Redner(in): Christina Weiss
Datum: 13.11.2002

Untertitel: "Zur Verantwortung des BKM gehören große, traditionsreiche Einrichtungen, 'Kulturtanker', die meist ruhig durch die Meere fahren und von der Politik leicht vergessen werden."
Anrede: Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/98/450198/multi.htm


in meiner ersten Rede im Plenum des Deutschen Bundestages habe ich mein Amtsverständnis charakterisiert: Ich sehe mich als Anwältin der Kultur und der Medien mit drei Schwerpunkten in der Praxis: dem Moderieren, dem Repräsentieren und dem "Missionieren" - verstanden als Vermittlung von Kunst und Kultur. Diese Rolle verlangt, dass man sich nicht nur an momentanen politischen Problemen orientiert - so wichtig diese sind. Zur Verantwortung des BKM gehören große, traditionsreiche Einrichtungen,"Kulturtanker", die meist ruhig durch die Meere fahren und von der Politik leicht vergessen werden. Zu diesen Institutionen möchte ich zunächst einige Anmerkungen machen. Danach werde ich auf die ganz aktuellen Vorhaben eingehen, die in den nächsten Wochen und Monaten auch das Parlament beschäftigen werden. Darüber hinaus möchte ich - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - Stichworte für eine Agenda geben, die uns in dieser Legislaturperiode beschäftigen wird.

I. Kultureinrichtungen

Die beiden Stiftungen, die sich dem preußischen Erbe widmen, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ( SPK ) und Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ( SPSG ) befinden sich - alles in allem- in einer guten Facon. Ihre Häuser und Ausstellungen werden zum Teil sehr gut besucht und in aller Regel auch überregional positiv besprochen. Und doch gibt es Probleme, die Grundsatzfragen aufwerfen und - nicht heute, nicht morgen, aber demnächst - aufgearbeitet werden müssen.

So ist für die SPK, deren Investitionen seit diesem Jahr allein vom Bund aufgebracht werden ( ca. 110 Mio. € ) , zu fragen, ob der Masterplan in seiner bekannten Gestalt revidiert werden muss ( Sitchworte: Pergamon-Museum, Archäologische Promenade ) , ob und wie die Zeitplanung entzerrt und systematisiert werden kann. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie in Zukunft die Beteiligung der Länder ( und Berlins ) an der Stiftung und an der Finanzierung ihres Betriebshaushaltes aussehen wird. Das Finanzierungsabkommen kann erstmals zum 31. 1. 2005 gekündigt werden. Im Augenblick ist unklar, ob es Länder geben wird, die aus der SPK aussteigen wollen. Der Beschluss der MPK vom Dezember 2001, nachdem ein Rückzug der Länder schon beschlossen war, scheint zum Glück wieder vom Tisch zu sein. Hier geht es aber um viel Geld ( 266 Mio. € Gesamtausgaben ) und übrigens auch um viele Mitarbeiter ( rund 2000 Stellen ) .

Auch die SPSG ( mit ihrem neuen Generaldirektor Dr. Dorgerloh ) steht vor großen Problemen. Die Mitträger und Mitfinanziers ( Berlin und Brandenburg ) fühlen sich finanziell überfordert - andererseits gibt es eine Reihe von Schlössern, die noch nicht zur SPSG gehören, obwohl dies eigentlich sinnvoll wäre ( Oranienburg, Paretz, Niederschönhausen ) . Bis Ende 2004 muss ein neues Finanzierungsabkommen ausgehandelt werden, über immerhin rund 30 Mio. € . Im Übrigen: Warum finanziert der Bund 75 % der Betriebskosten bei der SPK, aber nur 40 % bei der SPSG? Ist es sinnvoll für den Bund, den höchsten Finanzierungsanteil zu tragen, aber nur als Juniorpartner zu fungieren?

