinsamen Währungsraum haben, dann können Sie keine Wirtschafts- und Finanzpolitik machen, die der Gemeinsamkeit des Währungsraumes widerspricht. Das hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Stabilität und Perspektive der Währung. Das heißt, die seinerzeit getroffene Entscheidung für den Euro erzwingt nicht weniger, sondern mehr europäische Koordination in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen.
Auf der anderen Seite ist für mich genauso wichtig, dass der schöne alte Satz gilt, dass das, was sehr viel besser lokal, regional oder auch im nationalen Maßstab entschieden werden kann, nicht in Brüssel entschieden werden muss. Das heißt, wir werden sowohl mehr europäische Kompetenzen als auch mehr dezentrale benötigen. Wir brauchen auch - und wir müssen das durchsetzen - die Rückübertragung von Entscheidungsmöglichkeiten, weil lokal, regional oder national sehr viel näher an den Menschen entschieden werden kann als etwa im fernen Brüssel. Das ist keine vordergründige Brüssel-Kritik, die ich damit äußere, sondern eine staatsrechtliche Notwendigkeit.
Das bedeutet aber zugleich, dass ein Teil der politischen Auseinandersetzung, die es um solche Entscheidungen immer gibt, in lokale und regionale Blätter zurückgeholt wird. Das ist keine schlechte Sache, wenn man weiß, dass die Lebendigkeit des politischen Prozesses immer auch Attraktivität für Wählerinnen und Wähler, aber auch für Leserinnen und Leser - und das betrifft dann Sie - bedeutet. Eine solche strikte Orientierung an der Subsidiarität ist deswegen gut für den politischen Prozess und inhaltlich richtig.
Weil ich eine der Reden vermeiden will, auf die Sie hingewiesen haben, möchte ich mich mit den Punkten auseinander setzen, die Sie genannt haben:
Der erste Punkt, der für Sie sicherlich wichtig ist, betrifft das Urheberrecht. Sie haben einen Entwurf zitiert, nämlich den Professorenentwurf, der so, wie er ist, nicht Gesetz werden wird. Warum nicht? - Er wird deshalb nicht so Gesetz werden, weil es kein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Rechten der Autoren und den Notwendigkeiten insbesondere kleiner und mittlerer Verlage gibt.
Was werden die Punkte sein, über die wir übrigens sehr intensiv mit den Verbänden gesprochen haben? Es ist wahr: Es wird einen Rechtsanspruch auf eine angemessene Vergütung geben. Das ist Kern des neuen Urheberrechtes. Das ist in Europa übrigens weitgehend realisiert. Aber die entscheidende Frage ist nicht, ob es diesen Anspruch gibt, denn Sie wollen Ihre freien Autoren ja nicht unentlohnt lassen. Die Forderung habe ich von Ihnen jedenfalls nicht so verstanden, Herr Röhm. Gegen diesen auch heute schon bestehenden Anspruch eines Autors - egal, in welchem Verhältnis er zu Ihnen steht - ist nichts einzuwenden. Die entscheidende Frage ist doch: Wie stellt man die Angemessenheit der Entlohnung fest? Diesbezüglich haben Sie einen Punkt kritisiert. Ich sage Ihnen gerne, dass wir nachdem, was wir miteinander vereinbart haben und was auch eingehalten werden wird, die Angemessenheit feststellen werden, und zwar durch Verbändeempfehlungen, also durch das, was auch Ihr Verband für angemessen hält und was auf der anderen Seite etwa der Schriftstellerverband - oder wer immer Partner in einem Dialog und Entscheidungsprozess sein muss - für angemessen hält.
