Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 25.06.2001

Untertitel: Es ist eine große Ehre für mein Land und eine große Freude für mich, hier heute unter Ihnen sein zu können und zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Anrede: Verehrter Herr Präsident, verehrter Herr Ministerpräsident, verehrter Herr Parlamentspräsident, Exzellenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/78/45978/multi.htm


Es ist eine große Ehre für mein Land und eine große Freude für mich, heute hier unter Ihnen sein zu können und zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Heute vor zehn Jahren war ein großer Tag für Slowenien und ein großer Tag für Europa, und zwar für das ganze Europa. Das slowenische Volk hatte entschieden, frei zu sein. Und es ist frei geworden. Das slowenische Volk hatte entschieden, selbstbewusster Teil der europäischen Völker zu sein. Das ist es geworden. Das slowenische Volk hatte entschieden, erfolgreich zu sein. Und auch das ist es geworden.

Das ist der Grund, warum ich Ihnen im Namen aller Deutschen hier und heute herzlich gratuliere. Ich sage das mit Anerkennung und Respekt vor Ihrer historischen Leistung. Ich sage das als deutscher Bundeskanzler, der um die historische Verantwortung der Deutschen weiß. Die Deutschen haben Ihrem Volk Schlimmes angetan. Wir werden das nicht vergessen, und wir werden das nicht verdrängen. Denn wir sind uns bewusst: Die Verantwortung, die wir miteinander haben, ist eine gemeinsame Verantwortung für Freiheit und Frieden in ganz Europa.

Es gibt viele, die schreiben und sagen, es gehe in der Zukunft darum, Europa zu erweitern. Das ist falsch. Es geht nicht darum, Europa zu erweitern, sondern es geht darum, die Europäische Union zu erweitern, weil Sie zum Beispiel, die Slowenen, aber auch andere Völker Ost- und Südosteuropas immer zu Europa gehört haben, und zwar auch zu den Zeiten, in denen Sie nicht zum freien Europa gehören durften.

Unsere Generation, die Generation derer, die jetzt in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Funktionen handelt - in der Wirtschaft, der Wissenschaft, in Kunst und Kultur und auch in der Politik - , hat die einmalige Chance, unser altes Europa zu einem Kontinent von dauerhaftem Frieden und dauerhafter Wohlfahrt seiner Menschen zu machen. Die, die wir das jetzt zu verantworten haben, dürfen diese Chance um unserer Kinder und Enkel Willen nicht verpassen. Das ist unsere Verantwortung, der wir miteinander gerecht werden müssen.

Was heißt das für unsere gemeinsame Zukunft? Dieses wunderbare Land Slowenien will Teil der Europäischen Union werden. Die Europäische Union, zumal Deutschland, will, dass das geschieht, was Sie sich vorgenommen haben. Deutschland will Sie dabei in aller Freundschaft unterstützen.

Die letzten zehn Jahre waren eine Erfolgsgeschichte für Ihr Land und für die Menschen in Slowenien. Sie haben sich an die Spitze der Kandidaten gebracht, die den Beitritt zur Europäischen Union wollen. Sie werden - das ist seit den Beschlüssen von Göteborg gewiss - zu den Ersten gehören, die Vollmitglieder der Europäischen Union werden.

Ihr Reformwille und Ihre Bereitschaft zur Veränderung haben das bewirkt. Sie selbst haben das bewirkt. Andere mögen geholfen haben, aber Sie, das Volk Sloweniens, verdienen die Anerkennung für das, was Sie geleistet haben.

Sie haben um Ihrer Sicherheit Willen entschieden, Mitglied der NATO werden zu wollen. Wir haben 1999 mit Ihren Verantwortlichen, mit dem Ministerpräsidenten in Washington zusammen entschieden, dass die Tür der NATO für neue Mitglieder offen bleibt. Wir werden uns im nächsten Jahr innerhalb der NATO in Prag treffen. Ich denke, dort wird es Entscheidungen geben, und zwar womöglich über die Aufnahme neuer Mitglieder. Ich denke, zu den Ersten, die neu aufgenommen werden könnten, wird Slowenien gehören, weil es sich durch eigene Anstrengungen in die Lage versetzt hat, Mitglied zu werden.

Was mir bleibt, ist, Ihnen zu sagen, sich von Rückschlägen, die es vielleicht auch einmal geben wird, nicht entmutigen zu lassen und beharrlich an dem Kurs weiter zu arbeiten, den Sie vor zehn Jahren so erfolgreich eingeschlagen haben. Von ganzem Herzen rufe ich Ihnen zu: Willkommen im vereinten Europa! Willkommen Slowenien!