Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 19.07.2001

Untertitel: "Wir befinden uns mitten im Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zur Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts."
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/34/50034/multi.htm


Sehr geehrter Herr Bürgermeister Protzer, sehr geehrte Damen und Herren,

wir befinden uns mitten im Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zur Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. War in der Agrargesellschaft Boden, in der Industriegesellschaft Kapital der limitierende Faktor für Wachstum und Beschäftigung, so sind inzwischen der Mensch und seine kreativen Potenziale die Erfolgsfaktoren.

Innovationsfähigkeit wird zum entscheidenden Kriterium für wirtschaftlichen Erfolg.

Bisher leben wir vor allem von den Basisinnovationen des 19. Jahrhunderts - in Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau.

Bei den Innovationen des 20. Jahrhunderts waren wir zu langsam bei der Umsetzung von Erkenntnissen und Ideen in marktfähige Produkte. Deshalb haben in der Datenverarbeitung und der Unterhaltungselektronik Amerikaner und Japaner die Nase vorn.

Heute, beim Zusammenwachsen von Medien, Datenverarbeitung, Informations- und Kommunikationstechnologie werden die Chancen und Märkte noch einmal neu verteilt. Das 21. Jahrhundert ist das Online-Jahrhundert. Schon heute ist die IT-Wirtschaft die Wachstumsbranche Nr. 1 in Deutschland. Bis Ende des Jahrzehnts wird ein zusätzlicher Nettoarbeitsplatzeffekt von bis zu 750.000 Stellen erwartet.

Der IT-Sektor ist deshalb - neben der Bio- und Gentechnologie und dem Energiesektor - einer der Schlüsselbereiche für Wachstum und Beschäftigung.

Vergleichbar mit der Bedeutung von Maschinenbau, Fahrzeugbau und Elektrotechnik für das vergangene Jahrhundert.

Die technischen und ökonomischen Potenziale, die in den modernen IT-Technologien stecken, sind bei weitem noch nicht ausgereizt.

IT-Technologien führen zu Synergieeffekten zwischen traditioneller Industrieproduktion und New Economy und eröffnen neue Wachstumschancen. Die langfristigen Perspektiven von Internet, E-Commerce, Mulitmedia sind deshalb nach wie vor gut.

Beim Aufbruch in den Zukunftsmarkt M-Commerce starten wir in Europa, nicht zuletzt dank einheitlicher Standards und konsequenter Liberalisierung, aus der Pole Position. Auch beim Content haben wir große Möglichkeiten. Jetzt kommt es darauf an, die Chancen zu nutzen.

Wir haben im Bündnis für Arbeit vereinbart, die Zahl der IT-Ausbildungsplätze massiv zu erhöhen und wesentlich mehr in Qualifizierung zu investieren. Die Erfolge sind sichtbar: Gab es 1998 13.000 IT-Ausbildungsplätze, so sind es heute über 50.000. Und wir investieren massiv in Weiterbildung: Fast 70.000 Arbeitnehmer oder Arbeitsuchende haben inzwischen von entsprechenden Massnahmen profitiert.

Deutschland fit zu machen für das Online-Jahrhundert, ist auch das Anliegen der Initiative D 21. Hier werden konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht, um bspw. Schulen oder öffentliche Büchereien mit Computern auszustatten.

Für mich ist D 21ein Musterbeispiel für public private partnership. Die Initiative ging von Unternehmen aus. Den Vorsitz des Beirates hat Bundeskanzler Gerhard Schröder übernommen.

Gemeinsam arbeiten wir - Wirtschaft und Politik - daran, den Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft erfolgreich zu beschreiten.

Chancen aufzuzeigen, Teilhabemöglichkeiten zu schaffen und eine Spaltung der Gesellschaft in Vernetzte und Unvernetzte zu verhindern.

Zu lange wurde public private partnership in Deutschland verkürzt für die private Finanzierung öffentlicher Aufgaben gebraucht.

