Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 02.05.2002

Untertitel: Sehr geehrter Herr Prof. Gemmrich, sehr geehrte Damen und Herren, am 17. April 2002 hat die Bundesregierung die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Die Strategie ist der deutsche Beitrag zur Rio-Folgekonferenz im Sommer in Johannesburg.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/90/78590/multi.htm


Sehr geehrter Herr Prof. Gemmrich, sehr geehrte Damen und Herren, am 17. April 2002 hat die Bundesregierung die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Die Strategie ist der deutsche Beitrag zur Rio-Folgekonferenz im Sommer in Johannesburg.

Sie ist darüber hinaus Zwischenbilanz der Reformpolitik der Bundesregierung. Nachhaltigkeit ist der rote Faden, der sich durch alle Refomen zieht: Von der Haushaltskonsolidierung über die Steuerreform, das Altersvermögensgesetz, Bildung und Forschung bis hin zur Energiewende und der Neuorientierung der Landwirtschaft.

Und sie beschreibt die langen Linien unserer Politik. Perspektiven für Deutschland " - der Titel der Strategie ist zugleich Programm.

Mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie legen wir unsere Vision für ein zukunftsfähiges Deutschland vor.

Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt, Generationengerechtigkeit und Internationale Verantwortung - das sind unsere vier Leitlinien für eine gute Zukunft:

Lebensqualität bedeutet intakte Landschaften ebenso wie attraktive, lebenswerte Städte. Lebensqualität umfasst gute Schulen und Universitäten, Gesundheit, Sicherheit, die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.

Sozialer Zusammenhalt:

Der beschleunigte ökonomische Strukturwandel wird begleitet von einem gesellschaftlichen Wandel. Traditionelle Sozialmilieus zerfallen. Wir wollen, dass bei den Veränderungen niemand unter die Räder kommt, sondern alle am Haben und Sagen teilhaben können.

Generationengerechtigkeit:

Nicht auf Kosten zukünftiger Generationen leben - das ist gewissermaßen der kategorische Imperativ der Nachhaltigkeit. Zum Beispiel in der Haushaltspolitik: Mit der Sanierung der öffentlichen Finanzen gewinnen wir Gestaltungsspielräume für jetzige und kommende Generationen zurück.

Internationale Verantwortung:

Die Kluft zwischen den reichen und den armen Ländern hat sich in den letzten Jahren eher vergrößert. Jetzt kommt es darauf an, die Globalisierung so zu gestalten, dass sich die Schere schließt, dass alle Menschen an Wachstum und Wohlstand teilhaben können. Nachhaltigkeit ist unsere Antwort auf die kritischen Fragen der Globalisierungsgegner.

Wir sind mit diesen vier Koordinaten bewusst über die bisherige Definition von Nachhaltigkeit hinausgegangen.

Das alte Modell, das auf der Gleichrangigkeit der drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales basierte, hat faktisch zu einer Zementierung der jeweiligen Position geführt, weil je nach Interessenschwerpunkt die ökologische, ökonomische oder soziale Dimension im Zentrum der Argumentation stand.

Beispiel klassische Podiumsdiskussion.

Wir haben das alte Säulen-Modell weiterentwickelt und dabei Prinzipien auf die Politik übertragen, die eigentlich jeder von zu Hause kennt:

Vorsorge für eine gute Zukunft der Kinder, ein gutes Miteinander mit den Nachbarn, Rücksicht nehmen auf andere.

Mit dem neuen Leitbild holen wir das Thema Nachhaltigkeit aus der Öko-Nische heraus.

Die Strategie beschränkt sich nicht auf die Beschreibung eines Leitbildes Wir formulieren konkrete Ziele, beschreiben Wege und benennen Wegmarken. Indikatoren, die zeigen wo wir stehen und welchen weiteren Handlungsbedarf es gibt.

Wir haben uns ambitionierte Ziele gesetzt. So wollen wir beispielsweise bis 2020 die Energie- und Ressourcenproduktivität verdoppeln.

Bis 2010 den Anteil erneuerbarer Energien. Mitte des Jahrhunderts soll bereits die Hälfte des Energiebedarfs mit regenerativen Energien gedeckt werden - weltweit und hier bei uns.

Der Flächenverbrauch von jetzt 130 Hektar pro Tag soll bis 2020 auf maximal 30 Hektar sinken, der Stickstoffüberschuss in der Landwirtschaft bis 2010 auf 80 Kilogramm pro Hektar.

