Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 06.06.2002
Untertitel: Schröder: "Stabilität im Wandel und Wandel für Stabilität - dieses Motto könnte über dem heutigen Festakt stehen."
Anrede: Verehrter Herr Welteke, sehr geehrter Herr Hoppenstedt, sehr geehrter Herr Palsbröker, sehr geehrter Herr Minister, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/23/83623/multi.htm
Stabilität im Wandel und Wandel für Stabilität - dieses Motto könnte über dem heutigen Festakt stehen. Wir führen - Sie wissen das und haben es heute im Grunde genommen schon getan - den neuen Bundesbankvorstand ein. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg von der "alten" zur "neuen" Bundesbank.
Wie kaum eine andere Institution hat die Bundesbank die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland begleitet. Seit ihrer Gründung ist sie Inbegriff für Stabilität und Synonym für eine harte Währung. Sie hat maßgeblich zur Entwicklung unseres Landes als bedeutende Wirtschaftsnation und als international wettbewerbsfähiger Finanzplatz beigetragen.
Heute, 45 Jahre nach der Errichtung der Bundesbank, gibt es wirklich ein neues Kapitel in ihrer eigenen Geschichte und damit auch in unserer. Wir nehmen Abschied, Abschied auch von Personen - jedenfalls im Amt; aus den Augen wird man sich nicht verlieren - , Abschied aber auch von gewohnten und überkommenen Strukturen.
Aber - ich denke, das ist das politisch Entscheidende - wir verabschieden uns eben nicht von der Philosophie der Bundesbank.
Mit der Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion ist die Stabilitätskultur gleichsam auf die europäische Ebene übertragen worden. Sie, Herr Duisenberg, wissen das so gut wie kaum ein anderer und arbeiten auch intensiv dafür.
Das erfolgreiche Modell der "alten Bundesbank" stand - das darf man wohl sagen - dabei Pate für den Aufbau und für die Strukturen des Europäischen Systems der Zentralbanken, dessen integraler Bestandteil die Bundesbank ist. Mit der Strukturreform der Deutschen Bundesbank haben wir die Grundlagen geschaffen, damit sie in diesem veränderten Umfeld ihre Aufgaben angemessen und effizient wahrnehmen kann. Ich finde, wir können stolz darauf sein, dass es gelungen ist, die Weichen richtig zu stellen und damit diese bedeutende Institution Bundesbank, die bedeutend bleiben wird, zukunftsfest zu machen.
Mit der Reform sind die Funktionen der Bundesbank neu definiert und neu abgegrenzt worden. Eine einheitliche Leitungsstruktur sorgt für Effizienz, eine größere Ausgabentransparenz und für eine stärkere Kostenkontrolle. Damit sind die institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass deutsche Interessen im System der europäischen Zentralbank künftig noch angemessener vertreten werden. Ich halte dies für unabdingbar, denn Deutschland ist nun einmal - und dies ohne Zweifel - die größte Volkswirtschaft der Währungsunion.
Der Bundesregierung ist die Deutsche Bundesbank immer ein kompetenter Partner gewesen. Der Öffentlichkeit gilt sie als wirtschafts- und ordnungspolitischer Mahner. Diese Rolle wird sie künftig für den gesamten Euro-Raum wahrnehmen.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich sehr herzlich im Namen der gesamten Bundesregierung bei den scheidenden Direktoriumsmitgliedern für ihre großartig geleistete Arbeit bedanken. Es war - ich meine, das sollte man nicht nur in Feierstunden feststellen, sondern auch im Gedächtnis behalten - eine erfolgreiche Arbeit. Und wenn es - über das, was man normalerweise wahrnimmt, hinaus - eines Beweises bedurft hätte, dann ist er insbesondere bei der Einführung des Euro erbracht worden. Dies war durchaus ein historischer Meilenstein nicht nur der Geldpolitik, sondern auch der europäischen Integration. Was noch fehlt, um es zu einem vollen und dauerhaften Erfolg auf politischem Gebiet zu machen, und was an Erweiterung und vor allen Dingen an Vertiefung fehlt, also an mächtigen Schritten hin zur politischen Union, werden wir nachliefern müssen. Denn mit der Einführung der Euro-Münzen und der Euro-Scheine ist das zusammenwachsende Europa für die Menschen - auch für diejenigen, die sich nicht jeden Tag mit Politik oder gar Wirtschafts- und Geldpolitik beschäftigen können oder wollen - greifbar geworden, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie haben dafür gesorgt, dass die Währungsumstellung so reibungslos umgesetzt werden konnte.
