Redner(in): Joschka Fischer
Datum: 26.02.2003

Untertitel: Interview von Bundesaußenminister Fischer u.a. zur Irakkrise in der ZDF-Sendung "Was nun?" am 26.02.2003 (Auszug)
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/39/469539/multi.htm


Frage: In diesen Tagen wird auf allen politischen Ebenen um eine Lösung in der Irak-Krise gerungen. Wie groß schätzen Sie denn die Chance ein, dass es überhaupt noch zu einer friedlichen Lösung kommen kann?

Antwort: Ich kann das nicht quantifizieren. Ohne jeden Zweifel ist die Lage sehr schwierig. Aber dennoch, solange eine Chance besteht, muss man alle Kraft dafür einsetzen, zu einer nichtmilitärischen Lösung, zu einer friedlichen Lösung zu kommen.

Sie haben mal von fünf Prozent gesprochen. Ist das zu hoch gegriffen? Ist es eher weniger geworden?

Ich habe nicht von fünf Prozent gesprochen, sondern es wurde in einem Interview zitiert, dass jemand anderes von 95 Prozent gesprochen hat, die bedeuten, dass es zu einem Krieg kommt. Wie gesagt fühle ich mich für die fünf Prozent zuständig, nämlich alles zu tun, um zu einer friedlichen Lösung zu kommen, weil ich glaube, die Risiken - wenn der erste Schuss gefallen ist, was hoffentlich nicht der Fall sein wird - eines solchen Krieges, vor allen Dingen die langfristigen Risiken, die humanitären Risiken, die Risiken für regionale Stabilität und auch das Terror-Risiko sind nicht kalkulierbar. Deswegen lehnen wir diesen Krieg ab.

Saddam Hussein hat in einem jüngsten Interview mit CBS klar gesagt, dass er offensichtlich nicht bereit sei, die Kurzstreckenraketen "El Samoud 2" zu zerstören bis Samstag. Ist das der Testfall, der die Kooperationsfähigkeit von Saddam Hussein zeigt?

Also, den Teil, den ich gesehen habe - - - zumindest die Klarheit habe ich ( da ) nicht gehört.

Er hat gesagt, die gibt es gar nicht. Deswegen kann er sie auch nicht zerstören.

Klar ist folgendes: Klar ist, das ist ein Ergebnis der Inspektionsarbeit. Der Irak hat die Raketen deklariert. Daraufhin wurden sie untersucht. Man hat festgestellt, dass die Raketen Reichweiten, die erlaubt sind, überschreiten. Der Irak darf ( Raketen ) bis 150 Kilometer Reichweite haben und muss bis zum 1. März mit der Zerstörung beginnen. Das ist eine Auflage, die Hans Blix, der zuständige Leiter des Inspektionsteams der Vereinten Nationen, dem Irak aufgegeben hat. Das muss er leisten. Und der Irak ist aufgerufen.

Wenn er das nicht tut, ist das die Ultima Ratio?

Nein, das geht hier nicht um Ultima Ratio. Er muss es tun. Und wir müssen jetzt die verbleibende Zeit nutzen. Der Irak hat ja gleichzeitig, wie Blix wiederum gestern mitgeteilt hat, weitere positive Schritte unternommen. Und das zeigt, dass die Inspektionen funktionieren. Und wir müssen ja abwägen. Wir müssen immer abwägen zwischen den Risiken, die ein Krieg bedeutet. Hier wird mir viel zu leicht, viel zu schnell darüber gesprochen, auch in den Medien, was tatsächlich Risikoreduktion, das heißt Begrenzung, Herunterfahren des Risikos Iraks, bedeutet. Der Irak ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt kontrollierter denn je. Seine Möglichkeiten, andere zu schädigen, auch mit Massenvernichtungswaffen, sind reduzierter denn je. Und beim besten Willen, wenn ich mir das anschaue, dann finde ich, ist nur eine Konsequenz, nämlich dass wir diesen Weg der Inspektionen weitergehen, angemessen.

Bleiben wir noch mal bei diesen Raketen. Nun haben ja die Vereinigten Staaten kürzlich in einem Resolutionsentwurf gesagt: Der Irak hat im Grunde die Chance ( verstreichen ) lassen, richtig sichtbar abzurüsten. Wenn also Saddam, wie Sie es ja jetzt auch hoffen, Entgegenkommen zeigt, wird das die Amerikaner überhaupt beeindrucken?