Nun kann es natürlich sein, dass diese Verbändeempfehlungen differieren - das ist sogar wahrscheinlich. Die Frage ist, wie das dann geregelt wird. Der Staat will das nicht regeln. Ich habe keine Lust - und auch sonst niemand aus meinem Kabinett - , zu entscheiden, was nun gelten soll. Denn Prügel gäbe es von einer Seite immer - wahrscheinlich sogar, wenn man zu einer Entscheidung käme, von allen Seiten. Und die - das werden Sie mir nachsehen - möchte ich möglichst vermeiden, obwohl es, wie man immer wieder lesen kann, nicht ganz vermeidbar ist. Das ist zwar ungerecht, aber das ist Teil unseres Jobs. Es wird also ein Schiedsgericht geben - über dessen Zusammensetzung wir uns längst geeinigt haben - , das im Fall kontroverser Entscheidungen eine solche Positionsbestimmung vorzunehmen hätte. Wir haben auch über eine Reihe anderer Dinge gesprochen, zum Beispiel über die Reichweite des Gesetzes. Das betrifft viele, die in anderen Metiers produzieren, etwa Filmproduzenten. Wir haben dort völlig einvernehmliche Regelungen gefunden.
Im Übrigen will ich Ihnen hier auch gerne einräumen, warum wir zum Beispiel bei den Verbändeempfehlungen differenzieren müssen. Sie haben nämlich völlig Recht. Wenn Sie entlang dessen bezahlen müssen, was eine Gewerkschaft mit einem Großverlag ausgehandelt hat, der das ohne Weiteres kann, dann kämen Sie als kleine und mittlere Verlage natürlich in größere Schwierigkeiten als der Großverlag, und wir hätten auf diese Weise die Wettbewerbssituation zu Ihren Lasten verschärft. Da wir daran kein Interesse haben, wird es eine sehr differenzierte Regelung geben, was die Verbandsempfehlungen angeht. Sie wissen, dass Ihre Experten und die Bundesjustizministerin in einem sehr engen Gespräch sind. Ich hoffe, dass wir einen befriedigenden Entwurf noch vor der Sommerpause auf den Weg bringen können. Ich rechne jedenfalls nicht mit einem Großkonflikt, zumal ein anderes, für Sie nicht ganz unwichtiges Thema in diesem Zusammenhang mitgelöst werden wird, nämlich die Frage, wie das mit der Presseverwertungsgesellschaft ist. Ich denke, dass Sie an diesem Punkt merken, wie sehr unser Herz doch für die kleinen und mittleren Verlage schlägt. Wir erwarten dafür auf der nächsten Verbandstagung ein dickes Lob in der Rede des nächsten Präsidenten - das ist die mindeste Erwartung, die man haben kann.
Zum 630 DM -Gesetz: Ich weiß - und ich habe mich gelegentlich darüber verbreitet - , dass das insbesondere die Verlage schmerzt. Ich kann Ihnen aber mehr als eine Vereinfachung im Verfahren nicht anbieten, glaube aber, dass die Probleme, die wir am Anfang damit hatten, doch weitgehend gelöst sind.
Wir müssen Verwaltungsvereinfachungen durchsetzen. Da sind Sie in Gesprächen mit den entsprechenden Stellen. Das wird wahrscheinlich auch positiv abgeschlossen werden können. In der Sache selber haben die Veränderungen beim 630 DM -Gesetz dazu geführt, dass rund - und darauf hat der Arbeitsminister hingewiesen - vier Millionen ehemals nicht registrierter Beschäftigungsverhältnisse sozialversicherungspflichtig sind. Das ist im Grunde ein Teilzeitmarkt geworden, wenn Sie so wollen. Wenn man diesen Teilzeitarbeitsmarkt vernünftig regeln will und aus objektiven wirtschaftlichen Interessen eher ausdehnen als einschränken muss, dann kann man da nicht differenzieren. Dann sind die Möglichkeiten, einem mit nachvollziehbaren Gründen argumentierenden Interessenverband eine Ausnahmegenehmigung zu geben, sehr, sehr begrenzt. Es gibt nämlich ganz viele - denken Sie an den ganzen Bereich der Gaststätten - , die dann mit ähnlicher Argumentation Ausnahmen forderten. Und über die Summierung der Ausnahmeregelung hätten Sie das, was eigentlich intendiert war, außer Kraft gesetzt. Das ist der Grund, warum ich Ihnen nicht entgegenkommen kann. Aber ich wollte Ihnen wenigstens erklären, warum nicht.
