Redner(in): Christina Weiss
Datum: 08.04.2003

Untertitel: Die neuen elektronischen Medien haben einen großen Anteil an der fortschreitenden Globalisierung. Staatsministerin Christina Weiss beschreibt in ihrer Rede wie die Bundesregierung auf diese Herausforderung in verschiedenartigen Bereichen wie u.a. Jugendschutz und Urheberrecht handelt.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/34/478134/multi.htm


Ich begrüße Sie zur vierten vom Handelsblatt ausgerichteten Jahrestagung "Zukunftsforum Medien". Wenn wir den Untertitel der Tagung - Erfolgreiche Geschäftsmodelle in einer bewegten Branche - auf seine Bedeutung ausloten, besteht sicherlich in einem Punkt Einigkeit: Die Medien sind eine bewegte Branche und das wird im positiven Sinne auch so bleiben. Aber es kann nicht schaden, wenn bisweilen das Fahrwasser etwas ruhiger, der Ausblick etwas sicherer wird.

Als Stichworte nenne ich hier nur die wirtschaftlichen Turbulenzen bei den Unternehmen der Kirchgruppe, die Situation auf dem Telekommunikationsmarkt nach dem Ersteigern der UMTS-Lizenzen sowie Verkauf und Entwicklung des Breitbandkabelnetzes. Diese Beispiele bestätigen, was der Titel unserer Tagung auch impliziert: Erfolgreichen Geschäftsmodellen stehen auch schmerzliche Rückschläge gegenüber, kurz: die Goldgräberstimmung vergangener Jahre ist perdu.

Uns alle vereint das Interesse an erfolgreichen Geschäftsmodellen, wie auch immer der Einzelne den Erfolg interpretieren mag. Mir ist an zwei Aussagen gelegen: Fehlschläge sind nicht wertlos, wenn man aus ihnen lernt; und: der Erfolg eines Geschäftsmodells lässt sich nicht ausschließlich wirtschaftlich definieren. Ich denke, zu oft haben wir bei der Entwicklung der elektronischen Medien allein die technischen Aspekte im Auge gehabt: Wie wird das Internet noch schneller, wie vielseitig kann ein Handy sein, wie viele Programme lassen sich beim digitalen Fernsehen übertragen?

Angesichts der Fülle der schon vorhandenen, erst recht der sich für die Zukunft abzeichnenden medialen Möglichkeiten sollten wir den Nutzer in den Blick nehmen. Ihn interessieren die Inhalte der elektronischen Medien.

Als allgemeine Überzeugung gilt: Die Entwicklung der digitalen Informationsgesellschaft wird geprägt durch die Globalisierung mit ihrer weltweiten Vernetzung und den daraus resultierenden kommunikativen Möglichkeiten. Die Digitalisierung beschert uns neue Freiheit, wir verengen uns nicht auf ein Medium. Das Internet ist omnipräsent, es bietet völlig neuartige Ansätze des Informations- , wichtiger noch des Gedanken- und Meinungsaustausches, über nationale, kulturelle, ethnische und weitgehend auch sprachliche Grenzen hinweg. Aber wie nutzen wir diese Chancen am überzeugendsten?

Wir bestaunen einerseits eine Bilder- und Informationsfülle, die unabhängig von Ort und Zeit verfügbar ist; andererseits erwachsen daraus wirtschaftliche und kulturelle Fragen: wie sieht das veraltete Medienangebot aus, das für den Verbraucher zusätzlichen Nutzen bringt? Wer reduziert die Menge des Angebots für den Einzelnen so sinnvoll, dass er nicht Hilflosigkeit empfindet, sondern seine persönlichen Interessen aufgehoben sieht? Wer sorgt für Qualitätskontrolle, wie lassen sich ungeklärte Urheberrechtsfragen lösen, und weiter: Gerade die Flüchtigkeit der neuen Medien birgt die Gefahr des allmählichen Verschwindens eines gemeinsamen Kanons kultureller und intellektueller "Gemeinschaftserlebnisse". Dies zu verhindern, ist m. E. auch Aufgabe des Rundfunks, speziell des Fernsehens.