Die öffentlichen und privaten Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen bis 2010 kontinuierlich auf 3 % des BIP steigen.

Und die Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten für Kinder in den alten Ländern sollen im gleichen Zeitraum auf 30 % ausgeweitet werden, derzeit sind es in manchen Altersgruppen nur knapp 3 % .

Noch gibt es nicht den einen Nachhaltigkeitsindikator, der wie der DAX für den Aktienmarkt oder die Inflationsrate für den Geldwert steht.

Die 21 Ziele für das 21. Jahrhundert aber bilden mehr als einen Trend ab. Im Gegensatz zur vielfach naiven Nachhaltigkeitsdebatte der Vergangenheit gehen sie offen mit den Zielkonflikten um. Und bieten Ansätze, diese im Sinne der Nachhaltigkeitsidee zu balancieren.

Nachhaltige Entwicklung in diesem Sinne wird immer eine Gratwanderung bleiben. Und doch oder gerade deshalb ist sie ohne Alternative.

Wir haben bei der Strategie bewusst einen partizipativen Ansatz gewählt und die Öffentlichkeit von Anfang an an der Erarbeitung der Strategie beteiligt.

Partizipativer Ansatz heißt aber nicht nur, Menschen an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, sondern bedeutet auch, dass die Menschen Verantwortung für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsidee übernehmen müssen.

Der Glaube, dass Nachhaltigkeit vor allem durch staatliches Handeln erreicht wird, offenbart lediglich eine unrealistische Staatsgläubigkeit.

Wir nehmen unseren Teil der Verantwortung wahr und schaffen Rahmenbedingungen für mehr Nachhaltigkeit.

Beispiel Energiewende:

Das 100. 000-Dächer-Programm zur Förderung der Photovoltaik und das EEG - das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien - haben eine gewaltige Nachfrage nach entsprechenden Anlagen ausgelöst.

Vom Aufschwung in diesem Bereich profitieren übrigens vor allem die kleinen und mittleren Betriebe: Die Ingenieur- und Planungsbüros, die Hersteller von Komponenten für Windräder oder Photovoltaikanlagen und viele Handwerksbetriebe, die solche Anlagen installieren und warten.

Insgesamt sind schon rund 120.000 Menschen im Bereich erneuerbarer Energien beschäftigt. Und das sind überwiegend Arbeitsplätze, die nicht "exportiert" werden können. Aber Produkte, die wir weltweit exportieren können.

Diesen Weg wollen wir weiter gehen. In der Strategie haben wir uns deshalb verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energien gemessen am Stand des Jahres 2000 bis 2010 zu verdoppeln.

Große Potenziale liegen hier vor allem im Bereich Offshore-Windparks. Die Zukunft der Windenergie liegt im Meer. Innerhalb einer Generation könnten Offshore-Windparks rein rechnerisch acht Großkraftwerke ersetzen.

Kein Zufall, dass am 26. März die erste Neunotierung am Frankfurter Neuen Markt nach acht Monaten ein Unternehmen mit dem Schwerpunkt Windenergie war ( REPOWER ) .

Mit einem Pilotprojekt haben wir in der Strategie den Weg für Offshore-Anlagen frei gemacht.

Daneben erproben wir mit dem Pilotprojekt "Virtuelles Kraftwerk" der Einstieg in eine Dezentralisierung der Energieversorgung. Dazu werden Brennstoffzellen in Haushalten miteinander vernetzt und durch intelligente Technik so gesteuert, dass sie zusammen die Wirkung eines Kraftwerks erzielen.

So wie wir in der Informationstechnologie von Großrechnern über mittlere Datentechnik zu vernetzten PC und mobilen Anwendungen gekommen sind, könnten wir ein Internet dezentraler Energieproduzenten schaffen.

Das Ziel ist klar: Bis Mitte des Jahrhunderts sollen erneuerbare Energien rund die Hälfte des Energiebedarfs decken - bei uns und weltweit.

Aber nicht nur im Bereich regenerativer Energien setzen wir Schwerpunkte. Mit der Förderung moderner KWK-Anlagen schaffen wir Anreize für eine deutlich höhere Energieeffizienz bei der Nutzung fossiler Energien.

