Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 05.06.2002
Untertitel: "Es war eine gute Entscheidung, die neue Zentrale des IHK-Bezirks im Zentrum der Landeshauptstadt zu errichten. Die IHK führt das wirtschaftliche Leben vor Ort zusammen. (...) Namhafte Forschungsinstitute haben sich hier angesiedelt."
Anrede: Sehr geehrter Herr Dr. Stimming, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/27/83127/multi.htm
Ich gratuliere der Industrie- und Handelskammer Potsdam herzlich zur offiziellen Eröffnung dieses neuen Gebäudes.
Es war eine gute Entscheidung, die neue Zentrale des IHK-Bezirks im Zentrum der Landeshauptstadt zu errichten. Die IHK führt das wirtschaftliche Leben vor Ort zusammen. Es ist sinnvoll und angemessen, dass sie sich für einen repräsentativen Sitz in ausgewählter Lage entschieden hat.
Dies gilt um so mehr, als sich der IHK-Bezirk Potsdam seit 1990 zu einem zukunftsträchtigen Wissenschafts- , Forschungs- und Technologiestandort entwickelt hat.
Namhafte Forschungsinstitute haben sich hier angesiedelt. Auch die vielfältige Hochschullandschaft bietet beste Voraussetzungen für einen aufstrebenden, wissensbasierten Wirtschaftsraum mit hochqualifizierten Arbeitsplätzen.
Bei dieser Standortentwicklung hat sich die Landesregierung sehr verdient gemacht. Ich gratuliere Ihnen, Herr Ministerpräsident, zu den Erfolgen, die Sie dabei erreicht haben.
Die Entscheidung der IHK Potsdam, mit diesem Gebäude das neue Multimedia-Kompetenz-Center in Betrieb zu nehmen, fügt sich perfekt in das Bild einer modernen Wachstumsregion ein. Es ist die erste Einrichtung dieser Art in Ostdeutschland. Ziel ist, Personal für die Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien in kleinen und mittleren Unternehmen zu schulen.
Dieses Konzept ist überzeugend. Der Bund war deshalb gerne bereit, sich an der Finanzierung - wie ich finde - großzügig zu beteiligen.
Schon heute ist die Informations- und Kommunikationstechnologie mit 830.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 130 Milliarden Euro die viertgrößte Branche in Deutschland.
Der schmerzliche Konsolidierungsprozess bei den überwiegend am Neuen Markt notierten jungen Internetfirmen hat nichts daran geändert: Die Informations- und Kommunikations-Branche ist in den vergangenen zwei Jahren im Verhältnis zur gesamten Wirtschaft mit knapp fünf Prozent überdurchschnittlich gewachsen.
Daher ist es nur konsequent, für diesen Sektor ein innovatives Zentrum zur Aus- , Weiter- und Fortbildung zu schaffen. Es freut mich, dass die IHK Potsdam ihre Mitträgerschaft in der Berufsausbildung verantwortungsvoll wahrnimmt.
Auch freut es mich, dass im Multimedia-Kompetenz-Center mit Leben erfüllt wird, wofür die Bundesregierung die Rahmenbedingungen gesetzt hat. , Denn es ist unser Ziel, für optimale Voraussetzungen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft zu sorgen.
Eckpfeiler dafür ist die konsequente Liberalisierung der Telekommunikations-Dienstleistungen. Die Vorteile sehen wir alle nicht nur an unseren monatlichen Telefonrechnungen. Auch das Surfen im Internet ist mit zum Teil nicht mehr als 50 Cent pro Stunde in Deutschland günstiger als in vielen europäischen Nachbarländern.
Wichtig für geschäftliche Transaktionen im Internet ist vor allem ein verlässlicher Rechtsrahmen.
Mit den Gesetzen zum elektronischen Geschäftsverkehr und zur digitalen Signatur hat die Bundesregierung dazu beigetragen, dass Deutschland im elektronischen Handel mit einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro unangefochten Spitze in Europa ist.
Dank des besonderen Engagements auch der deutschen Wirtschaft haben wir bis zum Herbst des vergangenen Jahres alle deutschen Schulen mit einem Internet-Zugang ausgestattet - und zwar kostenlos. Auch dies ist Platz Eins in Europa.
