Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 16.07.2002

Untertitel: Bury: "Information und Kommunikation sind die entscheidenden Antriebskräfte für Wachstum und Beschäftigung im 21. Jahrhundert."
Anrede: Sehr geehrter Herr Dr. Rogg, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/44/88544/multi.htm


mit Recht wird der von den modernen Kommunikations- und Informationstechnologien ausgehende ökonomische und gesellschaftliche Wandel mit den Auswirkungen der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert verglichen. Dies ist zutreffend im Hinblick auf den Grad der Veränderungen und die Auswirkungen auf die Menschen - neu ist jedoch das Tempo, mit dem die Informations- und Kommunikations-technologien unsere Art zu arbeiten und zu leben revolutionieren.

Information und Kommunikation sind die entscheidenden Antriebskräfte für Wachstum und Beschäftigung im 21. Jahrhundert.

Es ist gerade mal 10 Jahre her, als das World Wide Web geknüpft wurde. Was damals einigen wenigen Freaks und Experten vorbehalten war, ist heute ein Massenmedium. Lediglich drei Jahre hat es gedauert, bis weltweit 50 Millionen Teilnehmer das Internet nutzten.

Beim Telefon brauchte es 55 Jahre, bis diese Nutzerzahl erreicht wurde. Prognosen zufolge werden 2005 weltweit rund 400 Millionen Menschen online sein.

Auch in Deutschland hat das Internet eine einzigartige Erfolgsgeschichte hinter sich. Alleine zwischen Ende 1998 und heute hat sich die Zahl der User bei uns verdoppelt und liegt heute bei über 31 Millionen. Zum Ende diesen Jahres wird jeder zweite Deutsche online sein.

Jeder deutsche Haushalt verfügt heute über mindestens ein Handy. Anfang 2001 hat die Zahl der Mobilfunkverträge erstmals die Zahl der Festnetzanschlüsse übertroffen; heute gibt es über 60 Millionen Mobilfunknutzer in Deutschland.

Beispiele, die die Dynamik der Entwicklung verdeutlichen. Eines Wandels, der Chancen eröffnet, aber auch Verunsicherung weckt. Nicht wenigen gehen Umfang und Tempo der Veränderungen schon heute zu weit und sie haben Angst, nicht mitzukommen.

Wir müssen den Wandel - den wir weder verhindern können noch wollen, dem wir weder ausweichen können noch ausgeliefert sind - als Chance begreifen. Als Gestaltungschance.

Die Bundesregierung hat die Gestaltung des Wandels in die Informations- und Wissensgesellschaft von Anfang an als Schlüsselaufgabe verstanden.

Mit dem Aktionsprogramm "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" haben wir bereits 1999 einen Masterplan für den Übergang in die Wissens- und Informationsgesellschaft entwickelt, der heute weitgehend umgesetzt ist.

Die Bundesregierung setzt dabei auf die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, insbesondere in der Initiative D21 - ein Muster-Beispiel für public private partnership. Die Initiative ging von Unternehmen aus. Die Liste der Gründungsmitglieder liest sich wie das WhoŽs who der Unternehmen in der Region Stuttgart. Mittlerweile beteiligen sich über 300 Firmen, Förderer und Unterstützer aus allen Branchen. Den Vorsitz des Beirats hat Bundeskanzler Gerhard Schröder übernommen.

Gemeinsam arbeiten Wirtschaft und Politik daran, den Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft erfolgreich zu beschreiten. Chancen aufzuzeigen und Teilhabemöglichkeiten zu schaffen. Zu lange wurde public private partnership in Deutschland auf den Aspekt der privaten Finanzierung öffentlicher Aufgaben verkürzt. Uns geht es um mehr. Es geht um die gemeinsame Definition von Zielen und die Vereinbarung und Umsetzung konkreter Schritte.

Ausdruck eines neuen Politikstils: Vom Vater Staat zum Partner Staat.

Unser gemeinsames Ziel ist, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen in diesem Zukunftsmarkt zu stärken und gleichzeitig die Teilhabe der Menschen an den Chancen des Internets weiter auszubauen.

