Redner(in): Christina Weiss
Datum: 24.02.2003

Untertitel: "Kulturpolitik hat die Aufgabe, Freiräume zu schaffen, um künstlerische Produktion zu ermöglichen." Kulturstaatsministerin Weiss spricht in ihrem Vortrag über die Bedeutung von Kunst, Kultur und Kommunikation.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/75/469075/multi.htm


Kunst und Verwaltung, so konstatierte einmal Adorno apodiktisch, seien inkompatibel, weil die Kunst immer nur das Besondere, das Unangepasste, das Gegen-die-Normen vertreten kann. Man kann dieses Diktum so interpretieren, dass Kulturpolitik als wenig aussichtsreiches Unterfangen erscheint. Man kann aus ihm aber auch eine Verpflichtung, eine besondere Herausforderung lesen: Die Künste brauchen gerade deshalb einen Vermittler, eine Vertretung, die in die Gesellschaft wirkt. Kulturpolitik hat die Aufgabe, Freiräume zu schaffen, um künstlerische Produktion zu ermöglichen. Sie muss als Vermittlerin agieren, sie muss Brücken bauen zwischen Kunst und Publikum, dafür Sorge tragen, dass Angebote der Information, des Begreifens, des Diskutierens bereit stehen.

Dies gilt gerade in Zeiten, in denen viel von der "Ökonomisierung des Lebens" die Rede ist. Denn unser Leben kann sich nicht allein auf des vermeintlich Effiziente gründen, es wäre dann in einem substanziellen Sinne unvollkommen. Wir brauchen die Zusammenhänge der Philosophie, der Künste, der geistigen Werte, die dem alltäglichen Leben erst den Orientierungsrahmen geben, innerhalb dessen die praktischen Ziele verfolgt werden sollen. Erich Marcks, Historiker und einer der Gründungsväter der Hamburger Universität, hat dies bereits 1913 pointiert formuliert: "Wirtschaftliche Enge und kulturelle Banalität" seien die wirkliche Gefahr für die geistigen Lebenskräfte. Es gebe nichts "Unpraktischeres als die Blindheit für den Wert des Unpraktischen". Denn "keine Begrenzung auf das Nützliche ist wahrhaft nützlich."

Diese Diagnose gilt nach wie vor; sie ist vielleicht aktueller denn je. Wir sehen uns im weiten Feld der Kultur mit einer paradoxen Situation konfrontiert: Einerseits gibt es das verbreitete Unverständnis den Werken der zeitgenössischen Kunst gegenüber, ein Unverständnis, das aus mangelnder Neugier und mangelnder Wertschätzung für künstlerische Arbeit generell, aber auch aus mangelnder Vermittlung heraus wächst. Oft genug wird fast reflexartig die Frage nach dem Sinn staatlicher Förderung gestellt - "für so was". Als Folge solch gestörter Kommunikation sehen sich auch die Künstler selbst einem verschärften Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, der durch die Finanzkrisen auf allen Ebenen noch zugespitzt wird.

Das ist die eine Seite der Problematik, die andere betrifft unsere Konsumhaltung und die in den letzten Jahrzehnten beschleunigte "Ästhetisierung unserer Lebenswelt". Wir leben in einer durchgestalteten Event-Gesellschaft mit einer wachsenden Nachfrage nach "schön" gestalteten Oberflächen, Designambienten und Wellness-Emotionen. Und entsprechend verlangen viele Menschen auch von der Kunst, sie solle "ästhetisch" sein und gefallen. Dabei ist unser Alltagsgebrauch des Wortes "ästhetisch" eigentlich das Resultat eines Missverständnisses: "Ästhetisch" bedeutet nämlich eben nicht "schön", auch wenn diese Bedeutung sich seit der Aufklärung in unser Denken geschlichen hat. Und "ästhetisch" bedeutet erst recht nicht "gefällig", wie uns die Werbung glauben lassen will. Ästhetisch "ist im Grunde ein kunsttheoretischer Begriff und bezieht sich auf den Anspruch eines Werkes, als Kunst bezeichnet zu werden." Ästhetisch "heißt: eine an der künstlerischen Wahrnehmung trainierte Wahrnehmung." Schön " ist dagegen ein sehr relativer Gefallensbegriff, der sich weitaus mehr auf Genussobjekte und Konsumgegenstände bezieht. Die Zwischenbereiche der angewandten Künste und des Design, die auf Funktionalität und gelungene Form setzen, fördern das Missverständnis, ästhetisch sei gleichzusetzen mit schön.