Lassen Sie mich hinzufügen: Ich war wirklich überrascht, mit wie viel Enthusiasmus - ich glaube, das kann man ruhig sagen - , mit wie viel Begeisterung und ohne Vorurteile diese neue Währung von den Deutschen - aber nicht nur von den Deutschen, sondern von den Menschen in ganz Europa - akzeptiert worden ist. Ich glaube, das ist auch ein Verdienst der Arbeit, die hier geleistet worden ist, weil Ängste, die eventuell hätten entstehen können, auch durch die präzise Arbeit eben gar nicht erst entstanden sind.
Begrüßen möchte ich gerne die neuen Mitglieder des Bundesbank-Vorstandes. Ich bin sicher, Sie werden dazu beitragen, dass Kontinuität das Markenzeichen der Bundesbank bleibt. Die garantiert nicht zuletzt der alte - das meine ich jetzt nicht auf die Jahreszahl des Alters, sondern auf die Dienstzeit bezogen - und neue Präsident der Bundesbank, Herr Welteke, dem ich für seine verantwortungsvolle Aufgabe weiterhin allen Erfolg wünsche.
Die Strukturreform der Bundesbank ist ein wichtiger Beitrag, um die Position Deutschlands unter den führenden Finanzplätzen Europas weiter zu stärken. Das wird umso wichtiger vor dem Hintergrund der zunehmenden Integration des europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen. Dieser Prozess hat ja längst begonnen und er ist sehr dynamisch. Die Einführung des Eurobargeldes wirkt dabei als eine Art Katalysator. Durch den erhöhten Anpassungsdruck auf europäischer Ebene verschärft sich aber auch der Wettbewerb zwischen den nationalen Finanzplätzen. Deshalb hält die Bundesregierung an einer konsequenten Finanzmarktförderung fest.
Mit einem ganzen Bündel von Initiativen und gesetzgeberischen Maßnahmen stärken wir den Finanzplatz Deutschland und eröffnen ihm neue Perspektiven. Da wäre natürlich die Anpassung der institutionellen Strukturen zu nennen und ganz besonders das Bundesbankstrukturgesetz. Zum anderen haben wir eine integrierte Finanzaufsicht verwirklicht. Ich sehe Herrn Sanio unter uns. Mit der Gründung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht haben wir die Aufsichtsstrukturen der Dynamik des Finanzmarktes angepasst.
Die Grenzen zwischen den Sektoren des Banken- und Versicherungsbereichs und der Wertpapierhäuser verwischen immer mehr. Dieser Konvergenzprozess wird durch den europäischen Binnenmarkt und die Reform der Alterssicherung, etwa durch die Schaffung betrieblicher Pensionsfonds, zusätzlich beschleunigt. Eine einheitliche Aufsichtspraxis verhindert Regulierungsdifferenzen und damit - als notwendige Konsequenz dessen - Wettbewerbsverzerrungen. Durch die Bündelung von Kompetenzen wird möglichen Aufsichtsdefiziten entgegengewirkt. Durch die Einbindung der Deutschen Bundesbank in dieses System haben wir durchaus Maßstäbe gesetzt. Die Erfassung von Risiken wird erleichtert, die Präsenz der Zentralbank in der Fläche genutzt. Ich halte es deshalb für denkbar, dass das deutsche Modell in der einen oder anderen Form - ohne dass wir damit Erwartungen verbinden wollten - ein Modell für eine europäische Lösung werden könnte.
Wichtige institutionelle Voraussetzungen für einen starken Finanzplatz in Deutschland haben wir in den letzten Jahren geschaffen. Aber um die Leistungsfähigkeit und Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland fortzuentwickeln, müssen wir weitergehen und wir gehen auch weiter. Eine zentrale Aufgabe ist dabei die Verbesserung der Strukturen auf den Kapitalmärkten. Erhöhung der Transparenz, mehr Flexibilität und eine Verbesserung des Anlegerschutzes, das sind die Stichworte, die unser Handeln bestimmen. Damit wollen wir vor allen Dingen Vertrauen von privaten und institutionellen Anlegern stärken. Denn nur so können die Finanzmärkte ihre wichtige volkswirtschaftliche Funktion als Kapitalquelle erfüllen, und dies auch zunehmend gerade für kleine und mittlere Unternehmen.
Ein Schwerpunkt der umfassenden Reformen im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes liegt deshalb ganz folgerichtig auf dem verstärkten Anlegerschutz. Wir wollen Anleger vor unlauteren Praktiken durch mehr Transparenz schützen, etwa bei den so genannten Ad-hoc-Meldungen, die alle kursrelevanten Tatsachen enthalten müssen. Kurs- und Marktmanipulationen sollen künftig wirksamer als bisher geahndet werden. Und auch die Prävention bei der Bekämpfung von Insider-Geschäften wird ausgeweitet und verbessert.
