Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 07.06.2001

Untertitel: "Wir befinden uns mitten im Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zur Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts."
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/35/50035/multi.htm


Sehr geehrter Herr Güllmann, liebe Kerstin Griese, sehr geehrte Damen und Herren,

wir befinden uns mitten im Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zur Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Gerade hier - in NRW - sind die Folgen dieses Wandels besonders gut zu erkennen. Wo früher Kohle und Stahl wirtschaftlich ganze Regionen prägten, dominieren heute hochmoderne Technologie- und Dienstleistungszentren.

Mitten im Ruhrgebiet, in Gelsenkirchen, steht heute die größte Solarzellenfabrik Europas. Ein traditioneller Industriestandort wie Köln hat sich mittlerweile zum größten Medienzentrum in Europa entwickelt. Und nirgends in Deutschland gibt es eine solche Hochschuldichte wir hier in NRW.

War in der Agrargesellschaft Boden, in der Industriegesellschaft Kapital der limitierende Faktor für Wachstum und Beschäftigung, so sind inzwischen der Mensch und seine kreativen Potenziale die Erfolgsfaktoren. Köpfe und Können sind die entscheidenden Rohstoffe des 21. Jahrhunderts.

In den Leitmärkten der Informations- und Wissensgesellschaft wird die Qualifikation vor dem Faktor Kapital die Ressource sein, auf die sich Erfolg gründet; individueller Erfolg und der Erfolg einer Volkswirtschaft.

Doch die Rohstoffe Wissen und Qualifikation sind, anders als fruchtbare Felder oder ergiebige Kohleflöze nicht ortsgebunden.

Bildung und Ausbildung sind deshalb entscheidende Faktoren für die Zukunft unseres Landes. Investitionen in diesem Bereich sind der wohl wichtigste Beitrag, Wettbewerbsfähigkeit und damit Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Wir brauchen ein Bildungswesen, das weit besser ist als das heutige. Ein Bildungswesen, das sich auch einem internationalen Wettbewerb mit Erfolg stellen kann.

Unsere Schulen müssen mehr vermitteln als Wissen und technische Fertigkeiten: Kompetenz sowie die Fähigkeit der Bewertung und Verknüpfung von Informationen. Wir brauchen deshalb bundesweit, in Kommunen und Ländern, in Schulen, Universitäten und Unternehmen, eine neue Bildungsbegeisterung.

Das ist zugleich eine Kernfrage sozialer Gerechtigkeit und die Überlebensfrage der auf hohe Qualifikationen angewiesenen Zukunftsbranchen.

Jeder Mensch bringt Begabungen und Fähigkeiten mit, die gefördert und gefordert werden müssen. Chancengerechtigkeit setzt Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen voraus, weil das die Grundlagen für qualifizierte Beschäftigung und Flexibilität sind.

Von besonderer Bedeutung für die Zukunft ist aber auch die Förderung von Eliten in Deutschland, gerade in der hochspezialisierten Wissens- und Informationsgesellschaft. Entscheidend ist dabei, dass sich Elite nicht nach Einkommen oder Status definiert, sondern nach Leistung gepaart mit Verantwortung.

Wo der Bund bildungspolitisch Verantwortung trägt, nehmen wir sie wahr.

Wir modernisieren das noch aus dem letzten Jahrhundert stammende Dienstrecht. Qualifizierte Nachwuchswissenschaftler sollen künftig auch in Deutschland die Chance auf eine zügige wissenschaftliche Karriere haben. Der bisher übliche jahrzehntelange Marsch durch die Instanzen bis zu einer Professur muss verkürzt werden.

Wer mit 30 Jahren fachlich in der Lage ist, eine Professur auszuüben oder ein Forschungsprojekt zu leiten, soll das künftig nicht nur in den USA oder Großbritannien, sondern auch bei uns tun können. Damit steigern wir zugleich die internationale Attraktivität der deutschen Hochschulen.

Dies ist dringend notwendig, denn der weltweite Wettbewerb um die klügsten Köpfe hat längst begonnen.

