Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 17.04.2002

Untertitel: Das, was wir hier vor uns haben, ist zunächst einmal ein Stück sehr, sehr guter deutscher Architektur.
Anrede: Sehr verehrter Herr Professor Fahrholz, verehrte Frau Oberbürgermeisterin, Herr Novotny, meine Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/42/76642/multi.htm


Mutig ist ja der Professor. Frankfurt als geographische Mitte Deutschlands zu bezeichnen, zeigt eines: Er wusste bereits in der Schule, dass er Bankdirektor werden würde. Deswegen hat er mehr Wert auf den Mathematikunterricht als auf Geographie gelegt. Das ist jedenfalls deutlich. Im Übrigen hat die Oberbürgermeisterin in bewährter Manier bei der Aufzählung der Weltmetropolen natürlich wieder Hannover vergessen. Das ist bedauerlich, aber da muss sie halt noch nacharbeiten

Ich finde, dass das, was wir hier vor uns sehen, zunächst einmal ein Stück sehr, sehr guter deutscher Architektur ist, wenn man sich einmal ein wenig intensiver damit beschäftigt hat. Bestechend ist sicher auch die Technik, die man mir erläutert hat, aber vor allen Dingen die Transparenz des Gebäudes. Wenn Transparenz irgendwo Sinn macht, dann allemal auf den Finanzmärkten, wo wir doch eher zu wenig als zu viel haben.

Übrigens wollen und werden wir das mit dem Vierten Finanzmarktgesetz ändern, das wohl noch im Mai beschlossen werden wird und zwei Schwerpunkte enthält.

Erstens: Wirklich Transparenz auf den Märkten.

Zweitens: Deutlich verbesserter Anlegerschutz.

Das scheint mir deshalb wichtig zu sein, weil nur auf diese Weise das notwendige Vertrauen in die Märkte bei den Anlegern geschaffen wird, auf dessen Basis sie dann auch vernünftige Geschäfte machen können und eben auch Geld investieren.

Die weitere Bemerkung, die ich zur Sache machen wollte, ist die: Das betrifft natürlich den Finanzplatz Frankfurt, den wir stabilisieren und entwickeln helfen wollen, wo es nur irgendwie geht. Das soll keineswegs in Konkurrenz zu anderen geschehen, aber schon sehr bewusst, weil er eine ganz eigene Qualität in Deutschland hat und für die gesamte Entwicklung unserer Volkswirtschaft deshalb von enormer Bedeutung ist.

Wir haben heute im Bundeskabinett zwei wichtige Personalentscheidungen getroffen, die auch Strukturentscheidungen sind.

Erstens haben wir den neuen Vorstand der Bundesbank bestimmt, der jetzt auf einer veränderten und effizienteren Basis arbeiten kann. Es war nicht zuletzt deshalb wichtig, diese neue Struktur zu schaffen, um damit auch international ein Zeichen zu setzen, damit wir die Modernisierungsaufgaben, die wegen der Globalisierung auf uns zukommen, wirklich auch anpacken und zu einem guten Ende bringen.

Zweitens - und ich denke, das ist mindestens so wichtig - haben wir Herrn Sanio zum Chef der Allfinanzaufsicht gemacht. Das ist eine, wie ich denke, richtige und gute Entscheidung, weil Herr Sanio eine, auch international hoch geachtete und anerkannte Persönlichkeit ist. Diese Entscheidung macht deutlich, dass wir jemanden haben wollten, der auf Transparenz achtet und von hoher persönlicher Integrität und großer Qualität ist.

Was vollzieht sich vor diesem Hintergrund? Natürlich hat die Oberbürgermeisterin mit Stolz auf die Zahlen hingewiesen, die es gibt. Jeder wird sich darüber freuen - ob aus der Region oder nicht. Insgesamt ist es richtig, wenn Professor Fahrholz von deutlichen Aufschwungtendenzen spricht. Ich räume ein: Keiner war so mutig wie sein Chefvolkswirt, Herr Friedrich, der in der Tendenz zutreffend, aber optimistischer als BDI oder IWF war. Diese gingen von einem Prozent beziehungsweise 0,9 Prozent Wachstum in diesem Jahr aus und er von 1,3 Prozent. Keiner war so mutig. Aber ich hoffe, dass er am Ende Recht behält.

Weil es mit Prognosen so eine Sache ist, haben wir immer gesagt: Es wird um 0,75 Prozent gehen. Dabei wollen wir zunächst auch einmal bleiben. Wir wollen also nicht neue Prognosen in die Welt setzen.

Aber wir freuen uns natürlich über jede optimistischere Annahme, weil es für diesen Optimismus mehr als Grund gibt. Deswegen bin ich sehr dafür, dass man diese Entwicklung, die darin sichtbar wird, unterstützt und nicht kaputt redet, wie das gelegentlich gemacht wird.

