Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 12.03.2002

Untertitel: Diejenigen von Ihnen, die nicht zum ersten Mal an der CeBIT teilnehmen, wissen, dass es mir immer wieder ein ganz besonderes Vergnügen ist, hier bei der Eröffnung in Hannover dabei sein zu können.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/35/72035/multi.htm


Herr Ministerpräsident, Herr Oberbürgermeister, Herr Präsident Dr. Jung, Exzellenzen, lieber Herr Ballmer,

ich hatte es schon mal leichter, nach einem Vorredner zu sprechen. Ich finde, dass der Optimismus, den Sie hier zum Ausdruck gebracht haben, nicht nur der Branche gut tut, sondern uns allen. Ich finde das, weil Ihre Botschaft dazu angetan sein könnte, die Zeichen, die es gibt und die nach vorne zeigen - die darauf hindeuten, dass wirtschaftliche Erholung nicht Wunsch, sondern Wirklichkeit ist - , zu unterstützen. An bekannter und bewährter Emotionalität hat es Ihnen dabei nicht gefehlt, wie man sehen konnte.

Wir haben - und ich bin stolz darauf - in den letzten Jahren neu positioniert: politisch, vor allem außen- und sicherheitspolitisch, europapolitisch, aber eben auch ökonomisch. Außen- und sicherheitspolitisch gerade im letzten und natürlich auch in diesem Jahr fest an der Seite unserer Partner im freien Westen, vor allem der Vereinigten Staaten von Amerika, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, der weitergeführt werden muss, weil er nicht zu Ende ist. Europapolitisch als ein Deutschland, das seiner Geschichte, seiner Lage in der Mitte Europas, aber auch seiner Interessen wegen weiß, dass es besondere Verantwortung für den weiter zu führenden und zu beschleunigenden Integrationsprozess auf unserem Kontinent trägt.

Was wir in der nächsten Zeit schaffen müssen, ist, dieses alte Europa insgesamt zu einem Ort dauerhaften Friedens und Wohlstands für alle Europäer zu machen, weil sonst Wohlstand und Frieden auch in Teilen dieses Kontinents nicht gesichert werden können. Ökonomisch unter Bewahrung der Vielfalt unserer Produktionsstrukturen, zugleich aber in klarer Ausrichtung auf die Herausforderungen, die auf uns zukommen. Sie, Herr Ballmer, haben zu einem zentralen Bereich Bemerkenswertes gesagt. Für andere - ich denke etwa an die Biotechnologie - gilt, glaube ich, was deren wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Chancen und Möglichkeiten angeht, Ähnliches.

Anlässlich der CeBIT 2002 will ich darüber sprechen, wie wir dieses Land positioniert haben und weiter positionieren wollen auf dem Gebiet, das hier in besonderer Weise interessiert. Das will ich gerne als jemand tun, der inzwischen zu den Veteranen der CeBIT gehört, und zwar in unterschiedlicher Funktion - wobei die Funktion, die ich derzeit inne habe, mir schon lieber ist als jede andere.

Diejenigen unter Ihnen, die auch nicht zum ersten Mal dabei sind, wissen, dass es zunächst einmal schön ist, hier zu sein. Es ist schön, weil sich hier zu den beiden großen Messen - und ich betone: beide große Messen - die Welt trifft. Das, was ich eben gehört habe, nämlich dass die CeBIT nach New York geht, macht einen alten Traum wahr, den Kurt Schwitters immer hatte. Er hat es umgekehrt formuliert: "Was soll ich in New York, wo ich doch Hannover kenne?" Wir werden in kurzer Zeit beides haben. - Ein paar lokale Patrioten scheint es hier zu geben. Das merkt man am Beifall.

Herr Jung - und ich sage das mit Respekt - , Sie haben darauf hingewiesen, welche enorme Kapitalvernichtung durch den zurückliegenden Abschwung der "New Economy" an den Börsen stattgefunden hat. Ich glaube, man muss den Menschen, die sich nicht jeden Tag mit solchen Fragen befassen, klar machen, warum das geschehen ist. Man muss ihnen verdeutlichen, dass es in der Wirtschaftsgeschichte immer wieder Phasen eines Booms, gelegentlich auch eines ungesunden Booms, gegeben und anschließend dann wieder eine nach oben gerichtete Entwicklung eingesetzt hat. Ich glaube, in einer solchen aufwärts gerichteten Phase befinden wir uns jetzt.

Machen wir uns nichts vor: Am Neuen Markt ist auch die Spreu vom Weizen getrennt worden. Es sind viele Glücksritter von denen getrennt worden, die saubere, ehrliche und nachhaltige Arbeit geliefert haben. Das ist in der Wirtschaftsgeschichte nichts Neues. Ich betone das deswegen, weil ich möchte, dass sich von dieser Entwicklung gerade diejenigen, die etwas leisten wollen, die Erfolg haben wollen, die für diesen Erfolg arbeiten und um ihn kämpfen - nicht entmutigen lassen. Ich glaube, das ist auch die Botschaft, die Sie, Herr Ballmer, hier vermitteln wollten und in der Tat vermittelt haben.

Ich bin sicher, dass von dieser CeBIT ein Signal der Zuversicht und des Aufbruchs ausgehen wird Ein Aufbruch, der trotz aller Schwierigkeiten und ungeachtet der Wachstumsverlangsamung - um mehr handelt es sich nicht - ganz wesentlich von der Informations- und Kommunikationswirtschaft getragen wird. Die von dieser Branche entwickelten Produkte und Verfahren, die hier auf der CeBIT präsentiert werden, prägen auch weiterhin unsere Zukunft wie sonst wenig andere technische und wissenschaftliche Entwicklungen. Wir haben als politisch Verantwortliche in den letzten Jahren die Aufgabe gehabt - und wir haben sie weiterhin - , einen vernünftigen Rahmen für diese Entwicklung zu setzen.

Ich will diese Rede zum Anlass nehmen, Rechenschaft über das abzulegen, was wir uns im Bereich der Informations- und Telekommunikationswirtschaft vorgenommen haben und was ich auch in der Vergangenheit hier anlässlich der CeBIT formuliert habe, und was davon eingetreten ist.

Was haben wir uns vorgenommen? Zunächst einmal, Deutschland aus einem partiellen Rückstand bei der Nutzung dieser Technologien herauszuführen. Der Druck auf die Wirtschaft, auf die Politik - und ich nehme uns davon überhaupt nicht aus - ist in diesem Prozess außerordentlich heilsam gewesen. Das gilt für alle politischen Entscheidungsträger. Gelegentlich gilt dort - doch soll dies manchmal auch in großen Unternehmen vorkommen - das Gesetz der Trägheit, das Innovationen verhindert. Zudem befanden wir uns vor drei Jahren in einer Situation, in der wir von einem - wenn auch nicht immer frei von gelegentlichen Rückschlägen - so doch grundsätzlich anhaltenden Boom ausgehen konnten. Unsere Aufgabe war damals und ist auch heute, junge Leute so auszubilden, dass wir die Chancen dieser Entwicklung wirtschaftlich und gesellschaftlich auch nutzen können.

Was ist passiert? Als der Branchenverband BITKOM seine Arbeit aufnahm, als wir angefangen haben, miteinander über diese Fragen zu reden, hatten wir in der gesamten Branche in Deutschland 14.000 Ausbildungsplätze. Wir haben uns damals vorgenommen: "Wir müssen das deutlich steigern." Wir haben uns dann wiederholt große Ziele gesetzt und schließlich gesagt: "Bis 2003 wollen wir auf 60.000 junge Leute kommen, die in diesen Bereichen ausgebildet werden."