Das Vertrauen in die Finanzmärkte zu stärken, ist aber nur ein Aspekt, der bei der Stärkung des Finanzplatzes Deutschland zu beachten ist. Wir schaffen für die Marktteilnehmer und für die Börsen mehr Flexibilität und erweitern damit ihren Handlungs- und auch ihren Gestaltungsspielraum. Damit können sie besser auf die Veränderungen der Märkte reagieren. Das wird die Chancen der deutschen Börsen im internationalen Börsenwettbewerb deutlich verbessern. Das ist auch unsere Absicht, denn wir wollen, dass Frankfurt im Konzert der Großen auch in Zukunft ganz vorn dabei ist.
Auch im Investmentbereich sorgen wir dafür, dass Deutschland international mithalten kann. Deshalb erweitern wir die Geschäftsmöglichkeiten der Kapitalgesellschaften. Fonds, die in Deutschland aufgelegt werden und hier Arbeitsplätze schaffen, werden so gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland attraktiver.
Die Bereitstellung von Eigenkapital durch institutionelle und private Anleger muss um eine reibungslose Versorgung der Wirtschaft mit Krediten ergänzt werden. Das ist insbesondere für die kleinen und mittleren Betriebe in Deutschland wichtig, die bekanntlich das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Deswegen stehen wir dem Vorhaben des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zwar grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, dem Vorhaben also, die internationalen Eigenkapitalstandards für Banken zu überarbeiten. Aber gerade im Hinblick auf die große Bedeutung des Mittelstandes für unsere Wirtschaft müssen die deutschen Besonderheiten genauso berücksichtigt werden, wie dies andere Großbanken für ihre Anliegen als selbstverständlich ansehen.
Ich bin Herrn Meister und Herrn Sanio überaus dankbar für die Entschiedenheit, mit der sie in den Diskussionen die Besonderheiten der Refinanzierung, insbesondere des deutschen Mittelstandes und der deutschen Kleinunternehmen, deutlich machen. Für diese schwierige, aber wirklich großartig geleistete Arbeit kann man beiden nur sehr dankbar sein.
Die Bundesregierung setzt sich deshalb im engen Zusammenschluss mit den deutschen Verhandlungsführern - den beiden also - bei der Baseler Eigenkapitalvereinbarung für eine Lösung ein, die das deutsche Bankensystem und die Unternehmen, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, eben nicht benachteiligt.
Mein Gespräch mit dem Präsidenten des Baseler Ausschusses hat mir im Übrigen bestätigt: Wir haben durchaus eine gute Chance, die realistischen und vernünftig gesetzten Ziele, die wir haben, zu erreichen. Wir sind auf einem guten Weg und werden diesen Weg mit der gleichen Entschiedenheit wie in der Vergangenheit fortsetzen. Es sind gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, die sich mit ihren innovativen Leistungen, ihrer Kreativität und ihrer Schnelligkeit am Markt als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung darstellen. Das muss man fördern. Man darf es nicht begrenzen.
Die institutionellen und strukturellen Weichen für die Zukunft Deutschlands als Finanzplatz sind gestellt; das ist eindeutig. Ein starker Finanzplatz Deutschland braucht auch eine starke Wirtschaft. Das gilt auch umgekehrt. Dabei zeigt sich trotz aller Unkenrufe: Deutschland ist gut aufgestellt. Hierfür haben wir gemeinsam mit den anderen volkswirtschaftlichen Akteuren wichtige Voraussetzungen geschaffen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich wieder auf einem Wachstumspfad. Dabei ziele ich gar nicht nur auf die Tatsache ab, die erfreulich, aber nicht zureichend ist, dass entgegen den Auguren im letzten Quartal bereits wieder von einer wachsenden Volkswirtschaft gesprochen werden konnte. Ich ziele vielmehr insbesondere auf jüngste Zahlen, die uns heute erreicht haben, ab, wonach der Eingang der Order entgegen den Erwartungen, die bei 0,9 Prozent lagen, um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat gestiegen ist.
Die positiven Erwartungen der Unternehmer werden im April also durch einen kräftigen Anstieg der Aufträge bestätigt. Auch aus dem Inland, also vom Binnenmarkt her, kommen deutlich sichtbare Impulse.
