Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 14.04.1999
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/97/11697/multi.htm
Anrede! Heute vor drei Wochen, um diese Stunde, versammelte sich der Europäische Rat in Berlin zu seiner Sonder-Tagung. Schon bei der Anreise nach Berlin hatten sich die Befürchtungen verdichtet, daß es im Kosovo nicht gelingen werde, auf friedlichem Wege zu einer Lösung des Konflikts zu gelangen. In den Tagen vor unserem Berliner Treffen hatten die Übergriffe der serbischen Sicherheitskräfte gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit massiv zugenommen. Präsident Milosevic nutzte die Wochen von Rambouillet und Paris, um die systematische Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo in die Wege zu leiten.
Dem konnten wir nicht tatenlos zusehen: Die Albaner im Kosovo erwarten mit allem Recht, daß die Menschenrechte auf Freiheit, Heimat und Unversehrtheit uneingeschränkt auch für sie gelten. Die europäische Wertegemeinschaft würde zum hohlen Wort, wenn wir Europäer zuließen, daß nur eine Flugstunde von hier entfernt, mitten auf unserem Kontinent, die Grundsätze mit Füßen getreten werden, auf denen die Europäische Union errichtet ist: Demokratie, Recht und Gesetz, Freiheit und Solidarität mit den Schwächeren.
Seit dem Abend des 24. März fliegen die alliierten Luftstreitkräfte Angriffe gegen Ziele in Jugoslawien. Noch am gleichen Abend hat sich der Europäische Rat in Berlin einmütig hinter dieses Vorgehen der Nordatlantischen Allianz gestellt: Wer auf so brutale Weise die Menschenrechte verletzt wie Präsident Milosevic, der muß mit unserer entschlossenen Antwort rechnen. Wer seine Herrschaft in eiskaltem Kalkül auf das Leid, die Verfolgung und die teilweise Ermordung einer ethnischen Minderheit gründet, der muß wissen, daß die westliche Wertegemeinschaft auch bereit ist, den letzten Schritt zu tun, um Schlimmeres abzuwenden und die Geltung ihrer Grundwerte durchzusetzen: Wir haben nicht leichten Herzens und erst nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente die Entscheidung zum Einsatz militärischer Gewalt getroffen. Angesichts der dramatischen Zuspitzung im Kosovo führte an dieser Entscheidung kein Weg vorbei.
Meine Damen und Herren, die Krise im Kosovo, der Rücktritt der Kommission und die Agenda 2000 waren in dieser Bündelung wohl die größten Herausforderungen, die ein Europäischer Rat jemals bewältigen mußte. Jede dieser Aufgaben allein hätte unter gewöhnlichen Umständen gereicht, ein europäisches Gipfeltreffen auszufüllen. In Berlin ist es uns gelungen, allen drei Herausforderungen zugleich gerecht zu werden.
Berlin hat die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union unter Beweis gestellt wie kaum ein Treffen des Europäischen Rats zuvor. Das ist die Botschaft, die von Berlin ausgeht. Europa steht zu seiner Verantwortung - ohne Wenn und Aber! Die Europäische Union läßt sich nicht auseinanderdividieren. Wir Europäer sprechen mit einer Stimme.
Es ist uns in den Morgenstunden des 26. März in Berlin gelungen, die Agenda 2000 zu verabschieden. Mit dem "Berliner Paket" haben wir einen Kompromiß gefunden, bei dem alle beteiligten Parteien Abstriche von ihren ursprünglichen Vorstellungen zu machen hatten. Es ist ein Kompromiß, der vernünftig ist und mit dem alle leben können. Deshalb ist er gut und richtig.
In Berlin haben wir Romano Prodi für das Amt des Kommissionspräsidenten nominiert. Mit Ihrer Zustimmung, meine Damen und Herren, werden wir schon im Sommer wieder eine unbeschädigte, voll arbeitsfähige Kommission unter unbestritten kompetenter Leitung haben.
Und ich freue mich auch, Ihnen bestätigen zu können, daß seit Berlin der Weg zu einem Handels- und Kooperationsabkommen mit Südafrika endgültig frei ist. Ich weiß, viele in diesem Haus engagieren sich mit großem Engagement für das neue Südafrika. Und auch für mich persönlich war es eine große Genugtuung, daß uns dieser Durchbruch nach so vielen Jahren der Verhandlungen am Ende der Amtszeit von Präsident Mandela gelungen ist.