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Jeder würde zustimmen, dass eine Architektur wie die des neuen jüdischen Museums in Berlin von Daniel Libeskind oder die des Guggenheim-Museums in Bilbao von Frank Gehry den Künsten zuzuordnen ist, also ästhetisch im Sinne der Ausgewogenheit von Idee und Ausdruck ist. Im Sinne von: Es macht neugierig, es packt mich, es lässt kein distanziertes Achselzucken zu. Diese Werke lassen aber sehr wohl zu, dass jemand sie nicht als schön wertet. Die Vermischung der Begriffe und der damit verbundenen Vorstellungen geht eindeutig zu Ungunsten der neuen Kunstentwicklung aus. Dort geschieht eben etwas anderes, etwas, das nicht so glatt und poliert als "ästhetisch" bezeichnet würde von denjenigen, die damit nur "schön" ausdrücken wollen.

Es stellt sich so leicht ein Missverständnis gegenüber den Künsten ein. Insbesondere wenn sie die Schönheitserwartung enttäuschen - wie es bei Werken der zeitgenössischen Kunst häufig der Fall ist - geraten sie in erhebliche Legitimationszwänge. Die Bedeutung von Kunst gerät dabei leicht aus dem Blick: Kunst ist das Kraftfeld der Kreativität in einer Kultur. In der Auseinandersetzung mit den Künsten lernen wir, unsere Subjektivität auszuprägen, unsere innere Vielfalt, unsere geistige Unabhängigkeit. Im Umgang mit Kunst erwerben wir Fähigkeiten, die grundlegend, aber nicht selbstverständlich sind: Wir trainieren unsere Wahrnehmungsfähigkeit, schulen die emotionale Intelligenz ebenso wie das Vermögen, über plurale Weltsichten nachzudenken und mit kulturellen Differenzen produktiv umzugehen.

Künstlerinnen und Künstler erkunden Grenzbereiche, sie zeigen Grenzen auf und überschreiten sie zugleich. Und die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung präsentieren sie als Angebot an die Sinne, das in jedem Akt der Rezeption neu und anders begriffen werden kann. Kunst stellt immer wieder neue Beziehungen her zwischen Optionen der Wahrnehmung und Formen der Reaktion. Die Künste ermöglichen und erfordern auf diese Weise eine Art von Kommunikation, wie sie für unsere Gesellschaft einmalig ist. Diese Art von Kommunikation erschließt uns neue Felder der Erfahrung und des Denkens. Kunst ist das Labor für die Energien der Phantasie.

Die spezifische Form der Kommunikation, in die uns die Auseinandersetzung mit Kunst führt, bedarf der Vermittlung, weil sie Offenheit, die Bereitschaft, bis dato Unbekanntes zu erfahren, voraussetzt. Kulturpolitik muss die Weichen dafür stellen, dass wir uns diese Neugierde erhalten, dass Kunst verstehbar gemacht wird, denn nur so kann sie produktiv und entwicklungsfähig bleiben.

Ich möchte vor diesem Hintergrund mein Amtsverständnis so beschreiben: Ich verstehe mich als Vermittlerin von Kunst und Kultur. Dazu gehört das Moderieren ( auch zwischen Kunst und Verwaltung ) , das Repräsentieren - im Sinne von Interessen vertreten und der Kultur eine Stimme geben - und das "Missionieren", das politische Werben für Freiheitsräume, das Eintreten für eine Haltung des Respekts und der Neugier gegenüber den Künsten.

Kulturpolitik, die sich als Vermittlungsinstanz begreift, muss für ein entsprechendes Koordinatensystem Sorge tragen. Ein solches Rollenverständnis verlangt den Blick über den Tellerrand des Tagesgeschehens hinaus. Gerade Kulturpolitik darf sich, allen Aufgeregtheiten zum Trotz, nicht allein der Aktualität ergeben. Ich möchte nun auf einige der Vorhaben eingehen, die mich als Kulturstaatsministerin beschäftigen.