Zu der Frage der Vergabe der Anzeigen habe ich bereits etwas gesagt. Ich werde mit dem Leiter der Behörde und dem Sprecher der Bundesregierung reden. Es kann auch einmal sein, dass eine bestimmte Kampagne nicht in die Lokalpresse passt, aber sie sollen jedenfalls berücksichtigt werden.
Sie haben dann auf die Steuerpolitik hingewiesen und da wieder eine alte Legende verbreitet, die von vielen Verbänden - auch von dem Verband von Herrn Däke - natürlich tatkräftig verbreitet wird. Das ist nämlich die Legende, bei der Steuerreform sei der Mittelstand benachteiligt worden. Das ist schlicht nicht richtig. Warum ist das nicht richtig? Wir haben in einzelnen Stufen eine sowohl auf die Nachfrageseite als auch auf die Angebotsseite bezogene Steuerreform gemacht. Bei der Nachfrageseite ging es darum, gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch Reduzierung der Steuern bei den abhängig Beschäftigten zu stärken. Das ist gelungen. Alle Zahlen belegen, dass wir zwar auf Grund der außenwirtschaftlichen Situation etwas weniger Wachstum haben als im Vorjahr, dass es aber sehr wohl zu einer Stabilisierung der Binnenkonjunktur nicht zuletzt durch die Steuerreform gekommen ist beziehungsweise kommen wird.
Was haben wir auf der Angebotsseite gemacht? Das ist die Seite, die Sie angesprochen haben und die die Großunternehmen und den Mittelstand betrifft. Wir haben - das ist richtig - bei den Körperschaften, also vor allen Dingen bei den Aktiengesellschaften, einen Steuersatz von 25 Prozent eingeführt. Dies ist ein Steuersatz, der die Großunternehmen, um die es dabei geht, wirklich international wettbewerbsfähig macht. Auf diesen Steuersatz kommen im Durchschnitt etwa 13 Punkte Gewerbeertragssteuer.
By the way: Die Gewerbekapitalsteuer ist abgeschafft worden - übrigens mit Zustimmung der SPD. Wir hatten damals im Bundesrat eine Mehrheit und hätten sie durchaus anders nutzen können, aber wir haben sie ebenso wie ein paar Vernünftige jetzt bei der Rente genutzt, um die Gewerbekapitalsteuer, die eine Substanzsteuer ist, abzuschaffen.
Wie ist das nun aber bei der Gewerbeertragssteuer? Diese gibt es noch und die Großunternehmen müssen zahlen. Sie zahlen 38 Prozent, die Summe aus Körperschafts- und Gewerbesteuer. Bezogen auf diesen Steuersatz und bezogen auf die Unternehmen, die nach Körperschaftssteuerrecht veranlagt werden, sind diese 38 Prozent eine Definitivbesteuerung. Das heißt, sie werden von der ersten Mark an fällig. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Das müssen sie zahlen.
Und wie ist das nun bei den kleinen und mittleren Betrieben, die Personengesellschaften sind? Sie wissen so gut wie ich, dass diese Personengesellschaften nicht nach Körperschaftssteuerrecht, sondern nach Einkommenssteuerrecht veranlagt werden. Der Spitzeneinkommenssteuersatz liegt zur Zeit bei 48,5 Prozent. Wir werden ihn bis 2005 auf 42 Prozent runterbringen. Einigen ist das zu spät. Aus deren Interesse heraus kann ich es nachvollziehen. Aber aus dem Interesse des Staates, der auf allen Ebenen Leistungen anzubieten hat, muss ich es zurückweisen.
Wie verhält es sich nun bei denen, die zur Einkommenssteuer veranlagt werden, mit der Gewerbeertragssteuer? Früher wäre sie dazu gekommen. Es gab aber eine alte Forderung gerade der mittelständischen Unternehmen. Diese alte Forderung lautete: Liebe Leute, Gewerbeertragssteuer ist Substanzbesteuerung. Darum muss sie weg. Auf der anderen Seite gab es die Forderungen der Kommunen, die Gewerbeertragssteuer wegen der kommunalen Infrastruktur zu erhalten.