Haben wir das geschafft? Weil ich diese Frage hier öffentlich stelle, können Sie sich darauf einstellen, dass ich sie positiv beantworten kann. Sonst würde ich sie verschwiegen haben. Tatsache ist: Wir haben sogar 70.000 hinbekommen. Das heißt, es sind 70.000 Ausbildungsplätze in den unterschiedlichsten Bereichen dieser Branche geschaffen worden. Dieser Prozess geht übrigens weiter.

Ein weiteres Thema ist schon angeklungen: Es ging und geht um die gesellschaftliche Durchdringung mit den Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien. Maßstab dafür ist natürlich das Maß an Nutzern, auch an Möglichkeiten, die es gibt. Wir haben uns zunächst Folgendes vorzunehmen: Wir müssen diejenigen, die anfangen, die ganz jung sind, die nicht schon am Beginn ihres Arbeitslebens, sondern erst am Beginn ihrer schulischen Ausbildung stehen, und deren individuelle und gesellschaftliche Chancen maßgebend vom Umgang mit diesen Kommunikationstechnologien abhängen werden, fit machen.

Als wir uns dieses Thema vor wenigen Jahren vornahmen, hatten wir zu wenig Anschlüsse der Schulen an das Internet. Binnen drei Jahren haben wir die Zahl der Schulen, die einen kostenlosen Internetanschluss haben, auf inzwischen 100 Prozent gebracht - eingangs waren es 15 Prozent. Das hat uns an die Spitze der europäischen Staaten geführt. In dieser Leistung liegt eine große Chance, die wir nutzen müssen und wollen.

Übrigens - und das will ich hier mit Respekt sagen - war diese enorme Anstrengung überhaupt nur möglich, weil der Staat nicht allein gelassen worden ist. Die Initiative "Deutschland 21" ist bereits angesprochen worden. Das ist ein klassischer und erfolgreicher Fall für "public private partnership". Bewirkt haben dies vorneweg Ron Sommer und die Deutsche Telekom AG. Aber auch andere waren dabei: IBM, Hewlett-Packard oder Siemens. Microsoft kann noch ein bisschen mehr tun. Aber Sie sind ja dabei. Wir werden das morgen sehen. Ich denke, diese Initiative zeigt beispielhaft, was Wirtschaft und Staat zusammen auf die Beine stellen können, wenn man es nur versucht und dabei zusammen wirkt. Die Initiative "D 21" hat etwas erreicht, das wirklich in die Zukunft weist und auch gewürdigt werden sollte.

Wir haben die Nutzerzahlen in Deutschland erheblich steigern können, und zwar durch eine Maßnahme, die - von einigen Ausnahmen abgesehen - in Europa ihresgleichen noch sucht. Wir haben die Telekommunikationsmärkte in einer Weise liberalisiert, wie das in kaum einem anderen Land geschehen ist. Übrigens sage ich das auch vor dem Hintergrund, dass gelegentlich über Deutschland in internationalen Zusammenhängen als ein angeblich überbürokratisiertes und überreguliertes Land geklagt wird.

Ich kenne einige - ich will sie jetzt nicht nennen, dann gibt es Ärger auf dem Gipfel in Barcelona Ende der Woche - , die in punkto Liberalisierung etwa auf dem Gebiet der Telekommunikationsmärkte, auch der Energie weit hinter Deutschland zurück sind, obwohl gelegentlich anders geredet wird. Das sage ich übrigens auch dem hier anwesenden Regulierer Herrn Kurth. Wir wollen weiter liberalisieren, aber wir müssen sehen, dass wir die anderen mitnehmen. Wenn sie aus geschlossenen Märkten in unsere wunderschön liberalisierten Märkte einmarschieren können, ist das nicht das Gelbe vom Ei. Man sollte jedoch immer an das Gelbe vom Ei denken.

