Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 14.06.2002

Untertitel: "Die Schornsteinfeger sind es, die mit ihren umfangreichen Dienstleistungen erheblich dazu beitragen, dass wir an Luft- und Lebensqualität dazu gewinnen. Mit ihrer Arbeit tragen Sie dazu bei, dass unser Land seinen Beitrag zum internationalen Klimaschutz leisten kann."
Anrede: Sehr geehrter Herr Beyerstedt, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/95/84495/multi.htm


Die diesjährige Wahl des Bundesinnungsmeisters des deutschen Schornsteinfeger-Handwerks war mit einem Generationswechsel verbunden. Über den langen Zeitraum von 14 Jahren hat Eugen Steichele dieses Ehrenamt mit beispielhaftem Engagement ausgeübt.

Sehr geehrter Herr Steichele, für Ihre Leistungen gebühren Ihnen Dank und Anerkennung.

Der neu gewählte Bundesinnungsmeister ist Hans-Günther Beyerstedt. Im Namen der Bundesregierung gratuliere ich Ihnen, sehr geehrter Herr Beyerstedt, herzlich.

Ende April wurden Sie bereits zum Präsidenten der Europäischen Schornsteinfegermeister-Föderation gewählt. Es freut mich, dass Sie als Niedersachse von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilen. Ich werte dies als gutes Omen.

Meine Damen und Herren,

Schornsteinfeger bringen Glück. Diese Volksweisheit geht darauf zurück, dass sie seit dem Mittelalter verheerende Brände verhindern, indem sie die Schornsteine von brennbarem Ruß reinigen.

Heutzutage beschränkt sich ihr Aufgabengebiet längst nicht mehr auf den vorbeugenden Brandschutz.

Moderne Heizungs- und Lüftungstechnologien, Klimaschutz und Energie-Einsparung erfordern Tätigkeiten, die ein hohes Maß an technischem Wissen voraussetzen. Zunehmend gewinnt auch die Beratung über umweltfreundliche und kostensparende Heizsysteme an Bedeutung.

Die Schornsteinfeger sind es, die mit ihren umfangreichen Dienstleistungen erheblich dazu beitragen, dass wir an Luft- und Lebensqualität dazu gewinnen. Mit ihrer Arbeit, meine Damen und Herren, tragen Sie dazu bei, dass unser Land seinen Beitrag zum internationalen Klimaschutz leisten kann.

Weltweit sind die deutschen Schornsteinfeger die erste Berufsgruppe, die in ihrer Gesamtheit das internationale Qualitäts- und Umweltmanagement- Zertifikat erhalten hat. Dies zeigt, dass Schornstein-Fegen heute nicht mehr nur solides Handwerk, sondern auch anspruchsvolle Kopfarbeit erfordert. Dies macht eine fundierte Qualifizierung umso wichtiger. Die Fortbildung zum Meister befähigt zur Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Sie vermittelt betriebswirtschaftliche Management-Fähigkeiten ebenso wie die Kompetenz, Mitarbeiter führen und junge Menschen ausbilden zu können.

Die Bundesregierung hält daher aus gutem Grund am Großen Befähigungsnachweis als Gütesiegel handwerklicher Qualität fest. Gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks haben wir vor zwei Jahren die Bestandskraft des Meisterbriefs für die Zukunft gesichert.

Um mehr Gesellen den Schritt zum Meisterbrief und damit den Weg in die berufliche Selbständigkeit zu ermöglichen, haben wir das Meister-BAföG grundlegend reformiert und verbessert. Wir haben den Kreis der Geförderten erweitert und die Leistungen erhöht. Existenzgründungen erleichtern wir überdies durch günstigere Bedingungen für einen Darlehens-Erlass.

Auf diese Weise leisten wir auch einen Beitrag zu einem möglichst reibungslosen Generationswechsel im Handwerk und damit für die Sicherung der Zukunft der deutschen Handwerksbetriebe.

Zudem haben wir durch unser umfassendes und weit reichendes Steuersenkungsprogramm die Führung des eigenen Betriebes in zentralen Punkten erleichtert. Bei der steuerlichen Entlastung des Unternehmens-Sektors stehen kleine und mittlere Unternehmen mit einer Netto-Entlastung von fast 17 Milliarden Euro bis 2005 eindeutig im Vordergrund. Ein verheirateter Handwerksmeister hatte im Jahr 1998 bei umgerechnet 51.000 Euro Gewinn eine Steuerschuld von 13.000 Euro. 2005 werden es 9.700 Euro sein. Das ist eine Entlastung von über 25 Prozent.

