Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 07.02.2002
Untertitel: Vor ungefähr zwei Jahren habe ich gemeinsam mit Ihnen, lieber Ron Sommer, den ersten Bauabschnitt dieser Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom AG eingeweiht.
Anrede: Lieber Ron Sommer, verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/81/69081/multi.htm
Vor ungefähr zwei Jahren habe ich gemeinsam mit Ihnen, lieber Ron Sommer, den ersten Bauabschnitt dieser Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom AG eingeweiht.
Heute ist das Gebäude fertig. Es kann von Ihnen, die Sie hier arbeiten werden, mit Leben erfüllt werden. Und uns bleibt zunächst, uns von dem Bau beeindrucken zu lassen. Mit der Neugestaltung des ehemaligen Kaiserlichen Haupttelegraphenamtes hat die Deutsche Telekom etwas in jeder Hinsicht Bemerkenswertes geschaffen:
Sie haben der modernen Kommunikationswirtschaft ein Haus gebaut, das sowohl die Tradition Ihrer Industrie als auch das städtebauliche Umfeld vorzüglich weiterentwickelt.
Damit hat die Telekom eine Konzernrepräsentanz, die zwar nicht mehr "kaiserlich" ist - aber eben auch nicht kleinstädtisch, sondern wirklich "hauptstädtisch", so, wie wir das in modernen Gesellschaften verstehen.
Es ist ein Gebäude, das - soweit ich es von hier überblicken kann - Herkunft und Anspruch Ihres Unternehmens in einer eindrucksvollen Architektur zum Ausdruck bringt.
Damit hat dieses Haus in den vergangenen zwei Jahren einen ebenso positiven Wandel und eine ebensolche Beschleunigung erfahren wie die Idee, für die es steht: Deutschland auf dem Weg in die Informationsgesellschaft maßgeblich voranzubringen.
Damals habe ich an dieser Stelle davon gesprochen, dass unser Land bei der Anwendung der neuen Medien im internationalen Vergleich noch zu den Nachzüglern zählt. Inzwischen haben wir in vielen Bereichen zur Spitzengruppe in Europa aufgeschlossen. Mit imposanten Zuwächsen.
Ein paar Zahlen können das verdeutlichen:
Die Zahl der Mobilfunknutzer hat mittlerweile die Zahl der Festnetzanschlüsse übertroffen und ist inzwischen auf mehr als 56 Millionen angewachsen. Damit gehört Deutschland zu den Ländern mit der höchsten Dichte im Mobilfunknetz. 30 Millionen Menschen in Deutschland nutzen mittlerweile regelmäßig das Internet. In diesem Jahr werden gut 5 Millionen neue Nutzer hinzukommen. Deutschland liegt damit weit über dem europäischen Durchschnitt. Der im elektronischen Handel erzielte Umsatz erreichte in unserem Land im vergangenen Jahr bereits rund 20 Milliarden Euro. Dies ist Platz 1 in Europa. Diese Zahlen unterstreichen: Deutschland ist ein starker Partner in der Weltwirtschaft und ein attraktiver Investitionsstandort - auch im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn.
Und, weil man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen soll: Auch die Bundesregierung hat wesentlichen Anteil an der erhöhten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
So haben wir in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen für den Wandel zur Informationsgesellschaft massiv verbessert. Dazu gehört zum Beispiel die konsequente Öffnung des Marktes für Telekommunikations-Dienste. Die Preise für die Internet-Nutzung sind deutlich rückläufig. Im Januar lagen sie um rund 20 Prozent niedriger als im Jahr zuvor. Die Minuten-Preise für die Internet-Nutzung sind in Deutschland so günstig wie nirgendwo sonst in Europa.
Die Deutsche Telekom hat sich dem Wettbewerb auf dem Telekommunikations-Markt gestellt und die damit verbundenen Herausforderungen selbstbewusst angenommen. Diese Anstrengungen zahlen sich aus. Die Telekom ist heute international hervorragend aufgestellt und auf dem Weg, ein wirklicher Global Player zu werden.
Nur wenige wissen im übrigen, dass das Unternehmen inzwischen auch zu den führenden deutschen Software-Häusern gehört. Und mit der T-Systems zu einem der ganz großen Systemanbieter für Großkunden: das heißt zu einem Motor nicht nur der Innovation, sondern vor allem der Anwendung von Innovation.
Über die Marktöffnung hinaus hat die Politik die Rahmenbedingungen für die IT-Branche auch in anderen Bereichen nachhaltig gestärkt.