Eine zusätzliche Stärkung erfahren die Wachstumskräfte durch die niedrigen Zinsen und - ungeachtet aller berechtigten Diskussionen etwa über schwarze Schafe in dem einen oder anderen Dienstleistungsbereich, die bei der Umstellung von D-Mark auf Euro sichtbar und übrigens auch fühlbar geworden sind - eine rückläufige Inflationsrate. Das zeigt, dass das ein spezielles, aber kein allgemeines Problem ist. Aber das Spezielle ist - das wollen wir gar nicht verschweigen, auch in diesem Kreis nicht - ärgerlich genug und muss gelöst werden.
Wichtige Voraussetzungen für die positive wirtschaftliche Entwicklung hat die Bundesregierung zum einen mit der konsequenten Politik der Haushaltskonsolidierung geschaffen. Das Ziel, das vereinbart worden ist, im Jahr 2004 einen - jetzt muss man ganz genau hinhören - nahezu ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, steht nicht in Frage. Aber dieses "nahezu" ist durchaus ein interpretationsnotwendiger, aber auch -würdiger Begriff. Das werden wir zu tun haben, und das wird schwierig genug. Aber für die erforderliche Stabilität, die im Übrigen auch die Grundlage für eine rationale Zinspolitik ist, werden wir sorgen. Gleichzeitig werden die volkswirtschaftliche Angebots- und die Nachfrageseite durch die Steuerreform nachhaltig gestärkt.
Ich muss auch einmal Folgendes deutlich machen: Mit der Entlastung um insgesamt 76 Milliarden Euro fördern wir die Investitionsfähigkeit der Unternehmen, indem wir ein wettbewerbsfähiges Steuerrecht im europäischen und auch im weltweiten Maßstab umsetzen, und setzen auf der Nachfrageseite wichtige Impulse für Wachstum und auch für Beschäftigung.
Ein besonderer Schwerpunkt auf der Angebotsseite liegt beim Mittelstand, auf den fast ein Drittel des gesamten Entlastungsvolumens entfällt, worauf wir hinzuweisen nie müde werden und auch nie müde werden dürfen. Gleichzeitig - ich habe es angedeutet - stärken wir die Nachfrageseite durch steuerliche Entlastungen insbesondere bei den kleinen und mittleren Einkommen. Sie kennen die Entlastungen: Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer in Deutschland ist heute der zweithöchste in der Europäischen Union. Und der Spitzensteuersatz, der im Jahr 2005 - das steht bereits im Gesetzblatt - bei 42 Prozent liegen wird, wird nur noch in drei Ländern der Europäischen Union unterboten.
Zu den positiven volkswirtschaftlichen Daten passen auch - ich sage das mit Bedacht - die unter Schwierigkeiten zu Stande gekommenen, aber immerhin langfristigen Tarifabschlüsse. Mit Bezug auf die aktuelle Situation etwa beim Bau sage ich hier ebenso wie gerade zuvor auf dem "Tag der Bauindustrie" in Berlin: Die beiden Parteien müssen so schnell es geht wieder miteinander reden. Gesprächsbereitschaft ist - so habe ich mir sagen lassen - auf beiden Seiten vorhanden. Man war in den Tarifverhandlungen ganz nah beieinander. Was diese Branche nun wirklich nicht brauchen kann, weil es ihr schlechter geht als fast allen anderen, ist eine langwierige Auseinandersetzung, durch Streiks begleitet, über Fragen, bei denen man - kaum wahrnehmbar - auseinander war. Deswegen setze ich darauf, dass beide Seiten ganz schnell zu der Einsicht kommen, dass die beste Lösung auf dem Verhandlungswege liegt. Die Unternehmen erhalten durch diese Langfristigkeit eine verlässliche Planungsgrundlage.
Im Zusammenhang mit der Steuerreform möchte ich auf etwas hinweisen, bei dem ich die Fachleute bitten würde, aufklärerisch tätig zu werden. Weil Sie alle welche sind, sage ich es hier: Wir haben eine Auseinandersetzung über die Frage, ob man die Veräußerung von Beteiligungen, die zum Beispiel in den Depots der Versicherungen und Banken liegen, steuerfrei reinvestieren können soll oder nicht. Diese Auseinandersetzung in der augenblicklich etwas aufgeheizten politischen Atmosphäre wird diesmal von überraschender Seite fast klassenkämpferisch geführt. Ich hatte mir so etwas nun gerade abgewöhnt und jetzt kommt der andere Teil der Gesellschaft damit. Das ist schon einigermaßen merkwürdig, muss man sagen.