Wir haben über die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte dafür gesorgt, dass die Preise zurückgegangen sind. So sind seit der vollständigen Öffnung der Märkte die Preise für den Internetzugang in Deutschland deutlich gefallen - allein in den vergangenen beiden Jahren um fast 50 Prozent. Das führt wiederum zu einer wirklichen Spitzenleistung in Europa - ich sage dies vor dem Hintergrund einer gelegentlich geführten Schlusslichtdebatte. Denn mittlerweile sind die Minutenpreise für die Internetnutzung in Deutschland so günstig wie nirgendwo sonst in Europa. Folge war, dass die Nutzerzahlen für das Internet in Deutschland dramatisch angestiegen sind. Innerhalb von nur drei Jahren hat sich die Zahl der Internetnutzer in Deutschland auf rund 30 Millionen Menschen vervierfacht. Ich habe übrigens gelesen - in Berlin liest man gelegentlich auch Zeitungen aus Niedersachen - , dass die niedersächsischen Beamten, wenn sie im Dienst sind, sich gelegentlich auch andere als dienstliche Dinge im Internet "ersurfen" sollen. Das ist vom Rechnungshof gerügt worden. Das kann ich auch nachvollziehen. Doch können wir daraus zugleich schlussfolgern, dass die niedersächsischen Beamten mit diesem Medium umgehen können. Das ist ja bisher durchaus keine Selbstverständlichkeit gewesen. Insofern liegt in jeder Rüge auch etwas Positives.

Deutschland verzeichnet darüber hinaus einen erheblichen Zuwachs im elektronischen Handel. Wir haben bereits im vergangenen Jahr einen Umsatz von 20 Milliarden Euro in diesem Segment erzielt. Das ist übrigens wiederum Platz Eins in Europa. Auch darauf darf man als Deutscher gelegentlich bescheiden, wie das unsere Art ist, hinweisen. Herr Ballmer mag es mir nachsehen, wenn ich mich angesichts dessen darüber freue, dass es Deutschland in den vergangenen beiden Jahren gelungen ist, den Rückstand auch und gerade gegenüber den USA deutlich zu verringern.

Übrigens gilt das auch bei der Frage der Mobilfunkanschlüsse. Wir haben im Jahr 2000 die Vereinigten Staaten von Amerika bei der Zahl der Mobilfunkanschlüsse klar überholt, und im vergangenen Jahr - auch das, denke ich, gehört mitten in die Diskussion der CeBIT - haben wir dieses Kunststück bei der Ausstattung mit breitbandigen DSL-Anschlüssen für den schnellen Internetzugang wiederholt. Auch da sind wir vorne. Zugegeben: Korea müssen wir noch schaffen; aber das nehmen wir uns in fairer Konkurrenz zu diesem Land vor, welches auf diesem Gebiet wirklich Beispielhaftes geleistet hat.

Die Zahl dieser Hochgeschwindigkeitsinternetzugänge hat sich hierzulande innerhalb von nur zwölf Monaten verzehnfacht. Das ist international Spitze, verdeutlicht die Dynamik in diesem Bereich und es zeigt auch, dass die Telekom mit ihrem Investitionsverhalten - das ist wesentlich ihr Verdienst - hier auf dem richtigen Weg ist; der, wie ich denke, ein aussichtsreicher, wichtiger Weg ist und auch gegangen werden sollte. Die Diskussionen, die es immer wieder einmal gibt - etwa um die Flatrates im analogen Bereich - , müssen wir weiterführen und aushalten, was es dort an Debatten gibt.

Ich will ein Wort dazu sagen, was Sie, verehrter Herr Jung, über die Preise für UMTS gesagt haben. So ist der Markt; manchmal ist er brutal, das stimmt. Doch erwarten Sie von mir sicher nicht, dass ich das verändere. Es ist wahr: Unterschiedliche Finanzminister haben unterschiedlich kräftig verdient; unserer hat ordentlich abgeschnitten. Übrigens - das will ich hinzufügen - haben wir das nicht verpulvert, sondern in den Schuldenabbau gesteckt, was auch nicht so falsch ist. Ersparte Zinsaufwendungen haben wir in einem wichtigen Schwerpunkt - neben der allgemeinen Infrastruktur - in Forschung und Entwicklung investiert; auch kein Fehler, wenn man über die Zukunft des Landes nachdenkt.

