Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 31.05.1999

Anrede: Liebe Edelgard Bulmahn, sehr geehrte Frau Dr. Krautkrämer-Wagner, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/07/11707/multi.htm


und vor allem: liebe junge Forscherinnen und Forscher,

ich freue mich, Sie alle hier begrüßen zu können.

Zunächst möchte ich Ihnen herzlich zu Ihrem Erfolg bei "Jugend forscht" gratulieren. Sie können stolz darauf sein.

Ich finde, es ist eine gute Tradition, die Bundessieger von "Jugend forscht" hierher in das Bundeskanzleramt einzuladen. Es soll auch ein wenig Lohn für die Mühe sein, die Sie - liebe Preisträgerinnen und Preisträger - im Wettbewerb aufgewandt haben.

Der diesjährige Bundeswettbewerb stand unter dem Motto: "Jugend forscht - tierisch neugierig". Das Ergebnis des Wettbewerbs hat dieses Motto auf eindrucksvolle Weise bestätigt. Es hat gezeigt: Bei uns in Deutschland gibt es viele ideenreiche und engagierte Jugendliche, die Spaß am Tüfteln haben, Probleme anpacken und etwas leisten wollen.

Dieses Engagement und dieses geistige Potential sind der eigentliche Reichtum unseres Landes. Sie sind wichtige Voraussetzungen, damit wir das internationale Spitzenniveau unserer Forschung erhalten und fortentwickeln können.

Der Bundeswettbewerb "Jugend forscht" ist vor über dreißig Jahren ins Leben gerufen worden. Er hat sich seitdem zum größten und bedeutendsten mathematisch-naturwissenschaftlichen und technischen Jugendwettbewerb in Europa entwickelt. Jugend forscht " ist auch ein wichtiges Element unserer Begabtenförderung. Für viele ist dieser Wettbewerb ein wichtiger Abschnitt auf dem Weg zu einer wissenschaftlichen Laufbahn.

Mehr als 6.800 junge Leute haben sich in diesem Jahr an "Jugend forscht" beteiligt. Fast 3.700 Arbeiten wurden eingereicht. Mit einem Plus von 6 Prozent gegenüber 1998 ist damit ein neuer Höchststand erreicht. Auch die Mädchen können in diesem Jahr einen neuen Rekord vermelden: ihre Beteiligung wuchs um 17 Prozent auf nunmehr ein Drittel. Weiter so!

Ein Wettbewerb wie dieser kann nur erfolgreich sein, wenn viele mithelfen. Deshalb möchte ich allen, die "Jugend forscht'99" möglich gemacht haben, herzlich danken.

Stellvertretend für viele nenne ich die Bayer AG, die in diesem Jahr nach 1970 und 1979 zum dritten Mal den Bundeswettbewerb ausgerichtet hat.

Weiter erwähne ich Sie, Frau Krautkrämer-Wagner, und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter bei der Stiftung "Jugend forscht". Mit viel Geschick und großem Einsatz - und nicht zuletzt auch mit der Unterstützung durch die Patenunternehmen - haben Sie alle zum Erfolg der diesjährigen Aktion beigetragen.

Und last but not least möchte ich auch die Eltern und Lehrer hervorheben, die die jungen Leute immer wieder ermuntert und gefördert haben.

Meine Damen und Herren,

Sie wissen nur zu gut: Zukunft beginnt in den Köpfen. Deshalb sind Initiativen wie "Jugend forscht" so wichtig. Sie zeigen, daß Neugier, Phantasie und "produktive Unruhe" bei der jungen Generation reichlich vorhanden sind.

Mit Unterstützung modernster Hilfsmittel haben Sie nach neuen Einblicken für die Wissenschaft und nach Verbesserungen in der Technik gesucht. Im intensiven Gespräch mit anderen Teilnehmern, Juroren und erfahrenen Wissenschaftlern mußten Sie im wissenschaftlichen Disput bestehen. Nur so reifen Ideen zu Innovationen.

Innovationen wiederum sind elementare Voraussetzung, um die tiefgreifenden Veränderungen in der Welt, in Europa und in Deutschland bewältigen zu können. Unser wirtschaftliches Wachstum beruht neben Arbeit, Kapital und Boden zunehmend auf Information und Wissen. Als rohstoffarmes Land muß Deutschland gerade auf diesem Gebiet Herausragendes leisten, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.

Wir müssen mit neuen Produkten auf neuen Märkten präsent sein. Nur so werden wir auch unser drängendstes Problem, die Überwindung der hohen Arbeitslosigkeit, lösen können. Dazu brauchen wir in Deutschland mehr Innovationen - und das in allen Bereichen. Deshalb müssen wir den Forschungsdrang und Erneuerungswillen unserer jungen Leute fördern.

Wir brauchen gerade heute den Mut, in neue Richtungen zu denken. Wir brauchen die Bereitschaft, eingefahrene Gleise zu verlassen und auch unkonventionelle Ideen umzusetzen. Dafür brauchen wir ein gesellschaftliches Klima, das Leistung fördert und anerkennt. Und wir brauchen Bedingungen, die es ermöglichen, daß sich Begabung und Leistung unabhängig vom sozialen Status der Eltern herausbilden können.

Wir brauchen in Deutschland auch Eliten. Eliten, die sich durch Qualifikation und Leistung ausweisen. Sie, liebe Preisträgerinnen und Preisträger, zählen zu den Leistungseliten, auf die unser Land in besonderem Maße angewiesen ist. Das haben Sie mit Ihrem Engagement für die Wissenschaft und Ihrem Erfolg bei "Jugend forscht" unter Beweis gestellt.

Sie waren - um noch einmal das diesjährige Motto aufzugreifen - "tierisch neugierig". Ich bin es jetzt auch. Und zwar auf die Präsentation von Daniel Gurdan. Mit Ihrer "servotechnischen Fingerprothese" sind Sie Bundessieger im Fachgebiet Arbeitswelt geworden; außerdem wurde Ihnen der "Sonderpreis des Bundeskanzlers" zuerkannt.

Mich beeindruckt an dieser Arbeit vor allem, daß Sie nach dem Unfall, bei dem Sie zwei Finger der rechten Hand verloren haben, nicht aufgegeben, sondern kreativ die eigene Lage verbessert haben.

In diesem Sinne möchte ich Sie alle ermutigen, in Ihren Anstrengungen auch künftig nicht nachzulassen und sich neue Ziele zu setzen. Ich wünsche Ihnen, daß Sie dabei ebenso erfolgreich sein werden wie beim diesjährigen Wettbewerb von "Jugend forscht".