Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 08.10.2001

Untertitel: IT- Produkte und Anwendungen durchdringen alle Bereiche der Ökonomie und verändern Unternehmen, Arbeitswelt, Bildung, Verwaltung revolutionär.
Anrede: Sehr geehrter Herr Staudt, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/89/59089/multi.htm


morgen jährt sich zum 125. Mal ein historischer Tag. Auf der Telegrafenleitung zwischen Boston und Cambridge ( Mass. ) wurde das erste Ferngespräch geführt.

Rund 30 Jahre ist es her, dass Ray Tomilson Geschichte schrieb. Tomilson war Programmierer bei Bolt, Beranek und Newman ( BBN ) und versandte im Herbst 1971 die erste E-Mail.

Und vor gerade mal 10 Jahre wurde das World Wide Web geknüpft. Es folgte eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Was damals einigen wenigen Freaks und Experten vorbehalten war, ist heute - 10 Jahre später -ein Massenmedium. In Deutschland liegt die Zahl der Internetnutzer inzwischen bei 27 Millionen. Allein im letzten Jahr stieg sie um 10 Millionen; das verdeutlicht die Dynamik der Entwicklung.

Jede der genannten neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sorgte jeweils für eine Beschleunigung und Ausweitung. Anders gesagt: Der als Globalisierung beschriebene Prozess wurde getrieben von den Informations- und Kommunikationstechnologien und der Liberalisierung insbesondere der Finanzmärkte, deren stürmisches Wachstum seinerseits ohne IT nicht denkbar gewesen wäre.

Die Globalisierung ist weder ein neues Phänomen noch an sich ein Problem. Eine Herausforderung an die Politik; allerdings - wie die jüngsten Ereignisse und die Reaktion darauf zeigen - auch Chance, wenn international das Bewusstsein wächst, dass Nationalstaaten global Verantwortung übernehmen müssen.

Mit der Verkürzung räumlicher und zeitlicher Distanzen verbinden sich gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen: Nicht nur das Tempo, vor allem auch der Grad der Vernetzung. Information und Kommunikation sind heute die entscheidenden Antriebskräfte für Wachstum und Beschäftigung.

Die deutsche IT-Branche bleibt deshalb eine Konjunkturlokomotive der deutschen Wirtschaft. Das Bild ist aber wesentlich differenzierter geworden.

Nicht jedes Dotcom IPO löst Euphorie aus, aber auch die Abgesänge auf die New Economy gehen fehl. Da ist manche Schadenfreude zu verzeichnen, die sich aus Erleichterung speist, dass das eigene Industrieunternehmen nun doch nicht von einem an Börsenkapitalisierung überlegenen Newcomer übernommen werden könnte, dessen Unternehmensgeschichte kaum älter ist als das neueste Produkt der potenziellen Zielgesellschaft.

Wer daraus den Schluss zöge, er könne sich zurück lehnen und weiter wirtschaften wie zuvor, der hätte sich zu früh gefreut. Der entscheidende Punkt ist, dass die künstliche Trennung in New Economy und traditionelle Unternehmen überwunden ist.

IT- Produkte und Anwendungen durchdringen alle Bereiche der Ökonomie und verändern Unternehmen, Arbeitswelt, Bildung, Verwaltung revolutionär.

Der Branchenverband Bitkom rechnet mit Zuwächsen von 4,6 % in diesem Jahr. Im nächsten Jahr sollen es 4,9 % Wachstum sein. Besonders positiv ist die Entwicklung in den Bereichen Software, IT-Services, Mobilfunk- und Online-Dienste. Hier sind auch im nächsten Jahr zweistellige Wachstumsraten zu erwarten.

Damit bleibt die IT-Branche Schlüssel für Wachstum und Beschäftigung. Dies umso mehr angesichts der konjunkturellen Situation, die durch eine weltweite Verlangsamung des Wachstumstempos gekennzeichnet ist.

Zwar rechne ich mit einem baldigen Anziehen, möglich ist jedoch, dass die Anschläge des 11. September dazu führen, dass der Turnaround etwas später einsetzt.

Die Terroristen haben Symbole der Freiheit, der Marktwirtschaft, der offenen Gesellschaften angegriffen. Die entschlossene und zugleich besonnene Reaktion unterstreicht die Bedeutung der Werte, die wir verteidigen.