Meine Damen und Herren, das Berliner Paket zur Agenda 2000 ist ein tragfähiges Fundament für das Handeln der Europäischen Union in den kommenden Jahren. Und es ist ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger Europas, an die Märkte und an die Beitrittskandidaten. Ein Signal, daß die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereit waren, ihre gemeinsame Verantwortung vor die jeweiligen Einzelinteressen zu stellen.
Ich brauche an dieser Stelle die Einzelheiten der Berliner Einigung nicht noch einmal auszubuchstabieren. Lassen Sie mich aber betonen: Zwei Prinzipien standen und stehen im Vordergrund - Ausgabenstabilität und Solidarität. Wir haben uns in Berlin darauf geeinigt, auch in Europa künftig strenge Haushaltsdisziplin zu üben. Zugleich wollen und werden wir den Zusammenhalt der Mitgliedstaaten wahren, wie es der Vertrag vorsieht.
Sie alle wissen auch, daß die Ausgangspositionen der Mitgliedstaaten auf vielen Feldern der Agenda 2000 zum Teil noch bis zum Beginn des Gipfeltreffens weit auseinander lagen. Die Nacht von Berlin wird mir als eine der schwierigsten Verhandlungen meines Lebens in Erinnerung bleiben.
Als deutscher Bundeskanzler habe ich in Berlin keinen Zweifel gelassen, daß mein Land bereit sein würde, seine nationalen Interessen einer vernünftige Gesamtlösung unterzuordnen. Diese Linie der europäischen Verantwortung hat das Tor eröffnet zu einer auskömmlichen Lösung: am Ende schätzten alle Partner den europäischen Zugewinn höher ein als mögliche nationale Einbußen in Einzelfällen. So wurde ein Kompromiß möglich, der der Europäischen Union den Weg ins 21. Jahrhundert ebnet.
Das Europäische Parlament hat die Vorarbeiten zur Agenda 2000 bis in den Gipfel hinein konstruktiv und eng begleitet. Dies teilweise auch unter größtem Termindruck. Für dieses Engagement, für die damit verbundene Flexibilität und Bereitschaft, einvernehmliche Lösungen zu finden, möchte ich Ihnen ausdrücklich danken - und in diesem Zusammenhang eine Bitte an Sie richten: Tun Sie bitte alles, um die laufenden Legislativverfahren so schnell wie möglich zu einem zügigen Abschluß zu bringen.
Von einer Umsetzung des Berliner Pakets hängen nicht nur die weiteren Schritte im Erweiterungsprozeß ab. Auch die bruchlose Weiterführung der Strukturförderung nach dem Jahresende wäre gefährdet. Auf diesem Hintergrund wird es hoffentlich möglich sein, die Rechtsakte schnell zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, unsere Bürgerinnen und Bürger, die europäischen Völker, wollen die Integration. Und in der guten Nachbarschaft, in unzähligen Verbindungen kultureller, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art ist unser gemeinsames Europa längst Realität. Zugleich drängen Europas Bürgerinnen und Bürger mit Recht darauf, daß die europäischen Institutionen handlungsfähig sind. Sie haben kein Verständnis für mangelnde Effizienz bei der Umsetzung der Gemeinschaftspolitiken, und sie erwarten von allen Beteiligten höchste persönliche Integrität.
Nach dem geschlossenen Rücktritt der Kommission unter Jacques Santer bestand für die Europäische Union die Gefahr einer schweren institutionellen Krise. Durch die rasche Nominierung von Romano Prodi noch am ersten Vormittag des Berliner Treffens hat der Europäische Rat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Krise abzuwenden. Auch dies ist ein großer und währender Erfolg des Berliner Gipfeltreffens.
Noch von Berlin aus habe ich als Vorsitzender des Europäischen Rats dem Präsidenten des Europäischen Parlaments die Nominierung mitgeteilt. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch darauf hingewiesen, daß seine Bestellung auf jeden Fall nach dem Verfahren erfolgen soll, das der Vertrag von Amsterdam vorsieht.
Ich möchte Sie heute bitten, Ihr Votum zum künftigen Kommissionspräsidenten so rechtzeitig abzugeben, daß nach Auswahl der Mitglieder des Kollegiums durch den designierten Präsidenten und die Regierungen der Mitgliedstaaten eine Bestellung der Kommission noch in diesem Sommer möglich wird.
