Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 11.06.2001
Untertitel: meine sehr verehrten Damen und Herren, schön haben Sie es hier am Gendarmenmarkt. Ich kenne den einen oder anderen, der hier auch gern wohnen würde.
Anrede: Sehr geehrter Herr Reich, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/06/44106/multi.htm
schön haben Sie es hier am Gendarmenmarkt. Ich kenne den einen oder anderen, der hier auch gern wohnen würde. Aber ich weiß nicht, warum Sie lachen; ich bin es nicht! Ich denke, dass das, was Sie hier nach fünfjähriger Bauzeit beziehen, sich sehen lassen kann und in Berlins Mitte eine Bereicherung darstellt, sowohl baulich als auch von den Aufgaben her, die Sie hier bearbeiten.
Sie haben ja Recht: Die Handelsgesellschaft war hier, eine Bank, die Staatsbank der DDR, die Berliner Staatsbank, die Bankgesellschaft nicht. Nicht, dass ich sagen wollte "nomen est omen"; aber ich glaube, dass das ein würdiger Platz ist für das, was Sie tun, und ich bin ziemlich sicher, Sie tun es in gewohnter Weise, nämlich erfolgreich.
Über die außerordentliche Bandbreite der KfW-Aktivitäten von der Export- zur Projektfinanzierung und bis hin zur Entwicklungsbank muss ich vor diesem Publikum nichts sagen. Sie alle kennen das sehr viel besser als ich. Ich möchte aber aufgreifen, was Sie, Herr Reich, vor wenigen Wochen in der Bilanzpressekonferenz gesagt haben. Dort haben Sie bei der Schilderung Ihrer Aktivitäten darauf hingewiesen, dass kleine und mittlere Unternehmen bei weitem nicht so stark von der konjunkturellen Eintrübung des allgemeinen Weltwirtschaftsklimas betroffen seien. Sie haben hervorgehoben - wörtlich - ,"dass die inländische Nachfrage im Jahresverlauf deutliche Impulse von der Steuerreform der Bundesregierung erhält". Als Folge sei der Mittelstand optimistischer gestimmt als die deutsche Wirtschaft insgesamt. Ich zitiere das natürlich gern, erst recht in Anwesenheit des Bundesfinanzministers, der ja in erster Linie diese Steuerreform zu verantworten hat.
Es stellt sich dabei heraus, welch wichtige Rolle die Kreditanstalt für Wiederaufbau gerade für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung und für den Mittelstand wirklich spielt. Deswegen ist es auch so bedeutend, dass Ihr Schwerpunkt bei der Investitions- und Innovationsfinanzierung liegt und auch in Zukunft liegen wird. Gerade kleine und mittlere Unternehmen - Sie haben es angedeutet - stellt die Finanzierung von Innovationsvorhaben häufig vor ziemlich große Schwierigkeiten. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Chancen und Risiken technologisch anspruchsvoller Investitionsvorhaben naturgemäß am Anfang sehr schwer einzuschätzen sind. Hier liegt ein Grund, warum in der Frühphase traditionelle Kreditgeber schon einmal zögern, wenn Jungunternehmerinnen und -unternehmer mit unkonventionellen Methoden und einer Finanzierung, die nicht in allen Punkten als abgesichert gelten kann, in neue Märkte vorstoßen wollen, was wir uns alle miteinander aber auf der anderen Seite wünschen. Genau hier wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau tätig. Sie bietet maßgeschneiderte Kredite und Beteiligungsprogramme. Ich nenne in diesem Zusammenhang etwa das KfW-Mittelstandsprogramm und die wichtigen ERP-Programme. Sie macht diese Angebote subsidiär, und sie macht sie natürlich marktkonform. Damit - meine ich - spielt diese Bank auch volkswirtschaftlich eine außerordentlich wichtige Rolle.