Ich nenne nur
die Gesetze zum elektronischen Geschäftsverkehr und zur digitalen Signatur. Damit haben wir einen verlässlichen Rechtsrahmen für geschäftliche Transaktionen im Internet geschaffen; die Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung. Dies hat die internationale Wettbewerbsposition von Internet-Unternehmen in Deutschland deutlich verbessert; weitere gesetzliche Maßnahmen auf den Gebieten des Verbraucher- , Urheber- und Strafrechts. Dadurch tragen wir dazu bei, die schutzwürdigen Interessen der Internetnutzer zu wahren und die Vertrauensbasis in dieses Medium zu stärken. Ein preiswertes und sicheres Internet bietet die beste Grundlage für seine möglichst zahlreiche Nutzung.
Aber es ist auch wichtig, dass möglichst viele Menschen in unserem Land Kompetenzen erwerben in der Anwendung der Informations- und Kommunikations-Techniken. Denn das entscheidet nicht nur maßgeblich über die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft - sondern vor allem über persönliche Chancen der beruflichen Entwicklung.
Erst Kompetenz im Umgang mit den neuen Möglichkeiten der Information und Kommunikation sichert die aktive und gleichberechtigte Teilhabe der Menschen an den Chancen - am Haben und am Sagen in der Informations-Gesellschaft. Gerade deshalb sind wir so stolz darauf, dass immer mehr Menschen - und zwar nicht nur Jüngere, sondern in zunehmendem Maße auch die Älteren - das Internet und die neuen Kommunikationstechniken nutzen. Das hatten wir im Sinn, als wir unser Programm "Internet für alle" aufgelegt haben.
Inzwischen verfügen praktisch alle Schulen in Deutschland über Computer, Terminals und Internet-Zugang. Vor vier Jahren waren es erst 15 Prozent der bundesweit rund 34.000 Schulen. Deutschland hat damit als erstes Land in Europa die Schulen flächendeckend ans Internet angeschlossen.
Das wäre nicht gelungen ohne das, was man heute "Public-Private-Partnership" nennt. Also: Ohne das verantwortungsbewusste Engagement von Unternehmen, die hier mit dem Staat zusammen für das Gemeinwohl gearbeitet haben. Ganz maßgeblich war daran - als Sponsor bei der unentgeltlichen Bereitstellung von Internet-Anschlüssen und von gebrauchten Computern, aber auch als treibende Kraft in der Zukunftsinitiative "D-21" - die Deutsche Telekom beteiligt.
Dafür will ich Ihnen, lieber Ron Sommer, und Ihrem Unternehmen einmal mehr meinen besonderen Dank aussprechen.
Natürlich handelt Ihr Unternehmen mit einem solchen Engagement auch im wohlverstandenen Eigeninteresse. Denn je mehr Menschen sich im Internet bewegen, desto stärker ist die Nachfrage nach den Dienstleistungen der Unternehmen, die Online-Service, Portale und vor allem: gute, preiswerte und verlässliche Einwahlmöglichkeiten anbieten.
Aber das macht ja gerade den Reiz solch moderner Partnerschaften zwischen Staat und Unternehmen aus: Man tut etwas fürs Gemeinwohl, und alle haben etwas davon. Der große Staatsphilosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat das im 19. Jahrhundert einmal so formuliert: Meinen Zweck befördernd, befördere ich das Allgemeine, und dieses befördert wiederum meinen Zweck."
In der heutigen Börsen-Sprache würde man wohl sagen: Eine "Win-win-Stituation".
Ich kann also, aus staatsphilosophischen wie ökonomischen Gründen, nur empfehlen, diesen Weg weiter zu gehen.
Denken wir nur an den bevorstehenden Innovations-Sprung: an die Zusammenführung von Internet und Mobiltelefon.
Die Deutsche Telekom hat sich auf diesem Markt einiges vorgenommen. Wir sehen es schon am Motto der heutigen Veranstaltung: "Internet macht mobil."
Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen im August 2000 war dafür gewissermaßen der Auftakt. Zugegeben - der Einstieg in diesen Markt ist für die Lizenznehmer nicht gerade billig ausgefallen. Doch erstens ist das Geld bei Hans Eichel gut aufgehoben. Er hat - mit meiner vollen Rückendeckung - den Versteigerungserlös vollständig zur Schuldentilgung verwendet.
Mit der Ersparnis bei den Zinszahlungen finanzieren wir ein Zukunftsinvestitionsprogramm in Höhe von jährlich mehr als 2 Milliarden Euro. Dieses ursprünglich bis 2003 befristete Programm mit den Schwerpunkten Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Forschung werden wir übrigens bis 2007 verlängern.
