Redner(in): Monika Grütters
Datum: 21. September 2017
Untertitel: Bei der Eröffnung der internationale Konferenz für Archive zur Dokumentation moderner und zeitgenössischer Kunst hat Kulturstaatsministerin Grütters deren Arbeit gewürdigt. Als "Gedächtnis des Kunstbetriebs" seien sie wichtig für Kunsthistoriker, Museen und als Vermittler zwischen Kunstbetrieb und Kunstwissenschaft. Daneben sei die Arbeit auch Ausdruck für die große gesellschaftliche Wertschätzung für Kunst und Kultur.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2017/09/2017-09-21-bkm-State%20oft%20he%20Art%20Archives-Konferenz.html
Bei der Eröffnung der internationale Konferenz für Archive zur Dokumentation moderner und zeitgenössischer Kunst hat Kulturstaatsministerin Grütters deren Arbeit gewürdigt. Als "Gedächtnis des Kunstbetriebs" seien sie wichtig für Kunsthistoriker, Museen und als Vermittler zwischen Kunstbetrieb und Kunstwissenschaft. Daneben sei die Arbeit auch Ausdruck für die große gesellschaftliche Wertschätzung für Kunst und Kultur. Die Suche nach dem verlorenen Archiv ": Mit dieser Zeile war in der FAZ vor einigen Jahren ein Artikel über eine umfangreiche Dokumentation der Geschichte des legendären Berliner Kunstsalons Cassirer überschrieben. Einige von Ihnen kennen die bisher erschienenen ( zwei ) Bände dieses Werks bestimmt, das in den Feuilletons als" Ereignis der Kunstgeschichtsschreibung " gefeiert wurde. Das Besondere daran ist nicht nur ihr Inhalt, ist nicht nur die Fülle der 1.100 Farbabbildungen, die die Hauptwerke aus dem Galerieprogramm zeigen. Außergewöhnlich ist auch die Entstehungsgeschichte dieser Publikation: Ein Großteil des Firmenarchivs war nach 1933 verloren gegangen - Ausstellungskataloge genauso wie Geschäftsakten. Die Geschichte einer Galerie, die Anfang des 20. Jahrhunderts maßgeblich zur Entwicklung Berlins zur Kunstmetropole beigetragen hat, blieb deshalb Jahrzehnte lang ungeschrieben - bis der Kunsthändler Walter Feilchenfeldt und der Literaturwissenschaftler Bernhard Echte sich für ihre 2011 erschienene Dokumentation alternative Quellen suchten: In mühsamer Kleinarbeit durchforsteten sie zehn Jahre lang die Feuilletons damaliger Tageszeitungen nach Ausstellungskritiken und -beschreibungen, um die Cassirerschen Schauen zu rekonstruieren.
So offenbart dieses Werk im Nachhinein auch noch einmal den immensen Verlust, der mit dem Verschwinden einschlägiger Geschäftsunterlagen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten einherging: Unwiederbringlich verloren ist, was die in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Pionierarbeit von Berliner Kunsthändlern hätte anschaulich machen können, die Berlin vor 1933 zum Nabel der Kunstwelt machten und die damals "junge" europäische Kunst in die deutsche Hauptstadt brachten ( und übrigens nicht zuletzt auch Max Liebermann, dem einstigen Eigentümer dieses Hauses, ein Forum boten ) .
Pionierarbeit für die Rezeption zeitgenössischer Kunst leisten Galerien und Kunsthändler als Vermittler zwischen Künstlern und Kunstliebhabern vielfach auch heute. Doch zum Glück braucht es heute keine "Suche nach dem verlorenen Archiv", kein mühsames Zusammentragen von Zeitungsartikeln, um diese Pionierarbeit für die Nachwelt sichtbar zu machen. Denn die gegenwärtige und künftige kunsthistorische Forschung kann auf die Bestände von Kunstarchiven zugreifen: auf Ihre Arbeit, meine Damen und Herren, die uns vor eben solchen Verlusten bewahrt, von denen die Dokumentation über den Kunstsalon Cassirer erzählt.
Als Gedächtnis des Kunstbetriebs bleiben Archive üblicherweise allerdings eher im Hintergrund, und allein schon deshalb freue ich mich sehr, dass die "State of the Art Archives" -Konferenz die Leistung deutscher und internationaler Kunstarchive zumindest für drei Tage ins Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit rückt. Vielen Dank für die Einladung, lieber Klaus-Gerrit Friese, und vielen Dank dem Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung ( ZADIK the Art Archives " -Konferenz die Leistung deutscher und internationaler Kunstarchive zumindest für drei Tage ins Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit rückt. Vielen Dank für die Einladung, lieber Klaus-Gerrit Friese, und vielen Dank dem Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung ( ZADIK ) und seinen Kooperationspartnern - dem Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln, dem Institut für moderne Kunst Nürnberg sowie der basis wien, Dokumentationszentrum für zeitgenössische Kunst - für die Ausrichtung dieser Konferenz, die nationalen und internationalen Kunstarchiven ein Forum zur Präsentation ihrer Arbeitsschwerpunkte bietet! Was für ein schönes Geschenk zu einem gleich dreifachen Gründungsjubiläum, das die Veranstalter sich selbst und allen kunsthistorisch Forschenden, ja allen Kunstinteressierten damit machen! Denn nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Museen profitieren enorm davon, dass weltweit zahlreiche Kunstarchive den stummen Zeugen des künstlerischen Zeitgeschehens eine Bleibe bieten: dem Schriftverkehr zwischen Künstlerin, Galeristen, Museen und Sammlern, den Ausstellungsunterlagen, den Inventar- und Preislisten usw. - all den Materialien, die erzählen, wie zunächst unbekannte Künstler berühmt wurden, die in traditionellen kunsthistorischen Archiven und Bibliotheken aber keinen Platz finden und die deshalb ohne Ihr Engagement, meine Damen und Herren, für die Nachwelt möglicherweise verloren wären.