Was haben wir gemacht? Wir haben tatsächlich Beides zusammengebracht. Wir haben nämlich die Gewerbeertragssteuer zwar nicht rechtlich, aber faktisch abgeschafft. Und wir haben sie zu unseren Lasten abgeschafft, nicht zu Lasten der Kommunen. Denn vom Spitzensteuersatz von gegenwärtig 48,5 Prozent können bis zu einem Pauschalsatz von 360 Punkten die Gewerbeertragssteuerlasten abgezogen werden. Das kann man nun nicht bestreiten.
Wenn man im Durchschnitt von 13 Punkten ausgeht, landet man bei einem zu zahlenden Steuersatz, der unter dem der Körperschaften liegt. Jetzt kommt das Interessante: Die Einkommensbesteuerung ist nicht Definitivbesteuerung, sondern ist Grenzbesteuerung. Deswegen ist das, was Sie zur Steuerreform bezogen auf den Mittelstand gesagt haben, wirklich nicht richtig. Ich stelle das darum auch klar. Es gibt allerdings einen Hinweis, mit dem das bestritten wird. Der lautet: Wir haben wegen der hohen Freibeträge die Gewerbeertragssteuer gar nicht bezahlt. Da muss ich Ihnen sagen: Steuern, die Sie nicht bezahlt haben, kann ich Ihnen nicht erlassen. Es wäre verdammt schwer, wenn man das machen wollte.
Wenn man das einmal in Ruhe betrachtet, können wir vielleicht streiten, ob das Datum 2005 zu weit entfernt ist. Darüber streiten wir ja auch. Das kann man mit guten Argumenten tun. Ich stelle dem nur entgegen, dass der Staat auf allen Ebenen von den gleichen Menschen, die die Reduzierung der Steuern einfordern, zu Leistungen angehalten wird. Es ist übrigens in den einzelnen Lebensabschnitten sehr unterschiedlich, worauf man mehr Wert legt.
Ist man relativ jung, dann legt man Wert auf Investition in Ausbildung, in Bildung. Ist man etwas älter, legt man darauf auch Wert, aber vielleicht stärker darauf, dass es eine vernünftige Förderung bei der Altersversorgung, beim Erwerb von Wohnungseigentum gibt. Ist man noch ein bisschen älter, kümmert man sich doch stärker um Fragen der inneren Sicherheit, weil man ängstlicher wird. Je nachdem, in welchem Lebensabschnitt man ist, hat man immer im Schwerpunkt Forderungen, die auf die Ausstattung der Infrastruktur gerichtet sind. Und immer ist diese Infrastruktur mit staatlicher Finanzierung verbunden. Ich erwarte nicht, dass Sie keine Kritik mehr äußern. Aber ich möchte Sie einfach nur bitten, diese verschiedenen und, für sich genommen, begründeten und verständlichen Anforderungen an den Staat mit zu berücksichtigen.
Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen: Ich hoffe, ich habe deutlich machen können, dass mir und uns das Schicksal kleinerer, mittlerer Verlage und deren Zeitungen und Zeitschriften wirklich am Herzen liegt. Zwar werden sie niemals so schnell informieren können wie die elektronischen Medien. Aber ich persönlich bin davon überzeugt, dass es gerade in einer Zeit der Beschleunigung und des rasanten Wandels ganz viele gibt, die auf ihre Zeitung nicht verzichten wollen, weil eine Zeitung Ordnung in die Fülle der Informationen bringt, weil sie über Hintergründe berichtet, weil man sich beim Lesen Zeit nehmen und alles noch einmal nachlesen kann. Insofern bin ich davon überzeugt, dass die lokalen und regionalen Zeitungen nicht nur irgendeine Zukunft haben, sondern dass sie für die Integration unseres Gemeinwesens einen eher noch höheren Stellenwert haben werden.