Die teilweise rasante Verbreitung des Internets hat dem Fernsehen seinen Rang als audiovisuelles Leitmedium nicht genommen. Noch haben die großen Inhalteanbieter im Internet nicht den gleichen massenmedialen Einfluss wie die großen Fernsehveranstalter. Die Suggestivkraft des Fernsehens ist unübertroffen und es bietet uns trotz der schon erreichten Vielzahl von Programmen immer noch so etwas wie eine "gemeinsame Öffentlichkeit" : Einen erheblichen Teil dessen, was wir durch das Fernsehen erfahren, deckt sich mit dem, was unser Umfeld in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft und im Freundeskreis wahrnimmt.

Der klassische Rundfunk wird aber in Zukunft seine Rolle als kommunikatives Leitmedium nur gemeinsam mit anderen elektronischen Medien ausfüllen können. Für alle müssen wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass wir sowohl dem öffentlich-rechtlichen System als auch den privaten Anbietern eine wirtschaftliche und technische Basis schaffen.

Die Schwierigkeiten des Medienimperiums von Leo Kirch haben im vorigen Jahr gezeigt, wie riskant es sein kann, den wirtschaftlichen Schwerpunkt auf weitgehend exklusive Angebote zu legen. Bei den Übertragungsrechten für Sportereignisse hatten die von Kirch gezahlten Preise bislang ungeahnte Höhen erreicht und wohl die Grenze der Refinanzierbarkeit überschritten. Die Chancen des Pay-TV sind mit der vorübergehenden Etablierung einer proprietären technischen Plattform sicherlich nicht gestiegen. Mittlerweile ist man von diesem Weg abgewichen und setzt auf einen gemeinsamen Standard.

Der MHP-Standard und die Digitalisierung der Angebotsübertragung werden die notwendigen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Rundfunks und das Zusammenwachsen von Informations- , Kommunikations- und Rundfunktechniken schaffen. Sie bilden auch die infrastrukturellen Grundlagen für die Markteinführung neuer digitaler Produkte und Dienste, sowohl beim klassischen Rundfunk als auch im Bereich neuer multimedialer Dienste. Berlin ist ja - zusammen mit Brandenburg - Vorreiter bei der Einführung des digitalen Fernsehens und wird damit bald praktische Erfahrungen mit der digitalen Technik haben.

Ich gehöre sicher nicht zu jenen, die in jeder Suppe nach einem Haar suchen. Schön wäre es natürlich, wenn möglichst bald der feste Standard auch beim digitalen terrestrischen Fernsehen Basis sein könnte und der Verbraucher mit überraschenden Zusatzangeboten überzeugt werden könnte. Die Technik allein genügt nicht. Ich denke, wir sind uns einig, dass es in einem immer breiter werdenden Markt nicht genügt, Angebote als möglichst preisgünstiges Werbeumfeld zu gestalten. So kann beispielsweise ein Fernsehmarkt mit einer wachsenden Anzahl von Programmen, die jedoch alle nur "more of the same" bieten, auf Dauer nicht funktionieren. Nötig ist ein qualitativer Wettbewerb zwischen den Fernsehprogrammen. Ich weiß, das dies bei der derzeitigen konjunkturellen Lage und den erheblichen Einnahmerückgängen bei der Fernsehwerbung wohl leichter gesagt als getan ist. Ich verkenne auch nicht, dass der private Rundfunk in Deutschland im internationalen Vergleich qualitativ gut abschneidet. Trotzdem wird ein wirtschaftlicher Aufschwung in den Medien - so meine ich - nur mit einer inhaltlichem Aufschwung einhergehen.

Die Programmindustrie verlangt nach Ideen. Dazu gehört, den beteiligten Unternehmen bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn: nur wer verdient, kann investieren.

