Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 22.08.2001

Untertitel: Bei seinem Besuch in Sebnitz äußerte sich der Bundeskanzler u.a. zu den Ereignissen um den Tod eines Kindes im Freibad von Sebnitz im vergangenen Jahr. Im folgenden die betreffenden Passagen aus der Ansprache des Bundeskanzlers.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/50/53550/multi.htm


Bei seinem Besuch in Sebnitz äußerte sich der Bundeskanzler u. a. zu den Ereignissen um den Tod eines Kindes im Freibad von Sebnitz im vergangenen Jahr. Im folgenden die betreffenden Passagen aus der Ansprache des Bundeskanzlers: Schönen Dank, Herr Oberbürgermeister, für Ihre ebenso engagierte und - wie ich finde - zutreffende und gleichwohl abgewogene Rede, die Sie gehalten haben und mit deren Inhalt Sie die allgemeinen Probleme in der Region, aber auch das Besondere dieser Stadt angesprochen haben.

Ich denke, man muß ohne Wenn und Aber feststellen, daß dieser Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern durch eine pauschale Verurteilung bitteres Unrecht angetan worden ist. Und es ist gut, daß all'diejenigen, die dazu beigetragen haben - sicher nicht aus Absicht, aber, Sie haben darauf hingewiesen, durch vielleicht nicht zutreffende oder nicht energisch genug gemachte Aufklärung - , daß all'diejenigen sich dafür auch entschuldigt haben und dies öffentlich.

Ich glaube, daß man das respektieren soll, daß man das anerkennen soll. Gleichwohl: Es bleibt dabei, daß der Stadt, diesen Menschen bitter unrecht getan wurde. All' diejenigen, die Verantwortung tragen im Land und im Bund haben dazu beizutragen, daß dieses bittere Unrecht beseitigt wird.

Wer sich mit den Ursachen auseinandersetzt, wird auf sehr vielfältige stoßen. Wer will es einer Frau, die ihren Sohn verloren hat, vorwerfen, daß sie auch nach Schuld, nach Verantwortung - vielleicht unsachgemäß - woanders sucht? Wer sind wir, daß wir das in einer solchen Situation anklagen könnten?

Leider hat das dazu geführt, daß diejenigen, die über öffentliche Kommunikation verfügen, nicht mit hinreichender Sorgfalt - jedenfalls am Anfang - diese Dinge überprüft haben.

Gottseidank ist es dann so gekommen, daß Aufklärung geleistet werden konnte, Aufklärung von denjenigen, die dazu berufen sind - und das naturgemäß in einem längeren Prozess. Anders ist das in einem Rechtsstaat nicht möglich.

Ich glaube: Aus diesem Prozeß haben alle etwas gelernt, jeweils im eigenen Verantwortungsbereich. Ich will ein Wort sagen zu den jungen Leuten, die zu Unrecht beschuldigt worden sind: Sie haben daran zu tragen und ihnen möchte ich sagen: Die Stadt und all diejenigen, die Verantwortung tragen, wissen, was das bedeutet und verstehen die Last, die diesen jungen Menschen auferlegt worden ist.

Ich glaube, daß man vor diesem Hintergrund recht daran tut, in dieser Stadt - und der Oberbürgermeister hat das gemacht - , soweit es irgendwie geht, nicht in die Vergangenheit, sondern nach vorne zu schauen. Nach vorne zu schauen heißt aber auch: Ich glaube im Interesse aller, daß sich die Sebnitzer ebenso wie alle anderen in der Region und über die Region hinaus gegen jede Form rechtsradikaler Umtriebe, die es in unserem Land gibt, wehren müssen.

Wir brauchen dazu gerade auch den Bürgersinn der Menschen hier, um dem entgegenzutreten. Und deswegen muß an die Stelle pauschaler Verurteilungen der feste Wille aller Beteiligten in der Region und in der Stadt kommen, solchen Gegebenheiten mit allen anderen zusammen entgegenzutreten.

Im Übrigen: Der Oberbürgermeister ( ... ) hat völlig zu recht darauf hingewiesen, daß es jetzt darum geht, mehr als in der Vergangenheit zu begreifen, daß das, was hier als Vorwurf geäußert worden ist, überhaupt kein spezifisch ostdeutsches Problem ist, sondern daß es das in Deutschland insgesamt gibt, ja auch über Deutschland hinaus.

Insofern ist die Bekämpfung von gar gewaltbereitem Rechtsradikalismus etwas, was die Deutschen sich schlechthin zur Aufgabe machen müssen und machen. Und keineswegs nur die Ostdeutschen. Und wir sind auch selbstbewußt genug, unseren Partnern in Europa zu sagen, daß wir uns alle zusammen damit auseinander zu setzen haben.