Redner(in): Rolf Schwanitz
Datum: 05.09.2002

Untertitel: Anlässlich der Preisverleihung zum Wettbewerb Stadtumbau am 5. 9. 02 in Potsdam hat Staatsminister Schwanitz in seiner Rede der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass es gelingen möge, im Zusammenwirken von Stadtumbau und Wiederaufbauhilfen nach der Flut das wirtschaftliche und soziale Leben wieder anzukurbeln.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/33/437533/multi.htm


Sehr geehrter Herr Minister Bodewig, sehr geehrter Herr Vorsitzender Bräuer, sehr geehrter Herr Minister Meyer, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jakobs; sehr geehrte Mitglieder der Jury, sehr verehrte Damen und Herren aus den teilnehmenden Städten und Gemeinden!

Die letzten Wochen und Tage stehen im Zeichen der größten Hochwasserkatastrophe, die den Osten Deutschlands seit Jahrhunderten heimsuchte. In vielen Regionen haben die Wassermassen praktisch über Nacht zerstört, was die Menschen sich in 12 Jahren harter Arbeit aufgebaut hatten. Sie hat das Hab und Gut vieler Familien zerstört und erschütterndes Leid über viele Menschen gebracht. Die verheerenden Schäden an öffentlicher Infrastruktur und in tausenden von Betrieben werden jetzt erst nach und nach sichtbar.

In dieser Situation mögen sich manche Menschen fragen, ob es eigentlich der richtige Zeitpunkt ist, den Wettbewerb "Stadtumbau Ost" in einer öffentlichen und medienwirksamen Preisverleihung abzuschließen, als gäbe es nichts Dringlicheres zu tun.

Diese Veranstaltung ist richtig und notwendig, weil damit in diesen Tagen ein doppeltes Signal gesetzt wird, gerade auch, weil wir unter den Preisträgern von der Flut schwer getroffene Gemeinden haben wie Döbeln, Torgau oder Meißen. Wir verbinden mit dieser Preisverleihung das Signal, dass mit dem Aufbaupakt "Flutkatastrophe" einerseits den Opfern der Flut schnell und unkompliziert, aber auch nachhaltig und langfristig geholfen wird und gleichzeitig der neue zentrale Schwerpunkt der Infrastrukturpolitik der Bundesregierung, die Revitalisierung und die Erneuerung der Kernstädte seinen Stellenwert behält. Die klare politische Botschaft ist: Die Aufbauhilfe wird nicht durch das Stadtumbauprogramm finanziert. Der Aufbau Ost geht weiter und die Schäden der Flutkatastrophe werden wir in einer gemeinsamen großen solidarischen Anstrengung von Ost und West schultern. Wo die Flut ihre Spuren hinterlassen hat, auch das ist klar, fließt das eine mit dem anderen zusammen.

Angesichts der schrecklichen Ereignisse haben wir dennoch Grund, stolz und auch zuversichtlich zu sein. Denn: durch Deutschland ist nicht nur eine katastrophale Flut gegangen, sondern auch eine unglaubliche Welle der Solidarität. Niemals zuvor war die Spendenbereitschaft größer. Bis heute sind rund 200 Millionen Euro an Spenden zusammen gekommen. Dafür können wir allen Bürgerinnen und Bürgern nur dankbar sein.

In den Stunden der Not haben die Menschen zusammengestanden. Ist aus der deutschen Einheit die Einheit der Deutschen geworden. Zehntausende von Helferinnen und Helfern des Bundesgrenzschutzes, der Polizei, die Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerkes, die Soldaten der Bundeswehr, die Feuerwehren und viele freie Hilfsorganisationen haben alles Menschenmögliche getan, um die Flut einzudämmen und den Menschen beizustehen.

Was jetzt Not tut, sind schnelle Soforthilfe und verlässlich Aufbauhilfe.

Die Bundesregierung hat deshalb ein umfangreiches Hilfspaket von fast 10 Milliarden Euro geschnürt. Mit einem Bündel an Maßnahmen werden wir den unverschuldet in Not geratenen Menschen, den Betrieben und Regionen bei der Beseitigung der Flutschäden und beim Wiederaufbau helfen.

Die Aufbauprogramme zur Beseitigung von Hochwasserschäden an Wohngebäuden und an der Infrastruktur in den Gemeinden liegen zur Unterschrift bei den Ländern. Vorabzahlungen des Bundes in zweistelliger Millionen sind bereits geleistet. Wenn ich das Hilfsprogramm für die Wirtschaft dazu nehme, dann lassen wir uns von einem zentralen Gedanken leiten, das wirtschaftliche und das soziale Leben in den betroffenen Gemeinden so schnell wie möglich wieder in Gang zu bringen. Wir wollen die Menschen überzeugen, dass es sich lohnt, weiterzumachen, denn wir alle wissen, wer jetzt aufgibt, für den gibt es wahrscheinlich keinen Ersatz.

Das Programm zur Beseitigung und Behebung von Hochwasserschäden an Wohngebäuden sieht Zuschüsse mit einem Volumen von 500 Mio. € vor. Dazu kommen die Versicherungsleistungen und die ernormen privaten Spenden. Hierbei lassen wir uns von dem Gedanken leiten, dass es den Menschen, die sich für ihr eigenes Heim verschuldet haben, nach der Flut nicht schlechter gehen soll als vorher. Ich appelliere auch an Sie als Kommunalpolitiker, die mit dem Hochwasserschutz zusammenhängenden Fragen der Standortverlagerung von privaten und betrieblichen Einrichtungen zügig zu klären und die Betroffenen bei ihren Entscheidungen zu beraten. Das Programm zur Wiederherstellung der Infrastruktur in den Gemeinden sieht Zuschüsse mit einem Volumen von 1,2 Mrd. € vor, dabei ist der Begriff der Infrastruktur umfassend gemeint und bezieht z. B. auch Sportstätten oder soziale Einrichtungen ein. Zusätzlich kann der Bereich der wirtschaftsnahen kommunalen Infrastruktur über das Sonderprogramm im Rahmen der GA-Ost gefördert werden, und zwar ausnahmsweise bis zu 100 % . Bund, Länder und Gemeinden müssen an einem Strang ziehen, um diesen solidarischen Aufbaupakt jetzt so schnell wie möglich umzusetzen. Aber auch schnelle Hilfe bedarf geordneter Verfahren. So müssen die Schäden sorgfältig ermittelt und die Hilfen nicht nur rechtzeitig, sondern auch gerecht verteilt werden. Das sind wir alle den Menschen, den Ländern und Gemeinden schuldig, die mit ihrer solidarischen Leistung den Aufbaupakt erst möglich machen und finanzieren.

Meine Damen und Herren,

die Flutkatastrophe werden wir in Deutschland mit Gemeinsinn und Solidarität bewältigen. Dieser Gemeinsinn ist ein Schatz, den wir hüten müssen. Denn er macht unser Land stark auch für die Lösung anderer Probleme.

Meine Damen und Herren,

mit dem heutigen Tage und der Verleihung der Preise für die besten Stadtentwicklungskonzepte findet der im Oktober 2001 ausgelobte Wettbewerb "Stadtumbau Ost - für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen" ein gutes und sehr erfolgreiches Ende. Über 260 Kommunen haben ihre Beiträge eingereicht und in ihnen dargelegt, wie sie sich weiter entwickeln und dabei an Attraktivität gewinnen wollen. Das ist der Mehrzahl der Kommunen gelungen. In sehr kurzer Zeit wurde ein großes Arbeitspensum geleistet, wurden mit dem richtigen Augenmaß für die zu lösenden Probleme, die Chancen und Risiken weitreichende Strategien entwickelt. Insofern war bereits der Wettbewerb eine Investition in die Zukunft der Städte, ein Schritt, dem nun mit der Umsetzung der Konzepte unmittelbar weitere folgen werden.

Die Konzepte haben gezeigt, dass der Weg zur Revitalisierung der Innenstadt und gegen Zersiedlung und Abwanderung von breiter Zustimmung getragen wird. Die Konzepte haben auch gezeigt, dass dieser wünschenswerte Weg umsetzbar ist.

Wir brauchen die lebenswerte, zukunftsfähige Stadt, die den Bürgern die notwendigen Rahmenbedingungen zum Leben und Arbeiten, für intakte Nachbarschaften, für Bildung und Erholung bietet und ihnen auch gestattet, sich mit ihr zu identifizieren. Lebenswerte Städte leisten einen wichtigen Beitrag zur sozialen Stabilität in unserem Land, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Damit unsere Städte eine gute Zukunft haben, gestalten wir den Wandel, um die Balance zu halten zwischen Erneuerung auf der einen Seite sowie Bewahrung und Zusammenhalt auf der anderen.

Ich glaube, wir können mit dem, was wir in so kurzer Zeit bei der Umsetzung der Empfehlungen der Kommission "Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel" erreicht haben, sehr zufrieden sein:

Die Bundesregierung hat ein Programm aufgelegt, das weit über die Vorschläge der sog. Leerstands-Kommission hinaus geht. Die Kommission hatte ein Programm von 1,5 Mio. Euro gefordert. Herausgekommen ist ein Programm von 2,7 Milliarden Euro, also fast das Doppelte. Es kommt nicht häufig vor, das eine Kommissionsempfehlung so deutlich übertroffen wurde. Es ist gelungen, ein positives Umfeld durch den Stadtumbau zu schaffen. Vor allem der Wettbewerb hat die Bereitschaft aller betroffenen Akteure geweckt, sich in den Stadtumbau einzubringen. Die Wohnungswirtschaft, aber auch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sehen den Stadtumbau nicht mehr als bedrückende Last an, sondern erkennen die große Chance der Zukunftsgestaltung, die es entschlossen anzupacken gilt.

Die Kommission "Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel", die der Bundesbauminister und ich im Februar 2000 als von der Politik unabhängiges Expertengremium eingesetzt hatten, traf noch eine andere Aussage, auf die ich hier ausdrücklich hinweisen will:

Der Leerstand in einem bisher unbekannten Ausmaß schadet nicht nur den Wohnungsunternehmen, sondern gefährdet die soziale Stabilität unserer Gemeinden. Und: Die Beseitigung des Leerstandes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bund, Länder und Kommunen sind gemeinsam mit Wohnungswirtschaft und Kreditwirtschaft gefordert, an der Beseitigung des Leerstandes mitzuwirken.

Die Bundesregierung hat die Herausforderung angenommen, die Länder sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, und die Kommunen stecken - wie wir gleich sehen werden - in vielfältiger und phantasievoller Weise den konzeptionellen Rahmen ab.

Dass die Wohnwirtschaft mit Energie und Ausdauer Großartiges leistet, will ich an dieser Stelle noch einmal besonders betonen. Und wenn es denn mit dem Stadtumbau konkret wird, wünschte ich mir, dies auch von der Kreditwirtschaft sagen zu können.

Für das Gelingen des Stadtumbaus ist es von großer Bedeutung, dass die Kommunen, die Wohnungswirtschaft und alle Betroffenen aufeinander zugehen und sich über die konkreten Maßnahmen und Zeitpläne verständigen. Wir müssen vermeiden, dass jede Seite auf die andere wartet und sich deshalb zurückhält. Denn wir werden die Stabilisierung des Wohnungsmarktes nur erreichen, wenn alle Wohnungseigentümer aktiv daran mitwirken. Deshalb sollten alle hier Versammelten ihren Einfluss geltend machen, dass dieses Zusammenwirken zustande kommt.

Meine Damen und Herren,

Ihnen allen wünsche ich bei Ihrer weiteren Arbeit eine glückliche Hand. Ganz besonders hoffe ich, dass Sie von allen Beteiligten, den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, der Wohnungswirtschaft und nicht zuletzt von den jeweiligen Bundesländern die Unterstützung erfahren, die bei der Umsetzung ihrer Stadtentwicklungskonzepte notwendig ist. Ganz besonders geht aber dieser Wunsch an die von der Flutkatastrophe betroffenen Städte und Gemeinden, damit es gelingt, im Zusammenwirken des Stadtumbauprogramms und der Wiederaufbauhilfen das wirtschaftliche und soziale Leben wieder anzukurbeln.