Uns geht es um mehr. Es geht um die gemeinsame Definition von Zielen und die Vereinbarung konkreter Umsetzungsschritte. Das ist nicht weniger als ein neuer Politikstil: Vom "Vater Staat" zum "Partner Staat".

zweiter Schlüsselbereich ist die Bio- und Gentechnologie.

Von Biotechnologie und Medizintechnik erwarten über 80 Prozent der Deutschen geradezu bahnbrechende Erfolge im Kampf gegen den Krebs, und dass viele schwere Krankheiten sogar - etwa durch den Einfluß von Gentechnologie - von vornherein verhindert werden könnten.

Zugleich zeigen sich viele Menschen besorgt über die Risiken, die sich mit der Nutzung der neuen Technologien verbinden.

Inzwischen hat sich eine breite Debatte entwickelt, in der quer durch alle Parteien und Bevölkerungsschichten über pro und contra gentechnischer Verfahren diskutiert wird. Wir brauchen diese Debatte. Denn gerade im Bereich der Bio- und Gentechnologie werden innovative Verfahren nur dann auf die nötige Akzeptanz stossen, wenn zuvor öffentlich Chancen und Risiken abgewogen wurden.

Der Bundeskanzler hat mit dem Nationalen Ethikrat ein Forum geschaffen, in dem die unterschiedlichen Positionen aufgegriffen werden. Der Rat setzt sich zusammen aus Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, den Kirchen, Wissenschaft und Industrie.

Aufgabe des Rates ist es, die medizinisch-therapeutischen Perspektiven der Bio- und Gentechnologie zu klären und die unterschiedlichen Forschungs- und Nutzungsmöglichkeiten ethisch zu bewerten. Das gilt im übrigen auch für den Verzicht auf bestimmte Optionen.

Denn es kann auch ethisch problematisch sein, von vorhandenen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen.

Die Frage des Altbundespräsidenten Herzog, mit welcher ethischen Begründung man den Eltern eines mukoviszidosekranken Kindes erklären will, dass mögliche Heilungschancen nicht genutzt werden, ist bis heute unbeantwortet geblieben.

Wir sollten es deshalb unterlassen, denen, die sich für die Erforschung und Nutzung gentechnischer Verfahren einsetzen, weniger ethisches Bewusstsein zu unterstellen, als den Kritikern.

Anrede,

im Bereich Bio- und Gentechnologie können wir in Deutschland auf ausgezeichnete Startbedingungen aufbauen. Unsere Universitäten sind in vielen Forschungsbereichen führend. Nirgends in Europa ist die Zahl der Biotechnologie Start-ups so hoch wie bei uns.

Dieses große Potenzial an Wissen und technischen Fähigkeiten müssen wir auch ökonomisch nutzen.

Anders als in der IT-Branche oder in der Medizintechnik, wo mit der Vermarktung von Erfindungen oft so lange gewartet wurde, bis andere den Markt erschlossen hatten, müssen wir rechtzeitig die nötigen Weichenstellungen vornehmen, damit in Deutschland aus Forschungsergebnissen und Basisinnovationen auch marktfähige Produkte werden können. Nur so lassen sich internationale Standards und damit auch Grenzen setzen.

Anrede,

der dritte große Innovationsbereich des 21. Jahrhunderts - neben IT und Biotechnologie - ist der gesamte Energiesektor.

Angesichts des weltweit steigenden Energiebedarfs nehmen die fossilen Energievorräte immer schneller ab.

Unsere derzeit wichtigsten Energiequellen Kohle, Öl und Gas werden zu knappen und damit immer teureren Gütern.

Es ist deshalb nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch geboten, die Weichen in Richtung einer höheren Energie- und Ressourceneffizienz zu stellen.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei optimaler Nutzung der bereits vorhandenen Technologien die Ressourcenproduktivität um den Faktor Vier gesteigert werden könnte. Je weniger Energie und Rohstoffe wir in Produktion oder Dienstleistung einsetzen müssen, desto höher wird die "Gewinnspanne" für Umwelt und Wirtschaft.