Die Informations- und Telekomunikationsbranche ist heute ein entscheidender Wachstumsmotor unserer Volkswirtschaft. Nach ihrem Umsatzanteil am Bruttoinlandsprodukt ist die ITK-Branche hinter Automobilbau und Elektrotechnik die drittgrößte Wirtschaftsbranche in Deutschland.

Zwischen 1998 und 2001 haben die ITK-Unternehmen über 125.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Rund 820.000 Menschen arbeiten heute in den ITK-Unternehmen. Damit ist die Branche nach Maschinenbau und Elektrotechnik drittgrößter Arbeitgeber.

Auch wenn sich das exorbitante Wachstum aus den Jahren des New-Economy-Hype inzwischen als Folge der globalen Konjunkturentwicklung deutlich abgeschwächt hat, zählt die ITK-Branche immer noch zu den Konjunkturlokomotiven der deutschen Wirtschaft; ihre Wachtumszahlen liegen weit über den Werten der traditionellen Branchen. Und die Zukunftsperspektiven sind unverändert gut.

Deutschland ist heute eine führende Internet-Nation in Europa. Wir haben in Deutschland mit einer international herausragenden Telekommunikationsinfrastruktur eine ausgezeichnete Startposition für die Nutzung mobiler Dienste und Anwendungen.

Jeder fünfte ISDN-Anschluß weltweit liegt in einem deutschen Haushalt oder Unternehmen, bei der Ausstattung mit breitbandigen DSL-Anschlüssen haben wir im letzten Jahr sogar die USA überholt.

Wir sind europäischer Marktführer im eCommerce, nur in den USA gibt es mehr elektronische B2B-Marktplätze als bei uns. Und wir starten in den Wachstumsmarkt mCommerce aus der Pole-Position.

Um die Startbedingungen für deutsche Unternehmen weiter zu verbessern, hat die Bundesregierung in diesem Jahr das Förderprogramm "IT-Forschung 2006" aufgelegt."IT-Forschung 2006" ist dabei nicht nur ein neues Programm, sondern stellt die programmatischen Weichen für eine grundsätzliche Neukonzeption der Forschungsförderung in den IuK-Technologien. Die Bundesregierung wird im Zeitraum 2002 bis 2006 insgesamt 3 Mrd. € zur Verfügung stellen: 1,5 Mrd. € für die Projektförderung und noch einmal 1,5 Mrd € für die institutionelle Förderung.

Vorrangig soll in Zukunftsfelder und Zukunftsmärkte investiert werden, die gute Chancen haben, neue hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen oder zu Firmengründungen führen. Auf der Basis von 30 workshops, Expertenrunden und Gesprächen mit über 300 Fachleuten wurden vier Programmbereiche identifiziert, die die inhaltlichen Schwerpunkte des Programms bilden sollen.

Dies sind die Bereiche

Nanoelektronik und -Systeme, Softwaresysteme und -entwicklung, Basistechnologien für die Kommunikationstechnik, und Internet-Grundlagen und -Dienste."IT-Forschung 2006" ist jedoch ganz bewusst als offenes, als "lernendes" Programm konzipiert worden. Das Programm und seine Schwerpunktsetzung soll regelmäßig einem Monitoring unterzogen werden, um neue Forschungs- und Marktentwicklungen aufnehmen zu können. Damit reagieren wir auf die immer kürzer werden Innovationszyklen in den Informations- und Kommunikationstechnologien und die Erfahrung, dass sich die klassischen Förderprogramme und -verfahren für das Internet-Zeitalter als nur bedingt tauglich erwiesen haben. Die Innovationsprozesse und das Marktgeschehen sind oft schneller als die Reaktionszeiten der bisherigen Programmplanungen.

Statt enger methodischer und thematischer Fokussierung soll bei der IT-Forschung der Wettbewerb der Ideen und Forschungsteams im Vordergrund stehen. Entscheidend für die Projektauswahl sind daher ausschließlich die Qualität der Projektes und die Kompetenz des Teams.