Gerade in stürmischen Zeiten kommt es darauf an, klaren Kurs zu halten. Es gibt weder Grund zu verzagen noch Anlaß für konjunkturpolitischem Aktionismus. Aber durchaus zu vorsichtigem Optimismus.

So wie wir in der Trauer und Anteilnahme mit den Amerikanern fühlen, in der Bekämpfung des Terrors gemeinsam handeln, dürfen wir auch in puncto Pioniergeist und Mut zur Zukunft selbstbewusst zusammen voran gehen.

Die Bundesregierung wird den eingeschlagenen Reformkurs konsequent weiterführen. Wir setzen die Haushaltskonsolidierung fort und nutzen die Spielräume für die weiteren Schritte der Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten.

Gute Wachstumschancen bestehen im E-Commerce. Schon heute sind wir in Europa mit einem Umsatz von rund 20 Mrd. US $ Marktführer. Wir haben wettbewerbsfähige Unternehmen, kompetente und motivierte Mitarbeiter, und innovative Existenzgründer.

Mit dem neuen Signatur-Gesetz und der Umsetzung der europäischen E-Commerce-Richtlinie schaffen wir die erforderliche Rechtssicherheit im Internethandel. Mit der Abschaffung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung haben wir zudem Wettbewerbsbenachteile deutscher Anbieter im grenzüberschreitenden Internethandel beseitigt.

Weitere Marktchanchen liegen insbesondere im Ausbau der dritten Mobilfunkgeneration. Die Zahl der 12 - 19jährigen, die ein Handy besitzen, ist in diesem Jahr erneut sprunghaft - um 50 % - angestiegen. Heute haben mehr Jugendliche Handys als PCs. Kein Grund zur Sorge, sondern hervorragende Ausgangsbasis für zukünftige Erfolge im M-Commerce.

Europa ist heute führend im Mobilfunk, nicht zuletzt aufgrund unserer einheitlichen Standards und der konsequenten Liberalisierung. Beim Start in den Zukunftsmarkt M-Commerce starten wir aus der Pole Position - ein Wettbewerbsvorteil, den wir jetzt nicht verspielen dürfen.

Noch ist der M-Commerce-Markt kaum erschlossen. Zwar haben 19 Prozent der jugendlichen Handy-Besitzer ein Wap-Handy, aber nur jeder vierte von Ihnen nutzt den mobilen Internet-Zugang. M-Commerce ist noch kein Selbstläufer. Aber ich bin sicher: Wenn die Angebote kundenorientierter und attraktiver und die Zahlungsabwicklung unkomplizierter werden, wird die Nachfrage auch hier rasch ansteigen.

Zur Erschließung des Marktes gehört aber auch, dass wir die Diskussionen über mögliche Gesundheitsgefährdungen durch elektromagnetische Strahlungen ernst nehmen. Ich begrüße in diesem Zusammenhang, dass sich die Netzbetreiber jetzt freiwillig verpflichtet haben, die Kommunen stärker bei konkreten Standortentscheidungen für Sendemasten der Mobilfunknetze einzubinden.

Je stärker die Betreiber mit den Städten und Gemeinden bei der Standortplanung kooperieren, je offener Sie die Bürgerinnen und Bürger informieren, desto größer ist die Chance, dass es zu der von uns allen gewünschten Versachlichung der Debatte kommt.

Eine Versachlichung ist auch notwendig bei der Einschätzung der Entwicklung an der Börse und hier insbesondere am Neuen Markt. Auf übertriebene Euphorie folgt jetzt überzogene Skepsis.

Der Zugang zu Risikokapital bleibt zentrale Voraussetzung für Innovation, Wachstum in Zukunftsbranchen wie der Bio-Technologie, der Medizintechnik oder der IT-Branche. Deshalb ist es jetzt wichtig, das Vertrauen der Anleger in die Börse zurückzugewinnen.

Die vom Bundeskanzler berufene Regierungskommission Corporate Governance hat im Juli 2001 ihren Abschlußbericht mit insgesamt 150 Empfehlungen vorgelegt. Die Empfehlungen dienen der Verbesserung von Unternehmensführung und -kontrolle.

