Redner(in): Christina Weiss
Datum: 27.06.2003

Untertitel: "Die Sendungen der Deutsche Welle haben der Welt nach dem Krieg ein Deutschland gezeigt, dass bereit war, sich zu verändern. Die Welt hörte und sah zu, schöpfte Vertrauen und merkte, dass es diesem Land ernst damit war, die gewonnene Freiheit zu verteidigen und mehr Demokratie zu wagen."
Anrede: Sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Herr Bettermann, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/99/496699/multi.htm


ES GILT DAS GESPROCHENE WORT! Die Geschichte soll nicht das Gedächtnis beschweren, sondern den Verstand erleuchten."

Mit dieser Erkenntnis von Gotthold Ephraim Lessing denken wir nicht nur an die vergangenen fünfzig Jahre der Deutschen Welle zurück, sondern zugleich auch an einen wesentlichen Teil der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Geburt "eines deutschen Kurzwellenprogramms für das Ausland" war begleitet vom gnadenlosen Parteiengezänk, von der Befürchtung, dass hier ein willfähriger Propagandasender den Mächtigen zu Diensten sei. Doch statt Zweckmeldungen und Regierungsverlautbarungen, klärte dieser Sender auf. Er zeigte, wie dieses neue Deutschland lebt, was von denen, die Verantwortung tragen, zu halten ist und verband diesen Anspruch mit höchsten journalistischen Grundsätzen. Chefredakteur Hans Otto Wesemann hielt seine Redakteure dazu an,"in erster Linie gründlich und sachlich zu informieren, nichts zu beschönigen und nichts zu übertreiben." Ein Ehrencodex, der auch nach einem halben Jahrhundert keineswegs an Gewicht verloren hat.

Die Sendungen der Deutsche Welle haben der Welt nach dem Krieg ein Deutschland gezeigt, dass bereit war, sich zu verändern. Die Welt hörte und sah zu, schöpfte Vertrauen und merkte, dass es diesem Land ernst damit war, die gewonnene Freiheit zu verteidigen und mehr Demokratie zu wagen. Dazu gehörte zuvorderst eben auch die Pressefreiheit. Viele Landsleute hörten nach Jahren wieder Nachrichten oder Musik aus der alten Heimat. Die, die gegangen waren und die, die man vertrieben hatte, meldeten sich in Briefen. Wer sie liest, ahnt etwas, wie dicht in ihren Zeilen Freude und Erschütterung beieinander lagen, welche Dimension des Misstrauens hier zu beseitigen war. Die Deutsche Welle hat dies vermocht, sie hat gesendet, um Vorurteile zu entkräften, sie hat Deutschlands Weg in die Weltgemeinschaft geebnet und die Welt nach Deutschland geholt.

Ihnen, Herr Bettermann, gratuliere ich herzlich zur eindrucksvollen Bilanz des deutschen Auslandssenders und danke allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus vielen Ländern, die aus Deutschland und für Deutschland berichten. Und in diesen Dank sind die Vorsitzenden und die Mitglieder von Rundfunkrat und Verwaltungsrat eingeschlossen.

Fünf Jahrzehnte Deutsche Welle, das sind auch fünf Jahrzehnte Heftigkeit in den Debatten des Deutschen Bundestages. Nicht immer, ich deutete es an, war man sich über Sinn und Form einig. Die Angst über einen möglichen Bundesrundfunk ging um und blieb doch unbegründet. Doch jetzt haben wir mit großer Mehrheit Einvernehmen über die Zukunft des Senders erreicht. Die Grundzüge der Novelle des Deutsche Welle Gesetzes sind nicht länger strittig. Wir wollen einen unabhängigen und modernen Sender. Seine Hauptaufgabe sollte darin begründet sein, ein Bild Deutschlands als weltoffene, unverkrampfte, europäische Kulturnation und als demokratischer Verfassungsstaat zu zeichnen. Wir wollen von unserer Tradition künden, mehr Kultur wagen und den Wert der Kommunikationskultur hervorheben. Die Deutsche Welle ist ein fester Pfeiler der auswärtigen Kulturpolitik, längst eine Mittlerin zwischen den Kulturen. Wenn der Slogan nicht schon das Markenzeichen eines anderen Kanals wäre, hier würde er passen: Eine freie Stimme der freien Welt.

Es wird wie in der Vergangenheit auch künftig Situationen geben, wo es wichtig und ermutigend ist, wenn die Menschen durch die Deutschen Welle erfahren, was in ihrem Land geschieht. Wir wissen doch aus der Geschichte unseres geteilten Landes, wie sehnsüchtig Nachrichtensendungen von denen erwartet wurden, die täglich den Schönfärbereien der Parteipropaganda ausgesetzt waren. In vielen Krisenregionen der Welt ist die Deutsche Welle heute eine der wenigen zuverlässigen Informationsquellen. Die Deutsche Welle ist dort, wo sie gehört wird, ein Botschafter der Demokratie.

Unverzichtbar ist für eine so wichtige und international anerkannte Sendeanstalt Klarheit in der finanziellen Entwicklung. Ich kann Ihnen zusichern, dass die Bundesregierung weiterhin dafür sorgen und auch im Zuge der Erörterung der Gesetzesnovelle dazu beitragen wird, dass Ihr Sender die Finanzausstattung bekommt, die den hohen Anforderungen entspricht.

Ich wünsche Ihnen, Herr Intendant, und allen in- und ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Welle Glück und Erfolg. Ihre Arbeit ist unverzichtbar für die Wahrnehmbarkeit Deutschlands in der einen Welt. Und bitte nehmen Sie wie vor fünfzig Jahren die Musikwünsche Ihrer Hörerschaft ernst. Damals forderten die Japaner kategorisch: "Mehr Beethoven!" Wahrscheinlich ist dieser Wunsch längst über die Maßen eingelöst. Da aber der Bonner Meister mit seinen Klängen so etwas wie der Schutzpatron der Deutschen Welle war, muss es heute eigentlich heissen: "O namenlose Freude, o himmlisches Entzücken." Vielen Dank!