Um Chancengerechtigkeit wieder herzustellen und unsere Wettbewerbsposition zu verbessern, haben wir den Etat für Bildung und Forschung deutlich aufgestockt. Im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms investieren in die Hochschulen und stellen zusätzliche Gelder für innovative Forschungsprojekte zur Verfügung. Mit der BAFöG-Reform sorgen wir dafür, dass wieder mehr junge Menschen studieren können. Zugleich verbessern wir verbessern die Fördermöglichkeiten für Studienaufenthalte im Ausland.

Grundlage für solche Zukunftsinvestitionen ist unsere konsequente Konsolidierungspolitik.

Lange Zeit wurden Haushaltsprobleme dadurch "gelöst", dass sie durch eine höhere Neuverschuldung einfach auf nachfolgende Generationen übertragen wurden.

Bis zum Regierungswechsel 1998 hatte alleine der Bund einen Schuldenberg von rund 1,5 Billionen Mark angehäuft.

Wir haben diesen Trend gestoppt. Um kommenden Generationen wieder mehr Spielräume für die Zukunft zu öffnen, fahren wir die Schuldenaufnahme kontinuierlich herunter. Unser Ziel ist es, bis 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Durch die Konsolidierung des Haushalts gewinnen wir finanzielle Handlungsspielräume zurück, die wir in Form von Steuer- und Abgabensenkungen an Bürger und Wirtschaft weitergeben.

Mit einem Entlastungsvolumen von insgesamt 93 Mrd. DM haben wir die größte Steuerentlastung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht."Ein echter Meilenstein," so Porsche-Chef Wiedeking

Gleichzeitig nutzen wir einen Teil der freiwerdenden Gelder für Investitionen in die Modernisierung der Infrastruktur:

Neben Bildung und Wissenschaft sind Mobilität und Energieeffizienz weitere Investitionsschwerpunkte.

Deutschland fährt hier eine Reformdividende ein, die reinvestiert wird und eine neue, positive Wachstumsspirale in Gang setzt.

Die Ergebnisse dieser Politik können sich sehen lassen:

Seit Gerhard Schröder Kanzler ist, sind 1,6 Mio. neue Jobs entstanden.

Die Zahl der Beschäftigten hat mit 39 Mio. den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht.

Die Zahl der Arbeitslosen geht kontinuierlich zurück und wird im Jahresdurchschnitt 2001 um 600.000 niedriger sein als 1998. Der heute veröffentlichte Bericht der Bundesanstalt für Arbeit weist für Mai einen Rückgang der Arbeitslosigkeit auf 3,7 Mio Personen aus.

Die Differenz zwischen dem Beschäftigungsanstieg und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit seit 1998, ergibt sich, weil aufgrund der verbesserten Arbeitsmarktlage viele Menschen wieder eine Arbeit angenommen haben, die sich mangels Perspektiven zuvor nicht arbeitslos gemeldet hatten.

die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat für uns weiterhin oberste Priorität.

Wir stehen heute vor der Situation, dass noch immer viele Menschen arbeitslos sind, während gleichzeitig in etlichen Bereichen ein erheblicher Arbeitskräftebedarf besteht.

Mit einer Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente werden wir deshalb die Qualifizierungsmöglichkeiten und damit die Vermittelbarkeit für Arbeitslose verbessern.

Arbeitsämter und Arbeitslose werden künftig gemeinsam einen Eingliederungsplan erarbeiten.

Auf der Grundlage beruflicher und persönlicher Stärken und Schwächen des Arbeitslosen sollen Strategien zur Verbesserung der individuellen Vermittlungschancen entwickelt werden. Arbeitsämter und Arbeitslose vereinbaren konkrete Schritte zur Wiedereingliederung ins Berufsleben.

Die bisherige Regelung, wonach bestimmte Fördermassnahmen erst nach einer längeren Phase der Arbeitslosigkeit genutzt werden konnten,

wird abgeschafft. Künftig können die Arbeitsämter alle Instrumente der Arbeitsförderung von Beginn der Arbeitslosigkeit an einsetzen. Damit bekämpfen wir das Entstehen von Langzeitarbeitslosigkeit schon im Ansatz.

Zentraler Bestandteil bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist die Qualifizierungsoffensive.

Im Kern geht es dabei um die breit angelegte Entwicklung von Bausteinen zur Vermittlung von Qualifikationen und einen Wechsel von Arbeits- und Qualifizierungsphasen.

Vorgesehen sind Qualifizierungsbausteine sowohl zur beruflichen Wiedereingliederung von Arbeitslosen als auch für Erwerbstätige, die sich für neue Herausforderungen in ihrem Job fit machen wollen.

Mit der Qualifizierungsoffenisive reagieren Tarifpartner und Bundesregierung auf die Tatsache, dass immer weniger Menschen in einem traditionellen, lebenslangen Beschäftigungsverhältnis arbeiten.

Wer heute auf dem Arbeitsmarkt bestehen will, wird sich in regelmäßigen Abständen weiterbilden müssen; sei es, um neuen Anforderungen des erlernten Berufes gerecht zu werden, sei es, um neue Berufschancen zu ergreifen. Die Qualifizierungsoffensive des Bündnisses für Arbeit schafft dafür wichtige Voraussetzungen.

Ich bin zuversichtlich, dass es gelingt, die durchschnittliche Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr erstmals seit Beginn der 90er Jahre wieder auf 3,5 Mio zu senken. Die positiven Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt sind unverkennbar und es gibt keinen Grund sie kaputtzureden.

Das gilt auch für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt. In Deutschland haben wir derzeit ein Wirtschaftswachstum von rund zwei Prozent.

Damit liegen wir deutlich über den Wachstumsraten der 90er Jahre, die im Schnitt 1,4 Prozent betrugen. Anstatt jetzt um Zehntelprozentpunkte zu streiten, sollten wir alles tun, um die Wachstumskräfte zu stärken.

Dabei kommt es angesichts des Strukturwandels entscheidend darauf an, dass wir die Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft erhöhen.

Wir leben bis heute von den Basisinnovationen des 19. Jahrhunderts - in Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau.

Bei den Innovationen des 20. Jahrhunderts waren wir zu langsam bei der Umsetzung von Erkenntnissen und Ideen in marktfähige Produkte. Deshalb haben in der Datenverarbeitung und der Unterhaltungselektronik Amerikaner und Japaner die Nase vorn.

Heute, beim Zusammenwachsen von Medien, Datenverarbeitung, Informations- und Kommunikationstechnologie werden die Chancen und Märkte noch einmal neu verteilt. Das 21. Jahrhundert ist das Online-Jahrhundert. Schon heute ist die IT-Wirtschaft die Wachstumsbranche Nr. 1 in Deutschland. Bis Ende des Jahrzehnts wird ein zusätzlicher Nettoarbeitsplatzeffekt von bis zu 750.000 Stellen erwartet.

Der IT-Sektor ist deshalb - neben der Bio- und Gentechnologie und dem Energiesektor - einer der Bereiche, die für Wachstum und Beschäftigung im

21. Jahrhundert vergleichbar sind mit der Bedeutung von Maschinenbau, Fahrzeugbau und Elektrotechnik für das vergangene Jahrhundert.

Die technischen und ökonomischen Potenziale, die in den modernen IT-Technologien stecken, sind bei weitem noch nicht ausgereizt.

IT-Technologien führen zu Synergieeffekten zwischen traditioneller Industrieproduktion und New Economy und eröffnen neue Wachstumschancen. Die langfristigen Perspektiven von Internet, E-Commerce, Mulitmedia sind deshalb nach wie vor gut.

Beim Aufbruch in den Zukunftsmarkt M-Commerce starten wir in Europa, nicht zuletzt dank einheitlicher Standards und konsequenter Liberalisierung, aus der Pole Position. Auch beim Content haben wir große Möglichkeiten. Jetzt kommt es darauf an, die Chancen zu nutzen.

