Redner(in): Christina Weiss
Datum: 22.07.2003

Untertitel: Kulturstaatsministerin Weiss begrüßt die Einrichtung eines Stifterservices des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft und unterstreicht die Bedeutung von privaten Stiftungen angesichts eines steigenden Volumens an Erbschaften in Deutschland.
Anrede: Sehr geehrter Herr Dr. Oetker, sehr geehrter Herr Dr. von Loeffelholz, sehr geehrter Herr Dr. Blankenburg, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/70/502170/multi.htm


ich möchte gerade hier gleich kräftig mit der Tür ins Haus fallen und Fakten sprechen lassen: Schätzungen besagen, dass Deutschland in der nächsten Dekade jährliche Erbgänge im Umfang von 150 Milliarden Euro erwartet. