Redner(in): Christina Weiss
Datum: 26.03.2003

Untertitel: Das diesjährige europäische Jugendmusikfestival "Young Euro Classic" wird am 08. August 2003 in Berlin eröffnet. Kulturstaatsministerin Weiss unterstützt die Idee des Festivals als eines wichtigen Forums für europäische Jugendorchester, um zeitgenössische Kompositionen ihrer Heimatländer vorzustellen.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/80/475280/multi.htm


Anlässlich der heutigen Pressekonferenz von "Young Euro Classics" erklärte die Kulturstaatsministerin: Wenn die Berliner Orchester in den Ferien sind und die musikalischen Spielpläne magerer werden, dann wird am Konzerthaus am Gendarmenmarkt der Europa-Teppich ausgerollt. Das Festival "Young Euro Classic" empfängt nun schon zum vierten Mal ein neugieriges Publikum. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass Völkerverständigung am besten in der Sprache der Musik funktioniert, weil jedes Kind Musik versteht, auch wenn es die Sprache des Komponisten nicht beherrscht.

Die Jugendsymphonieorchester aus europäischen Ländern ziehen hier in Berlin nicht nur viel Publikum an, sie lösen auch Sympathie, gar Euphorie aus. Der Erfolg von "Young Euro Classic" wirft die Frage auf, wie Kinder und Jugendliche zu erreichen sind, die sich gewöhnlich nicht für sinfonische Musik interessieren, die Pintscher oder Ligeti nicht unbedingt zu ihren Superstars zählen. Das Verständnis von Musik und die Fähigkeit, Musik selbst auszuüben, ist ein Teil der kulturellen Sozialisation des Menschen. Wenn wir diesen Teil verkümmern lassen, verlieren wir nicht nur den Zugang zu einem großartigen Teil unserer Kulturgeschichte und Tradition, sondern auch die Grundlage für Neues, was wir - gerade in dieser Stadt - so dringend brauchen. Deutschland muss dringend in die kulturelle Bildung investieren. Eine Investition, die nicht nur Kassen auffüllt. Es geht um eine Investition in die Köpfe, vor allem in die Köpfe unserer Jugend.

In diesem Zusammenhang bin ich überzeugt, dass der Deutsche Musikrat seine existenzielle Krise überwunden hat und sich mit der Kraft seiner Mitglieder dem Thema der musikalischen Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen wieder verstärkt widmen kann. Die Gesellschaft braucht offene Analyse, kompetenten Rat und Partner, die gute und richtige Ideen auch umsetzen können. Der Bund kann diese Arbeit nur durch Modellvorhaben gemeinsam mit den Ländern oder Veranstaltungen auf Bundesebene unterstützen. In diesem Zusammenhang sei nochmals an die Verantwortlichen appelliert, Einfluss zu nehmen, dass das Investitionsprogramm des Bundes "Zukunft Bildung und Betreuung" in Höhe von vier Milliarden Euro nicht zuletzt für verbesserte Bedingungen für die musikalische Bildung und Erziehung genutzt wird. Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn in deutschen Haupt- und Grundschulen bis zu 90 Prozent des Musikunterrichts ausfällt, wie es der Deutsche Musikverlegerverband ermittelt hat.

Die junge Musikszene Deutschlands mit ihren Schul- und Musikschulorchestern, den Orchestern der Hochschulen und den freien Trägern bis hin zu den Landesjugendorchestern verzeichnet Zuwächse. Aber man muss heute die Hoffnung hinzufügen, dass diejenigen, die den Musikerberuf mit Leib und Seele ergreifen wollen, auch ihre Chance im Berufsleben erhalten. Seit 1992 gingen an deutschen Orchestern fast 1.800 Stellen ( von vormals über 12.000 ) verloren, weil Kommunen und Länder angesichts sinkender Einnahmen das historisch gewachsene Orchesternetz nicht mehr finanzieren können. Vor diesem Hintergrund die Förderung von Jugendorchestern zu streichen, wäre in doppelter Weise absurd: Einmal, weil nur ein Teil dieser jungen Musiker tatsächlich später den Musikerberuf ergreift, die übrigen aber künftig auch das fachkundige Publikum bilden. Zum anderen, weil ein Stück Qualität der Aus- und Fortbildung verloren ginge, die für dieChance, eine Stelle in einem Orchester zu erhalten, angesichts eines längst weltweit orientierten Musikmarktes von großer Bedeutung ist. Young Euro Classic "gibt nicht nur Gelegenheit, etwas von der hohen Musikkultur anderer Länder zu erfahren, sondern lässt auch Raum für ganz individuelle Zugänge zu den Kulturen im zusammenwachsenden Europa. Ohne diese Erfahrungen, ohne die Neugier aufeinander und ohne das Wissen voneinander bleibt das oft zitierte" europäische Haus " leer. Das Festivalbietet die Möglichkeit, auch Werke von europäischen Komponisten zu hören, die den Hörern in Deutschland bislang verborgen geblieben sind oder selten aufgeführt werden. In diesen Festivalwochen sind wir dem neuen Europa sehr nahe.