Wir haben im Bündnis für Arbeit vereinbart, die Zahl der IT-Ausbildungsplätze massiv zu erhöhen und wesentlich mehr in Qualifizierung zu investieren. Die Erfolge sind sichtbar: Gab es 1998 13.000

IT-Ausbildungsplätze, so sind es heute über 50.000. Der Bund investiert zudem massiv in Weiterbildung. Über 60.000 Menschen haben davon bereits profitiert.

Deutschland fit zu machen für das Online-Jahrhundert, ist auch das Anliegen der Initiative D 21. Hier werden konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht, um bspw. Schulen oder öffentliche Büchereien mit Computern auszustatten, neue Qualifikationen zu schaffen und insbesondere auch Frauen beim Einstieg in neue Kommunikationsberufe zu fördern.

Ich freue mich, dass es jetzt auch einen direkten D 21- Link zu NRW gibt, wo gerade eine entsprechende Initiative auf Landesebene gestartet wird.

Für mich ist D 21ein Musterbeispiel für public private partnership. Die Initiative ging von Unternehmen aus. Den Vorsitz des Beirates hat Bundeskanzler Gerhard Schröder übernommen.

Gemeinsam arbeiten wir - Wirtschaft und Politik - daran, den Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft erfolgreich zu beschreiten. Chancen aufzuzeigen, Teilhabemöglichkeiten zu schaffen und eine Spaltung der Gesellschaft in User und Loser zu verhindern.

Zu lange wurde public private partnership in Deutschland verkürzt für die private Finanzierung öffentlicher Aufgaben gebraucht. Uns geht es um mehr. Es geht um die gemeinsame Definition von Zielen und die Vereinbarung konkreter Umsetzungsschritte. Das ist nicht weniger als ein neuer Politikstil: Vom "Vater Staat" zum "Partner Staat".

Anrede,

zweiter Schlüsselbereich ist die Bio- und Gentechnologie.

Von Biotechnologie und Medizintechnik erwarten über 80 Prozent der Deutschen geradezu bahnbrechende Erfolge im Kampf gegen den Krebs, und dass viele schwere Krankheiten sogar - etwa durch den Einfluß von Gentechnologie - von vornherein verhindert werden könnten.

Zugleich zeigen sich viele Menschen besorgt über die Risiken, die sich mit der Nutzung der neuen Technologien verbinden.

Inzwischen hat sich eine breite Debatte entwickelt, in der quer durch alle Parteien und Bevölkerungsschichten über pro und contra gentechnischer Verfahren diskutiert wird, zuletzt vor einer Woche im Deutschen Bundestag.

Wir brauchen diese Debatte. Denn gerade im Bereich der Bio- und Gentechnologie werden innovative Verfahren nur dann auf die nötige Akzeptanz stossen, wenn zuvor öffentlich Chancen und Risiken abgewogen wurden.

Der Bundeskanzler hat mit dem Nationalen Ethikrat ein Forum geschaffen, in dem die unterschiedlichen Positionen aufgegriffen werden. Der Rat setzt sich zusammen aus Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, den Kirchen, Wissenschaft und Industrie. Aufgabe des Rates ist es, die medizinisch-therapeutischen Perspektiven der Bio- und Gentechnologie zu klären und die unterschiedlichen Forschungs- und Nutzungsmöglichkeiten ethisch zu bewerten.

Das gilt im übrigen auch für den Verzicht auf bestimmte Optionen.

Denn es kann auch ethisch problematisch sein, von vorhandenen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen.

Die Frage des Altbundespräsidenten Herzog, mit welcher ethischen Begründung man den Eltern eines mukoviszidosekranken Kindes erklären will, dass mögliche Heilungschancen nicht genutzt werden, ist bis heute unbeantwortet geblieben.

Wir sollten es deshalb unterlassen, denen, die sich für die Erforschung und Nutzung gentechnischer Verfahren einsetzen, weniger ethisches Bewusstsein zu unterstellen, als den Kritikern.