Das sind alles solche Wenn-dann-Fragen ( ... ) . Die Dinge sind zu ernst. Deswegen: Ich denke, der Irak muss diese Chance nutzen, die die Resolution des Sicherheitsrates 1441, ihm gibt. Er darf keine Massenvernichtungswaffen haben. Er muss abrüsten. Und das ist das, was jetzt mit den Raketen geschehen muss. Blix hat einen Arbeitsplan in der Ausarbeitung. Wir wünschen uns, dass er den auf den Tisch legt. Dort sind weitere operative Schritte umgesetzt. Und so sollten wir Schritt für Schritt vorangehen, um die Resolution 1441 des Sicherheitsrates umzusetzen - aber mit friedlichen Mitteln.

Wenn-dann-Fragen gehören immer zur Strategie. Ich glaube, ein verantwortlicher Außenminister würde nicht gut handeln, wenn er die Frage "Wenn, dann" sich selbst nicht stellen würde.

Richtig. Aber ein verantwortlicher Außenminister setzt sich nicht ins Fernsehstudio und erörtert öffentlich Fragen von Krieg und Frieden unter Wenn-dann-Gesichtspunkten. Das ist alles. Selbstverständlich machen wir uns permanent Gedanken.

Sie bezweifeln ja nicht, dass die Militärpräsenz der USA die Tätigkeit der UN-Inspekteure ermöglicht hat oder zumindest sehr stark stützt. Wäre es dann für Europa und Deutschland nicht richtig, sich an den Stationierungskosten und an der Stationierung Amerikas zu beteiligen, auch gerade als Signal und Argument für Verlängerung der UN-Inspektionen?

Ich glaube, dass ist nicht eine Frage, die sich jetzt stellt. Zumindest ist sie im Sicherheitsrat noch niemals diskutiert worden, auch im internationalen Zusammenhang nicht, sondern die Frage, vor der wir stehen, ist: Können wir eine militärische Aktion, können wir einen Krieg verhindern durch friedliche Mittel, durch nichtmilitärische Mittel? Das ist die Aufgabe, an der wir jetzt alle - mit "wir" meine ich die internationale Staatengemeinschaft, auch die Sicherheitsratsmitglieder, die Europäische Union - im transatlantischen Bündnis arbeiten. Das ist die Aufgabe, die wir leisten müssen. Und da haben wir gemeinsam mit Frankreich und Russland einen Vorschlag vorgelegt, der diesen Weg der Abrüstung des Irak mit friedlichen Mitteln nun beschreibt. Und darauf konzentrieren wir uns.

Aber die Beteiligung an der so genannten Drohkulisse - es ist ein furchtbares Wort - könnte doch auch ein Weg sein, den Amerikanern die Verlängerung eher schmackhaft zu machen.

Das, glaube ich, ist eine falsche Betrachtung, weil: Wir reden ja nicht von einer Drohkulisse, sondern von dem Aufbau einer Armee, die wirklich zu einem Krieg befähigt ist. Das ist wesentlich mehr als eine Drohkulisse. ... )

Das heißt, unsere große Sorge ist, dass wir nicht Gefangene werden einer Automatik, einer militärischen Aufmarsch-Automatik. Das ist die Sorge. Eine Drohkulisse wäre etwas anderes. Aber darüber möchte ich jetzt nicht spekulieren, sondern wir haben es hier mit einer kriegsfähigen Armee zu tun. Das heißt, wir müssen jetzt unsere ganze Energie darauf konzentrieren, die Abrüstung des Irak mit wirksamen Schritten voranzubringen. Ich wiederhole noch mal, dass Dr. Blix und Dr. El Baradei mit ihren Teams - zuständig für chemische und biologische Rüstung und für atomare Rüstung - dabei die entscheidenden Instrumente sind.

Aber immer mit der US-Armee im Rücken.