Ein Kernelement der Kulturpolitik auf Bundesebene ist die Schaffung möglichst günstiger Rahmenbedingungen für die Entstehung von Kunst und Kultur. Das klingt zunächst abstrakt - es geht um komplexe rechtliche und finanzielle Regelungen, die sich aber sehr konkret auf die Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern und auf die Entwicklungschancen von Kultur auswirken. Vor diesem Hintergrund haben wir in den rot-grünen Koalitionsvertrag mit der Prüfung der Kulturverträglichkeit von Gesetzen und Rechtsetzungsvorhaben ein Instrument aufgenommen, das sich bereits dreimal als sehr wertvoll erwiesen hat: bei der Steuerabzugsfähigkeit von gemeinnützigen Spenden ( die abgeschafft werden sollte ) , beim reduzierten Mehrwertsteuersatz für Kunstwerke ( der ebenfalls gefährdet war ) und bei den steuerlichen Anreizen für den Denkmalschutz. Dass ich mich gemeinsam mit vielen Vertretern der Kulturszene erfolgreich für den Erhalt dieser kulturfreundlichen Regelungen einsetzen konnte, hat wesentlich mit der Festlegung im Koalitionsvertrag zu tun. Übersteigerte Erwartungen muss ich dennoch dämpfen: Die Kulturverträglichkeitsprüfung ist kein Allheilmittel, sie wirkt nicht wie ein wundertätiges Wässerchen, das den Pflanzen der Kultur zu ungeahntem Wachstum verhilft. Dennoch werden wir sie zum festen Bestandteil des politischen Alltags machen, denn es geht dabei nicht nur um Geld und juristische Details, sondern auch um eine grundsätzliche Haltung der Gesellschaft gegenüber Kunst und Kultur.

Eine wesentliche Plattform - auch unter dem Gesichtspunkt der Vermittlung - haben wir mit der im vergangenen Jahr errichteten Kulturstiftung des Bundes geschaffen. Aus meiner Sicht hatte die Stiftung einen fulminanten Start. Diese Institution kann Debatten anstoßen und organisieren, und sie kann - manch skeptischen Einwürfen zum Trotz - die Vorteile föderaler Verfasstheit mit der Aufwertung zentraler kultureller Vorhaben durch den Bund kombinieren. Die Kulturstiftung des Bundes wird das Engagement der Bürgerinnen und Bürger für die Belange von Kunst und Kultur fördern, die Kraftzentren kreativer und geistiger Entwicklung stärken und nicht zuletzt auf der europäischen Ebene sichtbar agieren.

Und es hat sich bereits gezeigt, dass die Kulturstiftung des Bundes eine wertvolle Ergänzung ( und nicht eine Einschränkung ) der Kulturförderungen der Länder bildet. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es zu einer gemeinsamen, nationalen Stiftung von Bund und Ländern kommt. Die Gespräche über eine Zusammenführung der Kulturstiftung der Länder mit derjenigen des Bundes haben begonnen. Es kommt hier vor allem darauf an, einen konzeptionellen Konsens zu finden, der eine nachhaltige Förderung kultureller Entwicklungen in Deutschland ermöglicht.

Eine weitere Institution, die prädestiniert ist, das Miteinander von Bund und Ländern in der Förderung von Kunst und Kultur zu verdeutlichen, ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Länder ihre vor gut einem Jahr bekundete Absicht zum Ausstieg aus der Stiftung inzwischen revidiert haben und sich weiter an ihrer Finanzierung beteiligen wollen. Diese Entwicklung, für die mein Haus sich sehr engagiert hat, setzt zugleich ein Signal für den Fortgang der Gespräche zur Systematisierung in der Kulturförderung, bei denen Bund und Länder inzwischen weit vorangekommen sind. Allerdings ist die Frage noch offen, wie in Zukunft die Beteiligung der Länder an der Finanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aussehen wird.

Eines der wichtigsten, wenn nicht das zentrale Projekt der Stiftung ist die Sanierung der Berliner Museumsinsel. Der Bund hat mit der vollständigen Übernahme des Bauhaushaltes der Stiftung in Höhe von rund 100 Millionen € jährlich die Finanzierung dieser Aufgabe von nationalem Rang übernommen. Dieses Museumsbauprojekt versinnbildlicht wie keine anderes in Deutschland die Kraft der Kultur und der Künste; wie ein Brennspiegel bündelt es Vergangenheit, gegenwärtige Aufgaben und künftige Chancen kultureller Entwicklung.