Ich werde mich deshalb bei der Reform der Fernsehrichtlinie für eine Deregulierung der Werberegeln einsetzen. Quantitative Beschränkungen der Werbezeit sind unangemessen und sollten gestrichen werden. Auch das enge Korsett für die Unterbrecherwerbung gehört auf den Prüfstand. Allerdings sollte das Blockwerbegebot grundsätzlich erhalten bleiben, um nicht einer Zerstückelung und damit Entwertung audiovisueller Werke Vorschub zu leisten. Neue Techniken wie Split-Screen und virtuelle Werbung, die in Deutschland bereits erlaubt sind, sollten europaweit festgeschrieben werden.

Aber nicht nur wegen der Einnahmemöglichkeiten der privaten Free-TV-Sender ist die Revision der Fernsehrichtlinie von hoher medienpolitischer Bedeutung. Die Richtlinie hat das Ziel, grenzüberschreitendes Fernsehen in Europa rechtlich abzusichern. Damit die Regelungen zukunftsfähig bleiben, sollten sie evaluiert werden. Sie haben unmittelbare Auswirkung auf unsere nationale Gesetzgebung.

Ich teile die Ansicht der zuständigen Kommissarin Reding, dass die gemeinschaftliche Politik im audiovisuellen Bereich ein doppeltes Ziel hat. Zum einen dient sie dem audiovisuellen Sektor des Binnenmarktes. Sie garantiert die freie Verbreitung der Programme und stärkt die audiovisuelle Branche. Zum anderen enthält die Fernsehrichtlinie kulturelle und soziale Implikationen.

Wie wir gerade auf der Cebit erleben konnten, schreitet die Konvergenz der Produkte immer weiter fort, wenn auch vielleicht nicht ganz so schnell, wie noch vor einigen Jahren erwartet. Der Fernseher wird in der Zukunft eher ein reiner Monitor. Die Konvergenz steckt im Produkt und im Netz. In absehbarer Zukunft werden sich fast alle Dienste auf den unterschiedlichsten Endgeräten nutzen lassen. Darauf muss die Politik reagieren, nicht zuletzt um Rechtssicherheit zu schaffen.

Der rein technische Ansatz ist überholt. Entscheidend ist der Inhalt des Dienstes und nicht der Verbreitungsweg. Für den jeweiligen audiovisuellen Dienst müssen gleiche Regelungen gelten, auch wenn sie verschiedene technischen Plattformen nutzen.

Jugendschutz muss auf allen Übertragungswegen gleich standardisiert sein, die Mittel dafür können aber unterschiedlich sein! Insgesamt werde ich der Vereinfachung der Vorschriften sowie in einzelnen Bereichen - ich habe die Werbung bereits genannt - einer Deregulierung das Wort reden. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag trägt erfolgreich den Herausforderungen der Konvergenz Rechnung und hat einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Rundfunk und Dienste der Informationsgesellschaft geschaffen, der die Selbstverantwortung der Anbieter entscheidend stärkt. Diesen Schutz für alle elektronischen Medien müssen wir europäisieren.

Das Bemühen, das Programm zu verbessern, unterstütze ich mit dem neuen Filmförderungsgesetz. Es wird die wirtschaftliche Lage unabhängiger Produzenten entspannen. Im Konsens mit der Branche möchte ich auch erreichen, dass ein größerer Teil der in die Filmpools fließenden Investitionen deutschen Produktionen zugute kommt.

Um dies zu unterstützen, werde ich mich für eine Diskussion über die Förderung der europäischen, sprich jeweils nationalen Programmindustrie einsetzen. Lassen Sie uns doch einmal fern von Emotionen über die Vorteile eines Investitionsbeitrags diskutieren! Wäre ein solcher Beitrag nicht sinnvoll, weil er eben weniger in die Programmautonomie eingreift als die Quote, die die Fernsehveranstalter verpflichtet, den Hauptteil ihrer quotenrelevanten Sendezeit europäischen Werken zu reservieren. Ein solcher Investitionsbeitrag lässt den Fernsehveranstaltern die Freiheit, viele kostengünstige oder einige wenige teure Sendungen zu produzieren. Eine solche Maßnahme könnte als Garant für neue Produktionen dienen.