Die Bedeutung des Europäischen Parlaments hat in den vergangenen Monaten deutlich gewonnen. Ich bin zuversichtlich: Die Menschen in Europa werden dies durch eine hohe Beteiligung an den Wahlen vom 10. - 13. Juni honorieren.
Meine Damen und Herren, heute nachmittag versammeln sich in Straßburg die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu einem informellen Treffen. Dabei werden wir zunächst eingehend die aktuelle Entwicklung in der Kosovofrage behandeln, darauf komme ich zum Schluß meiner Ausführungen noch einmal zurück. Im zweiten Teil unseres Treffens wollen wir mit Romano Prodi die Diskussion über die künftige Arbeitsweise der Kommission beginnen.
Die Europäische Union braucht eine starke Kommission, die dem Gebot der Effizienz, der Transparenz und - das ist entscheidend - der Bürgernähe wirklich gerecht wird. Wir werden deshalb den designierten Kommissionspräsidenten Prodi bitten, im Gespräch mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten ein Programm auszuarbeiten, in dem die veränderte Arbeitsweise der neuen Kommission fest umrissen wird.
Die eine oder andere Verbesserung in diesem Zusammenhang wird der Vertragsänderung bedürfen. Wir sollten hierfür die Gelegenheit der ohnehin anstehenden Regierungskonferenz zur Lösung der in Amsterdam offengebliebenen institutionellen Fragen nutzen. Ich werde meinen Kollegen vorschlagen, auf dem Europäischen Rat in Köln den Fahrplan für eine solche, möglichst schon im nächsten Jahr abzuschließende Regierungskonferenz zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, die hinter uns liegenden Jahre werden sich in der Rückschau als gute Jahre für die Europapolitik erweisen.
Die Einführung des Euro war ein gewaltiger Integrationsschritt. Die beteiligten Staaten haben in einer souveränen politischen Entscheidung die nationale Zuständigkeit über ein zentrales Element ihrer Wirtschaftspolitik an eine europäische Institution abgegeben.
Mit dem Amsterdamer Vertrag wurde unter anderem der Grundstein gelegt für eine gemeinsame Justiz- und Innenpolitik und eine handlungsfähigere Außen- und Sicherheitspolitik der Union. Die Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments wurden entscheidend verbessert.
Der Erweiterungsprozeß wurde in Gang gesetzt. Mit den am besten vorbereiteten Kandidaten haben wir Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Auch aus dem Bewußtsein heraus, daß die europäische Integration nur gelingen kann, wenn dieses Europa nicht an den Grenzen des früheren Eisernen Vorhangs endet. All dies, wie auch der Abschluß der Agenda 2000 in Berlin, war auch das bleibende Verdienst der scheidenden Kommission unter Jacques Santer. Was auch immer kritisiert worden ist und wieviel Grund es dafür gegeben hat - an dieser Stelle möchte ich Jacques Santer und dem Kollegium nochmals für ihre Arbeit danken. Ihren Rücktritt hat der Europäische Rat mit Respekt zur Kenntnis genommen.
Vor uns liegen nun wiederum große Aufgaben. Deren Bewältigung erfordert eine starke und handlungsfähige Kommission. Mit Romano Prodi haben die Staats- und Regierungschefs einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten benannt, der alle Voraussetzungen mitbringt, um mit uns zusammen diese Aufgaben zu bewältigen.
Nicht erst seit der Zuspitzung der Ereignisse um den Kosovo wissen wir, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union weiter gestärkt werden muß. Der Amsterdamer Vertrag, der am 1. Mai in Kraft treten wird, bringt deutliche Verbesserungen. Auf dem Europäischen Rat in Köln wollen wir den künftigen Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik benennen. Die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik muß deutlich intensiviert werden.
Mit der Verabschiedung einer pfeilerübergreifenden gemeinsamen Strategie zu Rußland wollen wir das unzweideutige Signal geben, daß die Europäische Union die Beziehungen zu Rußland weiter ausbauen wird. Wir haben in der Kooperation mit Rußland eine Qualität erreicht, die wir von unserer Seite aus keinesfalls in Frage stellen werden. Wir begrüßen die russischen Bemühungen in der gegenwärtigen Krise, positiv auf Belgrad einzuwirken. Ich stehe in engem Kontakt mit Präsident Jelzin und Premierminister Primakow. Rußland ist ein zentraler Stabilitätsfaktor in Europa und muß in die Lage versetzt werden, auf dem Reformweg voranzuschreiten. Die Europäische Union ist dabei weiter zur Zusammenarbeit bereit, ja möchte diese, wo irgend möglich, noch intensivieren. Das wird in Moskau anerkannt.
