Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 15.08.2002

Untertitel: Bury: "Mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die wir in Johannesburg vorlegen, erfüllen wir nicht nur ein Versprechen unserer Vorgänger. Diese Strategie ist vielmehr Ausdruck einer grundlegenden Neuorientierung der Politik. "
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/08/429608/multi.htm


Rio 1992 war ein Signal des Aufbruchs. Schon die Verknüpfung von Umwelt und Entwicklung, mehr noch die Bereitschaft, verbindliche Ziele zu formulieren und eine Agenda aufzustellen markierten den Anfang einer neuen Politik.

Dass es in Deutschland noch einige Jahre dauerte, bis aus Gipfelerklärungen konkrete Politik wurde, ist ein anderes Kapitel. Mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die wir in Johannesburg vorlegen, erfüllen wir nicht nur ein Versprechen unserer Vorgänger.

Diese Strategie ist vielmehr Ausdruck einer grundlegenden Neuorientierung der Politik. Nachhaltigkeit ist der rote Faden des Regierungshandelns. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie ist nicht nur der deutsche Beitrag zur Rio-Folgekonferenz, sondern vielmehr eine umfassende Modernisierungsstrategie für unser Land.

Unser Leitbild beschreibt entlang der vier Leitlinien Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung den Weg in eine gute Zukunft.

Generationengerechtigkeit Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen." Was Bundeskanzler Willy Brandt vor dreißig Jahren so griffig formulierte, beschreibt besser als alle wissenschaftlichen Definitionen die Anforderung an nachhaltige Politik. Eine Politik, die sich nicht nur den Herausforderungen der Gegenwart stellt sondern auch die Verantwortung für zukünftige Generationen übernimmt. Das ist nicht immer einfach im mitunter von kurzlebigen Debatten bestimmten Tagesgeschäft der Legislaturperioden. Zumal wenn kurzfristige Ankündigungen mehr Rendite zu versprechen scheinen als langfristiges Engagement.

Als wir mit der Konsolidierung des Bundeshaushalts die Grundlage für nachhaltige Politik gelegt haben, waren die Widerstände beträchtlich. Doch inzwischen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass wir auf diese Weise Handlungsspielräume - auch für kommende Generationen - zurück gewinnen. Und Möglichkeiten für Zukunftsinvestitionen schaffen.

Etwa mit der Energiewende. Während in den Jahren nach Rio die CO2 -Emissionen noch deutlich anstiegen, haben wir hier die Trendwende eingeleitet, inzwischen gar den größten Teil der zugesagten Reduzierung schon geschafft. Jetzt gilt es, unsere Partner in Europa und in der Welt für eine konsequente Fortsetzung zu gewinnen.

Lebensqualität

Die klassische umweltpolitische Debatte der Vergangenheit hat oft apokalyptische Zukunftsvorstellungen mit Verzichtsappellen beantwortet. Und stieß damit an Akzeptanzgrenzen. Wir machen deutlich, dass Nachhaltigkeit Gewinn bedeutet.

Gewinn an Lebensqualität. Und wenn wir - was für mich Kern der Nachhaltigkeitsstrategie ist - Energie- und Ressourcenproduktivität steigern, schaffen wir Win-Win-Situationen. Mit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, mit dem Wiedergewinnen von Lebensräumen gehen technologische und ökonomische Innovationsprozesse einher.

Heute wird in Deutschland bereits mehr Stahl zu Windrädern verarbeitet als zu Schiffen. Die Fotovoltaik boomt. Für die Nutzung nachwachsender Rohstoffe sind die Weichen gestellt. Über 120.000 Menschen arbeiten im Bereich erneuerbarer Energien. Insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, in Handwerk und Mittelstand. In Arbeitsplätzen, die zum großen Teil nicht "exportierbar" sind. Aber mit Produkten, die wir weltweit exportieren können.

So verbinden wir konkret Arbeit und Umwelt, Umwelt und Entwicklung. Wir entwickeln ein Wachstums- und Wohlstandsmodell, das nachhaltig ist, weil es nicht zu Lasten der Umwelt und zukünftiger Generationen geht.

So werden wir die Akzeptanz nicht nur national sondern international finden. Denn wir werden nicht mit Podiumsdiskussionen in den Industriestaaten den Wunsch der weniger entwickelten Länder nach Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung beantworten können. Sondern mit einer Wirtschafts- und Lebensweise, die attraktiv genug ist, einige der Fehler des Industrialisierungsprozesses nicht nachzuholen sondern zu überspringen.

Übrigens in unserem eigenen, existenziellen Interesse. Die Übertragung der heutigen Art zu leben und zu produzieren würde das Überleben auf der Welt unmöglich machen. Nach uns die Sintflut " war nie ein legitimes Prinzip. Seit die Flut da ist, merken das auch diejenigen, die glaubten, selbst noch davon zu kommen.