Hier wirkt sich positiv aus, dass wir den Einkommensteuer-Tarif im unteren Bereich stark abgesenkt und den Grundfreibetrag angehoben haben. Der Eingangssteuersatz lag 1998 bei 25,9 Prozent. Heute beträgt er 19,9 Prozent. 2005 werden es 15 Prozent sein.

Der Spitzensteuersatz, der bei größeren Personengesellschaften greift, lag 1998 noch bei 53 Prozent. Bis 2005 werden wir ihn um 11-Prozent-Punkte auf 42 Prozent zurückgeführt haben.

Eine Reihe weiterer steuerlicher Entlastungen kommt gerade auch den mittelständischen Betrieben zugute: So haben wir mit der faktischen Abschaffung der Gewerbesteuerbelastung die vielen kleinen und mittleren Personengesellschaften von einem wichtigen Kostenfaktor befreit. Die Einführung der steuerfreien Reinvestitionsrücklage bedeutet für diese Unternehmen eine jährliche Ersparnis von 650 Millionen Euro. Mit der Wiedereinführung des halben durchschnittlichen Steuersatzes beim Generationswechsel erleichtern wir die Unternehmensübergabe, die oft mit Unsicherheiten und Risiken behaftet ist. Wir haben die Steuersenkungen mit einer deutlichen Steuervereinfachung verbunden.

Dass wir mehr als 70 Ausnahmetatbestände und Steuervergünstigungen gestrichen haben, liegt im Sinne der kleinen Unternehmen, die sich keine teuren Steuerrechts-Abteilungen in ihrem Betrieb leisten können.

Insgesamt bedeutet das:

2005 werden sich 95 Prozent aller Personengesellschaften steuerlich besser stellen als die der Körperschaftsteuer unterworfenen Kapitalgesellschaften. Für die hier vertretenen Schornsteinfegerbetriebe dürfte das sogar zu 100 Prozent gelten!

Meine Damen und Herren,

mit unseren umfangreichen Steuerentlastungen für Unternehmen und private Haushalte haben wir die Wachstumskräfte in Deutschland nachhaltig gestärkt.

Dadurch hat die deutsche Wirtschaft die weltwirtschaftlich bedingte Konjunkturabkühlung des vergangenen Jahres weitgehend unbeschadet überstanden.

Jetzt stehen wir am Beginn eines neuen Aufschwungs. Die in den vergangenen Monaten zunehmend positiven Erwartungen der Unternehmer werden jetzt durch die harten Daten bestätigt.

Besonders erfreulich am zuletzt kräftigen Anstieg der Auftragseingänge ist die sprunghafte Belebung der Inlandsnachfrage.

Am stärksten haben sich die Auftragsbücher bei den deutschen Herstellern von Investitionsgütern gefüllt. Dies ist ein klarer Hinweis auf die Nachhaltigkeit des neuen Aufschwungs.

Die niedrigen Zinsen und die rückläufige Inflationsrate mit 1,1 Prozent im Mai stärken die Wachstumskräfte zusätzlich.

Wichtige Voraussetzungen für einen nachhaltigen Aufschwung hat die Bundesregierung mit der konsequenten Politik der Haushaltskonsolidierung geschaffen. Wir halten fest an dem Ziel, im Jahr 2004 einen nahezu ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen.

Im Jahr 2006 wollen wir erstmals seit über drei Jahrzehnten einen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung vorlegen. Danach wollen wir mit dem Schuldenabbau beginnen.

Indem wir weniger Geld für Schuldzinsen ausgeben müssen, gewinnen wir die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates Schritt für Schritt zurück. Zugleich leisten wir einen ganz entscheidenden Beitrag für mehr Generationen-Gerechtigkeit. Wir haben kein Recht, unsere Kinder und Enkel von einer ständig steigenden, tonnenschweren Schuldenlast erdrücken zu lassen.

In den vergangenen vier Jahren haben wir Deutschland wieder auf Modernisierungskurs gebracht. Wir werden den eingeschlagenen Weg langfristig angelegter Reformen konsequent weiter gehen. Es bleibt dabei: Wir geben keine unfinanzierbaren Versprechungen ab und verfallen nicht in hektische Einmal-Aktionen.