Spürbarer Verbesserungen bedarf es in der EU-Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Justiz- und Innenpolitik. Auch hier eröffnet der Amsterdamer Vertrag neue Chancen und Möglichkeiten, die wir beherzt ergreifen wollen. Der großzügige und solidarische Umgang mit den in die Europäische Union kommenden Flüchtlingen aus dem Kosovo wird hier eine erste Bewährungsprobe sein.
Zentrales Anliegen muß der Europäischen Union auch die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit sein. Wir müssen Wege finden, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das europäische Sozialmodell auch unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs im 21. Jahrhundert zu bewahren. Im Vorfeld der Euro-Einführung wurde auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik Wichtiges geleistet. Die einseitige Fixierung auf eine Stabilitätspolitik nach der reinen Lehre müssen wir aber vermeiden. Sie wäre auf Dauer unseren Bürgerinnen und Bürgern politisch nicht vermittelbar. Deshalb wollen wir in Köln den Stabilitäts- und Wachstumspakt um einen europäischen Beschäftigungspakt ergänzen.
Eine wichtige Zukunftsaufgabe bleibt die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten und Süden. Ohne die Öffnung der Union für neue Mitgliedstaaten bliebe die europäische Einigung auf Dauer ein Rumpfprojekt und müßte scheitern, weil ihr die politische Ratio fehlte.
Unter deutscher Präsidentschaft haben wir die laufenden Beitrittsverhandlungen weiter vorangetrieben. Der Europäische Rat in Berlin hat sich in einer Botschaft an die Beitrittskandidaten aufs Neue dafür ausgesprochen, daß der Erweiterungsprozeß mit Nachdruck vorangebracht wird. Mit der Verabschiedung der Agenda 2000 ist dafür eine weitere Voraussetzung geschaffen. Die schon erwähnte frühe Regierungskonferenz zu den institutionellen Kernfragen soll gewährleisten, daß von seiten der Europäischen Union das letzte mögliche Hindernis für einen Beitritt neuer Mitgliedstaaten aus dem Weg geräumt wird.
Dann wird es nurmehr an den Beitrittskandidaten selbst liegen, den Anforderungen des gemeinschaftlichen Besitzstandes gerecht zu werden. Hierbei werden wir sie auch weiterhin mit aller Kraft unterstützen. Ich möchte hier ausdrücklich festhalten, daß die bislang erzielten Fortschritte der Beitrittskandidaten beeindrucken und zu Hoffnung Anlaß geben.
Meine Damen und Herren, zum Abschluß kehre ich noch einmal zur Lage im Kosovo zurück. Sie werden heute über die Entwicklung des Konflikts diskutieren. Das begrüße ich. Die Stimme Europas muß stark sein in diesen Tagen, und sie darf nicht nur erhoben werden von den Regierungen und den nationalen Parlamenten. Als Ausdruck des neuen Europa muß auch das Europäische Parlament klare Position beziehen für Frieden, Stabilität und die Einhaltung der Menschenrechte in Jugoslawien.
Die grauenhafte Entwicklung im Kosovo ist kein innerjugoslawisches Problem. Sie geht uns alle an. Mitmenschlichkeit und Recht enden nicht an Staatsgrenzen. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für unseren Kontinent. Für eine zynische Politik der Vertreibung, ja der Deportation von Hunderttausenden kann und darf es keine, wie auch immer geartete Berufungsgrundlage geben.