So enstehen zukunftsfähiges Wachstum und zukunftssichere Arbeitsplätze.

Unsere Ausgangsposition ist gut: Das 100. 000-Dächer-Programm zur Förderung der Photovoltaik und das EEG - das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien - haben eine gewaltige Nachfrage nach entsprechenden Anlagen ausgelöst.

Die Folgen des Auftragsbooms: Deutsche Anlagenbauer in den Bereichen Wind- , Wasser- und Solarenergie sind inzwischen weltweit führend.

Und vom Aufschwung in diesem Bereich profitieren vor allem die kleinen und mittleren Betriebe: Die Ingenieur- und Planungsbüros, die Hersteller von Komponenten für Windräder oder Photovoltaikanlagen und viele Handwerksbetriebe, die solche Anlagen installieren und warten. Allein in der Windenergiebranche sind inzwischen rund 30.000 Menschen beschäftigt.

Ähnliche positive Effekte haben die Energie-Einspar-Verordnung und das CO2 -Gebäudesanierungsprogramm. Mit diesem Programm stossen wir Investitionen von rund 10 Mrd. DM an. Massnahmen zur Modernisierung von Heizkesseln oder zur besseren Wärmedämmung bei Altbauten kommen unmittelbar Bauwirtschaft und Handwerk zu gute und schaffen oder sichern zahlreiche Arbeitsplätze.

In Sachen zukunftsfähige Energietechnik hat sich Deutschland inzwischen in vielen Bereichen einen Vorsprung erarbeitet. Diesen Vorsprung wollen wir weiter ausbauen. Wir haben deshalb im Rahmen der nationalen Nachaltigkeitsstrategie eine Reihe innovativer Energie-Projekte auf den Weg gebracht.

Geplant ist u. a. ein Modellprojekt zur Errichtung von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee. Solche Windparks sollen nach Expertenschätzung bei einer Leistung von bis zu 25.000 Megawatt rund 85 Terrawattstunden Strom liefern. Das entspricht der Stromproduktion von acht Kernkraftwerken.

Damit würde die Windenergie endgültig den Nischenbereich verlassen und real zur Substitution von Atomstrom beitragen. Bis es so weit ist, müssen noch einige Hürden überwunden werden. Wir machen mit unserem Projekt den Weg frei.

Daneben erproben wir mit dem Pilotprojekt "Virtuelles Kraftwerk" der Einstieg in eine Dezentralisierung der Energieversorgung.

Dazu werden Brennstoffzellen in Haushalten miteinander vernetzt und durch intelligente Technik so gesteuert, dass sie zusammen die Wirkung eines Kraftwerks erzielen.

So wie wir in der Informationstechnologie von Großrechnern über mittlere Datentechnik zu vernetzten PC und mobilen Anwendungen gekommen sind, könnten wir ein Internet dezentraler Energieproduzenten schaffen.

Die Brennstoffzelle steht auch im Mittelpunkt eines weiteren geplanten Projektes.

Im Rahmen des Demonstrationsvorhabens "Clean Energy Partnership Berlin" wollen wir 100 wasserstoff-betriebene Fahrzeuge unter Alltagsbedingungen einsetzen. Parallel dazu wird die erforderliche Infrastruktur aufgebaut.

Wenn uns hier der Durchbruch gelingt, wenn wir es schaffen, jetzt eine Alternative zum Benzin- oder Dieselmotor zu entwickeln, wäre das ein ähnlicher Quantensprung wie der Bau der ersten Motorwagen durch Carl Benz und Gottlieb Daimler Ende des 19. Jahrhunderts.

Ich will, dass das vielzitierte "zero-emission-car" zuerst in Deutschland in Serie geht.