Bei der Verbreitung von schnellen ISDN-Anschlüssen ist Deutschland sogar weltweit führend. Darüber hinaus gehören wir mit inzwischen 60 Millionen Teilnehmern zu den Ländern mit der höchsten Dichte im Mobilfunknetz.
Das Ziel, bis 2003 zusätzlich 60.000 zukunftsfähige IT-Ausbildungsplätze zu schaffen, haben wir schon heute weit übertroffen. Im laufenden Ausbildungsjahr sind es 70.000. Die IT-gestützte Weiterbildung verspricht angesichts der zunehmenden Notwendigkeit lebenslangen Lernens einer der großen Wachstumsmärkte der Zukunft zu werden. , Deswegen wollen wir Deutschland nun auch bei der Bereitstellung von Bildungssoftware mit einer gezielten Förderung in eine international führende Position bringen.
Wachstum in der Informations- und Kommunikations-Branche beruht vor allem darauf, dass neue Technologien von immer mehr Wirtschaftssektoren eingeführt und genutzt werden. Die Branchenvielfalt im IHK-Bezirk Potsdam macht deshalb diesen Standort für Firmen der Informations- und Kommunikations-Branche besonders attraktiv.
Das Branchenspektrum reicht von der Metallverarbeitung über Optik und Präzisionsgeräte, neue Medien und Film-Wirtschaft bis hin zur Luftfahrt-Industrie.
Insgesamt sind im IHK-Bezirk Potsdam mehr als 52.000 Unternehmen ansässig. Im vergangenen Jahr war ein Zuwachs von mehr als 500 Unternehmen zu verzeichnen.
Vorteilhaft ist dabei die mittelständisch geprägte und deshalb überaus flexible Unternehmensstruktur.
Ein leistungsfähiger Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft.
Kleine und mittlere Unternehmen schaffen 70 Prozent der Arbeitsplätze, stellen 80 Prozent der Ausbildungsplätze und erwirtschaften 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund besitzt die Mittelstandspolitik für die Bundesregierung einen besonders hohen Stellenwert. , Die Stärkung der Investitionskraft des Mittelstandes ist unser vorrangiges Ziel bei der steuerlichen Entlastung des Unternehmens-Sektors. Mit einer Nettoentlastung von fast 17 Milliarden Euro bis 2005 gehört der Mittelstand eindeutig zu den Gewinnern der Steuerreform.
Der Eingangssteuersatz, der gerade für die vielen kleinen Unternehmen wichtig ist, lag 1998 bei 25,9 Prozent. Heute beträgt er 19,9 Prozent. 2005 werden es 15 Prozent sein. Und den Spitzensteuersatz, der 1998 noch bei 53 Prozent lag, werden wir bis 2005 um 11 Prozent-Punkte auf 42 Prozent zurückgeführt haben.
Mit der faktischen Abschaffung der Gewerbesteuerbelastung haben wir die vielen mittelständischen Personengesellschaften von einem wichtigen Kostenfaktor befreit.
Die Einführung der steuerfreien Reinvestitionsrücklage bedeutet für den Mittelstand eine jährliche Ersparnis von 650 Millionen Euro.
Und mit der Wiedereinführung des halben durchschnittlichen Steuersatzes beim Generationswechsel erleichtern wir die Unternehmensübergabe, die oft mit großen Unsicherheiten und Risiken behaftet ist.
Die Steuersenkungen und die Schaffung eines international wettbewerbsfähigen Steuersystems haben wir zudem verbunden mit einer deutlichen Steuervereinfachung. So haben wir mehr als 70 Ausnahmetatbestände und Steuervergünstigungen gestrichen. Auch dies kommt vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen zugute, die sich eben keine großen Steuerrechtsabteilungen leisten können.
Meine Damen und Herren,
mit unseren umfangreichen Steuerentlastungen für Unternehmen und private Haushalte haben wir die Wachstumskräfte in Deutschland nachhaltig gestärkt.
Die deutsche Wirtschaft hat inzwischen die weltwirtschaftlich bedingte Konjunkturabschwächung des vergangenen Jahres überwunden. Jetzt stehen wir am Beginn eines neuen Aufschwungs. Die positiven Erwartungen der Unternehmen bestätigen dies ebenso wie der ansteigende Trend bei Auftragseingängen und Produktion.