Konkret heißt dies: Maßgeschneiderte Förderinstrumente für die einzelnen Förderschwerpunkte, flexible Projektgestaltung und -laufzeiten, vereinfachte Antrags- und Förderungsverfahren und schnelle Bewilligungszeiträume von max. einem Monat. Forschungsmarketing wird integraler Bestandteil der Projekte, der Aufbau von Innovationsnetzwerken durch die Förderung von interdisziplinären und vertikalen Kooperationen unterstützt. Darüber hinaus wird die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft intensiviert, um Forschungsergebnisse rasch in marktfähige Produkte umzusetzen.

Bei den Innovationen des 20. Jahrhunderts waren wir mitunter zu langsam bei der Umsetzung von Erkenntnissen und Ideen in marktfähige Produkte. Deshalb hatten in der Datenverarbeitung und der Unterhaltungselektronik Amerikaner und Japaner die Nase vorn. Heute, beim Zusammenwachsen von Medien, Datenverarbeitung, Informations- und Kommunikationstechnologie werden die Chancen und Märkte noch einmal neu verteilt. Diese Chancen wollen wir nutzen. Dass Deutschland - und wer wüsste das besser als wir hier in der innovationsfreundlichsten Region Europas - noch immer führendes Land der Tüftler und Erfinder ist, dokumentieren seit Jahren die Patentanmeldungen.

Zusammen mit Japan stehen wir hier weltweit an der Spitze: 19 Prozent aller Patente auf der Welt werden von Deutschen angemeldet.

In einer von immer kürzeren Produktzyklen und internationalisierten Märkten gekennzeichneten Wirtschaft wird der Strukturwandel zur permanenten Herausforderung. Im globalen Wettbewerb um Innovationen bestehen nur diejenigen Unternehmen und diejenigen Volkswirtschaften, die bereit und fähig sind, sich ständig zu erneuern und Neues zu wagen.

Kleine und mittlere Unternehmen und eine pulsierende Gründungsdynamik sind wichtige Faktoren zur Stärkung des Innovationspotenzials einer Volkswirtschaft. Aus diesem Grunde liegt ein Schwerpunkt des Programms "IT-Forschung 2006" auf der gezielten Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen und von Ausgründungen aus den Hochschulen.

Unternehmensgründungen aus der Hochschule sind ein wichtiger Faktor zur Stärkung des Innovationspotenzials einer Volkswirtschaft.

Einer aktuellen Studie des BMBF zufolge können sich heute rund 40 % der Studierenden die Gründung eines eigenen Unternehmens vorstellen. Bekanntlich liegt die Zahl derer, die dann wirklich nach ihrem Abschluß ein Unternehmen gründen, deutlich darunter. Viele Gründungswillige schrecken vor allem die Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung vor dem Schritt in die Selbständigkeit ab.

In der Tat haben sich viele Banken in den letzten Jahren verstärkt aus der Kreditfinanzierung für Unternehmensgründer und kleine und mittlere Unternehmen insbesondere in innovativen Branchen zurückgezogen. Zur Begründung diente ihnen oftmals der Verweis auf die in Vorbereitung befindliche Neuregelung der Eigenkapitalregelungen für Kreditinstitute ( Basel II ) . Deshalb hat sich Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich für eine mittelstandfreundliche Ausgestaltung der neuen Eigenkapitalregeln eingesetzt. Mit Erfolg! Der am letzten Mittwoch beschlossene Entwurf trägt den deutschen Wünschen voll und ganz Rechnung. Es wird nun definitiv keine Benachteiligung mittelständischer Kreditnehmer geben. Im Gegenteil: Für über 90 % aller deutschen Unternehmen werden sich die Finanzierungsbedingungen durch Basel II künftig sogar günstiger darstellen.

Ihnen wird das mit geringeren Eigenkapitalanforderungen unterlegte Retail-Portfolio offen stehen. Und auch die befürchteten Laufzeitenzuschläge wurden auf unseren Druck hin aus dem Entwurf entfernt.