Natürlich bedarf es dazu einer entsprechenden Infrastruktur. Aber in Anfängen des Automobil-Zeitalters gab es auch kein flächendeckendes Tankstellennetz. Berta Benz fuhr seinerzeit zum Tanken zur Apotheke.

Wichtig ist, dass wir den Mut haben neue, unkonventionelle Wege zu gehen.

Ich bin sicher: Auch heute gibt es bei uns Ingenieure und Unternehmer, die den Mut zu visionären Projekten haben. Diese Pioniere müssen wir unterstützen.

Anrede,

Ausgangspunkt nicht nur für unsere Innovationspolitik, sondern für das Regierungshandeln insgesamt ist die Idee der Nachhaltigkeit. Es gibt für diesen Begriff eine Vielzahl wissenschaftlicher Definitionen, die ich Ihnen und mir ersparen möchte. Letztlich geht es darum eine Politik zu machen, die über den Tag hinaus blickt. , die in langen Linien denkt und handelt.

In diesem Sinne ist Zukunftsfähigkeit der rote Faden unserer Politik, von der Haushaltskonsolidierung über die Steuerreform, das Altersvermögensgesetz, Bildung und Forschung bis hin zur Neuorientierung der Landwirtschaft.

Lassen Sie mich das am Beispiel der Haushaltspolitik verdeutlichen: Lange Zeit wurden Haushaltsprobleme dadurch "gelöst", dass sie durch eine höhere Neuverschuldung einfach auf nachfolgende Generationen übertragen wurden.

Bis zum Regierungswechsel 1998 hatte alleine der Bund einen Schuldenberg von rund 1,5 Billionen Mark angehäuft, für den wir jährlich Zinsen in Höhe von 80 Mrd DM zahlen müssen. Jede vierte Steuermark muss für Zinsen ausgegeben werden. Soweit die Abschlussbilanz, die uns unsere Vorgänger hinterlassen haben.

Wir haben den Trend zu immer mehr Schulden gestoppt. Denn für einen Staatshaushalt gilt letztlich das gleiche wie für jeden Betrieb: Dauerhaft Wachstum und Beschäftigung kann es nur geben, wenn die Finanzen in Ordnung sind. Seit Regierungsantritt fahren wir deshalb die Schuldenaufnahme kontinuierlich herunter. Unser Ziel ist es, bis 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Durch die Konsolidierung des Haushalts gewinnen wir finanzielle Handlungsspielräume zurück, die wir in Form von Steuer- und Abgabensenkungen an Bürger und Wirtschaft weitergeben.

Mit einem Entlastungsvolumen von insgesamt 93 Mrd. DM haben wir die größte Steuerentlastung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht.

Im Vergleich zu 1998 hat eine Familie mit 2 Kindern schon heute im Schnitt fast 3.000 DM mehr im Portemonnaie, 2005 werden es über 4.000 DM sein.

Auch der Mittelstand profitiert von der Steuerreform. Mit der faktischen Abschaffung der Gewerbesteuer-Belastung für die meisten Betriebe, haben wir einem zentralen Anliegen der mittelständischen Wirtschaft Rechnung getragen.

Insgesamt entlasten wir kleine und mittlere Unternehmen bereits in diesem Jahr um fast 14 Mrd. DM. Bis 2005 wird das Entlastungsvolumen auf 30 Mrd. ansteigen.

Anrede,

zur Verbeserung der strukturellen Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung gehört auch die Reform des Unternehmensrechts.

In der Vergangenheit hat es eine Reihe von spektakulären Fällen gegeben, bei denen Unternehmen in eine Schieflage geraten waren, ohne dass der Aufsichtsrat rechtzeitig eingegriffen hätte.

Wir wollen die Zusammenarbeit von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer und Hauptversammlung verbessern und durch mehr Transparenz vor allem die Anleger schützen. Nachdem eine hochrangige Kommission letzte Woche entsprechende Empfehlungen vorgelegt hat, werden wir jetzt Fachleute beauftragen, einen Corporate-Governance-Kodex zu erarbeiten und laufend fortzuentwickeln.