Anreize zu einem sparsamen Umgang mit Energie setzen wir auch mit der Energiesparverordnung und dem CO2 -Gebäudesanierungsprogramm.

Wir schaffen die Rahmenbedingungen, geben mit Förderprogrammen die notwendigen Anstösse für eine nachhaltige Entwicklung.

Aufgabe der Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft ist es, diese Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich mit Leben zu erfüllen.

Verbraucher und Unternehmer entscheiden mit ihrem Konsum- bzw. Investitionsverhalten ebenso über Nachhaltigkeit, wie der Staat mit seinen Gesetzen, Verordnungen, Förderprogrammen und Zielvereinbarungen.

Wir wollen nicht wie in den 80er Jahren Bedrohungsszenarien aufbauen, um die Menschen zum "Umkehren" zu bewegen. Denn: Abgesehen davon, dass die Prediger der Umkehr - man mag es bedauern oder nüchtern konstatieren - nun einmal nicht erhört worden sind; wohin sollte die Umkehr führen? An welchem Punkt sollten sich die industrialisierten Staaten mit den weniger entwickelten Regionen treffen?

Die Perspektive heißt nicht "Zurück in die Zukunft".

Statt apokalyptische Szenarien zu beschwören, setzen wir auf eine Positivstrategie. Das heißt nicht, dass wir Risiken verschweigen sollten. Wo es Risiken gibt, benennen wir sie auch.

Aber noch wichtiger ist: Wir rücken die Chancen nachhaltiger Entwicklung in den Mittelpunkt:

Zukunftsfähige Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, das dauerhaft ist, weil es nicht zu Lasten der Umwelt geht, die Erhaltung einer intakten Natur für unsere Kinder und Enkel. Denn nur wenn es gelingt, die Menschen davon zu überzeugen, dass mehr Nachhaltigkeit auch für sie persönlich mehr Lebensqualität bedeutet, werden wir die notwendige Akzeptanz bekommen.

Beispiel: Neuorientierung der Agrarpolitik

Spätestens seit der BSE-Krise ist vielen Menschen wieder bewusst geworden, welchen Stellenwert Lebensmittel für die eigene Lebensqualität haben. Immer mehr Menschen schauen inzwischen auf die Herkunft der Ware. Auf immer mehr Einkaufszetteln ist das Motto: Klasse statt Masse.

Diesen Trend wollen wir unterstützen. Mit der Ausrichtung der Landwirtschaft auf Nachhaltigkeit fördern wir gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel. Und wir tragen dazu bei, intakte Landschaften zu erhalten, die als Erholungsräume ebenfalls zur Lebensqualität beitragen.

Hierzu wollen wir den Anteil des ökologischen Landbaus bis 2010 auf 20 % steigern. Doch darauf kann sich eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik nicht beschränken.

97 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche werden bisher konventionell bewirtschaftet. Diese Größenordnung zeigt, dass nachhaltige Politik vor allem hier ansetzen muss.

Dabei ist nicht die konventionelle Landwirtschaft an sich ein Problem, sondern eine Intensiv-Landwirtschaft, die Böden und Grundwasser belastet und in der Natur einen drastischen Artenrückgang verursacht.

Wir haben daher einen neuen Indikator in die Strategie aufgenommen: die Stickstoffbilanz.

Der sparsame Einsatz von Dünger gehört zu den Hauptmerkmalen einer qualitätsorientierten und umweltverträglichen Landwirtschaft. Der Stickstoff-Überschuss soll daher von heute rund 110 kg bis zum Jahr 2010 auf 80 kg pro Hektar sinken.

Damit machen wir deutlich: Sowohl eine qualitätsorientierte konventionelle Landwirtschaft als auch der ökologische Landbau haben ihren Platz und ihre Marktchancen.

Ich halte überhaupt nichts davon, die beiden gegeneinander auszuspielen. Letzlich wird über den Marktanteil an der Ladentheke entschieden.

Beispiel Mobilität:

Ich behaupte: Mobilität ist ebenso wie Kommunikation ein Grundbedürfnis des modernen Menschen. Mobilität bedeutet Lebensqualität.

Wir wollen mit unserer Strategie Mobilität nicht einschränken, sondern erhalten bzw. wieder gewinnen und gleichzeitig die Umweltbelastung reduzieren.

Mit moderner Technologie können wir die umweltschädlichen Folgen des Auto- und LKW-Verkehrs Schritt für Schritt reduzieren:

Der Ausbau von Telematik, EDV-optimierte Logistik und bessere Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger helfen Verkehr zu vermeiden. Durch verbrauchs- und schadstoffarme Antriebstechniken: In den letzten vier Jahren ist der Anteil der jährlich neu zugelassenen verbrauchsarmen Fahrzeuge von 13 auf 40 % gestiegen. Technisch sind noch gewaltige Einsparungen möglich: Vor kurzem hat Ferdinand Piëch das erste 1-Liter-Auto vorgestellt.

Wir wollen Massenmobilität erhalten, ohne der Umwelt zu schaden. Unsere Zukunftsvision ist das wasserstoffbetriebene Zero-emission-car. In der Strategie haben wir deshalb ein entsprechendes Pilotprojekt zum Einsatz mobiler Brennstofzellen auf den Weg gebracht: Clean-Energy-partnership Berlin.

Technische Verbesserungen sind das eine. Aber wir müssen auch attraktive Alternativen anbieten. Bundesregierung hat auch hier - im wahrsten Sinne des Wortes die Weichen gestellt:

Mit Pilotprojekten zur Verbesserung des Nahverkehrs in der Fläche, mit einer besseren Vernetzung, einer Öffnung für Wettbewerb, einem erleichterten Zugang.

Wir haben Investitionen in die Schiene ausgebaut und werden mit der Schwerverkehrsabgabe im Autobahnbereich nicht nur dazu beitragen, dass Kapazitäten optimiert und besser genutzt werden, sondern dass es ökonomische Anreize zu weiteren Verlagerungen gibt.

Die Beispiele unterstreichen, dass Nachhaltigkeit eine umfassende Modernisierungsstrategie ist.

Kern der Strategie ist eine Erhöhung der Ressourcen- und Energieeffizienz.

Was technisch alles möglich ist, zeigt ein Beispiel aus der Papierindustrie.

1900 benötigte man für die Herstellung eines Kilos Papier eine Tonne Frischwasser. Heute braucht man dafür noch anderthalb Liter.

Die Vision Faktor vier gibt die Richtung an, in die wir gehen müssen: Doppelter Wohlstand bei halbem Naturverbrauch.

Wer endliche Ressourcen effizient und sparsam einsetzt, tut nicht nur etwas für die Umwelt, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens:

Gutes Beispiel ist ein Lackieranlagen-Hersteller hier aus der Region. Das Unternehmen hat ein Lackrecycling-Verfahren entwickelt, das einen geschlossenen Stoffkreislauf ermöglicht. Beim Lackiervorgang übrig gebliebene Farbe wird gesammelt und so gefiltert, dass sie ohne Qualitätsverlust auf ein neues Produkt aufgetragen werden kann.

Das Ergebnis dieses innovativen Verfahrens: Umweltentlastung und Kostenersparnis durch weniger Rohstoffeinsatz und geringere Gebühren für Abfälle und Abwässer.

Win-win-Situationen wie diese zeigen die Richtung, in die wir gehen müssen.

Nachdem Unternehmen jahrzehntelang ihre Rationalisierungsanstrengungen im wesentlichen auf den Faktor Arbeit konzentriert haben und wir dort enorme Produktivitätssteigerung erlebt haben, - in den alten Ländern stieg die Arbeitsproduktivität von 1950 - 1991 um den Faktor 4,2, die Energieproduktivität aber nur um den Faktor 2,1 - müssen sich die Produktivitätssteigerungen der Zukunft auf Ressourcen und Energieeffizienz konzentrieren.

Nachhaltigkeit hört nicht an Staatsgrenzen auf. Im Zeitalter der Globalisierung haben jede Investition und vor allem unsere Produktions- und Lebensweise Auswirkungen jenseits der staatlichen Grenzen.

Die Globalisierung bietet große Chancen. Sie verspricht mehr Wohlstand und Stabilität, eröffnet neue Kommunikationschancen und ermöglicht damit mehr Begegnungen von Menschen und Austausch zwischen den Kulturen.

Allerdings sind die Vorteile der Globalisierung heute sehr ungleich verteilt. Weltweit wurden noch nie so viele Güter und Nahrungsmittel erzeugt wie heute. Der Umfang des Welthandels ist höher als je zuvor und steigt weiter. Eine Entwicklung, von der eigentlich die Menschen in allen Ländern profitieren müssten.