Dabei geht es weniger um "Kontrolle" als um die verbesserte Zusammenarbeit von Vorstand, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer geht. Darüber hinaus stehen Vorschläge zur Verbesserung von Transparenz und Wettbewerb sowie Maßnahmen für ein besseren Schutz der Aktionäre im Mittelpunkt der Empfehlungen. Der Kommissionsbericht bildet das Fundament für die von der Bundesregierung angestrebte Modernisierung des deutschen Unternehmensrechts.

Erste Maßnahmen zur Verbesserung des Anlegerschutzes werden bereits im Rahmen des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes enthalten sein, das das Bundeskabinett noch im Oktober beschließen wird.

Aber auch die Unternehmer sind jetzt in der Verantwortung!

Die Bundesregierung ist überzeugt, dass ein funktionsfähiger Kapitalmarkt eine zentrale Voraussetzung für Innovation, Wachstum, Beschäftigung in Zukunftsbereichen ist. Wir setzen auch weiterhin auf die Start ups, auf die mit der New Economy umschriebenen dynamischen Unternehmer im Schumpeterschen Sinne. Menschen, die neue Wege gehen und neue Antworten finden. Sie werden auch in Zukunft Innovationszentrum und Wachstumsmotor sein.

Im Sommer 1999 haben wir mit der Initiative D 21 eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik begründet. Für mich ist D 21 ein Musterbeispiel für public private partnership. Die Initiative ging von Unternehmen aus.

Den Vorsitz des Beirates hat Bundeskanzler Gerhard Schröder übernommen.

D 21 ist, und das macht - neben dem Erfolg - die Bedeutung und den Charme der Initiative aus, D 21 ist keine Interessenvertretung des IT Sektors, ist kein Branchenverband, sondern ein Zusammenschluss von weitblickenden Unternehmern, die gesellschaftspolitisch Verantwortung übernehmen und mit der Politik gemeinsam Zukunft gestalten.

Vom "Vater Staat" zum "Partner Staat". Gemeinsam arbeiten wir - Wirtschaft und Politik - daran, den Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft erfolgreich zu beschreiten. Chancen aufzuzeigen, Teilhabemöglichkeiten zu schaffen und eine Spaltung der Gesellschaft in Vernetzte und Unvernetzte zu verhindern. Ein neuer Politikstil in Zeiten der New Economy.

Viel zu oft wurde und wird public private partnership hierzulande auf die private Finanzierung öffentlicher Aufgaben verkürzt. Uns geht es um mehr. Es geht um die gemeinsame Definition von Zielen und die Vereinbarung konkreter Umsetzungsschritte.

Mit dem vor gut anderthalb Jahren zusammen mit der Initiative D21 verabredeten IT-Sofortprogramm, haben wir die Aus- und Weiterbildungsanstrengungen verstärkt und gleichzeitig den Zugang ausländischer IT-Spitzenfachkräfte erleichtert.

Die Qualifizierung im IT-Bereich kommt gut voran: Das vereinbarte Ziel von 60.000 Ausbildungsverträgen in den IT- und Medienberufen haben wir schon jetzt - 1 œ Jahre früher - erreicht. Allen Unternehmen, die dazu beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken. Besonders erfreulich ist, dass sich der Anteil der weiblichen Auszubildenden in den vier IT-Berufen Fachinformatikerin, IT-Systemelektronikerin, IT-Systemkauffrau, Informatikkauffrau von 1997 bis 2000 fast um das Siebenfache gesteigert.

Darüber hinaus wurden die Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit ausgeweitet. Drittes Element ist die "Green Card". Sie ist nunmehr seit gut einem Jahr in Kraft. Bislang konnten rund 10.000 Fachkräfte gewonnen werden.

Idee und Ausgestaltung der "Green Card" haben wir im letzten Jahr gemeinsam besprochen. Nicht zuletzt deshalb ist sie ein Erfolg. Drei von vier "Green Cards" gehen an kleine und mittlere Unternehmen. Besonders erfreulich ist, dass unsere Erwartung bestätigt wurde: Jede erteilte "Green Card" führt im Durchschnitt zu zwei bis drei weiteren zusätzlichen Jobs im Umfeld. Davon profitieren auch inländische Arbeitskräfte, die neue Chancen erhalten.