Es ist die Aufstellung, mit der wir es jetzt zu tun ( haben ) . Hätten Sie mich vorher gefragt - nach dem 11. 09. - , welche Agenda, welche Priorität ich mir gewünscht hätte, hätte ich mir eine andere Priorität gewünscht. Ohne jeden Zweifel, Afghanistan, da gab es keinen Weg daran vorbei, auch an der militärischen Aktion, weil ein direkter Weg vom 11. 09. - von dem furchtbaren grausamen Terroranschlag, dem so viele unschuldige Menschen zum Opfer fielen in New York und in Washington - dort hin führte. Aber der zweite Schritt wäre dann ein Herangehen an die Lösung der Regionalkonflikte gewesen, um die kooperative Unterstützung der gesamten Region zu erhalten, die unsere direkte Nachbarregion ist. Jetzt haben wir eine andere Situation. Jetzt haben wir die 1441. Wir haben den Aufmarsch der Armeen. Wir haben die drohende Kriegsgefahr. Und in dem Rahmen müssen wir jetzt versuchen zu agieren. Und das heißt für mich, unter dem Einsatz friedlicher Mittel die Resolution umzusetzen und den Irak abzurüsten. ... ) Kann man sich als Außenminister überhaupt vorstellen, dass die USA auf einmal sagen würden: "Die Sache ist erledigt. Wir ziehen alles zurück" ? ... ) Wir müssen Acht geben, dass wir hier nicht Gefangene eines Automatismus werden. Ich will die Frage einmal umgekehrt stellen: Man muss ja immer an Alternativen denken. Die Alternative ist Krieg. Krieg bedeutet, dass vermutlich sehr viele unschuldige Menschen sterben müssen, in Mitleidenschaft gezogen werden auf furchtbare Art und Weise. Aber darüber hinaus, es ist eine der gefährlichsten Regionen. Wir haben dort einen Regionalkonflikt, der mit zu den gefährlichsten der gegenwärtigen Weltpolitik gehört.

Ist das nicht so wie im Kosovo damals?

Nein, das ist anders.

Da haben Sie damals den Einsatz begründet mit Menschenrechtsverletzungen, mit der Bedrohung für die gesamte Region. Das kommt einem so unbekannt dann doch nicht vor.

Doch. Ich will Ihnen sagen, wo für mich der Unterschied liegt, sonst würde ich anders argumentieren. Ich meine, diese Bundesregierung hat sich dreimal unter Inkaufnahme ihrer politischen Existenz für eine Militäraktion entschieden. Jetzt sind wir nicht davon überzeugt. Ich will Ihnen sagen, warum: Weil wir nicht sehen, dass alle Mittel erschöpft sind. Bevor ich das Risiko einer militärischen Aktion eingehe, vor allen Dingen unter den Bedingungen, wo wir einen Kampf gegen den Terrorismus haben, einen nicht gelösten Regionalkonflikt, der ein hohes Bedrohungspotential beinhaltet, und gleichzeitig noch die Situation der langfristigen regionalen Destabilisierung, muss ich mich fragen: Wirken denn die Inspekteure nicht? Und beim besten Willen, da komme ich, wenn ich mir das wirklich sehr pragmatisch und sehr nüchtern anschaue, zu der Situation, dass Saddam Hussein unter dem Einsatz der Inspekteure, unter dem Einsatz der Resolution 1441 und ihrer Umsetzung im Irak, heute kontrollierter denn je ist. Das heißt, unter den Gesichtspunkten, beim besten Willen, müssten Sie mir erklären, warum wir jetzt, wo dieses Mittel mitnichten erschöpft ist - wir haben es jetzt bei den Raketen gesehen, wir werden es im anderen Zusammenhang sehen - , diesen Prozess abbrechen sollten. Deswegen sind wir auch gegen den Vorschlag der zweiten Resolution, denn das bedeutet eine Beendigung der Umsetzung der 1441. Und da fällt mir - ehrlich gesagt - wirklich kein in der Sache mich überzeugendes Argument ein.

Im Sicherheitsrat wird es früher oder später zum Schwur kommen müssen ( ... ) Wie entscheidet Deutschland? Kann sich Deutschland enthalten?

Wissen Sie denn, worüber wir entscheiden werden, wenn der Sicherheitsrat entscheidet? Ich weiß es zur Stunde nicht. Es gibt den Vorschlag, einen Resolutionsentwurf, wo wir klar gesagt haben, dass wir den nicht richtig finden. Und auf der anderen Seite gibt es das französisch-deutsch-russische Memorandum, das klarmacht, in welche Richtung wir weiter ganz konkret Schritt für Schritt mit der Abrüstung des Iraks gehen wollen. Und wir haben nicht umsonst diesen Vorschlag gemacht, weil wir den für richtig halten. Eine Situation, eine Entscheidungssituation, wie Sie sie jetzt beschreiben, dass es da zum Schwur kommen muss - ich hoffe, dass wir in der Abrüstung so vorankommen, dass der von Ihnen beschworene Schwur "Sag ja oder Nein zum Krieg oder enthalte dich", dass es zu dieser Situation nicht kommt. Daran arbeiten wir ( ... ) . Mich interessiert nicht, eine spekulative Frage zu beantworten, sondern dass wir weder in die Kriegsautomatik kommen noch in eine Entscheidungsalternative, die ich für falsch halte. Das ist unser Vorschlag, den wir gemeinsam auf den Tisch gelegt haben mit Frankreich und Russland.