Hinzu kommen niedrige Zinsen und eine deutlich rückläufige Inflationsrate von zuletzt 1,2 Prozent.
Zudem bieten die jüngsten Tarifabschlüsse mit ihrer langen Laufzeit den Beschäftigten eine klare Einkommensperspektive und den Unternehmen eine verlässliche Investitionsgrundlage.
All dies festigt die Basis für eine anhaltende Aufwärtsentwicklung. Die Konjunkturexperten rechnen übereinstimmend mit einem sich im Jahresverlauf deutlich beschleunigenden Wirtschaftswachstum in Deutschland und einer Wachstumsrate von 2,5 Prozent im kommenden Jahr.
Die wirtschaftliche Belebung wird sich positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Immerhin haben heute bereits 1,2 Millionen Menschen mehr einen Arbeitsplatz als noch 1998. Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitslosen um rund 10 Prozent, die der Langzeitarbeitslosen sogar um 18 Prozent gesunken.
Meine Damen und Herren,
in einem aktuellen Gutachten im Auftrag der Deutschen Nationalstiftung stellen ausländische Experten fest, dass gerade für die neuen Länder gute Wirtschaftsperspektiven bestehen.
Die Studie, die übrigens auch auf Ihre Anregung hin entstanden ist, sehr geehrter Herr Platzeck, weist unter anderem darauf hin, dass die regionalen Unterschiede in Deutschland bereits heute geringer sind als in den vier anderen großen Volkswirtschaften der Europäischen Union.
Ein positives Anzeichen für den weiteren Fortschritt ist vor allem darin zu erkennen, dass sich die ostdeutsche Industrie auf einem robusten Wachstumspfad befindet.
Das Produktionswachstum des Verarbeitenden Gewerbes in Ostdeutschland liegt über dem westdeutschen Niveau, die Exportquote hat sich verdoppelt.
Eine zunehmende Zahl ostdeutscher Unternehmen kann im internationalen Wettbewerb mithalten und auf den Weltmärkten Fuß fassen.
Dies genau entspricht dem Hauptziel der Bundesregierung. Es ist und bleibt unser wichtigstes Anliegen, die Eigendynamik der ostdeutschen Wirtschaft zu stärken.
Wir wollen moderne, innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaftsregionen, die dauerhaft genügend Arbeitsplätze bereit stellen.
Deshalb haben wir seit 1998 die Förderpolitik neu ausgerichtet und auf die Bereiche Investitionen, Innovationen, Forschung und Bildung, Infrastruktur sowie regionale Netzwerke konzentriert. Dies sind die Schlüsselbereiche für die Zukunftsfähigkeit der neuen Länder.
Wir haben beim Aufbau Ost einen guten Teil des Weges zurückgelegt. Und den Rest der Strecke werden wir auch noch schaffen.
Denn zum Abbau des teilungsbedingten Nachholbedarfs erhalten die neuen Länder von 2005 bis 2019 insgesamt 105 Milliarden Euro im Rahmen des Solidarpaktes II.
Hinzu kommen Leistungen aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 51 Milliarden Euro. Das ist eine gute Grundlage, um die innere Einheit zu vollenden.
Die Einigung über den Solidarpakt II zeigt, dass die Bereitschaft zur Solidarität und zur Herstellung der inneren Einheit unverändert stark ausgeprägt ist. Das ist ein gutes Zeichen für unser Land.
Die neuen Länder verfügen nunmehr über eine verlässliche Basis und langfristige Planungssicherheit für ihre weitere Aufbau-Arbeit.
Zudem beinhaltet der Solidarpakt II deutliche Fortschritte gegenüber dem Solidarpakt I. Er ist geprägt von einer Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der neuen Länder. Er sorgt für mehr Flexibilität beim Mitteleinsatz und hat eine deutlich stärkere Investitions-Orientierung.
Ich bin sicher: Wir haben damit die besten Chancen, innerhalb einer Generation das zu vollenden, was die Menschen in den neuen Ländern seit dem Fall der Mauer so entschlossen begonnen haben.
Ich möchte Sie herzlich dazu einladen, weiterhin nach Kräften daran mitzuarbeiten.