Im Rahmen der Zuwanderungsgesetzgebung streben wir weitere Verbesserungen für Green Card-Inhaber an. So soll nach Ablauf der 5-Jahres-Frist ein unbürokratischer Übergang in einen Daueraufenthalt ermöglicht werden. Außerdem soll der Arbeitsmarktzugang für nachziehende Familienangehörige verbessert werden.

Mit der Greencard haben wir aber nicht nur kurzfristige Engpässe bei IT-Fachkräften beseitigt. Diese Initiative hat auch zu einer Öffnung, einer Internationalisierung beigetragen, zu der es in einer globalisierten Wirtschaft keine Alternative gibt. Und sie hat zu der notwendigen Versachlichung der zuvor hoch emotional geführten Debatte um Zuwanderung geführt.

Die Erfahrungen mit der Greencard haben bestätigt, dass Deutschland ein modernes und zeitgemäßes Zuwanderungsrecht braucht. Die Bundesregierung hält deshalb an dem Ziel fest, noch in dieser Legislaturperiode eine entsprechende gesetzliche Regelung zu verabschieden. Nun weiß ich nicht, ob die Opposition im Bund, die schon bei Steuern und Rente übertaktierte, konsenswillig oder -fähig ist.

Aber es gibt in den Ländern, bei denen, die politisch Verantwortung tragen ( übrigens auch hier in Nürnberg ) , den Einen oder Anderen, der auf der Grundlage des Entwurfes von Bundesinnenminister Otto Schily sehr rasch zu einer Einigung käme. Vielleicht arbeiten wir gemeinsam daran, wichtige Zukunftsfragen unseres Landes nach sachlichen Kriterien zu beantworten. Wirtschaft und Gesellschaft erwarten nicht nur zutreffende Problembeschreibungen sondern passende Lösungen.

Auf dem letzten D 21-Kongreß im September 2000 hat der Bundeskanzler das Programm "Internet für alle" vorgestellt. Heute - nur ein Jahr später - ist das Programm fast vollständig umgesetzt.

Im Mittelpunkt steht das Ziel, keine "digitale Spaltung" in "user" und "loser" aufkommen zu lassen, sondern möglichst allen Menschen den Zugang zum Internet zu ermöglichen. Bundesregierung und Wirtschaft haben hierzu eine Reihe zielgruppenspezifischer Maßnahmen ergriffen.

Mittlerweile sind praktisch alle deutschen Schulen am Netz: ein großes Verdienst der gleichnamigen D21 -Initiative "Schulen ans Netz" und insbesondere der Deutschen Telekom, die sich in vorbildlichem Maße engagiert hat.

Alle öffentlichen Bibliotheken wurden mit Internetzugang und Medienecken ausgestattet.

Seit Oktober 2000 haben rd. 83.000 Arbeitslose ein Internet-Zertifikat im Rahmen zielgerichteter IT-Weiterbildungsangebote der Arbeitsämter erworben. Besonders erfreulich: Über 50 Prozent der Teilnehmer kamen aus den neuen Bundesländern. 60 Prozent der Internet-Zertifikate wurden von Frauen erworben.

Für die Weiterentwicklung des Informatikstudiums haben Bund und Länder gemeinsam 100 Millionen Mark bereit gestellt und tragen damit zu mehr Studienanfängern bei. Im Wintersemester 2000/2001 gab es bereits rund 27.000 Informatikstudienanfänger, während es 1997 nur rund 11.000 gewesen waren. Besonders erfreulich ist, dass sich der Anteil der Studienanfängerinnen im Fach Informatik erstmals verdoppelt hat.

Wir haben die steuerrechtlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung des Internet verbessert und Hemmnisse abgebaut. So wurde u. a. die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz ab 2000 steuerfrei gestellt. Bei privaten PC werden nachgewiesene oder zumindest glaubhaft gemachte Aufwendungen mit ihrem beruflichen Anteil als Werbungskosten anerkannt.

Die Bundesregierung hat mit Informationskampagne "Deutschland schreibt sich mit de." viel Aufmerksamkeit erregt. Wie Sie wissen, hat der Bundesadler im Rahmen der Kampagne symbolisch surfen gelernt.

Der Wettbewerb "Name IT, win it" brachte mir einen ehrenvollen zweiten Platz als "Sprachpanscher des Jahres" ein. Immerhin vor Franz Beckenbauer mit seinem "Free-and-easy-christmas set. Ja, ist denn heut schon Weihnachten?" Geschlagen geben mussten wir uns beide dem Bundesverband Deutscher Bestatter e. V. , der für seinen einschlägigen Ausbildungsberuf den Begriff "Funeral Master" kreiert hatte.

Die Umsetzung des Programms "Internet für alle" ist ein gemeinsamer Erfolg von D21 und Bundesregierung. Allen, die sich daran beteiligt haben, gilt mein ausdrücklicher Dank. Verbunden mit der Aufforderung, jetzt gemeinsam neue Ziele anzusteuern.

Der heutige D21 - Kongreß steht unter dem Motto "Wissen teilen - Menschen erreichen". Dies beinhaltet den Aspekt der Teilhabe ebenso wie den besonderen Stellenwert, den Bildung in der Wissen- und Informationsgesellschaft inne hat.

Jeder Mensch bringt Begabungen und Fähigkeiten mit, die gefördert und gefordert werden müssen. Chancengerechtigkeit setzt Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen voraus, weil das die Grundlagen für qualifizierte Beschäftigung und Flexibilität sind.

Dies gilt umso mehr in der Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. War in der Agrargesellschaft Boden, in der Industriegesellschaft Kapital der limitierende Faktor für Wachstum und Beschäftigung, so sind inzwischen der Mensch und seine kreativen Potenziale die Erfolgsfaktoren. Köpfe und Können sind die entscheidenden Rohstoffe des 21. Jahrhunderts. In den Leitmärkten der Informations- und Wissensgesellschaft wird die Qualifikation vor dem Faktor Kapital die Ressource sein, auf die sich Erfolg gründet; individueller Erfolg und der Erfolg einer Volkswirtschaft.

Die Qualität unserer Bildung und Ausbildung sind deshalb entscheidende Faktoren für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. John F. Kennedy hat Recht: "Es gibt nur eines was auf Dauer teurer ist als Bildung: Keine Bildung".

Zu den notwendigen Bildungskomponenten gehört auch das Internet. Das Internet ist eine neue Kulturtechnik, in ihrer Bedeutung schon heute dem Lesen und Schreiben vergleichbar.

IT-Kenntnisse und -Fähigkeiten werden künftig den Zugang zu ökonomischen Chancen, zu Bildung und zu gesellschaftlicher Teilhabe entscheidend mitbestimmen.

Wir würden es uns aber viel zu leicht machen, wenn wir das Thema IT und Neue Medien in der Bildung allein unter den Aspekten Hardwareausstattung und Internetzugang diskutieren würden. Vielmehr kommt es darauf an, IT-Kompetenz auch in den Lehrplänen zu verankern. Dies beginnt mit "teach the teacher".

Darüber hinaus brauchen wir eine Neuorientierung der Lehrinhalte. Generell werden in unseren Schulen noch viel zu sehr Wissen und technische Fertigkeiten vermittelt.

Immer wichtiger wird aber Kompetenz sowie die Fähigkeit zur Bewertung und Verknüpfung von Informationen. IT-Lehrpläne müssen daher weit mehr beinhalten als die Vermittlung technischer Fertigkeiten. Wo Informationen und Wissen jederzeit und nahezu unbeschränkt abrufbar ist, gewinnt die Fähigkeit zur Bewertung und Nutzung dieser Informationen an Bedeutung.

Computer und IT in der Schule bietet zudem die Möglichkeit, anders, spielerisch zu lernen: Beispiel eine Grundschule ( Sponsor Alcatel ) , ausschließlich Lehrerinnen, ganze Schule engagiert, alle Fächer eingebunden, Motivation auch von Schülern, deren Aufmerksamkeit bei Mathe schnell Grenzen findet, die mit entsprechender Software gerne weitere Übungen machen.