In einem muss ich Ihnen Recht geben: Die Lizenzen wurden ursprünglich so verstanden, dass keine Kooperationen möglich sind. Das wäre falsch. Ich glaube vielmehr, dass es richtig ist, wenn man sagt: Diejenigen, die enorm hohe Summen investiert haben, dürfen kooperieren. Das lassen die Lizenzbedingungen auch zu, und ich denke, das war richtig so. Wäre ich in Berlin, würde ich sagen: Das war gut so.

In dem Zusammenhang auch ein Wort - Sie haben es angesprochen - zur Frage der Grenzwerte für Sendeanlagen. Es gibt hier eine interessante, harte Debatte unter Wissenschaftlern. Einige sagen: Gesundheitsgefährdende Grenzwerte werden überschritten. Andere bestreiten das. Ich will hier sehr deutlich sagen: Die Tatsache, dass man Kooperationen zulässt, führt nicht zu mehr, sondern zu weniger Antennenanlagen - das ist in diesem Zusammenhang nicht ohne Bedeutung. Im Übrigen haben wir nicht vor, die Grenzwerte zu verändern, weil wir möchten, dass die enorm teuren Investitionen auch genutzt werden können. Vor dem Hintergrund jüngster Erkenntnisse, was die Gesundheitsgefährdung angeht, ist das - ich unterstreiche das sehr, sehr deutlich, meine Damen und Herren - verantwortbar. Es wird in diesem Bereich eine ganze Menge mit übertriebenen Ängsten gearbeitet. Diejenigen, die rational sind, nehmen wir ernst - wir sind dem nachgegangen - , aber wir denken, dass wir die bestehenden Grenzwerte, als für den Gesundheitsschutz ausreichend ansehen können und sie deswegen nicht verändern müssen.

Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen, von dem ich glaube, dass er außerordentlich wichtig ist, nämlich die wissenschaftliche Ausbildung im Bereich der Informatik. Uns war wichtig, gerade auch die Ausbildungsmöglichkeiten an den Hochschulen nach vorne zu bringen. Als wir 1997 anfingen, gab es 17.000 Studenten in der Informatik. Mittlerweile sind es mehr als 38.000. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der deutlich macht, dass wir nicht einfach sagen "wir machen die Green-Card und holen Leute herein", sondern uns parallel dazu bemühen, den eigenen Leuten im eigenen Land hinreichende Chancen zu bieten, und dazu auch in den wissenschaftlichen Hochschulen enorm investieren.

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang und abschließend auf einen weiteren Punkt eingehen, den Sie, Herr Jung, angesprochen haben. Ich glaube, es gibt kaum einen Markt, der so internationalisiert ist wie der Markt der Informations- und Kommunikationstechnologie. Dies hat eine ganz bestimmte Konsequenz: Selbst dann, wenn wir keinen Fachkräftemangel hätten, selbst dann also, wenn für jede offene Stelle jemand verfügbar wäre, der im eigenen Land ausgebildet worden ist - was nicht der Fall ist - , müssten wir uns öffnen. Unser Land hatte und hat - das ist ein Prozess, den man nicht sofort stoppen kann - nicht zu viel, sondern eher zu wenig Internationalität. Nirgendwo sonst kann einem das so auf die Butterseite schlagen wie auf dem Markt der Informations- und Kommunikationstechnologien, der auf internationalen Austausch in besonderer Weise angewiesen ist.

Dies ist der Grund, warum wir auf der einen Seite sagen "Wir müssen bei den Ausbildungsplätzen, bei den Studienangeboten in diesem Bereich weit besser werden als wir es waren" - wir haben Fortschritte gemacht - , aber auf der anderen Seite auch sagen: Selbst dann, wenn dies gar nicht notwendig wäre, bräuchten wir Internationalität, bräuchten wir das, was Sie, Herr Jung, den Wettbewerb um die besten Köpfe genannt haben. Denn nur durch diesen Austausch, nur dadurch, dass es diesen Wettbewerb gibt, haben wir eine Chance, unsere inzwischen in vielen Bereichen erreichte Spitzenposition in Europa zu halten und erfolgreich anzutreten gegen andere, die in anderen Bereichen noch besser sind als wir.