Während die beiden großen Bonner Kultureinrichtungen - Haus der Geschichte und Kunst- und Ausstellungshalle - und ebenso das Jüdische Museum Berlin sehr erfolgreich arbeiten, ist das Deutsche Historische Museum in Berlin - trotz seiner vielen, auch gelobten Ausstellungen - in seinem Stammhaus noch immer eine gewaltige Baustelle. Im nächsten Jahr wird das von Pei entworfene Wechselausstellungsgebäude fertig werden - und 2004 das Zeughaus und die Dauerausstellung. Wir sollten für beides den Daumen drücken.

Groß sind auch die Einrichtungen der Stiftung Weimarer Klassik - vom Goethischen Wohnhaus bis zur Anna-Amalia-Bibliothek, die gerade durch einen umfangreichen Anbau modernisiert und dann restauriert werden wird. Hinzukommen die Probleme bei der Fusion der Weimarer Kunstsammlungen in die Stiftung - die immer noch nicht abgeschlossen ist. Die Stadt Weimar tut sich schwer, ihre Verpflichtungen zu erfüllen - aber pacta sunt servanda.

Wir haben die drei von Berlin übernommenen Einrichtungen - Haus der Kulturen der Welt, Berlinale und Berliner Festsspiele - in eine neue KulturveranstaltungsGmbH des Bundes überführt ( KBB ) und neu geordnet. Die Intendanten der drei großen Bereiche ( Haus der Kulturen der Welt, Berlinale und Festspiele ) haben mit einem vierten gleichberechtigten, kaufmännischen Geschäftsführer nach dem Vier-Augen-Prinzip zusammenzuarbeiten. Mehr Transparenz und Kostenkontrolle werden dadurch möglich. Während das Programm des Hauses der Kulturen der Welt und die neue Form der Berlinale viel Lob bekommen haben, sind bei den Festpielen mit ihren Festwochen ( nicht mit der Maerz-Musik, dem Theatertreffen und dem Jazzfest ) aber mit den Festwochen konzeptionelle Probleme zu erkennen: Das sehr anspruchsvolle Programm der Festwochen hat nicht die erhoffte Resonanz gefunden. Dies mag daran liegen, dass die Festwochen räumlich und zeitlich zu unübersichtlich waren, dass die PR nicht funktionierte und dass ein neues, eher junges Publikum angesprochen werden sollte. Wer ein anspruchsvolles Ziel verfolgt, wer mutig ist und etwas wagt, darf im ersten Ansatz auch einmal scheitern. Wer heute nur auf Nummer sicher geht, wird auch mittelfristig nichts Sinnvolles gewinnen, keine Neugierde wecken, kein neues Publikum anziehen.

Aus Zeitgründen verzichte ich auf Anmerkungen über "Die Deutsche Bibliothek", das Bundesarchiv, die Gedenkstätten ( Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Topographie des Terrors, Hohenschönhausen, Sachsenhausen usw. ) , das Kulturprogramm "Neue Länder" und das Blaubuch, den AsKI ( Arbeitsgemeinschaft selbständiger Kulturinstitute ) , zum Thema "Beutekunst" und komme zu unseren Vorhaben:

II. Kultur- und medienpolitische Vorhaben

Noch in diesem Jahr wird der Haushalt 2003 in einer zweiten Entwurfsfassung dem Bundestag zugeleitet werden. Auch in diesem Ausschuss werden wir noch vor der Weihnachtspause einen ersten Beratungsdurchgang haben - und über alle großen und kleinen Projekte reden können. Natürlich werden wir auch im Kulturbereich spüren, dass die Haushaltskonsolidierung voranschreiten muss und überall Opfer fordert.

Ebenfalls noch in diesem Jahr werden die Steuer-Reform-Gesetze parlamentarisch verhandelt werden, hier geht es um eine erste Anwendung der Kulturverträglichkeitsprüfung. Beim Thema "Abzugsfähigkeit von Unternehmensspenden" waren wir schon erfolgreich, bei der Frage Mehrwertsteuer ist Achtsamkeit gefragt und die differenzierte Analyse möglicher Folgen.

Wenn, wie in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen, eine Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" vom Parlament eingesetzt werden soll, so müssten die Vorbereitungen hierzu ebenfalls noch in diesem Jahr beginnen. Wir sind natürlich bereit, jedwede Zuarbeit für diese Kommission zu leisten.

Die Reform der Filmförderung war mehrfach Beratungsgegenstand in diesem Ausschuss. Das Konzeptpapier meines Vorgängers bleibt Diskussionsgrundlage, es muss allerdings in vielen Punkten konkretisiert werden. Ich werde in den ersten Monaten des nächsten Jahres erneut eine Sitzung des "Bündnisses für den Film" einberufen ( an dem ja auch Vertreter dieses Ausschusses teilnehmen ) und noch einmal ausloten, wie weit der Konsens aller Beteiligter reicht. Sodann wird ein Referentenentwurf vorgelegt und das Gesetzgebungsverfahren im Frühjahr eingeleitet, weil wir das neue FFG zum 1. 1. 2004 in Kraft setzen wollen und müssen. Es geht um ziemlich weitreichende Fragen: Wollen wir die Referenzförderung stärken und die Abgabepflichten im Filmbereich ausweiten, auch auf die Fersehveranstalter? Wollen wir von Frankreich lernen- in der Quotenfrage, in der Zentraleinrichtung FFA, in der Fondsfinanzierung? An spannenden Themen wird es nicht fehlen.

Wir wollen das Deutsche-Welle-Gesetz novellieren - und hierzu eine breite Diskussion mit allen Beteiligten führen. Konzeptpapiere liegen vor, von meinem Vorgänger und von der Deutschen Welle selbst. Auch hier geht es um sehr grundsätzliche Fragen: Welches sind die Zielgruppen der DW? In welchen Regionen? Auf welchen Wegen ( Radio, TV, Internet ) ? Mit welchen Programmen ( Übernahmen von ARD und ZDF bzw. Deutschland Radio ) ? Das Gesetzgebungsverfahren sollte im nächsten Jahr beginnen.

Wir werden die Reform der Medienordnung fortsetzen und -entsprechend der Absprache mit den Ländern- nach der Reform des Jugendschutzrechtes nunmehr das Datenschutzrecht harmonisieren. Der vom Bundeskanzler eingerichtete "Runde Tisch gegen Gewalt in den Medien" mit Vertretern des Rundfunks, der Video- und der Spielebranche wird seine Arbeit fortsetzen und zu einer Reihe freiwilliger Vereinbarungen führen.

Der Hauptstadtkulturvertrag hat sich bewährt, er läuft zunächst bis 2004 und sollte im nächsten Jahr durch einen neuen Vertrag für 2005 ersetzt werden. Hier ist vieles noch unklar: Wird sich der Bund noch stärker in seiner Hauptstadt engagieren? Sollten zu diesem Zweck und zur Entlastung des Berliner Kulturetats weitere Einrichtungen in die Verantwortung des Bundes übernommen werden? In welcher Weise kann der Bund helfen, wenn Berlin eine Strukturreform für seine Theater, Opern und Orchester anpackt? Könnte der Bund strategischer Partner sein? Da dies alles auch zusätzliche Finanzmittel erfordern würde, kann dies in der Kulturpolitik allein leider nicht entschieden werden. Eine gemeinsame Anstrengung wird erforderlich sein.

Nach dem Bericht der internationalen Kommission zur Bebauung der Berliner Schlossplatzes und dem Grundsatzbeschluss des Deutschen Bundestages sind war viele Fragen der Nutzung im Detail noch nicht abschließend geklärt. Aber die zentrale Vorfrage ist die der Finanzierung, die nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Parlament und Regierung beantwortet werden kann - leider weder von mir noch von diesem Ausschuss.

Wir werden unsere Bemühungen um eine Stärkung der deutschen Rock- und Popmusik auf nationaler und internationaler Ebene fortsetzen. Insbesondere die Idee, gemeinsam mit der Musikwirtschaft ein "Musikbüro" mit Schwerpunkt Vermittlung nach Außen aufzubauen, wird weiter gemeinsam mit den anderen beteiligten Resssorts weiter verfolgt werden.

Die in diesem Jahr errichtete Kulturstiftung des Bundes ist, wie Sie als Mitglieder des Stiftungsrates wissen, auf einem sehr guten Weg. Dass es nicht zu einer Nationalen Stiftung von Bund und Ländern gekommen ist, bleibt zu bedauern - ist aber der föderalen Struktur geschuldet. Ob und wie es zu einer stärken Verbindung ( Dach: Verdachung ) kommen wird, ist im Augenblick schwer einzuschätzen. Für die Länder müsste dies zu einem stärkeren finanziellen Engagement führen, das zur Zeit nicht zu erwarten ist. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Systematisierung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern ausführlich erörtert worden und hat im Kulturbereich zu einem übersichtlichen Ergebnis geführt ( Zwischenbericht zur Kompetenzabgrenzung vom 13. 06. 02 ) allerdings mit einem zentralen Dissens zu der Frage, ob der Bund aus eigenem Recht Kultureinrichtungen von nationaler Bedeutung fördern darf. Praktisch ist dieser Dissens nicht so wichtig, er bezieht sich nur auf drei Einrichtungen. Aber für eine "verdachte" Kulturstiftung hätte dies doch Konsequenzen, die nicht nur positiv sind. Die Länder schlagen drei Säulen der Kulturstiftung vor: eine länderbezogene, eine bundesbezogene und eine gemischte Säule, in der alle umstrittenenen Aktivitäten gemeinsam verwaltet werden soll. Dies ist noch nicht überzeugend, Gemischtwaren sind in der Kulturpolitik eher selten. Wir sollten die Systematisierungsdebatte im übrigen nicht isoliert für den Kulturbereich führen, sondern sie wieder zurückbinden an die allgemeine Debatte über die Zukunft des Föderalismus in Deutschland.

Wir haben durch das neu geschaffene Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien nicht nur endlich ein kulturpolitisches Gesicht in Europa, im Kreis der europäischen Kulturminister, sondern natürlich auch ein kulturpolitisches Ohr: Wir müssen verstärkt darauf achten, dass die Kulturverträglichkeit der Brüsseler Rechtssetzungen und deren Umsetzung in nationales Recht gewährleistet bleibt. Ein erstes Beispiel wird die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft sein, ein zweites das Folgerecht, ein drittes die in den Jahren 2003/4 anstehende Revision der Fernsehrichtlinie.

Ebenfalls auf der europäischen Ebene bewegt sich das Thema Schaffung von transnationaler Öffentlichkeit. Staatspräsident Chirac und der Bundeskanzler habem beim letzten deutsch-französischen Gipfel in Schwerin vereinbart, die europäische Dimension von ARTE deutlicher zu stärken und den Sender zum Nukleus eines europäischen Qualitätsprogramms weiter zu entwickeln.

Wir wollen die Unesco-Konvention von 1970 bzw. das UNIDROIT-Übereinkommen von 1995 zum Schutz von Kulturgütern gegen Diebstahl und illegalen Export im Jahre 2004 ratifizieren. Das Auswärtige Amt wird das Ratifizierungsverfahren umgehend einleiten.

Wir wollen das Engagement des Bundes bei Stätten des Weltkulturerbes verstärken. Da dies auch zusätzliche finanzielle Mittel verlangen wird, muss zugleich geprüft werden, aus welchen Förderungen sich der Bund in welchem Umfang zurückziehen kann und will. Die Brisanz dieser Fragestellung liegt auf der Hand und verlangt ein behutsames und kommunikatives Vorgehen.

neben den einzelnen Themen ist mir ein Anliegen grundsätzlicher Natur besonders wichtig: Der Umgang mit Kultur verlangt nicht zuletzt eines: Sensibilität und offene wie verständigungsorientierte Formen der Kommunikation. Ich freue mich unter diesen Vorzeichen auf die Diskussionen hier im Ausschuss für Kultur und Medien und die Arbeit mit Ihnen. Vielen Dank.