Redner(in): Christina Weiss
Datum: 11.07.2003
Untertitel: Staatsministerin Weiss würdigt in ihrer Laudatio die Verdienste von Peter Boenisch als Journalist, Verlagsmanager, Regierungssprecher und im Dienst der Völkerverständigung.
Anrede: Lieber Herr Boenisch, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/30/500430/multi.htm
ich freue mich, Ihnen im Auftrag des Herrn Bundespräsidenten heute das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen zu dürfen. Mit dieser Auszeichnung möchte der Herr Bundespräsident die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf solche Leistungen lenken, denen er für unser Gemeinwesen besondere Bedeutung zumisst. Ich darf Ihnen hierzu im Namen der des Bundesregierung herzlich gratulieren.
Wie ein Komet taucht das Bundesverdienstkreuz mit respektablem Abstand in Ihrem Leben auf. Das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhielten Sie in Anerkennung ihrer Verdienste bei der Organisation einer Luftbrücke, die Berliner Kindern Ferien außerhalb der Frontstadt ermöglichte. Später wurde daraus die Aktion "Ein Platz an der Sonne". Dieses soziale Engagement verbanden Sie mit Ihrer Tätigkeit als persönlicher Referent des Generaldirektors Adolf Grimme beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg. Das war schon der zweite Orden in Ihrem jungen Leben, doch nehme ich an, dass Sie auf den ersten gerne zugunsten eines fortgesetzten friedlichen Schulbesuchs auf der Berliner Hugo-Eckner-Schule verzichtet hätten: In den letzten Kriegstagen wurden Sie als Soldat mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.
Bei der ersten Verleihung des Bundesverdienstkreuzes waren Sie, verehrter Herr Boenisch, gerade einmal 24 Jahre alt, aber Sie konnten doch schon auf eine Zahl von beruflichen Stationen zurückblicken, die viele heute nicht bis zum 65. Lebensjahr erreichen: Nach Anfängen in Berlin und München waren sie schon 1949 Chefredakteur der "Schleswig-Holsteinischen Tagespost" in Rendsburg geworden. Sie waren einer von diesen jungen Männern und Frauen, die den Journalismus der frühen Bundesrepublik auch deshalb prägen konnten, weil die Älteren gefallen oder von den Verstrickungen in das Naziregime belastet waren.
Es besteht jedoch kein Grund zum Neid für Dreißigjährige von heute, die über verstopfte Aufstiegskanäle klagen. Man kann diese Blitzkarrieren rückblickend auch als Kompensation für erlittenes Unrecht und eine gestohlene Jugend betrachten. Denn wie viele andere aus Ihrer Generation waren Sie früh mit Krieg und Tod konfrontiert. Das untergehende Nazi-Reich glaubte, nicht auf die Dienste des 17 Jahre alten Fallschirmjägers Peter Boenisch verzichten zu können. Das Kriegsende erlebten Sie vierzig Kilometer nördlich von Berlin an der Böschung des Hohenzollern-Kanals. Sie selbst haben in einem Artikel für die BILD-Zeitung 1985 beschrieben, wie schwierig sich der Heimweg nach der Entlassung aus kurzer amerikanischer Gefangenschaft gestaltete: In Neuruppin beschlagnahmten russische Soldaten nicht nur ihr Motorrad, man hielt Sie sogar für einen Spion. Erst der Besuch in Berlin, wo ihre in Odessa geborene Mutter die Bewacher auf Russisch begrüßte, konnte die misstrauischen Männer von Ihrer Harmlosigkeit überzeugen. Sie erzählen das in diesem Artikel mit aller Fabulierlust wie eine Episode aus dem Leben des braven Soldaten Schwejk. Doch wer weiß, wie wenig ein Menschenleben in jenen Tagen galt, der ahnt, dass Sie sich die ganze Zeit in Todesgefahr befanden.
Ihre 1993 gestorbene Mutter Eva ist gewissermaßen die Kronzeugin für Ihr lebenslanges Interesse an den deutsch-russischen Beziehungen, das nun in der Leitung der alljährlichen "Petersburger Dialoge" gipfelt."Ich mache diese Gespräche meiner russischen Mutter zuliebe", sagten Sie einmal einem Interviewer. Ein kurzes Slawistikstudium an der Humboldt-Uni und der Lieblingsschriftsteller Dostojewski dürfen als weitere Beweise für die Faszination dieses Mutter-Landes gelten. Wer die dicken Ordner mit Ihren Zeitungsartikeln aus über 55 Jahren durchblättert, findet überproportional häufig Kommentare und Analysen zu Russland: Kalter Krieg, Perestrojka, das neue Russland - der Journalist Peter Boenisch war ein wacher Beobachter aller Entwicklungen.
In der Karriere dieses Journalisten glänzt heute eine Leistung ganz besonders, die Sie selbst damals bestimmt nicht für Epoche machend gehalten haben: 1956 waren Sie einer der Mit-Erfinder der Jugendzeitschrift "Bravo". Rückblickend wissen wir, dass dieses Organ vielleicht mehr für die individuelle Freiheit junger Bundesbürger bewirkt hat als manche staatstragende Gazette.