Wichtig wird sein, gerade wegen der Internationalität dieses Banken- und Versicherungsstandortes, darauf hinzuweisen, dass wir jetzt aufpassen müssen, nicht international für neue Irritationen zu sorgen. Wir haben zwei wesentliche Entscheidungen getroffen. Sie haben Recht, Herr Professor Fahrholz, über Details wird man reden müssen. Aber auf die Einführung der Kapitaldeckung bei der Finanzierung der Rentenversicherung ist 20 Jahre lang gewartet worden. Wir haben das in den letzten dreieinhalb Jahren gemacht. Wo es Schwierigkeiten bei der Umsetzung gibt, wird man schauen müssen. Hier geht es natürlich auch darum, langfristige Sicherung zu betreiben, damit nicht diejenigen, die bei der Altersvorsorge nach dem Prinzip "laissez faire" verfahren, wieder beim Staat landen.

Das war nicht Sinn des Aufbaus von Kapitaldeckung, sondern der Sinn war - durchaus zu Lasten kurzfristiger Renditeerwägungen - , Langfristigkeit zum zentralen Faktor zu machen. Das muss bei Rentenleistungen so sein und kann kaum anders organisiert werden. Wo immer es Hemmnisse gibt, wollen wir miteinander reden, wie sie beseitigt werden können. Aber immerhin ist ermutigend, dass ihr Institut - jetzt rede ich über die Allianz und die Dresdner insgesamt - diese Chance als Marktführer, die sich daraus ergeben hat, am stärksten nutzt. Ich denke, Sie wissen auch warum.

Eine Bemerkung noch: Wir haben, was den Finanzplatz, aber auch die Struktur unserer Wirtschaftsordnung insgesamt angeht, ganz wesentliche Entscheidungen vor uns. Das sind Entscheidungen - jetzt rede ich vor allen Dingen zu den Fachleuten, die hier in großer Zahl sind - , die im Zusammenhang mit dem stehen, was man Basel II nennt. Hier müssen wir gerade in Deutschland aufpassen, dass uns nicht später - über Europa verbindlich gemacht - eine Struktur serviert wird, die dazu führt, dass die große Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Refinanzierung in Schwierigkeiten kommt. Das funktioniert in Deutschland nämlich bislang gut und macht die eigentliche Kraft unserer Volkswirtschaft aus.

Die Vereinigten Staaten haben gar kein Problem, bei den Beratungen ihre Interessen, die die Interessen kurzfristiger Finanzierungsmodelle und großer Finanzinstitute sind, auch deutlich werden zu lassen. Wir werden uns deswegen morgen in Berlin in einem Kreis der betroffenen Wirtschaftsverbände, Banken und Versicherungen treffen, um eine gemeinsame Strategie zwischen deutscher Wirtschaft und Politik abzusprechen. Wir haben allen Grund, deutlich zu machen, dass wir die Langfristigkeit unserer Refinanzierungen bei in der Tat verbesserungswürdigen Eigenkapitalausstattungen der kleinen und mittleren Unternehmen im Auge behalten müssen und die wirtschaftliche Entwicklung nicht durch Kreditrestriktionen, die nichts mit betriebswirtschaftlichen Erwägungen zu tun haben, sondern gelegentlich anderer Natur sind, in Frage gestellt wird. Das wird eine wichtige Aufgabe sein, über die dann - so hoffe ich - auch von den Fachleuten im neuen Haus der Dresdner Bank gebrütet werden kann. Denn wir können immer guten Rat gebrauchen, besonders wenn er nicht zu teuer ist.

Eine zweite Bemerkung will ich noch machen: Ich bin gern nach Frankfurt gekommen. Diejenigen, mit denen ich aus guten Gründen auch zu reden hatte, nämlich die Holzmänner, bauen darauf, dass jetzt im Rahmen der neuen Insolvenzordnung, die ja Gläubigerinteressen respektiert, alles getan wird - auch von den beteiligten Banken; diese hier eingeschlossen - und man vor allen Dingen sehr stark auf Substanzerhalt setzt, damit so viele Arbeitsplätze wie nur möglich abgesichert werden. Meine Hoffnung, ja Erwartung ist, dass dabei auch die beteiligten Banken eine positive Rolle spielen.

Die ökonomische Entwicklung, die vor uns liegt, bietet Anlass zu großem Optimismus. Wenn dieser Optimismus hier von Herrn Fahrholz und anderen zum Ausdruck gebracht und darüber hinaus noch am Gläsernen Turm, der mit einer Menge nach vorne weisender Technik ausgestattet ist, sichtbar wird, ist das ein gutes Zeichen für Frankfurt, aber auch für Deutschland.

In diesem Sinne hoffe ich auf weiteren störungs- und unfallfreien Baufortschritt und wünsche jetzt schon all denen, die dort einziehen werden, sichere Arbeitsplätze und eine erfreuliche Perspektive in diesem Finanzinstitut.

Ich möchte gern, weil hier auch über Wahlen die Rede war, das Versprechen geben, wenn ich eingeladen werde, zur Einweihungsfeier wieder zu kommen; natürlich in dem gleichen Amt wie jetzt.