Aber sind Sie nicht in dieser Kriegsautomatik auch schon mit drin? Heute ist das erste AWACS-Flugzeug in der Türkei gelandet, mit einer deutschen Besatzung. Wir haben Spürpanzer in Kuwait. Man liest in den Zeitungen, die Sondereinsatzkräfte üben schon in Kuwait. All das ist doch schon eine Vermischung mit diesem Konflikt.

Nein, das ist es nicht. ( ... ) Das Letztere hat der Kollege Struck heute im Kabinett eindeutig richtig gestellt, dass dies nicht richtig ist, was die Sondereinsatzkräfte in Kuwait betrifft. Die Spürpanzer sind im Rahmen des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus dort. Wir haben Soldaten im Rahmen des Auftrags "Enduring Freedom" in Afghanistan, in Kuwait, am Horn von Afrika. Wir haben Soldaten der Luftstreitkräfte, ( ... ) am Boden und das ist im Rahmen eines Mandats des Deutschen Bundestages. Die Bundesregierung ist durch unsere Verfassung nur an dieses Mandat gebunden. Und in dem Rahmen werden sie eingesetzt und in keinem anderen Rahmen. Nun kommen wir zur Türkei. Die Türkei hat mit "Enduring Freedom" nichts zu tun, sondern die Türkei ist eine rein defensive Maßnahme, es ist Bündnisgebiet ( ... ) , die AWACS werden nicht eingesetzt, etwa für Feuerleit-Aufgaben in einem möglichen militärischen Konflikt im Irak oder für Zielerkennung oder Ähnliches, sondern ausschließlich defensiv im Rahmen des Bündnisgebietes, das heißt der NATO unterstehendes Territorium der Türkei. Die Türkei ist Mitglied der NATO. ... ) Heute hat die NATO weitere Truppen und Geräte zur Hilfe für die Türkei angefordert. Warum verweigert die Bundesregierung die Hilfe?

Wir verweigern überhaupt nicht die Hilfe. Erstens haben wir jetzt wirklich - ich weiß, wovon ich rede und auch der Bundeskanzler - lange daran gearbeitet, dass es zu einer Deblockierung des NATO-Entscheidungsprozesses gekommen ist. Ein ganzes Wochenende haben wir zu zweit daran gegeben ( ... ) . Wir haben gesagt, Israel wird sofort und unmittelbar mit "Patriot" -Luftabwehrraketen geholfen. Die haben wir dorthin geschickt. Der Türkei liefern wir Raketen, das System wird von anderen gestellt. Wir sind mit dabei bei den AWACS, ein Drittel etwa sind deutsche Soldaten, die in den AWACS dort im Rahmen rein defensiver Aufgaben des NATO-Bündnisses ( tätig werden ) . Aus unserer Sicht ist das an defensiver Leistung genug. Andere werden das Ihre auch zu leisten haben. Das ist die Position der Bundesregierung, die haben wir der NATO übrigens schon seit längerem mitgeteilt. Im Übrigen wird auch die Bewachung amerikanischer Basen hier in Deutschland mittlerweile von Bundeswehrsoldaten durchgeführt.

Es geht um neun zusätzliche "Patriot" -Systeme, so viel ist das nicht ( ... ) Es ist für die Bürger schwer verständlich, warum man auf der einen Seite die Spürpanzer in Kuwait lässt und auf der anderen Seite ein betroffenes NATO-Land selbst nicht zusätzlich stützt.

Das tun wir doch. Wir haben doch unsere Bereitschaft im Rahmen unserer Möglichkeiten angekündigt. Und das haben wir zugesagt. Das haben wir schon seit längerem zugesagt. Im Übrigen ist das das übliche Verfahren. Ich glaube auch nicht, dass die Bürger damit Probleme haben, ich bekomme ja da auch viel an Diskussionen mit Bürgern mit. Sondern nochmals: Was wir in Afghanistan haben, was wir in Kuwait haben, was wir am Horn von Afrika haben, ist im Rahmen des Bundeswehrmandats "Enduring Freedom". Was wir in der Türkei leisten, ist rein defensiv. Es steht in keinem Zusammenhang mit einer möglichen Militäraktion im Rahmen des NATO-Bündnisses. Dort haben wir unsere Bereitschaft, was wir zu leisten in der Lage sind und was wir willens sind, angekündigt. Das weiß die NATO und dabei bleibt es. ... )

George W. Bush hat ja die Autorität der UNO in mehreren Äußerungen angezweifelt. Wenn es jetzt ohne Zustimmung der UNO zu einem Krieg käme ( ... ) , wäre das auch fast schon das Ende der UNO?