Nicht zuletzt dank der erfolgreichen Arbeit der Kreditanstalt ist Deutschland im besonders wichtigen Frühphasensegment heute der größte Markt für Finanzierungen in Europa. 40 Prozent aller Frühphasenbeteiligungen in Europa werden bei uns in Deutschland eingegangen. Das ist auch ein Punkt, auf den hingewiesen werden sollte, weil dies deutlich macht, was für einen Markt auch international gesehen wir inzwischen haben. Nicht wenige der mit Chancenkapital finanzierten Unternehmen entwickeln sich dann übrigens zu so genannten "hidden champions", das heißt zu weltweit erfolgreichen und - darauf kommt es uns besonders an - beschäftigungsdynamischen Unternehmen.
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Biotechnologie. Ich betone das nicht ohne Grund. Im letzten Jahr konnte Deutschland seinen erst 1999 gewonnenen europäischen Spitzenplatz - übrigens noch vor Großbritannien - bei der Anzahl der Biotechnologieunternehmen nicht nur behaupten, sondern auch weiter ausbauen. Mittlerweile kommen 20 Prozent der europäischen Biotechnologiefirmen aus Deutschland. Ich meine, das ist eine ermutigende Entwicklung, die wir politisch stützen und unterstützen wollen. Bei den Arbeitsplätzen ist eine Steigerung um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf jetzt etwa 11.000 Beschäftigte allein in diesem Bereich zu verzeichnen. Natürlich ist das, verglichen mit den traditionellen Bereichen der Automobilindustrie, des Werkzeugmaschinenbaus oder der Chemie, noch relativ wenig, aber ich betone: noch relativ wenig. Gerade in der Biotechnologie ist der Kapitalbedarf in den letzten Jahren ständig gestiegen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen benötigen größtmögliche Transparenz und bestmögliche Finanzierungsbedingungen, um Innovationen zu entwickeln und sie vor allen Dingen am Markt durchzusetzen.
Vor diesem Hintergrund ist der auf den Weg gebrachte Zusammenschluss der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit der Deutschen Ausgleichsbank und der Deutschen Entwicklungsgesellschaft nach meiner Auffassung sehr bedeutsam. Dieser Zusammenschluss ermöglicht die Neuordnung der Förderaufgaben und die Realisierung von Synergieeffekten. Das wird nicht nur ermöglicht, das muss jetzt auch zügig umgesetzt werden. Vielleicht kann Ihnen dabei der eine oder andere noch hilfreich sein; ich werde es jedenfalls versuchen.
Erst die Bündelung der Refinanzierungsaktivitäten sichert auf den internationalen Kapitalmärkten günstige Konditionen, wovon dann letztlich die gesamte Förderung profitiert. Und dies ist bereits sichtbar. Der Bundeswirtschaftsminister hat mir gesagt, dass allein der Zusammenschluss bei der Refinanzierung jährlich etwa 50 Millionen DM an Kosten erspart. Das ist wahrlich kein Pappenstiel.
Die Grundlagen wirtschaftlicher Erfolge werden mehr denn je in den Labors und Entwicklungsstätten von Forschungseinrichtungen, Universitäten, aber auch in den Forschungseinrichtungen der Unternehmen gelegt. Noch allerdings haben wir das hervorragende Potenzial an unseren Hochschulen nicht annähernd ausgeschöpft. Seit 1997 sind rund 1.400 Ausgründungen aus Hochschulen hervorgegangen. Hinzu kommen bis zu 200 Ausgründungen aus der außeruniversitären Forschung in jedem Jahr. Das Ziel, die Zahl dieser innovativen Unternehmen zu erhöhen, verfolgt die Bundesregierung unter anderem mit ihren erfolgreichen Programmen "Wissenschaft - Märkte" und "Existenzgründer aus Hochschulen".
Damit begleiten wir Unternehmensgründer von der Ausbildung bis in die Wachstumsphase ihres Unternehmens hinein. Wir tragen damit zur Entstehung von beschäftigungsfördernden Wachstumskernen rund um hochleistungsfähige Wissenschaftseinrichtungen bei. Das ist übrigens ein Punkt, der in den neuen Ländern von besonderer Bedeutung ist. An vorhandene Potenziale anknüpfen und diese sorgsam und entschieden zu entwickeln ist, glaube ich, die Strategie, die wirklich Erfolg haben wird, wenn es um den Aufbau neuer industrieller Kerne in den neuen Ländern geht.