Um die Integration der Neuen Medien im Bereich der Wissensvermittlung zu unterstützen, hat die Bundesregierung das Programm "Neue Medien in der Bildung" aufgelegt. Mit diesem Programm sollen die Entwicklung hochwertiger Lehr- und Lernsoftware und die Integration der neuen Medien im Bereich Wissensvermittlung unterstützt werden. Hierfür stehen insgesamt über 600 Mio. DM zur Verfügung.

Auch die Länder haben ihre Anstrengungen im Bereich der Lehrerfortbildung verstärkt. Und die Wirtschaft hat im Rahmen von D21 rund 20.000 Schulpartnerschaften zugesagt.

Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam auch die vor uns liegenden Aufgaben meistern werden.

Zu diesen Aufgabenfeldern gehört insbesondere auch der Aspekt Sicherheit im Netz. Dabei stehen wir - Politik und Wirtschaft gemeinsam - vor der grundsätzlichen Frage nach einer angemessenen Balance zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten, auch ökonomischen Interessen am Schutz vor z. B. Industriespionage, die den von manchen gewünschten - ebenfalls Sicherheitsmotivierten Eingriffsmöglichkeiten Grenzen setzen muss.

In den 20er Jahren wurden die Sass-Brüder berühmt, weil sie mit der Innovation, Tresore mit dem Schneidbrenner zu knacken, in ihrer Branche sehr erfolgreich waren; ja sie wurden geradezu legendär, sogar gesellschaftlich geachtet - wie ein aktueller Spielfilm mit Ben Becker und Jürgen Vogel eindrucksvoll nachzeichnet.

Ähnlich erging es in den 90er Jahren den Hackern. Inzwischen jedoch haben zunehmender Missbrauch und regelrechte Computer-Attacken wie der "I-Love-you" -Virus den Grad der Bedrohung deutlich gemacht. Der Schutz vor Missbrauch und Angriffen auf die elektronischen Netzwerke ist für die Zukunft der Informationswirtschaft von wesentlicher Bedeutung.

Deshalb wurde bereits im Februar letzten Jahres die Task Force "Sicheres Internet" ins Leben gerufen. Sie soll Art und Umfang der digitalen Bedrohung in Deutschland prüfen und erforderliche Gegenmaßnahmen erarbeiten.

Aufgrund der internationalen Dimension der Datennetzkriminalität kann eine Bekämpfung allein im nationalen Rahmen allerdings nur bedingt erfolgreich sein.

Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden weltweit sind vor völlig neue Herausforderungen gestellt, um grenzüberschreitend eine wirksame Bekämpfung der Internet-Kriminalität zu gewährleisten.

Grenzüberschreitenden Kooperationen kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. So hat sich der Europarat auf ein Übereinkommen zur wirksamen Bekämpfung der internationalen Datennetzkriminalität verständigt - die "Cyber Crime Convention".

Die Konvention ist die erste internationale Kodifizierung im Bereich der Verfolgung grenzüberschreitender Datennetzkriminalität überhaupt. Ihre Verwirklichung wird internationale Standards setzen. An den Verhandlungen haben neben den Staaten des Europarats auch Japan, Kanada, Südafrika und die USA teilgenommen.

Im nationalen Recht wird die Bundesregierung mit der sogenannten Telekommunikations-Überwachungsverordnung - TKÜV - die technische und organisatorische Umsetzung notwendiger Überwachungsmaßnahmen regeln. Ziel der Bundesregierung ist es dabei, sowohl den berechtigten Interessen der Bürger auf Sicherheit und Schutz ihrer Privatsphäre, als auch den Anforderungen der Wirtschaft gerecht zu werden.

In diesem Spannungsfeld eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden, ist kein einfaches Unterfangen. Umso mehr freue ich mich deshalb, dass der Branchenverband Bitkom dem neuen Verordnungsentwurf zugestimmt hat. Der neue Entwurf für die TKÜV wird noch in diesem Monat vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Der Staat setzt nicht nur Rechtsrahmen, sondern er geht selbst online. Moderner Verwaltung kommt im Zeitalter des E-Government eine neue Qualität und ein neues Selbstverständnis zu: "Stellen Sie sich vor, die Bürger müssen aufs Rathaus... und gehen nicht hin!" Das ist nicht die Horrorvorstellung bürgerferner Verwaltung, sondern die Vision für ein Mitarbeiter- und Bürgerinformationssystem, für das es Ansätze bereits gibt. Auch hier in Nürnberg, das zu den Preisträgern des Städtewettbewerbs MEDIA @KOMM gehört.

