Redner(in): Michael Naumann
Datum: 19.04.1999

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/25/11825/multi.htm


Dieses Interview erschien im Heft 4/1999

Frage: Herr Dr. Naumann, wo sehen Sie Ihre Chancen und Ihre Grenzen, auf die Entwicklung der Medien in Deutschland Einfluß zu nehmen?

Naumann: In meiner Behörde sind eine Reihe von medienpolitischen Zuständigkeiten des Bundes zusammengefaßt: Grundsätzliche Rechtsfragen und internationale Kooperation im Medienbereich, der Auslandsrundfunk, Fragen der Medien- und Filmwirtschaft, der kulturellen Filmförderung und des Verlagswesens. Hier kooperieren wir vor allem mit dem Justiz- und dem Wirtschaftsministerium. Im Rahmen dieser Zuständigkeiten gilt es, für die kulturelle Dimension der Medien einzutreten, die durch eine zunehmende Ökonomisierung des Mediensektors in den Hintergrund zu rücken droht.

Aufgrund unseres föderalistischen Systems sind der Medienpolitik des Bundes klare Grenzen gesetzt. Zu nennen ist dabei vor allem die Zuständigkeit der Länder für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk. Hier gibt es funktionierende Institutionen und Mechanismen, mit denen sich die Länder untereinander abstimmen. Daneben haben sich auch Konsultationsstrukturen mit dem Bund herausgebildet. Angesichts der fortschreitenden Internationalisierung im medienpolitischen Bereich bedarf es auch weiterhin einer engen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und darüber hinaus auch auf internationaler Ebene.

Frage: Die Zukunft der elektronischen Medien wird gegenwärtig vor allem unter technischen und finanziellen Aspekten diskutiert. Sehen Sie als Staatsminister die Notwendigkeit und Möglichkeiten, die Diskussion über Qualität und gesellschaftliche Funktion der elektronischen Medien zu befördern?

Naumann: Kommunikation "und das heißt heute vor allem: Kommunikation via elektronische Massenmedien" hält bekanntlich die Gesellschaft zusammen. Fragen nach dem Inhalt der Medien dürfen nicht hinter der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung zurückstehen. Deshalb müssen wir auch über den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diskutieren. Wenn zu Hauptsendezeiten der ersten Programme Kultur nicht mehr hinreichend vertreten ist, sondern nur noch im Mitternachts-Programm ausgestrahlt wird, ist es auch die Aufgabe eines Kulturstaatsministers, dies kritisch zu hinterfragen und bisweilen auch produktive Unruhe zu schaffen. Dabei verkenne ich nicht, daß die Programmhoheit bei den Verantwortlichen in den Redaktionen liegt und dort auch bleiben soll. Daß meine Erwartungen an die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit ihrem spezifischen Programmauftrag jedoch höher sind als an die Privaten, ist wohl nachvollziehbar.

Frage: Kann man den deutschen Film stärken, ohne gleichzeitig über die Perspektiven und die Funktion des Fernsehens in Deutschland zu diskutieren, das ja in beträchtlichem Umfang Auftraggeber für die deutsche Filmwirtschaft ist?

Naumann: Das "wie ich es genannt habe -" Bündnis für den Film ", zu dem ich am 9. und 10. April nach Babelsberg eingeladen habe, soll vor allem einer verbesserten Kooperation zwischen Bund und Ländern in der Filmpolitik dienen. Diese Initiative zielt darauf ab, die kulturelle und wirtschaftliche Filmförderung des Bundes besser mit den Fördermaßnahmen der Länder abzustimmen. Hier könnten neue Akzente in der Förderpolitik gesetzt werden, die auch eine stärkere Beteiligung der öffentlich-rechtlichen und der privaten Fernsehveranstalter umfassen. Da bewegt sich bereits einiges. Ohne Beteiligung des Fernsehens entsteht schon heute kein großer Film mehr in Deutschland. Dieses Engagement zugunsten des Films begrüße ich ausdrücklich. Aber vielleicht läßt es sich auch verbessern.

Frage: Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen achtet in erster Linie auf die "Quote", und anspruchsvolle Fernsehfilme haben es da nicht immer leicht. Halten Sie diesen Prozeß für unumkehrbar?

Naumann: Daß man sich nicht nur bei den privaten, sondern auch bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern Gedanken über Einschaltquoten und die Akzeptanz des Programmangebots macht, ist verständlich. Dies darf allerdings nicht dazu führen, daß die Sender ihren Kulturauftrag vernachlässigen. Darüber muß intensiv diskutiert werden " auch im Licht der kritischen Vorstöße der Wettbewerbskommission in Brüssel.

Frage: Wie sollte sich das Verhältnis zwischen den Fernsehveranstaltern und den Filmproduzenten gestalten?