Dabei geht es ja nicht nur um das Fernsehprogramm, sondern auch um Filme. In diesem Zusammenhang möchte ich das Media Plus Programm erwähnen. Dahinter verbirgt sich das wichtigste Förderprogramm für die audiovisuelle Wirtschaft. Durch seine Konzentration auf den grenzüberschreitenden Vertrieb ergänzt es die in den Mitgliedsstaaten bestehenden Förderungen, die sich überwiegend auf Produktionshilfe stützen. Damit trägt Media Plus wesentlich dazu bei, in den Staaten der Europäischen Union auch das Interesse für Filme der Nachbarstaaten zu wecken.

Die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen im privaten Film- und Fernsehsektor sollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Recht nicht tangieren. Für ihn bildet die Gebührenfinanzierung ein sicheres Fundament. Die Öffentlich-Rechtlichen sind insofern privilegiert - haben dafür aber auch etwas besonderes zu leisten. Für unsere Gebühren erwarten wir mehr als nur "ein bisschen" Informations- und Bildungsfernsehen, sondern auch Unterhaltung, Sport und nicht zuletzt Kultur. Das verstehe ich unter Grundversorgung.

Ich sehe durchaus das Dilemma bei unseren öffentlich-rechtlichen Anstalten: Sie sollen für Qualität stehen, benötigen aber eine signifikante Quote, um ihre Gebühren zu legitimieren. Das heißt, sie müssen auch die Masse erreichen, also mit Qualität Quote machen. Beispiele dafür gibt es - gerade bei ARD und ZDF - genug. In England existiert sogar eine privater Sender - Channel 4 - der sich zum Qualitätsfernsehen bekennt und mit einer Quote von rund 10 % wirtschaftlich nicht schlecht lebt.

Sie werden verstehen, dass mir als Staatsministerin für Kultur und Medien gerade die Kultur im Fernsehen gar nicht stark genug sein kann. Abseits von ARTE und3sat - geht es mir um die Vermittlung von Kultur im Hauptprogramm von ARD und ZDF. Ich sehe einen Auftrag auch darin, Schwellenängste gegenüber der Kultur abzubauen und nach Formaten zu suchen, die die Kulturberichterstattung auch mal von der etwas leichteren Seite angehen.

Es leuchtet mir ein, dass es nicht einfach ist, den Programmauftrag im Rahmen einer Selbstverpflichtung zu definieren - und dies nicht nur mit Leerformeln, sondern konkreten Aussagen zu verbinden. Aber es ist notwendig und wird dazu beitragen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als stabilen Pfeiler der elektronischen Medien zu erhalten und ihn vor "Übergriffen" aus Brüssel zu bewahren.

Eine wichtige Rolle für den Erhalt des Fernsehens als Leitmedium sehe ich auch in dem Zugriff auf gesellschaftlich relevante Ereignisse. Wir alle erinnern uns noch an die Verhandlungen über die Übertragungsrechte der vergangenen Fußballweltmeisterschaft. Nach zähem Ringen durften ARD und ZDF 24 oder 25 Spiele übertragen. Dies geschah zu einem Preis, der manchen zu astronomisch erschien. Im Zuge der Kirch-Insolvenz stand dann plötzlich alles wieder in Frage. Mancher Fußballfan bangte gar, ob die WM überhaupt im Free TV zu sehen sein würde. Schlussendlich ging es glimpflich aus. Es blieb der Dissens über die digitale Satellitenausstrahlung: Darunter hatten ausgerechnet diejenigen Zuschauer zu leiden, die ihr Fernsehprogramm ausschließlich digital via Satellit empfangen können und damit an eine besonders fortschrittliche Empfangstechnik glaubten.

Dazu darf es nicht noch einmal kommen. Jeder einzelne von uns zahlt Steuern, auch für Fussball-Stadien. Damit erwirbt man das Recht auf eine zumindest virtuelle Eintrittskarte.