Doch die Epoche, die bis heute am stärksten das Bild des Journalisten Peter Boenisch bei Freunden und bei den immer seltener werdenden Feinden prägt, begann 1961: Damals wurden Sie Chefredakteur der BILD-Zeitung. Sie blieben es bis 1971, und vieles, was sie vor allem in den Jahren um 1968 dort geschrieben haben oder schreiben ließen, haben Sie selbst nachträglich bedauert. Wenn man diese Kommentare mit dem Abstand von bald 40 Jahren betrachtet, merkt man, wie sich ein begnadeter Formulierer manchmal am eigenen Wort berauschte - ein gefährliches Gefühl, das den hier anwesenden Journalisten vertraut sein dürfte. Nun, immerhin hat sich kein geringerer als Heinrich Böll damals ihres Stiles analytisch angenommen, und das mag man als Kompliment betrachten, auch wenn es kaum so gemeint war und ich heute, dem feierlichen Moment entsprechend, Abstand davon nehme aus Bölls Streitschrift zu zitieren.
Doch wer jetzt den ersten Stein werfen will - und ich wähle ganz bewusst diese Metapher - , der sollte sich erinnern, wie polarisiert diese Zeit war und wieviel Hass auch auf der anderen Seite tobte. Sie, Herr Boenisch, haben das voriges Jahr im Interview mit der Berliner Zeitung folgendermaßen erklärt: "Das Problem war, dass es keinen Dialog gab. Rudolf Augstein wurde im Berliner Audimax genauso niedergetrillert wie ich."
Vielleicht ist es nicht allzu ketzerisch, zu behaupten, dass die damalige BILD-Zeitung und die 68er zwei Seiten ein und desselben historischen Prozesses waren: Nämlich der allmählichen Ablösung überkommener Eliten in der jungen Bundesrepublik. Boulevardisierung der Medien - das bedeutet bis zu einem gewissen Grade ja auch Demokratisierung. Und in Schimpfwörtern wie "Massenblatt" klingt der indignierte Ton der alten Oberschicht an, die ihr Meinungsmonopol gerne behalten hätte.
Mit der Autorität desjenigen, der weiß, wie es damals wirklich war, haben Sie sich Anfang 2001 auch dafür ausgesprochen, die Bilder des heutigen Außenministers Joschka Fischer beim Straßenkampf differenziert zu betrachten. In der BILD-Zeitung schrieben Sie: "Heute entscheiden allein seine diplomatischen Ergebnisse und nicht die Bilder aus einer beiderseits gewalttätigen und hasserfüllten Vergangenheit."
Diese nachdenklichere Seite des Peter Boenisch war schon 1978 bis 1981 sichtbar geworden, als Sie Chefredakteur der WELT waren. Konkurrenzblätter wie die Süddeutsche Zeitung und der SPIEGEL bescheinigten Ihnen, den Ton des einstigen "Kampfblatts" professionalisiert zu haben. Vielleicht sogar liberalisiert. Ihre Ablösung durch den Verleger Axel Springer wurde jedenfalls allgemein damit erklärt, dass man sich nicht mehr sicher war, ob Sie "auf der richtigen Seite" stünden.
Das war gewiss eine unbegründete Befürchtung. Sie blieben Axel Springer und seinem Verlag danach noch weitere Jahrzehnte verbunden. Die einzige längere Unterbrechung dieser Verbindung brachte die Übernahme eines politischen Amtes mit sich: Von 1983 bis 1985 waren Sie Staatssekretär und Chef des Presse- und -Informationsamtes der Bundesregierung. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hatte Sie in diese Funktion berufen. Es war gewiss keine leichte Aufgabe, denn in Ihre Zeit als Regierungssprecher fielen unter anderem der umstrittene Besuch auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg und die heikle erste Israel-Reise des misstrauisch beäugten neuen Bundeskanzlers. Doch Ihre Arbeit fand Anerkennung bei den Journalistenkollegen jenseits aller parteipolitischen Bindungen. Ihr Rücktritt 1985 hinterließ eine Lücke.
Ein paar Jahre später, 1992, schrieb die Stuttgarter Zeitung anlässlich Ihres 65. Geburtstags: "Es ist still geworden um Peter Boenisch." Das war eine voreilige Diagnose. Neben Ihrer anhaltenden journalistischen Tätigkeit saßen Sie bis 2001 im Aufsichtsrat des Springer-Verlages. Sie retteten als Vorsitzender des Unions-Klubs ab 2001 die traditionsreiche Galopprennbahn in Berlin-Hoppegarten vor dem Ruin. Und seit Oktober 2002 sind Sie obendrein Vorsitzender der Franz-Beckenbauer-Stiftung, die in Not geratenen Menschen hilft.
Vor allem aber sind Sie, Herr Boenisch, seit 2001 Vorsitzender des deutschen Lenkungsausschusses der "Petersburger Dialoge". In diesen von Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder angeregten jährlichen Gesprächsrunden treffen sich Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien beider Länder um über Möglichkeiten und Chancen beim Aufbau einer Zivilgesellschaft zu beraten. Jenseits aller persönlichen Bindungen an Russland betrachten Sie die Übernahme dieses Amtes als "eine nationale Aufgabe" und haben als Ziel aller Bemühungen genannt: "Wir müssen einfach dahin kommen, dass wir das gleiche Verhältnis und den gleichen freundschaftlichen Meinungsaustausch haben wie mit Engländern und Franzosen."
Lieber Herr Boenisch, mit all diesen Leistungen als Journalist, Verlagsmanager, Regierungssprecher und im Dienst der Völkerverständigung haben Sie sich besondere Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland erworben. Zur Verleihung des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gratuliere ich Ihnen nochmals und spreche Ihnen meinen Dank aus.