Deshalb sehen wir die Green-Card nicht als Eintagsfliege an, als etwas, das man einmal macht, um es dann wieder in Vergessenheit geraten zu lassen. Vielmehr hat die Green-Card mit der Notwendigkeit, internationaler zu werden, zu tun, und auch damit, sich unter Wettbewerbsdruck zu setzen. Sie muss deshalb einmünden in das, was Sie eine vernünftige Steuerung der Zuwanderung genannt haben.

Ein Land wie unseres, das auf wirtschaftlichen Austausch wie kaum ein anderes angewiesen ist und das in der Mitte eines offenen Europas liegt, ist ein Land, das immer Zuwanderung hatte und immer haben wird. Die Frage, die wir miteinander zu beantworten haben und von der ich hoffe, dass wir sie in ein paar Tagen positiv beantworten werden können, ist also nicht, ob wir Zuwanderung wollen, sondern, ob wir Zuwanderung steuern wollen oder ob wir sie ungesteuert - wie bisher - vonstatten gehen lassen wollen.

Die Green-Card war ein kleiner Ansatz für eine Steuerung der Zuwanderung, und der muss - da stimme ich Ihnen zu - in eine Regelung einfließen, die uns zwei Dinge erlaubt:

Zum einen geht es darum, unseren humanen Verpflichtungen gerecht zu werden - ich denke, das wird hier niemand in Frage stellen - , und zwar in dem Maße, wie uns das objektiv vor dem Hintergrund der Integrationsmöglichkeiten möglich ist.

Zum anderen wollen wir das, was uns wirtschaftlich hilft, uns internationaler macht, ebenso gesteuert vonstatten gehen lassen.

Dabei sind andere sehr viel besser - zum Beispiel die Vereinigten Staaten, aber auch wichtige europäische Partnerländer - , und deswegen denke ich, ist es an der Zeit zu sagen "Lasst uns das jetzt zusammen machen, lasst uns einmal für einen Moment einen heraufziehenden Wahlkampf vergessen und vor allem daraus keinen Kampf von Personen machen". Im Gegenteil: Deutschlands Wirtschaft und damit Deutschlands Zukunft braucht eine Steuerungsmöglichkeit, die durchaus eine Begrenzung der Zuwanderung beinhaltet. Die müssen wir uns jetzt schaffen, und zwar deswegen, weil es nicht nur, aber vor allem in diesem Bereich um ein Maß an Internationalität geht, dessen Fehlen uns große Schwierigkeiten bereiten würde.

Wenn man einmal Revue passieren lässt, was in den letzten Jahren in enger Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in Deutschland geleistet worden ist - speziell in der und für die Branche, über die wir heute und in den nächsten Tagen zu reden haben werden und in der, hoffe ich, gute Geschäfte gemacht werden - , dann haben wir Deutschen, so glaube ich, Anlass zu Selbstbewusstsein - das darf nie verwechselt werden mit Überheblichkeit - und auch zu Stolz auf Leistungen, die von Menschen in diesem Land erbracht worden sind, die die Möglichkeiten, die Ihnen eingeräumt worden sind, genutzt haben.

Ich hoffe, dass das deutlich geworden ist, und ich hoffe, dass die Zeichen, von denen ich eingangs gesprochen habe und die sich auch und gerade in der IT-Branche zeigen, nicht Zeichen bleiben, sondern in diesem Jahr Wirklichkeit werden. Ich erwarte und ich hoffe auf ein besseres Jahr 2002, als es das Jahr 2001 war. Wie hat die Künstlerin zu Beginn der Veranstaltung gesungen? Ich glaube, sie sang von "better days", die sie erreichen wolle. Sie wird sie bekommen, denke ich, und Sie alle werden dazu beitragen.