Darüber hinaus wollen wir umgehend den Entwurf eines Transparenz- und Publizitätsgesetzes vorlegen, das erste Empfehlungen der Kommission zum Anlegerschutz, zum Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie, zur Deregulierung im Aktienrecht und zur Verbesserung der Aufsichtsratsarbeit umsetzt. Eine umfassende Reform des Aktienrechts soll sich als weiterer Schritt auf der Grundlage der Empfehlungen anschließen.

Unser System hat viele Stärken. Die bauen wir aus. Defizite jedoch wollen wir beheben. Zu den Defiziten gehörte, dass das deutsche System der Unternehmensführung und -kontrolle im Ausland nicht ausreichend transparent ist. Hier wird der Corporate Governance Code Abhilfe schaffen. Ergänzende Regelungen stellen sicher, dass wir auch in Zukunft eine führende Stellung im Wettbewerb der Corporate Governance Systeme halten.

Das verbessert die Finanzierungsbedingungen für deutsche Unternehmen, stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit und den Finanzplatz Deutschland.

Anrede,

bei allen Initiativen, die wir zur Stärkung des Standortes Deutschland ergreifen, geht es auch um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Mit Erfolg. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit 1998 um 600.000 gesunken, und die Beschäftigtenzahl hat mit rund 39 Mio. den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht.

Heute stehen wir vor der Situation, dass noch immer viele Menschen arbeitslos sind, während gleichzeitig in etlichen Bereichen ein erheblicher Arbeitskräftebedarf besteht.

Unser Problem ist die Lücke zwischen der Nachfrage nach qualifizierten Leuten und einem Teil von Arbeitslosen, die nicht über die geforderten Qualifikationen verfügen.

Diese Lücke können wir nur durch noch größere Anstrengungen bei Ausbildung und Qualifizierung schließen.

Gemeinsam mit den Tarifpartnern haben wir deshalb eine Qualifizierungsoffensive gestartet.

Damit geben wir sowohl Arbeitslosen als auch Erwerbstätigen die Möglichkeit, sich für neue berufliche Herausforderungen fit zu machen.

Flankiert werden diese Anstrengungen vom neuen Job-Aktiv-Programm der Bundesregierung.

Ziel des Programms ist es, Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen. Wir wollen im Bereich der Arbeitsvermittlung für jeden Arbeitslosen ein Profil erstellen: seine Stärken, seine Schwächen, seine Wünsche.

Anschließend wird ein passgenauer individueller Eingliederungsplan vereinbart, der den Betroffenen die notwendige Unterstützung durch Qualifizierungsmaßnahmen gibt. Job-Aktiv heisst: Fördern und fordern.

Die bisherige Regelung, wonach bestimmte Fördermassnahmen erst nach einer längeren Phase der Arbeitslosigkeit genutzt werden konnten, wird damit aufgehoben. Künftig können die Arbeitsämter alle Instrumente der Arbeitsförderung von Beginn der Arbeitslosigkeit an einsetzen. Damit bekämpfen wir Arbeitslosigkeit schon im Ansatz.

Um kurzfristigen Fachkräftebedarf zu decken, haben wir darüber hinaus im letzten Jahr die Green-Card eingeführt. Wir ermöglichen damit eine begrenzte Zuwanderung von dringend benötigen Spezialisten.

Die Green-Card kommt übrigens insbesondere dem Mitelstand zugute. Von den über 8000 vergebenen Green-Cards entfallen 80 % auf mittelständische Betriebe.

Regelungen wie die Green-Card können aber immer nur ergänzenden Charakter haben.

Vorrangig bleibt, dass wir die hier lebenden Menschen so qualifizieren, dass sie Chancen am Arbeitsmarkt haben.