Zweitens aber - und ich habe Verständnis dafür, dass dieser Gesichtspunkt für Sie, meine Damen und Herren, ein etwas größeres Gewicht besitzt - hat die Lizenz für die Erwerber einen konkreten Gegenwert. Denn die künftigen Netzbetreiber haben sich das Recht gesichert, beginnend mit diesem Jahr für einen Zeitraum von 20 Jahren den UMTS-Markt in Deutschland zu erschließen. Und dies bei einer überschaubaren Zahl von Wettbewerbern.
Nun kommt es darauf an, die Einführung des neuen Mobilfunk-Standards möglichst reibungslos zu gestalten. Deshalb haben wir auch dafür gesorgt, dass die Lizenzerwerber die Möglichkeit erhalten, innerhalb ihrer Lizenzverpflichtungen durch Kooperationen ihr UMTS-Netz effizient einzurichten - und zwar auch, was die Kosten betrifft.
Mit mehr als 830 000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 130 Milliarden Euro zählt die Informations- und Kommunikationswirtschaft inzwischen zu den führenden Branchen unserer Volkswirtschaft.
Im vergangenen Jahr haben Sie in diesem Wirtschaftszweig mit annähernd 5 Prozent ein Wachstum erzielt, das deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt lag.
An Ihnen liegt es also bestimmt nicht, dass die deutsche Wachstumsbilanz im Moment unter einer kräftigen "Delle" leidet. Die Belastungen rühren vor allem von der anhaltenden Strukturkrise der Bauwirtschaft her, insbesondere in den neuen Bundesländern.
Dennoch ist die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren ein gutes Stück robuster geworden. Die "harte Landung" der amerikanischen Wirtschaft hat sich nicht auf Deutschland übertragen. Jüngste Frühindikatoren deuten auf einen neuen Aufschwung in diesem Jahr hin.
Unsere Wirtschaftspolitik hat dazu beigetragen, die Wachstumskräfte der deutschen Wirtschaft nachhaltig zu stärken.
Die Senkung der Steuerbelastung, die wir wie geplant mit den weiteren Stufen 2003 und 2005 fortführen werden, oder auch die Rentenreform, mit der wir die Alterssicherung auf eine tragfähige Grundlage gestellt haben, waren wichtige Schritte.
Aber wir müssen und werden diesen Reformkurs fortsetzen. Dazu gehört zum Beispiel eine gesicherte Zuwanderung ausländischer Fachkräfte. Mit der Green-Card für die IT-Branche haben wir dafür den Boden bereitet.
Vorrangig müssen wir die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarkts verbessern. Durch eine Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden wir zusätzliche Anreize zur Beschäftigungsaufnahme ermöglichen.
Aber nicht erst die Meldungen der letzten Tage haben uns gezeigt, dass wir auch am System der Arbeits-Vermittlung etwas tun müssen. Schließlich geht es darum, die Systeme der sozialen Sicherung insgesamt so zu modernisieren, dass sie Effizienz, Flexibilität und Sicherheit bieten.
Dafür braucht es politischen Willen - den wir haben. Aber es braucht auch das Verantwortungsbewusstsein und die Verantwortlichkeit aller maßgeblichen Kräfte. Damit meine ich die Unternehmen und die Mitarbeiter; diejenigen, die Arbeit suchen, aber auch diejenigen, die Arbeit "haben". Die nicht darauf angewiesen sind, Leistungen in Anspruch zu nehmen, sondern sich selbst und anderen helfen können.
Die Deutsche Telekom AG hat sich in einem schwierigen Umfeld zu einem starken und wettbewerbsfähigen Unternehmen entwickelt.
Ihren Sportsgeist kennen wir vom Basketball und von der Tour de France. Und bald, wie ich höre, werden wir Ihr Magenta-Rot auch im Eisschnelllauf bewundern können.
Das ist ein sehr gutes Zeichen dafür, dass die Deutsche Telekom bereit ist, auf vorbildliche Weise gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Ich zähle da nicht nur im Sport auf Sie - so wichtig das ist. Sondern auch bei den anstehenden gesellschaftlichen Reformen. Bei der weiteren Wegbereitung ins Wissens- und Informationszeitalter.
Ihnen allen, die Sie hier arbeiten werden, wünsche ich Glück und Erfolg im neuen Haus der Deutschen Telekom.
Ich danke Ihnen.