Redner(in): Julian Nida-Rümelin
Datum: 20.03.2002
Untertitel: Kulturstaatsminister Nida-Rümelin erläuterte in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 20. März 2002 den in der Sitzung des Bundeskabinetts am gleichen Tag beschlossenen Gesetzentwurf zur Buchpreisbindung.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/99/74199/multi.htm
Von den Fraktionen des Bundestages wurde es im Grundsatz begrüßt, dass wir die Buchpreisbindung in Deutschland sichern. Es gab das Bemühen, dies über das Sammelrevers 2000 zu tun. Es hat sich aber erwiesen, dass es zumindest zweifelhaft ist, ob dieses Instrument angesichts der EU-Bedingungen und insbesondere der kartellrechtlichen Beurteilungen vonseiten der Europäischen Union zuverlässig ist. Deshalb habe ich vor ziemlich genau einem Jahr den Vorschlag gemacht, dass die Bundesrepublik Deutschland dem Beispiel anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, etwa Frankreichs oder Österreichs, folgen und durch ein nationales Buchpreisbindungsgesetz die Buchpreisbindung auf Dauer sichern sollte.
Was sind die kulturpolitischen Ziele dieses Gesetzes? Ich denke, sie lassen sich in folgende drei Hauptziele gliedern:
Das erste Hauptziel ist, die Vielfalt und die hohe Qualität des Buchangebotes in Deutschland zu sichern.
Das zweite Hauptziel ist, das flächendeckende Netz und das hohe Niveau der fachlichen Beratung der Buchhandlungen in Deutschland zu sichern.
Das dritte Hauptziel - das sollte man nicht unterschätzen - ist, den eigentlichen Protagonisten der Literatur, nämlich den Autorinnen und Autoren, auf diese Weise ein gesicherteres Auskommen zu ermöglichen.
Zusätzlich gibt es vor allem zwei Nebenziele: Das Erste ist - nolens volens - , die ohnehin stattfindende Verlagskonzentration nicht weiter zu unter stützen. Dass dies nötig ist, zeigt auch der internationale Vergleich. Das zweite Nebenziel ist, Transparenz herzustellen, das heißt, dafür zu sorgen, dass die Preise auf dem Buchmarkt generell gleich sind.
Der von uns vorgelegte Gesetzentwurf ist europarechtlich abgesichert: 1985 gab es die Entscheidung Leclerc des Europäischen Gerichtshofes und es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, dass nationale Buchpreisbindungen mit dem EU-Kartellrecht kompatibel sind.
Ich möchte mit einer grundsätzlichen Bemerkung schließen: Gegenwärtig wird in Europa eine interessante Debatte über - ich will es einmal so formulieren - das Spannungsverhältnis zwischen der Marktglobalisierung sowie dem globalen und dem innereuropäischen Freihandel auf der einen Seite und dem Ziel der Bewahrung der kulturellen Vielfalt speziell innerhalb der Europäischen Union auf der anderen Seite geführt. Seit dem Maastricht-Vertrag gehört es zu den Zielen der Europäischen Union, die kulturelle Vielfalt - dazu gehört auch ein gutes Buchangebot - in den europäischen Mitgliedstaaten zu fördern. In diesem Spannungsverhältnis müssen wir verschiedene kulturpolitische Themen, zum Beispiel den Film oder die Frage der Buchpreisbindung, ansiedeln.
Es ist seit langem das erste Gesetz, das eine Preisbindung vorsieht. Es stellt zweifelsfrei einen Eingriff in den freien Markt dar. Dieser Eingriff ist aber in meinen Augen legitimiert, weil wir damit dem Kulturgut Buch eine ganz wesentliche Förderung angedeihen lassen, ohne die dieses Kulturgut nicht die zentrale Rolle spielen könnte, die es heute de facto spielt. Das hängt mit der seit 1887 bestehenden Buchpreisbindung in Deutschland zusammen.
Besonders erfreulich finde ich im Übrigen, dass das Bundeswirtschaftsministerium, das ebenfalls federführend war - der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums kann heute wegen Krankheit nicht zugegen sein - , das Gesetz mit uns zusammen vorbereitet hat. Dieser Gesetzentwurf ist auch mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Vertreter der Buchbranche eng abgestimmt worden. Von daher haben in diesem Fall alle drei Akteure an einem Strang gezogen.