Redner(in): Rolf Schwanitz
Datum: 21.06.2001

Untertitel: Seit Regierungsantritt hat sich die Netzwerkförderung zu einem Schwerpunkt der Förderpolitik entwickelt. Schwanitz warnte in seinem Beitrag allerdings vor einem unreflektierten Netzwerkglauben, denn Netzwerke können die wirtschaftliche Entwicklung nur dann voranbringen, wenn sich die mit Netzwerken angeschobenen Strukturen auch selbst tragen.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/86/45586/multi.htm


Das Ziel unserer heutigen Veranstaltung ist es, gemeinsam darüber zu diskutieren, wie Netzwerke und Bündnisinitiativen in den neuen Ländern auch künftig genutzt und wenn möglich sogar noch weiter verstärkt werden können.

Diese Frage stand auch im Mittelpunkt der Diskussion der Arbeitsgruppe Aufbau Ost im Bündnis für Arbeit. Hier war und ist es unser Anliegen, ein breites Aktionsbündnis für Netzwerke in Ostdeutschland zu schaffen.

Netzwerke stellen für Ostdeutschland ein wichtiges, zum Teil sogar strategisch entscheidendes Instrument für die wirtschaftlich-strukturelle Entwicklung dar.

Deshalb hat sich die AG Aufbau Ost klar für eine weitere intensive Förderung von Netzwerken ausgesprochen. Alle Bündnispartner haben in letzter Zeit ihre Netzwerkaktivitäten verstärkt, so dass wir unserem Ziel, der breiten Aktivierung, durchaus einen Schritt näher gekommen sind. Darüber hinaus haben wir eine Reihe von Empfehlungen für die künftige Ausgestaltung der Netzwerkförderung vorgeschlagen.

Seit Regierungsantritt vor gut zwei Jahren hat sich die Netzwerkförderung zu einem Schwerpunkt in der Förderpolitik entwickelt. Zahlreiche Netzwerkprogramme wurden aufgelegt. InnoRegio ist hier das bekannteste Beispiel.

In diesem Jahr haben wir - finanziert aus den UMTS-Zinsersparnissen - ein weiteres regionales Netzwerkprogramm speziell für die neuen Länder aufgelegt. Mit dem Programm "Innovative regionale Wachstumskerne" will die Bundesregierung dazu beitragen, die Bündelung von Kompetenzen zu fördern und die damit verbundenen Chancen für die wirtschaftliche Nutzung von Innovationen für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Regionen der neuen Länder stärken.

Das Netzwerk-Instrumentarium wurde im Innovations- und Forschungsbereich speziell auch mit Blick auf die betriebliche Ebene deutlich ausgebaut. Hierzu zählen z. B. das Programm "Pro Inno", mit dem Forschungskooperationen zwischen Unternehmen untereinander und mit Forschungseinrichtungen im In- und Ausland gefördert werden. Es wurde bislang sehr gut angenommen. Innerhalb gut eines Jahres konnten mit Hilfe dieses Programms bereits mehr als 1.000 neue Forschungskooperationen mit insgesamt rund 3.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen gefördert werden.

Auch mit dem neuen Programm "Innonet" werden spezielle Vernetzungen zwischen Forschungsinstitutionen und mittelständischer Wirtschaft gefördert. Bei beiden Programmen sind die neuen Länder mit über 50 Prozent überdurchschnittlich beteiligt.

Die Programme hatten zugleich auch positive Rückwirkungen auf die Förderpolitik selbst, da neue Vergabekriterien, wie z. B. das Wettbewerbsverfahren bei InnoRegio, eingeführt wurden und die Förderung von sogenannten "weichen Faktoren" eine wichtige Rolle spielt.

Vor einem unreflektierten Netzwerkglauben sei allerdings dringend gewarnt.