Versetzen Sie sich bitte einmal kurz in die Lage einer Medienpolitikerin: Bei Ereignissen im eigenen Land - ich denke an die Fußball-WM 2006 - existiert ein Teilhabeanspruch des Bürgers und Steuerzahlers, und der ist nicht zurückzuweisen.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass dieser Anspruch nicht einfach zu verwirklichen ist. Dem Recht kann sicher am einfachsten mit der Verschlüsselung der Signale Rechnung getragen werden. Auf der anderen Seite stoßen wir hier schon auf ein medienpolitisches Problem: der Fortschritt, also die Möglichkeit der Verschlüsseln, führt zu einem Rückschritt bei der Wahrnehmbarkeit der Angebote. Das kann nicht unser Ziel sein.

Natürlich habe auch ich kein Patentrezept. Die Lösung dafür liegt in Europa. Ich werde mich dort dafür einsetzen, dass die Nutzerinteressen berücksichtigt werden. Hinzu kommen muss freilich eine auskömmliche Regelung für die Rechteinhaber.

Meine Damen und Herren, die Entwicklung digitaler Übertragungstechnik vollzieht sich in einem Tempo, mit dem die Gestaltung des Rechts nicht immer Schritt gehalten hat. Nicht nur in Deutschland ist es schwer, die EU-Richtlinie zum Urheberrecht umzusetzen. Im Informationszeitalter darf hier von einer außerordentlich komplexen und zudem von stark gegensätzlichen Interessen geprägte Angelegenheit gesprochen werden. So werden wir mit einem einfachen Verbot illegale Kopien nicht automatisch verhindern. Und was nützt es, nach einem möglichen Gesetz Zehntausende jugendliche "Straftäter" auf dem Schulhof zu wissen?

Auch muss die Frage erlaubt sein, inwieweit die Musikwirtschaft selbst die Urheberrechte ihrer Autoren schützt und angemessen vergütet. Die Frage stellt sich mir, wenn in einem Konzernteil die CD-Brenner für die Kopie der Musik hergestellt werden, die zur gleichen Zeit in einem anderen Teil des Konzerns produziert wird. Das Problem hat sich heute nur von der technischen Seite mehr hin zur Software verschoben. Jeder Kopierschutz hat aber bisher seinen Meister gefunden. Gerade erst wurde wieder eine Neuentwicklung ( "Alcohol 120 %" ) vorgestellt, die bisherige Kopierprogramme an Handhabbarkeit und Wirksamkeit übertreffen soll. Und selbst wenn ein hundertprozentiger Kopierschutz gelänge, bliebe - darüber spricht nur niemand - immer noch die Möglichkeit der nachträglichen Digitalisierung einer analogen Kopie. Und wie Sie wissen, ist auch die so erreichbare Qualität ganz ordentlich.

Das ist kein genuines Problem der Musik. Der erfreuliche Anstieg der Spielfilmverkäufe auf DVD ( Steigerung von 1,3 Mio. Einheiten auf 3,0 Mio Einheiten in 2002 ) könnte bald an ein Ende gelangen, wenn DVD-Brenner erschwinglicher werden. Das wird bereits in diesem Jahr der Fall sein. Bereits jetzt lassen sich über schnelle Breitband-Leitungen Filme wie Musik aus dem Internet herunterladen und auf CD oder DVD brennen.

Neues Ungemach droht mit einer völlig neuen Generation von Handys, die mit Multimedia-Funktion ausgestattet sind. Zur diesjährigen Cebit konnten wir nicht nur Handys mit polyphonen Klingeltönen und integrierter Kamera betrachten, sondern auch die ersten Geräte mit eingebautem MP3 -Player. Von dort ist es dann nur noch ein winziger Schritt, dass man sich die Musik vom Internet auf das Handy lädt und dann per SMS verschickt. Wenn man sich die Entwicklung ausmalt, könnte man eigentlich den Mut verlieren! Kämpfen wir also gegen Windmühlenflügel?

Halten wir doch folgendes fest: Das Hören von Musik gehört zu unserer liebsten Freizeitbeschäftigung. Die Musikwirtschaft spricht mit Sarkasmus davon, dass man 2002 mit rund 500 Mio. Einheiten noch nie so viele CD's verkauft habe, allerdings sei leider mehr als die Hälfte unbespielt gewesen.