Anrede,

um als Volkswirtschaft auf Dauer zukunftsfähig zu sein, müssen wir auch sozial- und gesellschaftspolitisch neue Wege beschreiten.

Die Qualität des Sozialstaats bemisst sich nicht an den Milliarden, die er ausgibt, sondern an den Problemen, die er löst, und den Chancen, die er eröffnet.

Wir orientieren uns am Leitbild eines aktivierenden und vorsorgenden Sozialstaates. Das bedeutet: Den Menschen Chancen zur eigenen Entwicklung geben, sie fördern und fordern.

Wenn z. B. Alleinerziehende nicht erwerbstätig sein können, weil ihre Kinder nicht betreut werden, löst man diese Probleme nicht, indem man die Sozialhilfe erhöht, auch nicht dadurch, dass man sie kürzt.

Die Lösung liegt vielmehr in flächendeckenden, bedarfsorientierten Kinderbetreuungsangeboten.

Gerade hier haben wir in Deutschland Nachholbedarf. Im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn, bspw. in Frankreich oder Skandinavien, gibt es bei uns noch immer viel zu wenig Kinderkrippen, Horte oder Schulen, die eine Ganztagsbetreuung anbieten.

Unser neues Familienförderungsgesetz wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich erleichtern. Das gilt insbesondere für die steuerliche Abzugsfähigkeit erwerbsbedingter Betreuungskosten.

Neben der erneuten Erhöhung des Kindergeldes sorgen wir dafür, dass - über den ebenfalls erhöhten Freibetrag hinaus - erwerbsbedingte Betreuungskosten bis zu 3000 DM von der Steuer absetzbar sind.

Der Bund ist den Ländern bei der Finanzierung der neuen familienpolitischen Leistungen weit entgegen gekommen.

Jetzt ist es Aufgabe der Länder und Kommunen, die entsprechenden Betreuungsangebote auszubauen.

Ein anderes Beispiel für diese Politik des Förderns und Forderns ist die Reform der GesetzlichenRentenversicherung. Damit haben wir die Altersvorsorge wieder zukunftssicher gemacht.

Viel zu lange wurde die notwendige, umfassende Reform der gesetzlichen Rentenversicherung aufgeschoben.

Dabei war auch schon zu Blüms Zeiten erkennbar, dass das Umlageverfahren allein die Auswirkungen der demografischen Entwicklung, der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und der gewandelten Erwerbsbiographien nicht auffangen kann.

Wir haben diese Aufgabe angepackt. Mit unserer Rentenreform sorgen wir für einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Rentner und der Beitragszahler.

Wir ergänzen das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rentenversicherung um eine kapitalgedeckte private und betriebliche Altersvorsorge.

Damit schaffen wir die Verbindung von Altersvorsorge, Investitionen und Wirtschaftsdynamik.

Zugleich ist der Einstieg in die kapitalgedeckte Altersvorsorge ein entscheidender Beitrag für die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt der Wirtschaft.

Anrede,

die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen. Auch wenn sich nach rund 3 % Wachstum im letzten Jahr das Wachstumstempo in diesem Jahr etwas verlangsamt hat, haben wir allen Grund mit Optimismus in die Zukunft zu blicken.

Dies sehen übrigens auch die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute so: Zwar wird für dieses Jahr eine Konjunkturdelle prognostiziert, aber bereits im nächsten Jahr, so die Wirtschaftsweisen, sollen die Wachstumsraten wieder steigen

Konjunkturpolitischer Aktionismus ist also fehl am Platze. Kurzfristige Konjunkturprogramme wären nur über eine Erhöhung der Neuverschuldung oder über Steuererhöhungen finanzierbar. Und das wäre kontraproduktiv. Wir werden deshalb unseren Kurs konsequent fortsetzen: Haushalt sanieren, Steuern senken, Innovationsfähigkeit erhöhen.

So halten wir Deutschland fit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.