Bei den unmittelbar anstehenden Vorhaben kommt der Novellierung des Filmfördergesetzes hohe Priorität zu. Wir wollen und müssen das neue Gesetz zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft setzen. Ich habe für morgen zu einer Sitzung des "Bündnisses für den Film" eingeladen und werde dabei noch einmal ausloten, wie es um den Konsens der Beteiligten bestellt ist. Im Anschluss wird mein Haus einen Referentenentwurf vorlegen und das Gesetzgebungsverfahren einleiten.

Auch die insgesamt sehr erfolgreiche Berlinale hat gerade gezeigt: Es gibt spannende und eigenständige Produktionen aus Deutschland, die ihr Publikum finden, auch wenn sie sich nicht an den Mainstream-Formaten orientieren. Der Erfolg von Wolfgang Beckers "Good Bye Lenin" an den Kinokassen ist dafür nur ein Beleg. Bei der Reform der Filmförderung kommt es nun vor allem darauf an, das kreative Potenzial der deutschen Filmszene auf eine bessere Basis zu stellen. Entscheidende Fragen werden sein: Steigerung der Effizienz des Förderwesens, Stärkung der Eigenkapitalbasis der Produzenten, Verstärkung der Absatzförderung und Ausbau der Abgabepflichten im Filmbereich, insbesondere der Leistungen des Fernsehens. Wollen wir uns an Modellen wie dem französischen orientieren - in der Quotenfrage, bei der Rolle der Filmförderungsanstalt, bei der Fondsfinanzierung? Auch die Frage der Gründung einer Deutschen Filmakademie, bei der wir auf sehr gutem Wege sind, gehört in diesen Zusammenhang.

Ein weiteres drängendes Thema sind die mit dem Insolvenzverfahren zu Tage getretenen Schwierigkeiten des "Deutschen Musikrats". Ich bin hier allerdings zuversichtlich, dass es uns gelingt, eine tragfähige neue Struktur zu finden. Diese Struktur muss die vom Musikrat geförderten Projekte wie "Jugend musiziert" oder das Bundesjugendorchester absichern, und sie muss Turbulenzen wie die derzeitigen für die Zukunft ausschließen.

Zu den vornehmsten Aufgaben der Bundeskulturpolitik zählt die Interessenvertretung innerhalb des zusammenwachsenden Europas. Durch das Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien hat Deutschland nun endlich nicht nur ein kulturpolitisches Gesicht im Kreis der europäischen Kulturminister, sondern natürlich auch ein Ohr und eine kulturpolitische Stimme. Ich werde mich dafür einsetzen, dass das, was wir auf nationaler Ebene vereinbart haben, auch im europäischen Rahmen geschieht: eine sorgsame Prüfung der Kulturverträglichkeit von Brüsseler Rechtssetzungen in allen Politikbereichen. Es geht dabei zum Beispiel um das Urheberrecht, um das Folgerecht oder um Fragen der Besteuerung von Kulturgütern.

Kulturverträglichkeit bezieht sich gerade auch im europäischen Kontext auf Vorhaben im Medienbereich. Die Medien nehmen in meinem Verständnis eine spezifische Doppelstellung ein: Sie sind einerseits Teil der Kultur, auch in dem Sinne, dass sie zur Ausbildung von Subjektivität beitragen, andererseits tragen sie wesentlich zur Vermittlung von Kultur bei.

Konkret steht auf EU-Ebene die Revision der Fernsehrichtlinie auf der Agenda - das klingt sehr technisch, hat aber unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität und Vielfalt von Kultur. Die Überarbeitung im Zuge der Reform der europäischen Medienordnung ist erforderlich, um die Richtlinie an das veränderte technische Umfeld anzupassen - Stichwort Konvergenz der Medien. Da die Europäische Kommission wesentliche Regelungsbereiche auf den Prüfstand stellen wird, die direkte Konsequenzen für unsere nationale Gesetzgebung haben, ist die Revision von hoher kultur- und medienpolitischer Relevanz. Im Kern geht es hier um die Frage, wie weitgehend der Medienbereich den Regeln des Marktes überlassen werden soll. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Programmvermehrung beim Rundfunk im Zuge der Digitalisierung nicht nur zu einem "more of the same" wird, sondern ein hochwertiges und pluralistisches Programm zur Verfügung stellt - nicht nur, aber auch damit Kunst und Kultur in den Medien immer wieder neu und anders zugänglich bleiben.