Die technische Entwicklung vom CD-Player über den MP3 -Player bis zum Handy hat der Musiknutzung ohne Zweifel neue Felder erschlossen, die nicht nur eine Verletzung der Autorenrechte bedeuten müssen. Verbreitung digitaler Medieninhalte bedeutet auch, neue Räume für den Einsatz urheberrechtlich geschützter Werke zu schaffen und den Schutz dann auch zu realisieren, z. B. durch Abgaben bei den Betreibern von Internetradios und kommerziellen Download-Angeboten von Unternehmen oder Handelsketten.

Wir wollen nicht vergessen, dass auch mit den Herstellern von CD-Brennern eine Pauschalabgabe vereinbart wurde und seit Kurzem neben CD-Rohlingen auch DVD-Rohlinge mit einer pauschalen Abgabe belastet werden, die über die Verwertungsgesellschaften an die Autoren ausgeschüttet werden. Solange es keine geeigneten technischen Verfahren gibt, eine auf den konkreten Nutzer bezogene Abrechnung zu gewährleisten, ist die Pauschalabgabe sicherlich angemessen, um Autoren an der Nutzung ihrer Werke zu beteiligen.

Wir werden - das ist meine Überzeugung - das Problem der illegalen digitalen Kopie nicht völlig eliminieren können, aber wir können sie eindämmen.

Dazu muss die EU-Richtlinie zum Urheberrecht im Informationszeitalter in nationales Recht gemünzt werden, wodurch die offene Verbreitung von Programmen zur Umgehung des Kopierschutzes unterbunden wird. Illegale digitale Kopien werden erschwert und es entsteht eine Rechtsgrundlage, Verstöße zu ahnden.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht das ausschließliche Recht des Urhebers vor, sein Werk in "körperlicher" oder "unkörperlicher" Form öffentlich wiederzugeben. Das bedeutet, dass es alleiniges Recht des Urhebers ist, sein Werk z. B. in das Internet zu stellen, analog oder digital zu vervielfältigen und zu verbreiten. Damit werden die neuen Möglichkeiten der Veröffentlichung und Verbreitung durch die neuen Medien vom Urheberrecht erfasst.

Bliebe dieses exklusive Recht des Urhebers allerdings schrankenlos, wäre jegliche Wiedergabe oder Vervielfältigung, die nicht ausdrücklich durch den Urheber autorisiert ist, unzulässig. Dass dies nicht praktikabel sein kann, liegt auf der Hand. Daher sieht auch der aktuelle Gesetzentwurf Schranken vor, die das Urheberrecht in solchen Fällen begrenzen, in denen gesellschaftspolitisch der öffentliche Zugriff geboten ist.

Wesentlicher Diskussionspunkt aus kulturpolitischer Sicht ist dabei § 52 a UrhG-E, der das ausschließliche Recht des Urhebers, sein Werk öffentlich zugänglich zu machen, zu Gunsten von Unterricht und Forschung beschränkt. Ich weiß, dass dies bei Vertretern der Urheber und im Verlagsbereich z. T. auf Kritik stieß. Sie befürchteten, dass ganze Marktsegmente wegbrechen könnten, da z. B. Schulbücher vollständig und unkompliziert aus dem Internet vervielfältigt und verbreitet werden könnten. Gleichwohl ist es geboten, Unterricht und Forschung die Nutzung der Wege, Methoden und Quellen, die die neuen Medien eröffnen, zu ermöglichen und nicht Wissensbildung durch zu strenge Vorschriften zu behindern. Die sich nun abzeichnende Verständigung, die urheberrechtliche Schranke zu Gunsten von Unterricht und Forschung vorzusehen, sie aber auf sehr kleine Teile eines Werkes zu beschränken, scheint bei den meisten der Betroffenen auf Zustimmung zu stoßen.

Ergänzend sorgt das System der Pauschalabgaben - das sich im Hinblick auf die "alten Medien" bewährt hat - für eine praktisch mögliche Handhabung des Urheberrechts, ohne dass jeder Nutzer Kontakt zum Urheber oder Rechteinhaber aufnehmen müsste. Für die Verwertungskette bedeutet dies, dass künftig auch aus dem öffentlichen Zugänglichmachen mittels neuer Medien Einnahmen entstehen. Auch auf Geräte, die digitale Kopien ermöglichen, werden Pauschalabgaben erhoben. Diese fließen an die Verwertungsgesellschaften und kommen den Beteiligten der Verwertungsketten zugute.