Die Bundesregierung hat sich deshalb mit der Initiative BundOnline 2005 selbst verpflichtet, alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis zum Jahr 2005 online anzubieten.

Zunächst geht es dabei um ein ein ergänzendes Online-Angebot. Ein Schwerpunkt der Umsetzung liegt dabei im öffentlichen Vergabewesen. Ende diesen Jahres wird e-Vergabe als Pilotprojekt im Beschaffungsamt des Bundesinnen-ministeriums das herkömmliche Verfahren ablösen, ab Frühjahr 2002 soll dann komplett umgestellt werden.

Schon heute ist die Abwicklung der BaföG-Rückzahlung über das Internet möglich. 500.000 BaföG-Rückzahler können mit ihrem Sachbearbeiter über das Internet kommunizieren und Anträge stellen. Ich bin überzeugt, dass das BaföG-Verfahren schon bald komplett online abgewickelt werden wird - wer das nicht beherrscht, wird auch nicht mit Erfolg ein Studium absolvieren können.

Bei BundOnline 2005 geht es uns nicht nur um mehr Effizienz und mehr Transparenz. E-Government hat einen Link zu E-Democracy.

Verwaltung wird transparent und bürgernah und gewinnt damit auch eine erhebliche Bedeutung für den demokratischen Prozess.

Denn Demokratie ist ohne Transparenz und umfassende Information nicht denkbar. Nur wer informiert ist, kann sich am politischen Meinungsbildungsprozess beteiligen und sich engagieren.

Für all das bietet das Internet außerordentlich attraktive neue Chancen und Möglichkeiten.

Die Bundesregierung hat gute Erfahrungen damit gemacht, Gesetzesvorhaben über das Internet einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Wir schaffen jetzt die rechtlichen Voraussetzungen für den freien Zugang zu Verwaltungsinformationen. Und wir werden die Möglichkeiten des Internet nutzen, um diesen Zugang für die Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern.

Auch hier erkennen Sie unser Verständnis vom Partner Staat. Die Struktur des Internet wird auch die patriarchalischen Strukturen der Industriegesellschaft bzw. des alten Obrigkeitsstaates verändern. An die Stelle oder zumindest neben hierarchische Strukturen treten Netzwerke, tritt die Möglichkeit horizontal und vertikal jederzeit zu kommunizieren.

Das Internet bietet schließlich auch für Wahlen interessante Möglichkeiten: Stichwort: e-Vote. Bei steigender Mobilität und Alterung der Wahlbevölkerung bietet die Stimmabgabe über das Internet eine echte Alternative. Derzeit proben wir die elektronische Demokratie in Pilotprojekten. Ein wichtiges Beispiel ist das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt e-vote unter der Federführung der Universität Osnabrück. Mit der Wahl zum Studentenparlament der Uni Osnabrück wurde kürzlich die weltweit erste rechtsgültige Online-Wahl durchgeführt.

Die Bündelung der Kräfte von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist heute für die Zukunft Deutschlands mehr denn je entscheidend.

Wir haben gemeinsam bewiesen, dass das Zusammenwirken der Kräfte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft im Rahmen von Public-Private-Partnership Projekten die richtige Strategie ist, um Deutschland fit für das Wissens- und Informationszeitalter zu machen.

Gleichzeitig möchte ich diese Gelegenheit nutzen und alle Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich bislang noch nicht engagieren, dazu einladen, mitzumachen und sich an der Gestaltung der Informationsgesellschaft aktiv zu beteiligen.

Gemeinsames Ziel muss es sein, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen weiter zu stärken, die Teilhabe der Menschen an den Chancen des World Wide Web auszubauen, die Sicherheit des Internet weiter zu verbessern sowie staatliche Dienstleistungen bürgerfreundlich und effizient anzubieten.

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft Deutschlands in der Wissens- und Informationsgesellschaft sind gut. Lassen Sie uns den eingeschlagenen Weg gemeinsam konsequent fortsetzen.