Meine Damen und Herren,

der jetzt beginnende Aufschwung wird sich bald auch positiv auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Damit werden wir wieder anknüpfen an den Beschäftigungsaufbau, den diese Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt eingeleitet hat.

Immerhin haben heute rund 1,2 Millionen Menschen mehr einen Arbeitsplatz als noch 1998. Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitslosen um rund 10 Prozent, die der Langzeitarbeitslosen sogar um 18 Prozent gesunken.

Natürlich ändert dies nichts daran, dass wir auf dem Arbeitsmarkt unsere selbst gesteckten Ziele nicht erreicht haben. Vor allem in den neuen Bundesländern bleibt hier noch ein großes Stück Arbeit zu leisten. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, die Eigendynamik der ostdeutschen Wirtschaft weiter zu stärken. Wir wollen moderne, innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaftsregionen, die dauerhaft genügend Arbeitsplätze bereitstellen.

Wichtige Grundlagen haben wir dafür gelegt. Seit Anfang der 90-er Jahre wurden in den neuen Bundesländern fast 1.000 Milliarden Euro in neue Maschinen, Ausrüstungen und Gebäude investiert. Dies ist ein gewaltiges, historisch einmaliges Investitionsprogramm, das kaum ein anderes Land in Europa hätte schultern können.

Inzwischen können wir feststellen, dass wir beim Aufbau Ost die Hälfte des Weges zurückgelegt haben. Der Zeithorizont bis zum Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2019 spiegelt diese Einschätzung wider. Wir haben vereinbart, dass die neuen Länder zum Abbau des teilungsbedingten Nachholbedarfs von 2005 bis 2019 insgesamt 105 Milliarden Euro erhalten. Hinzu kommen Leistungen aus dem Bundeshaushalt mit einer Zielgröße von 51 Milliarden Euro.

Die neuen Länder verfügen nunmehr über eine verlässliche Basis und langfristige Planungssicherheit für ihre weitere Aufbau-Arbeit. Die Einigung über den Solidarpakt II zeigt, dass die Bereitschaft zur Solidarität und zur Herstellung der inneren Einheit unverändert stark ausgeprägt ist.

Das ist ein gutes Zeichen für unser Land.

Meine Damen und Herren,

der Bundesverbandstag des deutschen Schornsteinfegerhandwerks findet zum ersten Mal hier in Halle statt. Diese Region war bis zur Wende Schauplatz eines geradezu unvorstellbaren Raubbaus an der Natur. Vor allem die Luftverschmutzung durch den massiven Schadstoffausstoß der chemischen Industrie bedeutete für die Menschen in Städten wie Halle, Leuna oder Bitterfeld eine erhebliche Belastung der Lebensqualität.

Heute gehört die Region Halle-Leipzig zu den Wachstums-Zentren in den neuen Bundesländern. Sie hat sichtbar an Attraktivität gewonnen und entwickelt sich dynamisch weiter. Der Strukturwandel hin zu modernen, umweltgerechten Technologien und Dienstleistungen ist hier besonders weit fortgeschritten.

Ein aktuelles Beispiel ist die Investitionsentscheidung von BMW für ein neues Automobilwerk in dieser Region. Es hat mich besonders gefreut, dass ich vor einigen Wochen die Grundsteinlegung dieser 1-Milliarde-Euro-Investition vornehmen konnte. Denn Halle-Leipzig hat diesen Erfolg in einem harten Auswahlverfahren zwischen zahlreichen Kandidaten in ganz Europa errungen.

Die positive Entwicklung dieser Region spiegelt sich nicht zuletzt darin wider, dass die beiden Städte Halle und Leipzig die Schönheit ihrer historischen Kerne wieder zurückgewinnen.

Um die Wohn- und Lebensqualität der Bürger auch hier vor Ort weiter zu verbessern, hat die Bundesregierung unter anderem das Programm "Stadtumbau Ost" aufgelegt.

Im Zeitraum 2002 bis 2009 werden Bund und neue Länder dafür zusammen rund 2,7 Milliarden Euro bereitstellen. Wir wollen die ostdeutschen Städte noch lebenswerter machen und funktionsfähige Wohnungsmärkte schaffen.

Das technische Wissen und die solide Arbeit des Schornsteinfeger-Handwerks bleiben dabei hier ebenso stark gefragt wie natürlich auch in den alten Ländern.

In diesem Sinne wünsche ich dem deutschen Schornsteinfeger-Handwerk eine erfolgreiche Zukunft.

Bringen Sie allen Menschen auch weiterhin Glück!