Ich plädiere dafür, die nicht zuletzt in diesem Zusammenhang bedeutende Stellung der öffentlich-rechtlichen Anbieter zu erhalten. Die Revision der Fernsehrichtlinie soll zudem genutzt werden, um europäische Werke und unabhängige Produzenten zu fördern. Wir brauchen vor dem Hintergrund der Globalisierung ein Mehr an europäischer Identität.

Im Rahmen der Welthandelsorganisation und des GATS-Abkommens wird derzeit über weitere Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich verhandelt. Betroffen sind davon nicht zuletzt die Angebote von Kultureinrichtungen, des Films und des Rundfunks. Auch diese Verhandlungen haben eine europäische Dimension. Ich habe dieses Thema vor einigen Tagen mit meinem französischen Amtskollegen Aillagon erörtert, und wir waren uns einig, dass alle Liberalisierungsoptionen auf ihre Kulturverträglichkeit zu prüfen sind. Liberalisierung darf nicht dazu führen, dass die historisch gewachsene Kulturlandschaft in Europa gefährdet wird. Europa muss kultur- und medienpolitisch handlungsfähig bleiben. Das heißt insbesondere, dass es auch nach Abschluss der GATS-Runde möglich sein muss, bewährte Instrumente wie die Förderung von Filmen in der EU und in ihren Mitgliedsstaaten, die öffentliche Förderung von Kultureinrichtungen und die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beizubehalten.

Die Kulturbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU sind bemerkenswert selbstverständlich geworden. Kenntnis und Wertschätzung der Alltagskultur, des Films, der Literatur, der Musik ( etc. ) des jeweils anderen Landes gehören zur kaum noch in Frage gestellten Lebensqualität. Dennoch bedarf das Interesse aneinander ebenso wie das Verständnis füreinander einer konstanten Pflege und Sensibilität. José Ortega y Gasset formulierte es einmal so: "Die europäische Kultur ist eine immer fortdauernde Schöpfung. Sie ist keine Herberge, sondern ein Weg, der immer zum Gehen nötigt."

Und die Perspektive hier ist eine auf Europa insgesamt: Ich begreife die europäische Kulturlandschaft als einen Zusammenschluss von Regionen, in denen die Akzeptanz des Anderen eine Voraussetzung dafür ist, sich der eigenen kulturellen Wurzeln zu vergewissern. Ich sage dies auch mit Blick auf die künftigen osteuropäischen Mitglieder der EU, aber auch mit Blick auf Russland, wo ich vor einigen Wochen Gespräche über die deutsch-russischen Kulturbegegnungen geführt habe, die in diesem und im nächsten Jahr in beiden Ländern stattfinden werden. Die Grundlage Europas kann nur eine geistig-kulturelle, nicht eine ökonomische sein. Und diese Grundlage wird letztlich nur tragen, wenn die Kulturbeziehungen zwischen uns und unseren östlichen Nachbarn dieselbe Selbstverständlichkeit erlangen wie die zu unseren westlichen Partnern. Hamburg ist als Knotenpunkt im Ostseeraum prädestiniert, hier einen signifikanten Beitrag zu leisten.

Über den einzelnen Themen - das ist mir gerade auch auf Bundesebene wichtig - sollten wir die fundamentale Bedeutung der Kultur nicht aus dem Blick verlieren. In Zeiten, in denen immer wieder von Krise, gar von "Depression" die Rede ist, brauchen wir Orientierung im Grundsätzlichen. Die Energien dafür liefert uns nur das Kraftfeld der Kultur. Ohne sie ist das geistige, seelische und soziale Überleben unserer Gesellschaft immanent gefährdet. Kultur hilft dem Einzelnen, sich seiner selbst bewusst zu werden und sich zu positionieren. Und sie hilft der Gesellschaft, die Gegenwart eben auch als Chance zu begreifen. Kulturpolitik muss helfen, dafür die Weichen zu stellen.