Redner(in): Michael Naumann
Datum: 10.05.1999
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/17/11817/multi.htm
Frage: Spüren Sie einen Aufbruch in der deutschen Filmwirtschaft?
Naumann: Das vergangene Jahr war nicht sehr erfolgreich für den deutschen Film, vielleicht, weil sich die Komödie als Welle totgelaufen hatte. In diesem Jahr sehe ich einen Aufwärtstrend durch Spielfilme wie "Aimée & Jaguar" oder "Lola rennt" mit über 26 Auslandsabschlüssen.
Frage: Wo sehen Sie Ihre Chance, Einfluß zu nehmen?
Naumann: Der Bund kann Einfluß nehmen auf die Filmwirtschaft, auf die Kooperation der Filmfördereinrichtungen und natürlich auch auf die von uns geförderten Produzenten und Drehbuchautoren. Es geht nicht um Einfluß im Sinne einer staatlichen Zensur, sondern darum, einige Strukturprobleme gemeinsam anzupacken.
Frage: Welche Strukturprobleme wären das?
Naumann: Zunächst einmal das Problem der Rechte an den Filmen. Häufig verlieren die Produzenten von Spielfilmen, die vom Fernsehen mitfinanziert werden, diese Rechte, die in der Regel erst nach sieben Jahren an sie zurückfallen. Unabhängige Filmproduzenten, wie sie in anderen Ländern existieren, kennen wir nicht.
Frage: Wie stellen Sie sich eine Entflechtung von Kino und Fernsehen vor?
Naumann: Eine Möglichkeit wäre, das Filmförderungsgesetz in puncto Rechterückfall gegenüber den Fernsehanstalten zu novellieren. Wir müssen Risikobewußtsein bei Produzenten und Regisseuren fördern.
Frage: Das Fernsehen ist in hohem Maß Auftraggeber für den deutschen Film. Zeichnet sich da nicht eine Kontroverse ab?
Naumann: Beim Treffen "Bündnis für den Film" haben wir versucht, eine Kommunikationsstruktur herzustellen, die weder an den föderalen Prinzipien der Länder rührt noch den Bund zu totaler Ohnmacht verurteilt. Wenn ein Konsens über den Abbau von Abhängigkeiten herrscht, ist das schon ein gewaltiger Fortschritt.
Frage: Und die deutsche Repräsentanz in Brüssel?
Naumann: Wir müssen mit einem eigenen - wenn Sie so wollen - Bundeskulturlobbyisten vertreten sein. Die Zersplitterung der deutschen Kulturpolitik wurde bisher nicht nur mit Lächeln zur Kenntnis genommen, sondern auch weidlich ausgenutzt. Man konnte als Deutscher mit 16 Fäustchen auf den Tisch hauen, aber nicht mit einer Bundesfaust.
Frage: Auf renommierten Filmfestivals wie Cannes spielt der deutsche Film auch in diesem Jahr eine untergeordnete Rolle. Wie kann man das ändern?
Naumann: Das geht nur durch den Aufbau persönlicher Beziehungen. Da besteht Handlungsbedarf. Man darf allerdings nicht glauben, man habe Einfluß auf die Jury. Aber Jurys müssen erst einmal die Möglichkeit bekommen, unsere Filme zu sehen. Im übrigen finde ich es erfreulich, daß dieses Jahr in Cannes ein Film von Werner Herzog in einer Sondervorstellung des Wettbewerbs läuft und zum ersten Mal die Quinzaine mit dem Film eines deutschen Regisseurs, Andreas Kleinert, eröffnet wird.
Frage: Welche Chancen hat der europäische Film überhaupt gegen Hollywood?
Naumann: Unsere Filme müssen in Europa besser vermarktet werden. Den Konkurrenzkampf gegen die hochfinanzierten amerikanischen Filmproduktionen verlieren wir. In dem Augenblick, in dem sich unsere Filme aber kraft ihrer Qualität durchsetzen, sparen wir die Kosten für Marketing. Wir werden niemals die Rolle des amerikanischen Films übernehmen, aber wir können unseren Marktanteil vielleicht auf 20 Prozent vergrößern.
Frage: Hat die kulturelle Filmförderung mehr als eine Alibifunktion? Bei den Länderförderungen geht es in erster Linie um Standortsicherung.
Naumann: Filmförderung nur unter dem Aspekt der Standortsicherung und Ökonomisierung des Mediums vorzunehmen, halte ich für verfehlt. Sinn einer Filmförderung darf es auch nicht sein, primär Filme zu fördern, die im Nachmittagsprogramm landen. Hier ein bißchen die Gewichte zugunsten kulturell anspruchsvollerer Filme zu verschieben, halte ich schon für meine Aufgabe.
Frage: Wo liegen in der nächsten Zeit Ihre Prioritäten?
Naumann: Es gibt drei Schwerpunkte: Verbesserung des Verhältnisses zwischen Filmwirtschaft und Fernsehanstalten, Stärkung der kulturellen Filmförderung in Bund und Ländern und schließlich die Außenvertretung des deutschen Films und die Mitgestaltung der europäischen Filmförderung.