Der aus meiner Sicht bedeutendste Beitrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau ist die Förderung von qualifizierter, hoch qualifizierter Beschäftigung. Die Finanzierung von rund 2.000 Arbeitsplätzen im Rahmen der neu geschaffenen Beschäftigungs- und Qualifizierungsvariante des Mittelstandsprogramms seit Ende vergangenen Jahres ist ein direkt sichtbares Ergebnis. Hinzu kommen viele tausend Beschäftigte in von der Kreditanstalt für Wiederaufbau geförderten Unternehmen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung, dass die Beschäftigungspläne bei den Unternehmen der New Economy trotz der Kursbereinigung an den Aktienmärkten erneut um fast zehn Prozentpunkte über denen des Vorjahres liegen. Gerade auf diesem Sektor ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit ihrem Indikator "Jobmaschine New Economy" besonders aktiv. In den letzten beiden Jahren sind in Deutschland fast eine Million zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, ebenso viele, wie zwischen 1991 und 1998 verloren gegangen sind. Allein im letzten Jahr sind fast 600.000 Beschäftigte hinzugekommen.
Das ist gewiss nicht allein der Verdienst der Förderbank. Ein bisschen hat sicherlich auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung dazu beigetragen. Aber immerhin, es ist auch ein Verdienst der Förderbank. Bereits in diesem Jahr haben wir Privathaushalte und Unternehmen um rund 45 Milliarden DM entlastet. Vor allem der Mittelstand profitiert davon mit einer Entlastung von rund 20 Milliarden DM gegenüber 1998. Diese Entlastung erhöht sich auf 30 Milliarden DM jährlich ab 2005. Diese wachstumsfördernde Wirtschafts- und Finanzpolitik werden wir darüber hinaus mit einer Reform der Arbeitsförderung ergänzen. Unter dem Prinzip "Fördern und fordern" werden wir mit Beginn des Jahres 2002 zum einen die Möglichkeiten zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt verbessern und die Weiterbildung verstärkt fördern, zum Beispiel mit der Einführung von Jobrotation. Zum anderen werden wir mit jedem Arbeitslosen konkret vereinbaren, welche Anstrengungen auch von ihm selbst bei der Stellensuche erwartet werden. Und das wird Konsequenzen haben.
Neben der eindeutig beschäftigungsfreundlichen Wirkung dieser Förderbank liegt mir eines der Grundprinzipien der Kreditanstalt für Wiederaufbau besonders am Herzen, das Prinzip der Nachhaltigkeit. Von Beginn an hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau Wert darauf gelegt, sich selbst tragende Entwicklungen zu initiieren und, wo es sie gibt und das nötig ist, sie auch zu unterstützen. Das gilt für ihr nationales, aber auch für ihr internationales Engagement, etwa unter so schwierigen Bedingungen wie beim Bau von Schulen in den palästinensischen Autonomiegebieten. Aber es ist trotz aller Probleme ein wichtiger Beitrag, weil er auf langfristige Stabilisierung durch Wohlstand, Bildung und Beschäftigung zielt.
Ähnliches gilt für die vorbildliche Rolle der Bank als Klima- und Umweltschutzbank, wenn ich das so sagen darf, etwa bei der CO2 -Reduzierung durch Modernisierung von Altbauten. Das gilt natürlich auch und vor allem für ihr Know-how bei der innovativen Mittelstandsfinanzierung.
Zusammengefasst kann ich mir nur wünschen, dass Sie auch von Berlin aus die Förder- und Finanzierungslandschaft nachhaltig bereichern werden. In diesem Sinne auch von mir ein herzliches Willkommen in Berlin, an dem wunderbaren Gendarmenmarkt.