Eine Einschränkung dieser grundsätzlichen Linie könnte für den Film notwendig sein. Zwar funktioniert die analoge Verwertung bislang unproblematisch, weil private Kopien erst am Ende der "Auswertungskaskade" praktikabel wurden und dann als TV-Mitschnitte wirtschaftlich nicht mehr relevant waren.

Mit der digitalen Kopie ändert sich das. Der frühe Kopie-Zugriff aus dem Internet oder durch DVD-Brennen lässt erwarten, dass die dringend gebotene Zeit der Amortisierung für die Film- und Videowirtschaft nicht mehr besteht. Diese Frage bedarf weiterer Prüfung und soll gesondert, mit allen Betroffenen, insbesondere der Filmbranche, den Ländern, der Rechtswissenschaft sowie der Rechtspraxis intensiv erörtert werden.

Ansonsten könnte die Exklusivität eines Films bereits in der Startphase durch gesetzliche Lizenzen so "durchlöchert" werden, dass schon kurz nach dem Kino- bzw. Videostart eine ständig größer werdende Anzahl von Konsumenten den Film lieber aus dem Internet herunterlädt oder auf DVD brennt, anstatt ins Kino zu gehen oder eine DVD zu kaufen. Der Produzent wird dann früher oder später aufgeben müssen.

Man könnte einwenden, dann geht es diesem Wirtschaftszweig eben so wie der Musikindustrie. Das ist aber wenig hilfreich. Denn erstens versuchen wir ja auch die Dinge bei der Musikindustrie in den Griff zu bekommen und zweitens hatten wir dort von Anfang an eine andere Situation. Im Film- und Videobereich gibt es bislang keine Praxis des Kopierens noch während des Großteils der Verwertungskette.

Noch ein Wort zur Musikindustrie: Gegen illegale Downloadanbieter und Tauschbörsen wird mit allen rechtlichen und technischen Mitteln weiter vorgegangen, ebenso gegen professionelle Piraterie.

Und als Alternative zu illegalen Kopien müssen legale Online-Angebote entwickelt werden, die preislich attraktiv, servicefreundlich, sicher sind und die Autorenrechte wahren.

Letztlich muss aber auch die Musikwirtschaft dafür sorgen, dass der Besitz eines Originals durch Gestaltung und Ausstattung attraktiv bleibt, wobei eine attraktive Preisgestaltung zu überlegen wäre.

Und eines darf natürlich auch nicht vergessen werden - der Künstler selbst! Man hört immer wieder Stimmen, die der Musikwirtschaft eine Vernachlässigung der langfristigen Arbeit mit den Künstlern vorwerfen und darin einen Grund für die stark rückläufigen Verkäufe sehen. In der Tat ist mit der einsetzenden Krise vor allem an A & R- Managern ( Artist and Repertoire ) gespart worden, die eigentlich neue Talente entdecken und aufbauen sollen. Inzwischen scheint ein Umdenken in Gang zu kommen. Sony oder Universal bauen wieder stärker auf das lokale Repertoire. Durch eine gezielte Arbeit mit Künstlern haben 2002 vor allem die zahlreichen Independend Labels in Deutschland ihre Stärke bewiesen und ihre Umsätze im Gegensatz zu den Major-Firmen auch halten, ja sogar teilweise steigern können.

Soweit mein Ausblick auf die Entwicklung auf dem Medienmarkt. Ich wünsche der Tagung des Handelsblatts einen anregenden und erfolgreichen Verlauf. Lassen Sie uns alle mitwirken an der "bewegten Branche", Provider, Rundfunkveranstalter, Technik- und Contentanbieter. Lassen Sie uns kritische und innovationsfreudige Nutzer eines Medienmarktes sein, den es in dieser Breite und Vielfalt noch nie gegeben hat.