Netzwerke haben Nutzen und Kosten. Dies muss jedem klar sein. Netzwerke werden die wirtschaftliche Entwicklung nur dann voranbringen, wenn sie eine klare Marktorientierung besitzen. Langfristig müssen sich die mit Netzwerken angeschobenen neuen Strukturen auch selbst tragen. Nur dann leisten wir mit diesem Instrument einen wertvollen Beitrag für den Aufbau Ost.

Insgesamt also gilt: Netzwerke sind kein "Zauberstab", mit dem sich wirtschaftliche und strukturelle Zusammenhänge oder Abhängigkeiten einfach überwinden lassen. Nur weil der Begriff Netzwerk heute modern und zeitgemäß klingt und in der Informationsgesellschaft offensichtlich alles irgendwie miteinander vernetzt ist, sollten wir uns nicht blenden lassen.

Warum sind Netzwerke in Ostdeutschland so wichtig?

Die ostdeutsche Wirtschaft befindet nach wie vor in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Einerseits ist ein beachtliches Wachstum der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe und bei den Exporten zu verzeichnen; andererseits durchleben Bauwirtschaft und baunahe Dienstleistungen z. Z. einen gravierenden Anpassungsprozess. Neue Entwicklungen, wie die EU-Osterweiterung, treten hinzu. Chancen und Herausforderungen dieser Veränderungen müssen angenommen und bewältigt werden.

Es müssen Antworten vor allem auch für diejenigen Regionen gefunden werden, die bislang noch nicht zu den Gewinnern des marktwirtschaftlichen Erneuerungsprozesses zählen. Mit dem Aspekt der Netzwerkförderung geht es allein darum, einen Weg zu finden, wie wirtschaftliche Strukturen angestoßen und gestärkt werden, die sich langfristig als lebensfähig erweisen.

Zusammenfassend gesagt geht es mit Blick auf die ostdeutsche Situation also um zwei zentrale Ziele:

zum einen Antworten auf die vorhandenen wirtschaftlich-strukturellen Defizite zu finden, wie sie typisch für die Lage der neuen Länder sind, und zum anderen die eigenen Kräfte und Potenziale zu bündeln und zu mobilisieren, um Chancen zu ergreifen und einen eigenständigen, selbstbestimmten Entwicklungsweg finden zu können. Erwartet wird, dass mit Hilfe von Netzwerken diese Ziele schneller erreicht werden. Dabei haben Netzwerke durchaus gezeigt, dass sie das Potenzial hierzu besitzen. Erfahrungen zeigen, dass die folgenden Erfolgsfaktoren für Netzwerke besonders wichtig sind:

eine genaue Beschreibung der Ziele, die mit Netzwerken erreicht werden sollen; eine möglichst frühzeitige Analyse der verfügbaren Mittel und Kompetenzen; die nüchterne Abwägung von Nutzen und Kosten, die Bereitschaft aller Akteure, sich auf die Arbeitsweise von Netzwerken einzustellen, die Fähigkeit zu intensiver Kommunikation und Kooperation, und nicht zuletzt auch ein professionelles Netzwerkmanagement. Netzwerke können ein zukunftsweisendes Instrument der Förderung von Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in den neuen Ländern werden.

Unsere heutige Veranstaltung bietet hierzu einen wertvollen Erfahrungsaustausch, wobei wir die Leistungsfähigkeit von Netzwerken aus verschiedenen Blickwinkeln beobachten können. Auf den Diskussionsforen des heutigen Tages werden vier typische Netzwerk-Zielsetzungen aufgegriffen:

UnternehmenskooperationenInnovationsnetzwerkeBeschäftigungsinitiativen undgrenzüberschreitende Kooperationen mit Blick auf die bevorstehende EU-Osterweiterung. Wie ich in der Vorbereitung auf diese Veranstaltung in einem der vielen interessanten Papiere lesen konnte: sind Netzwerke die "Dampfmaschinen unserer Zeit". In dem Sinne wünsche ich unserer Veranstaltung "Volldampf voraus" und interessante Diskussionen.