Fakt ist aber, dass sich die Schere zwischen reichen und armen Ländern in den letzten Jahren im Zuge der Globalisierung noch weiter geöffnet hat.

Ich weiss, dass viele Menschen diese Entwicklung mit großer Sorge verfolgen und zunehmend kritische Fragen zum Globalisierungsprozess stellen. Dabei böte gerade der mit Globalisierung umschriebene weltweite ökonomische und gesellschaftliche Vernetzungsprozess die Chance, Armut und Elend in der Welt zu überwinden.

Globalisierung ist nicht a priori ungerecht. Das weltweite Engagement von Kirchen oder Nichregierungsorganisation wie amnesty international für Demokratie und Menschenrechte und die vielen Projekte lokaler Initiativen gegen Armut und Umweltzerstörung in Afrika, Asien oder Lateinamerika sind auch Teil des Globalisierungsprozesses.

Es kommt darauf an, die Globalisierung zu gestalten.

So wie wir uns in Deutschland und Europa nicht nur auf die Kräfte des Marktes verlassen, sondern soziale und ökologische Fehlentwicklungen ausgleichen, müssen wir auch global Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass alle Menschen an Wachstum und Wohlstand teilhaben können.

Und wir brauchen ein erneuertes Wohlstandsmodell, das auch global übertragbar ist.

Die Industrieländer des Nordens, in denenein Viertel der Menschheit wohnt, verbrauchen jährlich drei Viertel aller Ressourcen.

Schon jetzt sorgt der damit verbundene Raubbau an der Natur in vielen Teilen der Welt für Armut und für wachsende Konflikte.

Zugleich verursachen die Industriestaaten drei Viertel aller CO2 -Emissionen und sind damit hauptverantwortlich für den fortschreitenden Klimawandel.

Würden alle Menschen so leben wie wir, wäre der globale ökologische Kollaps kaum noch aufzuhalten.

Der Energie- und Rohstoffverbrauch pro Kopf liegt in den USA um das Zehnfache über dem von China.

Andererseits: Gemessen am BIP sind Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen in China pro Kopf vier bis fünfmal höher als in den USA. Wir stehen also vor einer doppelten Herausforderung:

In den Ländern des Südens muss eine rein nachholende ökonomische und soziale Entwicklung, eine Entwicklung, die sich am bisherigen Weg und am Status Quo in den Industrieländern orientiert, vermieden werden.

Mit dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung können wir Globalisierung ökonomisch, ökologisch und sozial gerecht gestalten. Ich begrüße deshalb denVorschlag des Vorsitzenden des Rats für nachhaltige Entwicklung, Volker Hauff, zu dieser Frage nach dem Vorbild der Brundtland-Kommission von 1987 eine Weltkommission zum Thema "Globalisierung und nachhaltige Entwicklung" einzurichten.

Anrede, Rio war 1992 das Signal des Aufbruchs:

Damals trafen die politischen Führer der Welt Verabredungen, die drohende Klimakatastrophe abzuwenden und das Armutsgefälle zwischen den Industrienationen und den Staaten der sog. Dritten Welt zu überwinden. Nachhaltige Entwicklung " hieß das Zauberwort, mit dem die Welt in bessere - ökologisch verträglichere und vor allem gerechtere - Bahnen gelenkt werden sollte.

Zehn Jahre sind seit dem Rio-Gipfel vergangen: Politische Bekenntnisse zur Nachhaltigen Entwicklung und ambitionierte Auseinandersetzungen über den besten Weg dahin füllen inzwischen Bibliotheken. Das Thema beschäftigte Diskussionszirkel und Talk-Shows - in der Sache bewegt hat sich jedoch lange Jahre wenig.

Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung braucht daher neue Impulse. Denn nach wie vor ist es der Schlüssel für die Lösung unserer globalen Probleme.

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass vom Weltgipfel in Johannesburg - zehn Jahre nach Rio - solche Impulse ausgehen. So unterstützen wir die Initiativen zur Lösung der globalen Wasserkrise, zur weltweiten Halbierung extremer Armut sowie zur stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien.

National hat die Bundesregierung mit der Nachhaltigkeitsstrategie klare Ziele gesetzt. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam daran arbeiten, diese Ziele zu erreichen und ein gerechtes, global zukunftsfähiges Wohlstandsmodell zu entwickeln.