Naumann: Ich trete für eine starke und leistungsfähige Film- und Fernsehproduktion in Deutschland ein. Das bedeutet u. a. auch, daß Film- und Fernsehproduzenten für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden müssen. Zudem sollten die Rechte an den Filmen nach einer bestimmten Frist an die Produzenten zurückfallen. Ob der im neuen Filmförderungsgesetz dafür festgelegte Zeitraum von spätestens sieben Jahren ausreicht, wird zu überprüfen sein. Es wird jedoch keine starken Produzenten geben, ohne daß diese die Chance erhalten, einen Fundus an Filmrechten aufzubauen.

Frage: Sollte man bei den Rundfunkgebühren einen festen Prozentsatz einführen, der an die Auftragsvergabe für deutsche Filmproduzenten gebunden wird?

Naumann: Ich halte nichts von solchen festen Vorgaben oder Quoten. Ich hoffe, daß sich bei den Fernsehveranstaltern mehr und mehr die Einsicht durchsetzt, daß beide Seiten aus der Existenz leistungsstarker und kreativer Produzenten Vorteile ziehen können.

Frage: Wo sehen Sie den Platz der deutschen Filmwirtschaft in Europa?

Naumann: Der deutsche Film ist wieder im Kommen - davon bin ich fest überzeugt. Ich setze dabei auf die jungen deutschen Filmemacher und Schauspieler und vertraue darauf, daß sich der deutsche Film zunächst im eigenen Land wieder mehr durchsetzt. Dann, so meine ich, wird der deutsche Film auch in anderen europäischen Ländern stärker vertreten sein.

Frage: Wie wichtig ist für Sie eine engere Zusammenarbeit der Filmproduzenten innerhalb Europas?

Naumann: Sehr wichtig. Leider haben Koproduktionen zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern an Bedeutung verloren. Wir sollten daher alles tun, um die Zusammenarbeit im Filmbereich innerhalb der Europäischen Union und mit den Filmländern Mittel- und Osteuropas zu fördern.

Frage: Kann es einen europäischen Film als Antwort auf Hollywood überhaupt geben?

Naumann: Unsere Filme müssen in Europa besser vermarktet werden. In den USA werden immer nur einzelne europäische Filme Erfolge verbuchen können. Europas Filmbranche sollte deshalb nicht unbedingt danach streben, mit Hollywood-ähnlichen Produktionen in den USA konkurrenzfähig zu werden. Europa sollte sich vielmehr auf seine eigenen Stärken - die kulturelle Vielfalt und den europäischen Markt - konzentrieren.

Frage: Ich habe den Eindruck, die Förderung der Filmwirtschaft in Deutschland ist für Sie vor allem eine Angelegenheit der Bundespolitik. Warum?

Naumann: Dieser Eindruck ist falsch. Meine Aufgabe besteht darin, mich um die Zuständigkeiten des Bundes bei der Filmförderung zu kümmern. Angesichts der für einen Außenstehenden nahezu undurchsichtigen, durch Bundes- und Länderkompetenzen zersplitterten Filmförderung in Deutschland ist es jedoch wichtig, über die Frage zu diskutieren, wie die Zusammenarbeit bei der Filmförderung verbessert werden kann. Dabei wird die Filmförderungsanstalt eine wichtige Rolle zu spielen haben. Denn nach dem neuen Filmförderungsgesetz soll sie auf eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Länder hinwirken.

Frage: Wo setzen Sie bei der Filmförderung die Prioritäten?

Naumann: Im Augenblick sehe ich drei Schwerpunkte: Die Stärkung der kulturellen Filmförderung in Bund und Ländern, die Intensivierung der Außenvertretung des deutschen Filmes und neue Initiativen in der europäischen Filmpolitik.

Frage: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen bundes- und landespolitischer Förderung und einem Ausbau des privatwirtschaftlichen Engagements in der Filmwirtschaft?

Naumann: Privates Engagement in der Film- und Fernsehproduktion sollte ausgebaut werden. Ich werde mich daher nach Abschluß des ersten Steuerreformgesetzes intensiv mit den künftigen Gestaltungsmöglichkeiten für Filmfonds befassen. Bisher sind für die Fonds nur die Werbemöglichkeiten mit Verlustzuweisungen weggefallen. Die grundlegende Regelung der 100prozentigen Abschreibungsmöglichkeit von Investitionen in das immaterielle Wirtschaftsgut Film ist als Ausgleich des Aktivierungsverbotes erhalten geblieben. Dies gilt auch weiter für Filmfonds, wenn sie sich als Koproduzenten an der Filmproduktion beteiligen.

Frage: Was könnte und sollte bei der 50. Berlinale im Jahr 2000 anders sein als bei der 49. in diesem Jahr?

Naumann: Die Berlinale 2000 wird allein schon durch den Umzug an den Potsdamer Platz ein anderes Gesicht erhalten. Ich hoffe, sie wird filmkünstlerisch ebenso attraktiv wie in diesem Jahr. Dann wird die Millenium-Berlinale rundum zu einem Erfolg werden.