Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 23.04.2002
Untertitel: "Vor 50 Jahren haben die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Island diplomatische Beziehungen aufgenommen..."
Anrede: Sehr geehrter Ministerpräsident Oddsson, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/56/77456/multi.htm
liebe Freunde der isländischen Kultur!
Anlass für das Kulturfestival "Island-Hoch" mit seinem vielfältigen und beeindruckenden Programm sind zwei wichtige Jahrestage:
Vor 50 Jahren haben die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Island diplomatische Beziehungen aufgenommen.
Vor allem aber: Heute wäre der isländische Nobelpreisträger für Literatur, Halldór Laxness, 100 Jahre alt geworden.
Da fügt es sich dann besonders gut, dass wir heute auch den von den Vereinten Nationen ausgerufenen internationalen Tag des Buches begehen.
Bei diesem Kulturfestival in Berlin zu Gast ist heute mit Halldór Gudmundsson der Verfasser der ersten deutschsprachigen Biografie von Halldór Laxness. Er wird uns gleich über das vielschichtige Werk und das Leben von Laxness berichten.
Halldór Laxness stößt hier in Deutschland - ebenso wie isländische Kultur insgesamt - auf große Resonanz. Der Steidl-Verlag leistet mit der Neuauflage des Gesamtwerks von Halldór Laxness in deutscher Sprache deshalb einen außerordentlich wichtigen Beitrag.
Als Laxness im Jahr 1955 den Nobelpreis für Literatur erhielt, wurde nicht nur eine außergewöhnliche - politisch damals im Übrigen sehr umstrittene - Persönlichkeit geehrt.
Der Nobelpreis ist stets auch begriffen worden - und ich finde zu Recht - als eine Auszeichnung für die isländische Literatur insgesamt. Es gibt wohl nur wenige Länder, in denen die Dichtung einen so hohen Stellenwert hat.
Und es ist bemerkenswert, wie viele herausragende Autoren und Schriftsteller das kleine Island über viele Jahrhunderte hervorgebracht hat und weiter hervorbringt.
Isländische Literatur ist deshalb ganz selbstverständlich einer der Schwerpunkte des Kulturfestivals.
Übrigens: Der Beweis für meine These vom ganz besonderen Verhältnis zwischen Island und der Literatur befindet sich hier unter uns.
David Oddsson ist nicht nur isländischer Ministerpräsident, er ist auch Schriftsteller.
Ein Band mit seinen sehr schönen und sehr lesenswerten Erzählungen - "Schöne Tage ohne Gudny" - ist ins Deutsche übersetzt worden und wird ebenfalls vom Steidl-Verlag herausgegeben. Natürlich ist eine Lesung aus seinem Buch Programmteil des Kulturfestivals.
Meine Damen und Herren,
der zweite wichtige Jahrestag, den wir in dieser Woche begehen, ich habe darauf schon hingewiesen, ist das 50jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern.
In diesen 50 Jahren hat sich das Verhältnis zu unseren isländischen Freunden hervorragend entwickelt. Die Zusammenarbeit ist vertrauensvoll, es bestehen intensive wirtschaftliche und kulturelle Kontakte.
Unsere Zusammenarbeit bewährt sich aber auch im multilateralen Rahmen, wenn ich an die NATO denke, in der Island nicht nur wegen seiner geografischen Lage eine besondere und wichtige Rolle spielt.
Am 14. und 15. Mai wird in Reykjavik dann auch das wichtige Frühjahrs-Treffen der NATO-Außenminister stattfinden.
Die Beziehungen Islands zum Europäischen Wirtschaftsraum haben sich hervorragend entwickelt. Island ist assoziierter Partner bei der Durchführung des Schengen-Besitzstandes der Europäischen Union. Das Land bringt seine Interessen im Ostseerat hervorragend zur Geltung und arbeitet konstruktiv an Lösungen.
Unsere politischen Beziehungen sind, das kann ich mit großer Freude und Genugtuung feststellen, mehr als freundschaftlich.
Ebenso wichtig wie das ausgezeichnete politische Verhältnis ist für mich aber das große gegenseitige Interesse, das die Menschen unserer beiden Länder miteinander verbindet. Das habe ich bei meinen Aufenthalten in Island immer wieder persönlich feststellen können.
Das Kulturfestival demonstriert dieses Interesse an Island in beispielhafter Weise.
Für mich war besonders interessant zu erfahren, dass es neben der isländischen Literatur, auch in den Bereichen Bildender Kunst, Musik sowie Filmkunst außerordentlich vielfältige Aktivitäten in Island gibt, die sich im Programm des Kulturfestivals widerspiegeln.
Auch in meinen Räumen befinden sich zwei Werke isländischer Künstler, die ich sehr schätze: eine Skulptur von Madur Kona, die mir Ministerpräsident Oddsson geschenkt hat, und ein Bild von Tolli Morthens.
Aber nicht nur mittels Kunst und Kultur entwickeln sich freundschaftliche Beziehungen zwischen unseren Völkern.
Da ist zum einen der Tourismus:
Mehr als 30.000 deutsche Touristen haben zum Beispiel im vergangenen Jahr Island bereist, um die einzigartige urwüchsige isländische Landschaft zu bewundern und isländische Gastfreundschaft zu genießen.
Und dann gibt es natürlich noch vielfältige Verbindungen durch den Sport. Island hat zahlreiche Sportler hervorgebracht, die in Deutschland große Bekanntheit und Beliebtheit erlangt haben. Wie der Handballer Olafur Stefansson vom Deutschen Meister in Magdeburg, der im Jahr 2001 in Deutschland zum Handballer des Jahres gewählt worden ist. Oder Jolli Sverisson, seit vielen Jahren schon Publikumsliebling bei den Anhängern des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC Berlin.
Deutschland und Island werden zudem bei den Qualifikationsspielen zur Fußball-Europameisterschaft 2004 in Portugal aufeinander treffen.
Meine Damen und Herren,
Deutschland und Island verbindet eine enge Freundschaft. Dieses Kulturfestival ist daher eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Verbindungen zwischen Deutschland und Island weiter zu vertiefen. Ich wünsche den Veranstaltungen viel Erfolg und vor allem ein großes begeistertes Publikum.
Ich danke Ihnen.