Redner(in): Rolf Schwanitz
Datum: 15.09.1999

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/97/11797/multi.htm


Staatsminister Rolf Schwanitz, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der neuen Länder, erklärte heute u. a. vor dem Deutschen Bundestag:

Mit dem Zukunftsprogramm 2000 gewinnt die Bundesregierung den finanziellen Handlungsspielraum zurück, um den für den Aufbau Ost mittelfristig erforderlichen Förderrahmen zu sichern. Deshalb gibt es zu der Haushaltskonsolidierung auch aus ostdeutscher Sicht überhaupt keine Alternative.

Trotz der Einsparungen von 30 Mrd. DM übertreffen die Leistungen für den wirtschaftlichen Aufbau der neuen Länder erheblich das Niveau von 1998, dem letzten Jahr der Regierung Kohl. Dies beweist: Der Aufbau Ost hat höchste Priorität.

Wir stellen den Aufbau Ost auf eine verläßliche Grundlage. Dazu gehört es auch, daß wir uns darüber verständigen, was überhaupt zu den Leistungen für den Aufbau Ost zu zählen ist.

Die Regierung Kohl wollte möglichst große Zahlen und hat unterschiedslos alles addiert, was aus dem Bundeshaushalt direkt oder indirekt in die neuen Länder geflossen ist. Diese Bilanzen wurden immer wieder im Zusammenhang mit dem Aufbau Ost präsentiert. So wurde der Eindruck erweckt, in den vergangenen neun Jahren wären Jahr für Jahr bis zu 100 Mrd. DM und mehr in den Aufbau Ost geflossen.

In diesen Summen waren beispielsweise aber auch Wohngeld, BaföG, Erziehungsgeld und die Leistungen für Zivildienstleistende enthalten. Es erhält aber beispielsweise Baden-Württemberg beim Erziehungsgeld pro Kopf deutlich mehr Mittel aus dem Bundeshaushalt als die neuen Länder. Niemand käme auf die Idee, dies als'Aufbau West'zu bezeichnen.

Wir sollten nur noch das'Aufbau Ost'nennen, was die Entwicklung in den neuen Ländern gezielt voranbringt. Nicht dazu zählen beispielsweise Leistungen, bei denen ein gesetzlicher Anspruch der Bürger besteht, unabhängig davon, ob die Menschen in Bayern oder in Brandenburg leben. Auch Ausgaben, die von der Bundesregierung zur Erledigung ihrer eigenen Aufgaben erbracht werden, wie die Baumaßnahmen im Zuge des Regierungsumzuges oder Kosten der Verteidigungsinfrastruktur sollten nicht mehr mit dem'Aufbau Ost'in Verbindung gebracht werden. Die Renovierung einer Bundeswehrkaserne im Westen ist genauso gesamtstaatliche Realität wie die Renovierung einer Kaserne im Osten.

Ich schlage deshalb vor, die Leistungen für den Aufbau Ost aus dem Bundeshaushalt künftig in fünf Säulen zu bündeln.

Die erste Säule ist die Förderung von Innovation, Forschung und Entwicklung. In diesem für die Entwicklung der neuen Länder besonders bedeutsamen Bereich ist es uns gelungen, die Ansätze für bestehende Programme zu stabilisieren. Es stehen im kommenden Jahr knapp 3,1 Mrd. DM und damit gegenüber 1998 fast 200 Millionen DM mehr zur Verfügung, um die Innovationsfähigkeit der ostdeutschen Unternehmen zu steigern. Einen Schwerpunkt bildet dabei der Ausbau der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in Ostdeutschland.

Die zweite Säule ist die Wirtschaftsförderung. Mit der Gemeinschaftsaufgabe Ost und der Absatzförderung stehen hier bewährte Instrumente zur Verfügung. Aufgrund des zwischen Bund und Ländern einvernehmlichen Veranschlagungsverfahrens wird der Ansatz für die GA-Ost zwar maßvoll sinken, aber Maßstab für die Veranschlagung der Barmittel bleiben weiterhin die in den Vorjahren eingegangenen Verpflichtungen. Im kommenden Jahr sollen dafür 2,3 Mrd. DM zur Verfügung stehen. Diese Mittel werden verstärkt durch 2 Mrd. DM Strukturfondsmittel, die den neuen Ländern in den nächsten sechs Jahren aufgrund der Beschlüsse in der Agenda 2000 zusätzlich zur Verfügung stehen. Dies sind über 300 Mio DM pro Jahr.

Die dritte Säule ist die Infrastrukturförderung. Für den Ausbau der Verkehrswege, für den Wohnungs- und Städtebau, für Investitionen in Pflegeeinrichtungen sowie für die Kulturförderung werden aus dem Bundeshaushalt im kommenden Jahr 19,1 Mrd. DM zur Verfügung stehen. Das sind fast 800 Millionen DM mehr als 1998 vorgesehen waren. Deutlich wird auch hier: Wir bringen Kontinuität und verstärken die Mittel für den Aufbau Ost in den entscheidenden Bereichen. Für die neuen Länder besonders dringliche Verkehrsprojekte werden mit dem Bundesprogramm "Verkehrsinfrastruktur" beschleunigt fertiggestellt.

Die vierte Säule ist die aktive Arbeitsmarktpolitik. Die Menschen, die heute keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz haben, dürfen nicht nur durch soziale Leistungen unterstützt werden. Wir müssen ihre Berufs- und Lebensperspektiven sichern und ihre beruflichen Fähigkeiten und Kompetenzen weiterentwickeln. Deshalb werden wir auch im kommenden Jahr die aktive Arbeitsmarktpolitik auf dem hohen Niveau diesen Jahres fortführen. Gegenüber der Finanzplanung der alten Regierung haben wir dafür den Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit auf 9,75 Mrd. DM fast verdoppelt. Insgesamt stehen allein aus dem Bundeshaushalt im kommenden Jahr 11,9 Mrd. DM zur Verfügung.

Die fünfte Säule für den Aufbau Ost sind die Leistungen für die Treuhand-Nachfolgeeinrichtungen und für die Wismut. Hier setzen wir die notwendigen Akzente. Gegenüber 1998 stehen hier mit 1,7 Mrd. DM über 180 Millionen DM mehr zur Verfügung.

Zusammengefaßt: Wir halten Wort. Auch der Bundeshaushalt 2000 steht im Zeichen von Aufbau Ost. Gegenüber dem Haushalt 1998, dem letzten Haushalt der Regierung Kohl, stehen in den fünf entscheidenden Säulen für den Aufbau Ost mit rund 38 Mrd. DM fast 3 Mrd. DM mehr bereit.

Anmerkung: .