Im Kern geht es aber nicht um das, was vorgeworfen wird, und zwar um vorgebliche Steuergeschenke für die Großen. Die würden wir überhaupt nicht machen. Finanzminister Hans Eichel hat nichts zu verschenken. Vielmehr geht es darum, ob wir es schaffen, das, was in den Depots an Kapitalbeteiligungen ist, zu mobilisieren, auf den Markt zu bringen und daraus vernünftige wirtschaftliche Entwicklungen zu machen, eine Dynamik in das zu bringen, was dort gewissermaßen ungenutzt liegt. Wenn man das will, muss man so verfahren.
Mir liegt daran - insbesondere, weil ich wusste, dass die heutige Veranstaltung gesendet wird - , auch außerhalb dieses Kreises deutlich werden zu lassen: Dies ist nicht ein Steuergeschenk, sondern es ist im Grunde genommen ein Bonus für Reinvestitionen in Arbeitsplätze und letztlich eine Stundung von Steuern. Denn wenn es privat verbraucht wird - beim Aktionär oder bei wem auch immer - , muss es wie jedes andere Einkommen auch versteuert werden.
Ich hoffe, nach diesem Kurzseminar, für das ich Sie in gewisser Weise missbraucht habe, ist das nun auch der Opposition klar. Aber man wird sehen.
Die Erfolge der Finanz- , Geld- und Lohnpolitik sind deutlich sichtbar, auch in der deutschen Wirtschaft. Die deutsche Wirtschaft ist - auch das ist die Wahrheit - seit 1998 im Durchschnitt schneller gewachsen als die gesamten 90er Jahre über, und das - es ist mir wichtig, dass auch das klar wird - , obwohl zu Beginn der 90er Jahre bis 1998 der Motor, der uns immer mit angetrieben hat, nämlich eine glanzvolle Entwicklung in den Vereinigten Staaten, ab 1998 nicht mehr lief. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass das so war. Trotzdem sind die Wachstumsraten höher gewesen als im Durchschnitt der Zeit, in der die amerikanische Konjunktur noch boomte.
Auch das zeigt, dass der Rahmen stimmt und es keinen Anlass gibt, an dem Kurs, den wir gefahren haben, Abweichungen vorzunehmen. Richtig ist, dass sich das nicht in dem erhofften Maße - ich würde sagen: noch nicht - auf dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen hat, auf einem Arbeitsmarkt, in dem - entgegen dem, was gelegentlich gesagt wird - Reformanstrengungen durchaus unternommen worden sind. So war zum Beispiel das Gesetz über die Möglichkeit, auf zwei Jahre befristete Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Grund abzuschließen, bis zum Jahre 2000 befristet. Ende des Jahres 2000 / Anfang des Jahres 2001 wäre Schluss gewesen mit diesen Möglichkeiten flexibler Gestaltung. Wir haben dieses Gesetz entfristet und es damit zu einer dauerhaften Basis in der Wirtschaft gemacht.
Bei der Frage der Zeitarbeitsverhältnisse haben wir deutliche Veränderungen und auch Erleichterungen, Zeitarbeitsverträge abzuschließen, vorgenommen, die vielleicht nicht allen reichen mögen. Es wird Aufgabe der Kommission, die der Personalvorstand von Volkswagen, Herr Hartz, leitet, sein, noch vor der Wahl Vorschläge vorzulegen, wie man den Arbeitsmarkt weiter reformiert, ohne - das will ich in diesem Kreis genauso klar sagen - den Beschäftigten jenes Maß an Sicherheit zu nehmen, das sie brauchen, wenn sie ihr eigenes Leben und das ihrer Familien vernünftig planen und damit vernünftig gestalten wollen.
Wir werden das vorschlagen und dann wird es auch darüber eine breite Diskussion geben. Dann wird man ja sehen, wer für das, was er vorschlägt, mehr und wer weniger Zustimmung findet.
Unser Land hat beides, hat zukunftsfähige Finanzmärkte und eine leistungsstarke, im Wettbewerb erfolgreiche Wirtschaft zu bieten. Gelegentlich darf man das als Deutscher auch ruhig einmal sagen. Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung - davon sind wir überzeugt - hat dazu beigetragen. Das, was die Deutsche Bundesbank in den letzten Jahren an Rat und Geld gegeben und an Politik gemacht oder mitgemacht hat, hat uns geholfen. Dafür bin ich allen Akteuren dankbar.
Noch einmal: Dem neuen Vorstand wünsche ich für seine Arbeit recht viel Erfolg, im eigenen Interesse, natürlich auch im Interesse der Regierung, aber letztlich im Interesse unseres Landes.