Eine Million Menschen mußten ihre Häuser und Wohnungen verlassen oder wurden von serbischen Sicherheitskräften vertrieben, davon allein 500.000 seit März. In Albanien zählen wir über 300.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo. Dramatisch ist die Lage auch für das kleine Mazedonien.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben deshalb gemeinsam mit anderen Staaten eine großangelegte Hilfsoperation gestartet. Wir wollen das Leid der Flüchtlinge lindern, und wir wollen Solidarität mit den Nachbarstaaten zeigen. Deshalb hat der Rat am vergangenen Donnerstag beschlossen, 150 Millionen Euro für die humanitäre Flüchtlingshilfe zur Verfügung zu stellen. Die Hauptaufnahmeländer - Albanien und Mazedonien sowie die jugoslawische Teilrepublik Montenegro - werden wir zusätzlich mit 100 Millionen Euro unterstützen. Der Rat hat die Kommission außerdem gebeten, Vorschläge zur weiteren Intensivierung der Beziehungen der Europäischen Union zu Mazedonien, bis hin zur Möglichkeit eines Assoziierungsabkommens, zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren, die Verantwortung für die entstandene Lage trägt allein die extremistische Belgrader Führung. In ihrer Hand liegt es, die Operationen des Militärs und der Sicherheitskräfte dauerhaft und nachprüfbar zu beenden und eine Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen. Bloße Deklarationen über Waffenstillstände, die nicht ernst gemeint sind und deren Verlogenheit wir aus den Kriegen in Kroatien wie auch in Bosnien und Herzegowina kennen, reichen nicht.
Belgrad muß sofort überprüfbare Schritte zur Lösung des Konflikts unternehmen - und das bedeutet neben einem echten Waffenstillstand: Abzug aller jugoslawischen Kräfte aus dem Kosovo einschließlich der berüchtigten paramilitärischen Banden, Rückkehr der Flüchtlinge und Stationierung internationaler Truppen zum Schutz der Bevölkerung.
Hinter diese Forderungen hat sich auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, gestellt, der Gast des Informellen Treffens der Staats- und Regierungschefs heute abend in Straßburg sein wird. Es liegt jetzt an der jugoslawischen Seite, die Forderungen der internationalen Gemeinschaft ohne Abstriche anzunehmen und umgehend umzusetzen. Das - und nur das - würde den Weg zu einer politischen Lösung des Konflikts öffnen.
Meine Damen und Herren, die westliche Allianz kämpft auf dem Balkan nicht allein gegen Leid und für Recht und Gerechtigkeit. Auf dem Spiel stehen auch Glaubwürdigkeit und Geltung des europäischen Zivilisationsmodells. Das Belgrader Regime führt Krieg gegen seine eigene Bevölkerung. Deswegen mußten sich die demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaften Europas dem totalitären Regime in Belgrad entgegenstellen. Das Zukunftsmodell Europäische Integration ist konfrontiert mit einem hermetischen Konzept des Ethnonationalismus, in dem kein Raum bleibt für Minderheiten und Andersdenkende. Es steht, wenn Sie so wollen, das 21. gegen das 19. Jahrhundert.
Über den Tag hinaus gedacht, kann es deshalb für die Staaten und Völker der Region nur eine Zukunft geben. Wenn wir der Demokratie dort dauerhaft zum Durchbruch verhelfen möchten und die Menschen der Region, und hier schließe ich die Bevölkerung Jugoslawiens ausdrücklich ein, für das europäische Modell gewinnen wollen, müssen wir ihnen eine europäische Perspektive bieten.
Damit ist nicht gemeint: ein kurz- oder mittelfristiger Beitritt zur Europäischen Union, der diese Länder selbst überfordern würde. Ich spreche vielmehr von einer übergreifenden Regionalstrategie, eine Art Stabilitätspakt für die Balkanregion. Eine solche Strategie soll den Weg der Anbindung an die Europäische Union, an den Binnenmarkt wie an die europäische Wertegemeinschaft eröffnen. Die deutsche Präsidentschaft hat hierzu ein Konzept unterbreitet.
Meine Damen und Herren, uns ist es aufgetragen, durch entschlossenes Handeln zu bestimmen, unter welchen Vorzeichen Europa dieses blutige Jahrhundert der nationalen Egoismen und der übersteigerten Ideologien beenden wird.
Unsere Pflicht ist es, der Demokratie, den Menschenrechten und der Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg in ganz Europa zum endgültigen Durchbruch zu verhelfen. Und wir werden, wo immer das Leid der Menschen in der Region dies gebietet, großherzig sein und unsere Solidarität mit den Schwachen unter Beweis stellen. Lassen sie uns diese Aufgabe gemeinsam angehen. Im Namen Europas, seiner Bürgerinnen und Bürger und unserer gemeinsamen Werte.