Anrede,

im Bereich Bio- und Gentechnologie können wir in Deutschland auf ausgezeichnete Startbedingungen aufbauen. Unsere Universitäten sind in vielen Forschungsbereichen führend.

Nirgends in Europa ist die Zahl der Biotechnologie Start-ups so hoch wie bei uns. Dieses große Potenzial an Wissen und technischen Fähigkeiten müssen wir auch ökonomisch nutzen.

Anders als in der IT-Branche oder in der Medizintechnik, wo mit der Vermarktung von Erfindungen oft so lange gewartet wurde, bis andere den Markt erschlossen hatten, müssen wir rechtzeitig die nötigen Weichenstellungen vornehmen, damit in Deutschland aus Forschungsergebnissen und Basisinnovationen auch marktfähige Produkte werden können. Nur so lassen sich internationale Standards und damit auch Grenzen setzen.

Anrede,

neben den Bereichen IT und Biotechnologie ist der Energiesektor ein entscheidender Innovationssektor des 21. Jahrhunderts.

Angesichts des weltweit steigenden Energiebedarfs nehmen die fossilen Energievorräte immer schneller ab. Unsere derzeit wichtigsten Energiequellen Kohle, Öl und Gas werden zu knappen und damit immer teureren Gütern. Es ist deshalb nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch geboten, die Weichen in Richtung einer höheren Energie- und Ressourceneffizienz zu stellen.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei optimaler Nutzung der bereits vorhandenen Technologien die Ressourcenproduktivität um den Faktor Vier gesteigert werden könnte.

Man kann sich die "Gewinnspanne" für Wirtschaft, Umwelt und zukunftssichere Arbeitsplätze vorstellen. Im Sinne einer solchen Effizienzrevolution brauchen wir das verbrauchsarme Auto genauso wie das hocheffiziente Kraftwerk und das Niedrigenergiehaus.

Wie rasant technologische Neuerungen voranschreiten können, zeigt uns die Informationstechnik.

Der riesige Großrechner, der der NASA für die erste Mondlandung zur Verfügung stand, hatte weniger Rechenleistung als heute jedes normale Handy.

Wir stellen die Weichen für eine zukunftsfähige Energieversorgung: Mit dem 100. 000-Dächer-Programm zur Förderung der Photovoltaik und dem EEG - dem Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien - haben wir eine gewaltige Nachfrage nach entsprechenden Anlagen ausgelöst.

Die Folgen des Auftragsbooms können sich sehen lassen: Deutsche Anlagenbauer in den Bereichen Wind- , Wasser- und Solarenergie sind weltweit führend.

Welche positiven Impulse aus der intelligenten Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie erwachsen können, zeigt sich beispielhaft in den Bereichen Energie und Mobilität. Als die Benzinpreise stiegen, kam Unmut über die Ökosteuer auf. Doch auf den zweiten Blick hat das Auf und Ab der Benzinpreise vor allem gezeigt, dass unser Wachstum zu abhängig ist vom Rohstoff Öl.

Unter diesen Bedingungen sind Investitionen in die Steigerung der Energieeffizienz und erneuerbare Energien kein Luxus, sondern eine enorme technologische Herausforderung und eine Chance für nachhaltiges und dynamisches wirtschaftliches Wachstum.

Als Carl Benz und Gottlieb Daimler Ende des

19. Jahrhunderts die ersten Automobile mit einem Verbrennungsmotor konstruierten, gab es viele, die an der Machbarkeit dieses Projekts zweifelten. Allen Skeptikern zum trotz haben sie an ihrer Idee festgehalten und die ersten Motorwagen gebaut.

Ich bin sicher: Auch heute gibt es bei uns Ingenieure und Unternehmer, die den Mut zu visionären Projekten haben. Diese Pioniere müssen wir unterstützen.

Ich will, dass das vielzitierte "zero-emission-car" zuerst in Deutschland in Serie geht. Stellen Sie sich vor, welche ökonomischen und ökologischen Perspektiven sich für Wirtschaft und Gesellschaft daraus ergeben.

