Redner(in): Christina Weiss
Datum: 01.11.2002

Untertitel: Gemeinsam mit dem finnischen Ministerpräsidenten Lipponen eröffnete Kulturstaatsministerin Christina Weiss am 01. November 2002 die Ausstellung "Das Licht kommt jetzt von Norden - Jugendstil in Finnland" im Bröhan - Museum in Berlin.
Anrede: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Lipponen, sehr geehrter Herr Botschafter Fagernäs, Exzellenzen, sehr geehrte Frau Dr. Bröhan, sehr geehrte Frau Dr. Becker, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/86/447186/multi.htm


ich freue mich ganz besonders, dass ich Sie heute Abend - sozusagen als eine meiner ersten Amtshandlungen - hier begrüßen darf. Gern habe ich die ehrenvolle Aufgabe übernommen, zusammen mit Ihnen, Herr Ministerpräsident, diese Ausstellung zu eröffnen.

Das Bröhan-Museum nimmt innerhalb der deutschen Museumslandschaft einen besonderen Platz ein: Es ist deutschlandweit das einzige international ausgerichtete Jugendstil- und Art déco Spezialmuseum. Über 16.000 Objekte hat der Museumsgründer Karl H. Bröhan zusammengetragen, dem Land Berlin geschenkt und damit an die große Tradition der Stiftungskultur des 19. Jahrhunderts angeknüpft.

Mit seiner Ausrichtung und seinen Ausstellungsvorhaben hat sich das Bröhan-Museum immer deutlich abseits des "Mainstreams" bewegt. Auch die neue Schau "Jugendstil in Finnland" belegt dies, sie ist selbst im kulturverwöhnten Berlin ein absolutes Novum. Gleichzeitig entspricht sie in besonderem Maße dem Schwerpunktthema "Europa", unter dem in Berlin das Jahr 2003 steht. Nicht zuletzt aus diesen Gründen wurde sie von der finnischen Botschaft und vom Finnland-Institut tatkräftig unterstützt und auch aus Mitteln meiner Behörde vom Hauptstadtkulturfonds gefördert. Und es freut mich vor dem Hintergrund des Europa-Schwerpunktes sehr, dass sich die Staatspräsidentin der Republik Finnland, Frau Tarja Halonen, und Bundespräsident Johannes Rau bereit erklärt haben, die Schirmherrschaft für diese Ausstellung zu übernehmen.

Obwohl die Kunst des Art Nouveau für Finnland eine beeindruckende künstlerische Blütezeit darstellt, blieb eine Ausstellung zu diesem Thema in Deutschland lange Zeit ein Desiderat. Das "Goldene Zeitalter" der Jahre 1880 bis 1910 war zuletzt vor 30 Jahren in einer Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu besichtigen. Große thematische Ausstellungen wie "Wahlverwandtschaft - Skandinavien und Deutschland 1800 - 1914" im Deutschen Historischen Museum in Berlin 1997 berücksichtigten Finnland überhaupt nicht. Erst jetzt wird diese weitgehend unbekannte Facette der Kunst um 1900 umfassend mit dem Blick von Deutschland aus dargestellt. Und angesichts der engen Beziehung skandinavischer - vor allem finnischer - Künstler zur Berliner Kulturszene ist es eine glückliche Wahl, dass die Ausstellung in dieser Stadt stattfindet.

Die Ausstellung konfrontiert uns mit der Vielfalt und dem Reichtum der finnischen bildenden Kunst, der Architektur und der angewandten Kunst gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Rückblick ist es faszinierend zu sehen, in welchen Konstellationen der Spannung sich die Szene in Finnland - aber auch ihre Rezeption in Deutschland - bewegte - zwischen spätromantischem Nordlandfaible und Einbruch der Moderne beispielsweise. Und die Ausstellung führt uns in einen Bereich, der angesichts dessen, was unter "Globalisierung" verstanden wird, wieder an Aktualität gewonnen hat: Ich meine das Spannungsfeld von Rückbesinnung auf kulturelle Traditionen einerseits und zunehmender internationaler Verflechtungen andererseits. Die in der Ausstellung vertretenen Werke sind nicht zuletzt von diesem Thema geprägt: Finnische Künstlerinnen und Künstler waren um 1900 einbezogen in den Prozess des "nation buildung" und daher besonders sensibilisiert für das kulturell Eigene. Und auf der anderen Seite verstanden sich die Protagonisten der finnischen Art nouveau explizit als Teil einer grenzüberschreitenden, einer europäischen Avantgarde. So gesehen ist die Ausstellung auch ein Beleg für die herausragenden seismografischen Qualitäten von Kunst, für ihre Funktion als Laboratorium einer Gesellschaft.

Mein Dank gilt Ihnen, Frau Dr. Bröhan und Frau Dr. Becker, für die Konzeption und Realisierung dieser Ausstellung. Besonderer Dank gilt zudem den finnischen Museen, die zahlreiche Leihgaben zur Verfügung gestellt haben und so zu einer beeindruckenden Präsentation wesentlich beigetragen haben. Ich wünsche der Ausstellung genaue und zahlreiche Blicke und eine entsprechende Resonanz.