All das aufzubewahren liegt nicht nur im Interesse von Kunsthistorikern. Wie ein Land mit seinem kulturellen Erbe und mit dem Vermächtnis derjenigen umgeht, die seine geistige und kulturelle Entwicklung prägen, sagt auch viel aus über die gesellschaftliche Wertschätzung für Kunst und Kultur und damit über die Verfasstheit einer Demokratie. Deshalb darf man es getrost als Ausweis gesellschaftlichen Fortschritts bezeichnen, dass in den vergangenen 25 Jahren weltweit so viele Kunstarchive neu entstanden sind, die sich als Vermittler zwischen Kunstbetrieb und Kunstwissenschaft etabliert haben. Beispielhaft dafür steht das ZADIK, das Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung - nicht nur, weil es vor exakt 25 Jahren gegründet wurde, sondern auch, weil es Maßstäbe hinsichtlich der Qualität der Bestände wie auch hinsichtlich der Professionalität ihrer Erschließung gesetzt hat, und weil es sich mit seinen Kooperationen internationales Renommee erworben hat. Der "Preis der Art Cologne" 2017 für den Leiter des Archivs, Professor Günter Herzog, ist eine verdiente Anerkennung für die vorbildliche wissenschaftliche Arbeit. Schön, dass auch mein Haus das ZADIK in den vergangenen Jahren immer wieder fördern konnte: zunächst ( bis 2002 ) mit Mitteln des so genannten Bonn-Berlin-Ausgleichs, später durch Beteiligung an konkreten Projekten: zum Beispiel 2017/2018 an der Erschließung des für die Fotografiegeschichte bedeutsamen Nachlasses Klaus Honnef. Zu Deinen großen Verdiensten, lieber Klaus Gerrit, gehört es, für die positive Entwicklung des ZADIK immer wieder die erforderlichen Mittel eingeworben zu haben.
Die laufende Förderung solcher Archive ist ja in Deutschland Sache der Länder und Kommunen; es gibt hier keine "Kompetenz" des Bundes. Deshalb muss das finanzielle Engagement meines Hauses für das Archiv für Künstlernachlässe der Stiftung Kunstfonds in Brauweiler bei Köln eine Ausnahme bleiben. Zumindest zwei kulturföderalistisch erlaubte Umwege gibt es in Deutschland aber, über die auch der Bund unterstützen kann: Mein Haus fördert sowohl die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts ( KEK ) als auch den Deutschen Museumsbund - und damit zwei Institutionen, deren Unterstützung sowohl bestehende als auch in Gründung befindliche Archive zur Sicherung dokumentarischer und künstlerischer Nachlässe in Anspruch nehmen können.
Jenseits der Erkenntnisgewinne für Ihre Arbeitspraxis, meine Damen und Herren, die in den nächsten Tagen im Mittelpunkt stehen werden, wirft diese Konferenz auch ein Licht auf die Werte, die im Kunstbetrieb von Bedeutung sind. Denn Ihre Arbeit zeigt, dass es dort eben nicht nur um die erzielten Preise, sondern auch um die Bedeutung von Künstlerinnen und Künstlern und ihren Werken für eine bestimmte Zeit, für eine bestimmte Region, für ein bestimmtes Land und dessen Geschichte und Identität geht - um Werte, die über die Zeit hinaus Bestand haben. Zum Künstlerdasein gehört, frei nach Heinrich Böll gesprochen, immer auch "eine bestimmte Art verrückten Mutes - der Wunsch, diesem unendlichen Ozean von Vergänglichkeit einen freundlichen oder zornigen Fetzen Dauer zu entreißen". In diesem Sinne hoffe ich, dass die "State of the Art Archives" -Konferenz zur Auseinandersetzung mit dem Wert der Kunst und der Bedeutung des kulturellen Erbes in einem "Ozean der Vergänglichkeit" anregt, und all jenen, die mit den Vermächtnissen von Künstlern, Galeristen und Sammlern zu tun haben, dabei hilft, diesem Ozean der Vergänglichkeit "einen Fetzen Dauer" abzutrotzen. Ich wünsche Ihnen dafür inspirierende Vorträge, Gespräche und Begegnungen!