Ich halte die UNO für unverzichtbar. Ich kenne keine andere Organisation - ich erlebe sie ja von innen ( ... ) , ich erlebe, wie in Situationen - Afghanistan zum Beispiel - wo nichts mehr ging, die Letzten, die noch humanitäre Hilfe geleistet haben, neben dem internationalen Komitee vom Roten Kreuz die UNO-Hilfsorganisationen waren. Eine Welt ohne die UNO wäre eine hoch gefährliche, eine instabile Welt. Und insofern halte ich diese Organisation als Dachorganisation ( und ) auch, dass das Gewaltmonopol beim Sicherheitsrat bleibt ( ... ) , für unverzichtbar. Und insofern sehe ich auch keine Entgegensetzung zwischen der Macht Amerikas und den Vereinten Nationen, sondern beides zusammen werden wir brauchen für eine friedliche Welt. ... ) Das erst Mal seit dem Krieg ist das deutsch-amerikanische Verhältnis wirklich gestört. Geben wir dort nicht eine jahrzehntelang funktionierende Gemeinschaft zugunsten einer wenig berechenbaren Achse Paris-Berlin-Moskau-Peking auf?

Ich sehe keine Achse, die als Alternative zum transatlantischen Bündnis existieren würde. Die Grundkonstanten sind für uns völlig klar: Der wichtigste Partner für Frieden und Stabilität für uns - aber nicht nur regional, sondern auch global - sind die Vereinigten Staaten. Ich erlebe das selbst in Südasien, im Konflikt zwischen Indien und Pakistan, in Ostasien. Ich rede mit Colin Powell so oft, da würden Sie sich vermutlich wundern ( ... ) . Die Grundkonstanten, dass auch das vereinte Europa eine enge transatlantische Partnerschaft braucht, weil die transatlantische Partnerschaft einer der Eckpfeiler für Frieden und Stabilität global auch im 21. Jahrhundert ist, steht für mich überhaupt nicht in Zweifel. Genauso sind wir in den europäischen Integrationsprozess eingebunden. Diese beiden Grundkonstanten bleiben. Nur eine Partnerschaft von Demokratien setzt natürlich voraus, dass es eine Partnerschaft ist, dass gesprochen wird, dass diskutiert wird, dass es Unterschiede gibt. Man muss einfach feststellen ( ... ) , dass Millionen von Europäern der Meinung sind, dass die Risiken einer möglichen Militäraktion so groß sind, dass wir sie nicht eingehen sollten. Und das muss ein Bündnis von Demokratien aushalten, dass es Widersprüche gibt. Aber schauen Sie sich das mal praktisch an: Wir sind der zweitgrößte Truppensteller international. Wir begannen mit 200 Millionen Euro 1998, heute sind wir bei zwei Milliarden Euro Finanzierung, die wir leisten - von dem Risiko, dass unsere Soldaten eingehen ganz zu schweigen. Wir sind aufs Engste verbunden mit den USA, mit unseren europäischen Partnern. Manche, die uns kritisieren, wenn die Ähnliches leisten würden, dann sähe die Situation durchaus positiver aus...

Ist es nicht furchtbar, dass in einer solchen Zeit zwischen den Regierungschefs dieser beiden Länder keine Sprache mehr gefunden wird... ?

Also, ich habe hier einen Grundsatz, dass ich mich nicht öffentlich zu äußere zu den Regierungschefs, weil das sehr sensibel ist. Aber aus meiner Sicht ist völlig klar - ich erlebe das auch in der täglichen Zusammenarbeit, das gilt für Bundeskanzler Schröder wie für mich, wie für die gesamte Bundesregierung - , wir sind verlässliche Partner. Allerdings, wenn wir etwas falsch finden, wenn wir sogar die tiefe Sorge haben, dass es in eine Richtung geht, wo die Risiken überwiegen, dann müssen wir das sagen und das haben wir unseren Partnern auch gesagt, und so werden wir das auch in Zukunft halten. Aber das ist keine Infragestellung des transatlantischen Bündnisses.