Redner(in): Christina Weiss
Datum: 07.12.2002

Untertitel: "Medienkompetenz ist eine Notwendigkeit und gehört zu den modernen Kulturtechniken": Kulturstaatsministerin Christina Weiss spricht sich auf der Konferenz der European Film Academy (EFA), die im Rahmen der Verleihung der Europäischen Filmpreise in Rom stattfand, für eine Verstärkung der Medien- und Filmerziehung an Schulen aus.
Anrede: Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/21/453721/multi.htm


den Organisatoren der diesjährigen Konferenz der Europäischen Filmakademie ist sehr zu danken für ihre Initiative, das Thema der Filmerziehung unserer Jugend in den Mittelpunkt ihres diesjährigen Kongresses zu stellen. Sie haben damit eine ganz wichtige Initiative gestartet, die - wie das Expertenpanel heute morgen gezeigt hat - die Bemühungen der Kulturpolitiker in vielen Ländern Europas effektvoll aufgreift und verstärkt.

Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Medien sein und im Zentrum der modernen Mediengesellschaft steht der Film. Wie Lesen und Schreiben bereits seit langem, so gehört das Verstehen von Filmen, das Erkennen ihrer formalen Sprache und das Erfassen und Bewältigen der Bilder zu den fundamentalen Kulturtechniken unseres neuen Jahrhunderts. Film gewinnt mehr und mehr Bedeutung für die Einschätzung und Beurteilung der sozialen Realität, für die Orientierung des Menschen in seiner Lebensumwelt und zur eigenen Identitätsbildung. Film, insbesondere der Film aus anderen Sprach- und Kulturräumen, prägt zunehmend die Kenntnis anderer Länder, der dortigen Sitten und Gebräuche. Geschichtsbewusstsein, das nationale Selbstverständnis und das Verständnis fremder Kulturen werden in Zukunft mehr und mehr vom Medium Film mitbestimmt.

Unsere Jugend konsumiert zwar mehr oder weniger regelmäßig Filme im Kino und im Fernsehen, die jungen Menschen wissen jedoch in der Regel viel zu wenig oder gar nichts vom Medium Film. Die Fähigkeit, auch im Medium der faszinierenden Unterhaltung den kritischen Blick nicht zu verlieren, die Qualität eines Filmes beurteilen zu können, die Differenzierung des Visuellen, des Imaginären und des Dokumentierten wird aber in Zukunft mitentscheidend sein für eine humane Entwicklung unserer Mediengesellschaft. Medienkompetenz ist mithin eine Notwendigkeit und gehört zu den modernen Kulturtechniken. Kino ist, wie das Fernsehen, Lesesaal der Moderne, ist Ort der Unterhaltung und der Bildung. Kino ist Lernort.

Wie notwendig es ist, unserer Jugend die Möglichkeit und Fähigkeit zu einem verantwortlichen Umgang mit dem Medium Film zu geben, haben nicht zuletzt das erschütternde Ereignis von Erfurt, haben aber auch andere schreckliche Beispiele von Gewaltadaptionen insbesondere jugendlicher Täter gezeigt. Erfurt hat deutlich gemacht, dass wir junge Menschen nicht allein lassen dürfen mit dem bewegten Bild. Hier muss die Politik aktiv werden

In Deutschland, und darüber freue ich mich ganz besonders, ist in diesem Jahr eine breite Initiative zur Medienerziehung in den Schulen gestartet worden. Herr Walther hat ihnen davon ja vorhin berichtet. Diese Initiative, die bereits in einigen Bundesländern mit großer Resonanz bei Schulen, Schülern und Eltern gelaufen ist, wird bundesweit ausgedehnt und soll auch in Zukunft fortgesetzt werden.

Ich bin glücklich darüber, dass sie sich mit ähnlichen Initiativen und Traditionen anderer europäischer Länder trifft und das Thema auf eine so breite Resonanz auch bei den Mitgliedern der Europäischen Filmakademie stößt. Es passiert ja nicht so häufig, dass sich Initiativen aus der Politik mit solchen aus dem professionellen Umfeld treffen.

Weil mir dieses Thema so wichtig ist und weil es dabei auf die breite Unterstützung gerade auch der Branche und vor allem der Filmschaffenden selbst ankommt, haben Institutionen aus Deutschland, und vor allem meine Behörde sich ganz maßgeblich bei der Finanzierung dieses Kongresses engagiert.

Ich denke und hoffe sehr, dass sich diese Initiative fortsetzen wird. Ich habe mit Genugtuung gehört, dass im nächsten Jahr zwei Folgekonferenzen zu dem Thema geplant sind.

Ich würde mir vor allem wünschen, wenn dieses Thema auch auf der politischen Ebene der Europäischen Union aufgenommen würde. Gerade weil der Film als Medium so geeignet ist, Kenntnis von und Verständnis für Sitten und Gebräuche fremder Menschen und anderer Völker zu fördern, kommt seinem richtigen und verständnisvollen Gebrauch für das Zusammenwachsen der Völker Europas, ebenso wie für die Herausbildung bzw. Sicherung allgemeiner politischer und sozialer sowie kultureller Standards eine ganz große Bedeutung zu.

Wir sollten, liebe Frau Reding, dieses Thema deshalb auf die Agenda des nächsten Europäischen Kulturrats setzen.