Natürlich bedarf es dazu einer entsprechenden Infrastruktur. Aber in Anfängen des Automobil-Zeitalters gab es auch kein flächendeckendes Tankstellennetz. Berta Benz fuhr seinerzeit zum Tanken zur Apotheke. Was die Preise angeht, sind wir ja fast wieder an diesem Punkt!

Heute brauchen wir wieder einen technologischen Quantensprung. Neue Antriebstechniken, wie die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle sind umweltverträglich und eröffnen Chancen für zukunftsfähige Mobilität. Diese Chancen wollen wir nutzen.

Anrede,

um als Volkswirtschaft auf Dauer zukunftsfähig zu sein, müssen wir auch sozial- und gesellschaftspolitisch neue Wege beschreiten.

Die Qualität des Sozialstaats bemisst sich nicht an den Milliarden, die er ausgibt, sondern an den Problemen, die er löst, und den Chancen, die er eröffnet.

Wir orientieren uns am Leitbild eines aktivierenden und vorsorgenden Sozialstaates. Das bedeutet: Den Menschen Chancen zur eigenen Entwicklung geben, sie fördern und fordern.

Wenn z. B. Alleinerziehende nicht erwerbstätig sein können, weil ihre Kinder nicht betreut werden, löst man diese Probleme nicht, indem man die Sozialhilfe erhöht, auch nicht dadurch, dass man sie kürzt. Die Lösung liegt vielmehr in flächendeckenden, bedarfsorientierten Kinderbetreuungsangeboten.

Gerade hier haben wir in Deutschland Nachholbedarf. Im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn, bspw. in Frankreich oder Skandinavien, gibt es bei uns noch immer viel zu wenig Kinderkrippen, Horte oder Schulen, die eine Ganztagsbetreuung anbieten.

Der Bund wird mit dem Familienförderungsgesetz die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich erleichtern. Das gilt insbesondere für die steuerliche Abzugsfähigkeit erwerbsbedingter Betreuungskosten.

Neben der erneuten Erhöhung des Kindergeldes werden wir dafür sorgen, dass - über den ebenfalls erhöhten Freibetrag hinaus - erwerbsbedingte Betreuungskosten bis zu 3000 DM von der Steuer absetzbar sind.

Der Bund ist den Ländern bei der Finanzierung der neuen familienpolitischen Leistungen weit entgegen gekommen. Jetzt ist es Aufgabe der Länder und Kommunen, die entsprechenden Betreuungsangebote auszubauen.

Ein weiteres Beispiel für diese Politik des Förderns und Forderns ist die Reform der Altersvorsorge. Mit der Reform schlagen wir einen neuen Weg ein. Erstmals ergänzen wir das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rentenversicherung um eine kapitalgedeckte private und betriebliche Altersvorsorge. Damit schaffen wir die Verbindung von Altersvorsorge, Investitionen und Wirtschaftsdynamik.

Zugleich ist der Einstieg in die kapitalgedeckte Altersvorsorge ein entscheidender Beitrag für die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt der Wirtschaft.

Und er ist eine zukunftsfähige Antwort auf die demographische Entwicklung, die veränderten Erwerbsbiografien und Arbeitsstrukturen.

Anrede,

1998 haben wir unter der Überschrift "Innovation und Gerechtigkeit" für unsere politischen Vorstellungen geworben und die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger bekommen. Beide Begriffe sind in den vergangenen zweieinhalb Jahren zu Leitplanken unserer Politik geworden. Und beide bedingen einander.

Weitreichende technische und soziale Innovationen brauchen Akteptanz. Nur wenn die Menschen wissen, wenn sie darauf vertrauen können, dass es bei der Gestaltung des Wandels fair zugeht, werden sie zu notwendigen Veränderungen bereit sein.

Und umgekehrt werden wir Wohlstand und soziale Gerechtigkeit nur bewahren können, wenn wir bereit sind, die alten Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen.