Redner(in): Christina Weiss
Datum: 18.11.2002
Untertitel: Am 18. November 2002 wurde die Verleihung des Deutschen Preises für Denkmalschutz mit einem Grußwort der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Christina Weiss, eröffnet.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/44/450044/multi.htm
Ich überbringe Ihnen die Grüße der Bundesregierung und die Glückwünsche an die Preisträger des Jahres 2002. Wie Sie wissen, bin ich seit langen Jahren den Anliegen des Denkmalschutzes und der Arbeit des Nationalkomitees eng verbunden.
Ende Oktober habe ich in meiner ersten Rede im Plenum des Deutschen Bundestages mein Amtsverständnis charakterisiert: Ich sehe mich als Anwältin der Kultur und der Medien mit drei Schwerpunkten in der Praxis: dem Moderieren, dem Repräsentieren und dem "Missionieren" - verstanden als Vermittlung von Kunst und Kultur und Gestaltung ihrer Rolle in unserer Gesellschaft. Sie wissen, wie sehr mir die Kunst am Herzen liegt, dass ich sie als eine Art Katalysator für politischen Willen und soziale Verantwortung begreife, kurzum: Kultur in ihrer klärenden Funktion als notwendigen, integralen Bestandteil für eine menschenwürdige Existenz, unverzichtbar wie das tägliche Brot.
In den vergangenen vier Jahren sind national und international Weichen gestellt und für die Kultur in unserem Lande wichtige Vorhaben begonnen. Ich werde diesen Weg weitergehen und die auf der politischen Agenda stehenden Projekte umsetzen.
Neben diesen drängenden Projekten steht gleichwertig die Aufgabe, Kontinuitäten zu wahren. Hierzu zählen ganz besonders auch die in meinen Zuständigkeitsbereich fallenden Denkmalschutzprogramme des Bundes. Der Denkmalschutz ist mir ein bereits aus meiner Hamburger Zeit und aus meiner Tätigkeit als Präsidentin des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz vertraut. Denkmalschutz und Denkmalpflege sind ein selbstverständlich zum Leben unserer Gesellschaft gehöriger Bereich und zählen neben den Künsten zu den Kerngebieten unserer Kultur.
Gerade weil Kultur in meinen Augen das gesamte Selbstbewusstsein eines Staates und die Regeln des Umganges miteinander angeht, müssen wir Verantwortung übernehmen für die Gestaltungsmöglichkeiten im Umgang mit der Natur, mit der gebauten Umwelt und mit den Gegenständen des täglichen Lebens. Dies bedeutet auch, Wertvorstellungen zu überdenken und auf ihre Bedeutung für die Gemeinschaft und den Einzelnen zu durchleuchten.
Meine Damen und Herren, wir haben, glaube ich, gerade im Bereich der gebauten Umwelt Überprüfungs- und Klärungsbedarf, wenn wir glaubwürdig bleiben wollen. Ich denke dabei nicht nur an die vielen Wünsche, endgültig verloren gegangene Bauten zurückzuholen und damit - aus welchen durchaus nachvollziehbaren Gründen auch immer - in eine "heile Welt" zu flüchten. Mit dem Überdenken meine ich auch den Umgang mit dem tatsächlich noch vorhandenen baulichen Erbe und seinen großen und kleinen Zeugnissen menschlichen Lebens und Handelns, die unser Bewusstsein prägen.
Zur aufgeklärten, verantwortungsvollen Erhaltung und Gestaltung der Lebenswelt gehört in meinen Augen zu allererst Gesprächsbereitschaft, der Dialog zwischen den Bürgern, Fachleuten und selbstverständlich auch den verantwortlichen Entscheidungsträgern. Erst dann wird deutlich, welchen Beitrag die Denkmalpflege gerade durch ihre Verflechtungen mit vielen Lebensbereichen für die heute so oft beschworene Nachhaltigkeit, für eine lebenswerte, sozialverträgliche, ökologisch und ökonomisch sinnvolle Stadtentwicklung leisten kann. Denn Zukunft baut auf Tradition auf. Wir benötigen hier einen intensiven Dialog und die Bereitschaft aller, der Politik und der Bürger, gemeinsam zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.
Vor rund 30 Jahren haben die Bürger unseres Landes den Denkmalschutz nicht nur auf Trab gebracht, sondern sich seither mit wahrem Gemeinsinn immer stärker ideell und finanziell für die Erhaltung ihrer gebauten Umwelt eingesetzt. Die Politik - und insbesondere die Kulturpolitik - hat diese Anstösse aufgenommen und zum Beispiel die notwendigen Schritte zu Erleichterung von Stiftungsgründungen getan. Und gerade kürzlich hat die Kulturpolitik die Pläne zur Abschaffung von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Firmenspenden verhindert, die im karitativen und wissenschaftlich-kulturellen Bereich so dringend gebraucht werden.
Neben dieser Unterstützung der bestehenden Bürgerinitiativen vor Ort und der Stiftungen, neben dem bewundernswerten privaten Engagement stehen die bindenden Verpflichtung der öffentlichen Hand als Vorbild. Die kulturelle Vielfalt in unserem Land ist nur zu erhalten und weiterzugeben, wenn die Politik ihre Gestaltungsmöglichkeiten bewußt und aktiv wahrnimmt.
Daher bin ich dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz dankbar, dass es als wichtiges Forum für die gesellschaftspolitischen Belange von Denkmalschutz und Denkmalpflege über Jahrzehnte hinweg nicht müde geworden ist, diese Verpflichtung einzufordern. Persönlich und in meinen verschiedenen Funktionen bin ich dem Nationalkomitee verbunden und werde es auch weiter nach Kräften unterstützen.
Was Begeisterung bewirken kann, das zeigen uns die Preisträger des Deutschen Preises für Denkmalschutz. Auch ihnen ist der Erfolg keineswegs immer in den Schoß gefallen, und nur durch ihrer Zähigkeit konnte manche Klippe auf kommunaler Ebene überwunden werden. Ganz besonders aber freue ich mich, dass es auch heute noch Lehrer gibt, die ihre Begeisterung für das bauliche Erbe an die Jugend weitergeben. Vielleicht verraten Sie uns Ihr Rezept und geben uns ein paar Nachhilfestunden, wie Begeisterung und Elan zum Wohl unserer Kulturdenkmäler auch Politik und Verwaltungen noch besser erreichen können.
Ich gratuliere Ihnen, meine Damen und Herren Preisträger des Jahres 2002, im Namen der Bundesregierung. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie als Vertreter der Presse mit Ihren konstruktiv-kritischen Äußerungen nicht hinter dem Berg halten, und ich danke Ihnen für vorbildliches bürgerschaftliches Engagement und Ihre persönlichen Leistungen zur Erhaltung unserer vielfältigen Kulturlandschaften und wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit Glück und Erfolg.