Nach dem Verhandlungserfolg in Basel sind jetzt die Banken gefordert, sich wieder verstärkt der Kreditfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen zu öffnen.

Zur Unterstützung wird der Bund seine Instrumente und Förderprogramme zur Mittelstandsfinanzierung weiter ausbauen und verbessern.

Wir werden die Deutsche Ausgleichsbank zur Gründer- und Mittelstandsbank des Bundes ausbauen. Damit vereinfachen wir den Zugang zu den Förderprogrammen - künfig gibt es nur noch einen zentralen Ansprechpartner.

Und wir werden ein neues Micro-Darlehen auflegen, das ganz gezielt auf die Anforderungen sehr kleiner Unternehmen oder Gründungen zugeschnitten sein wird. Ab dem 1. Oktober 2002 können Gründer und Mittelständler mit bis zu 10 Mitarbeitern ohne großen Aufwand Darlehen bis zu 25.000 € bekommen.

Unbürokratisch, schnell und ohne Sicherheiten.

Mit einem einzigen Formular bei der Deutschen Ausgleichsbank.

Wir wollen, dass Existenzgründer und Unternehmer problemlos an Geld kommen, um ihre Ideen zu verwirklichen.

In den Leitmärkten der Informations- und Wissensgesellschaft wird die Qualifikation vor dem Faktor Kapital die Ressource sein, auf die sich Erfolg gründet; individueller Erfolg und der Erfolg einer Volkswirtschaft. Die Qualität unserer Bildung und Ausbildung sind deshalb entscheidende Faktoren für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Investitionen in Bildung sind die wichtigsten Zukunftsinvestitionen überhaupt. Es sagt viel über die Prioritäten der Wirtschaftspolitik in den 90er Jahren, dass Bildungsausgaben stets unter "Konsum" firmierten. Ein Trugschluß, denn keine Investition fördert nachhaltiger die wirtschaftliche Dynamik. John F. Kennedy hat Recht: "Es gibt nur eines was auf Dauer teurer ist als Bildung: Keine Bildung".

Das wichtigste Kapital der Unternehmen ist bereits heute das Wissen und Können der Mitarbeiter. Und: Das Bildungswesen ist der Bereich unserer Gesellschaft, in dem Chancen auf Zukunft geschaffen und verteilt werden. Bildung ist heute - mehr denn je - der Schlüssel für ein materiell unabhängiges, selbstbestimmtes Leben. Bildung ist Voraussetzung für beruflichen Erfolg - oder sollte es zumindest sein. Bildung schafft Emanzipation im besten Sinne.

Die Nutzung des Internet ist schon heute zur neuen Kulturtechnik avanciert; in ihrer Bedeutung Lesen, Schreiben und Rechnen vergleichbar. Wer nicht zu den Analphabeten der Zukunft gehören will, der muss sich mit den neuen Möglichkeiten vertraut machen. Gemeinsam mit der Initative D21 ist es uns in den letzten Jahren gelungen, alle deutschen Schulen ans Netz anzuschließen. Damit ist eine erste Voraussetzung geschaffen worden, um das Internet an den Schulen zu etablieren.

eLearning muß mehr sein als das bloße Erlernen der Fähigkeit, mit dem Internet umzugehen. Generell müssen wir in unseren Schulen mehr vermitteln als Fähigkeiten und Fertigkeiten, nämlich Kompetenz.

Gerade in einem Medium, das den sekundenschnellen Zugriff auf gigantische Informationsmengen ermöglicht, wird die Fähigkeit zur Bewertung und Verknüpfung von Informationen zum Schlüssel. Der Anschluß der Schulen ans Internet kann insofern nur der erste Schritt sein. Jetzt kommt es darauf an, die Vermittlung von Internet- und Medienkompetenz in den Lehrplänen der Schulen zu verankern. Das beginnt bei der Entwicklung hochwertiger Lernsoftware und der Schulung der Lehrerinnen und Lehrer. Gemeinsam mit der Initiative D21 hat die Bundesregierung hierfür erfolgreiche "teach-the-teacher" -Programme zur Lehrerfortbildung ins Leben gerufen.

Der Zugang zu Bildung und damit zu Lebenschancen ist dabei aber nicht nur eine Frage von Chancengerechtigkeit, sondern zugleich von entscheidender Bedeutung für die ökonomischen Perspektiven unserer Volkswirtschaft. War in der Agrargesellschaft Boden, in der Industriegesellschaft Kapital der limitierende Faktor für Wachstum und Beschäftigung, so sind inzwischen der Mensch und seine kreativen Potenziale die Erfolgsfaktoren. Köpfe und Können sind die entscheidenden Rohstoffe des 21. Jahrhunderts.

Die als Folge der Versäumnisse von Wirtschaft und Politik in den 90er Jahren fehlenden Fachkräfte waren ein Hemmschuh für Innovation und Wachstum. Mit dem "Sofortprogramm zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs in Deutschland" haben Bundesregierung und Wirtschaft ein abgestimmtes Maßnahmenbündel beschlossen und zügig und konsequent umgesetzt.

Dabei setzen wir auf den Dreiklang von Ausbildung, Weiterbildung und der Zuwanderung ausländischer Experten. Im Mittelpunkt steht eine umfassende Bildungs- und Ausbildungsinitiative: Gab es 1998 gerade mal 13.000 IT-Ausbildungsplätze, so waren es zu Beginn des Ausbildungsjahres 2001 über 70.000. Die Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger in Informatikstudiengängen hat sich seit 1998 fast verdoppelt. Die IuK-Weiterbildungsmaßnahmen wurden auf über 46.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer p. a. ausgeweitet.

Um den kurzfristigen Engpass an IT-Experten zu beseitigen, haben wir zudem mit der Green-Card die Möglichkeit geschaffen, schnell und unbürokratisch ausländische IT-Experten in deutschen Unternehmen zu beschäftigen.

Kein anderer Wirtschaftszweig ist so global wie die Informations- und Kommunikationsbranche. Hier ist es längst Normalität, dass Spitzenkräfte ihren Arbeitgeber zwischen Angeboten aus fast allen Kontinenten wählen können. Mit der Green Card-Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder haben wir vor zwei Jahren erstmals die Möglichkeit geschaffen, dass sich deutsche Unternehmen an diesem globalen Wettbewerb um die besten Köpfe beteiligen können. Inzwischen wurden rund 12.300 "Green Cards" für ausländische IT-Spezialisten vergeben. Jede "Green-Card" hat 2 bis 3 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

Nach den positiven Erfahrungen mit der Green Card-Initiative hat die Bundesregierung jetzt mit dem Zuwanderungsgesetz generell die Möglichkeit zur Steuerung der Zuwanderung und zur Verbesserung der Integration geschaffen.

Gestern haben sechs unionsgeführte Bundesländer beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen das Zuwanderungsgesetz eingelegt. Vorgeblich wenden sie sich gegen das Entscheidungsverfahren im Bundesrat. Wobei gerade der baden-württembergische Ministerpräsident die Klage auf den von den Klägern monierten Weg beschreitet. Der Sache dient das ebenso wenig wie der Glaubwürdigkeit von Politik.

Deutschland braucht ein modernes Zuwanderungsrecht, um Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen. Wir müssen dahin kommen, dass Deutschland für die Begabten, die Kreativen das attraktivste Ziel ist. Wer glaubt, sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch wie im Zeitalter der Nationalstaatsbildung abschotten zu können, hat die neue Qualität des Globalisierungsprozesses nicht verstanden. Eine Politik der Mobilisierung von Ressentiments gegen eine vernünftig gesteuerte Zuwanderung bedroht nicht nur Menschen in diesem Land, sondern behindert Wachstum und Beschäftigung für unsere Wirtschaft.

Die weitere Entwicklung der Informations- und Wissensgesellschaft in Deutschland hängt auch davon ab, wie der Staat selbst seine Dienstleistungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erbringt. Wie eCommerce in der Wirtschaft die Abläufe und Strukturen im Bankwesen, im Handel, in der Versicherungswirtschaft und in vielen anderen Wirtschaftszweigen verändert hat, bietet eGovernment die Chance, die Verwaltungsabläufe grundlegend zu erneuern.

Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft unterliegt auf nationaler und internationaler Ebene seit längerem einem grundlegenden Wandel. Die meisten Menschen wollen heutzutage keinen Staat mehr, der glaubt, ihnen alle Unwägbarkeiten des Lebens abnehmen zu müssen. Der Staat muß und wird die Menschen weiterhin gegen die großen Risiken absichern, aber viele Probleme im Alltag können besser durch bürgerschaftliches Engagement als durch staatliche Intervention geregelt werden. Zum neuen Staatsverständnis gehört auch eine neue Dienstleistungs- und Serviceorientierung in den Bereichen, in denen die öffentlichen Verwaltungen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft erbringt.

Mit der eGovernment-Initiative BundOnline 2005 hat die Bundesregierung das größte und ehrgeizigste eGovernment-Programme in Europa gestartet. Wir haben uns vorgenommen, innerhalb der nächsten vier Jahre mehr als 350 Dienstleistungen in über 100 Behörden im Internet zur Verfügung zu stellen. Ziel ist es, die Verwaltungsabläufe konsequent auf den Nutzen für die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen auszurichten. Die Daten sollen laufen, nicht die Bürger.

Ziel ist eine Verwaltung, wie sie die Bürgerinnen und Bürger erwarten: weniger Kosten, aber mehr Leistung und besserer Service - einfacher, schneller, kundenfreundlicher. Der Staat als Partner.

Die Bundesregierung setzt damit die richtigen Signale für eine dienstleistungsorientierte Verwaltung. Bereits heute sagen 69 % der Bevölkerung, dass sie staatliche Dienstleistungen zukünftig schneller und unkomplizierter online in Anspruch nehmen wollen.

Und ich bin sicher: Diese Zahl wird noch steigen. Die heute 14-jährigen würden es in vier Jahren nicht mehr verstehen, wenn sie z. B. die Zulassung eines Kfz oder die Ummeldung beim Wohnungswechsel nicht über das Internet regeln können.

Erste Maßnahmen sind erfolgreich umgesetzt. So kann beispielsweise die Steuererklärung heute online abgegeben werden - lediglich die Belege müssen per Post hinterher geschickt werden. In einigen Jahren wird auch dies online möglich sein.

Auch die BAFöG-Abwicklung kann m. E. komplett online abgewickelt werden. Denn ohne entsprechende Internet-Kenntnisse würde ohnehin kein Student mehr sein Studium erfolgreich absolvieren können. In anderen Bereichen dagegen wird die online-Bereitstellung von Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung auf absehbare Zeit nur als ergänzendes Angebot sinnvoll sein.

Bei BundOnline 2005 geht es uns jedoch nicht nur um mehr Effizienz. eGovernment hat zudem einen Link zu eDemocracy. Wir nutzen die Möglichkeiten des Internet für mehr Transparenz und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen.

Die Bundesregierung hat das Internetangebot des Bundes mit den Portalen Bundesregierung.de und Bund.de neu strukturiert. Mit Deutschland.de werden wir ab Herbst ein neues leistungsstarkes Eingangsportal anbieten. Hier wird dann der gezielte Zugriff auf die wichtigsten Portale Deutschlands zu Tourismus, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport, Kultur und Staat ermöglicht.

Die Vorbereitungen für den Start von Deutschland.de laufen auf Hochtouren. Ich habe unseren IT-Experten beim Bundespresseamt empfohlen, sich bei den Vorbereitungen auch noch einmal den Internet-Auftritt der Stadt Stuttgart anzusehen. Beim diesjährigen D21 -Kongreß hat der Internet-Auftritt Stuttgart.de den Preis im Bereich eDemocracy erhalten. Herzlichen Glückwunsch! Nach Auffassung der Juroren setze Stuttgart.de Maßstäbe für die Aufbereitung und Präsentation politischer informationen über das politische Leben in Stuttgart. Was mir besonders wichtig ist, dass hier nicht nur Informationen erhältlich sind, sondern auch im Hinblick auf die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger neue Wege beschritten werden. In Kooperation mit der Stuttgarter Zeitung, den Stuttgarter Nachrichten und dem Amtsblatt der Stadt werden Diskussionsforen zu verschiedenen Themen angeboten.

Auch die Bundesregierung hat gute Erfahrungen damit gemacht, die konkreten Mitwirkungsmöglichkeiten an politischen Prozessen zu verbessern. Gesetzesvorhaben werden zunehmend auch in frühen Stadien über das Internet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

So haben wir beispielsweise über Internet-Foren nicht nur Interessenverbände sondern die gesamte interessierte Öffentlichkeit an der Erarbeitung der Strategie für nachhaltige Entwicklung beteiligt.

Die Veröffentlichung von Informationen und Gesetzesvorhaben im Internet ist für uns nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Transparenz von Regierungshandeln. Auf Dauer streben wir die weitergehende Nutzung des Internet auch für Wahlen an. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Online-Stimmabgabe genauso sicher und vertraulich ist wie die klassische Stimmabgabe im Wahllokal. Bereits bei der Bundestagswahl 2006 wollen die Wahllokale so vernetzen, dass die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme in jedem Wahlbezirk in Deutschland abgeben können.

Vor gerade mal zwei Jahren überschlugen sich die Medien in Lobeshymnen auf die New Economy. Heute gilt die New Economy als tot. Auf die unreflektierte Dot.com-Euphorie folgte die nicht minder pauschale Dot. gone-Häme.

Für mich ist das wichtigste Ergebnis: Die New Economy hat das Bewusstsein über die Fähigkeit der deutschen Wirtschaft zum radikalen Strukturwandel widerbelebt. In der lähmenden Standortdebatte der 90er Jahre war beinahe untergegangen, über welch innovatives Potenzial wir hierzulande verfügen. In einer von Interessengruppen instrumentalisierten Debatte wetteiferten damals hauptamtliche und selbsternannte Experten darum, wer die deutsche Wirtschaft am wirkungsvollsten schlecht redete. Diese Debatte konnte 1998 durch eine neue Aufbruchstimmung abgelöst werden.

In diesen Wochen erleben wir eine Neuauflage der alten Diskussion. Erneut wird eine Stimmung der Angst und des Stillstands initiiert, um eigene Interessen zu befördern.

Ich bin überzeugt, dass diese durchsichtige Strategie nicht verfangen wird. Die Menschen wissen heute um ihre Leistungsfähigkeit und die unserer Wirtschaft. Wir haben kreative Köpfe, gut ausgebildete, tüchtige Arbeitnehmer und leistungsbereite Unternehmer. Unsere Produkte sind weltweit gefragt.

Wir sind nicht nur Vize-Weltmeister im Fußball, sondern auch im Export. Und schon heute Weltmeister beim Export hochwertiger Wirtschaftsgüter.

Alle wirtschaftlichen Indikatoren zeigen, dass wir am Beginn eines neuen Aufschwungs stehen. Deutschland ist nach wie vor stark. In den traditionellen Industriebereichen und in den Zukunftsmärkten. Neue Chancen ergeben sich auch aus der zunehmenden Verknüpfung der "new economy" mit der traditionellen Industrie. Die Stärke der deutschen Wirtschaft lag immer in der Fähigkeit, traditionelle Strukturen mit neuen innovativen Technologien und Arbeitsformen zu verbinden. Schätzungen zufolge wird beispielsweise der Markt für Fahrzeugelektronik von heute 18 Mrd. € bis 2005 auf 31 Mrd. € anwachsen, und damit erheblich schneller wachsen als der Fahrzeugmarkt selbst. Große Wachstumspotenziale liegen auch im zunehmenden Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen oder in der Telematik.

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft Deutschlands in der Wissens- und Informationsgesellschaft sind gut. Lassen Sie uns den eingeschlagenen Weg gemeinsam konsequent fortsetzen.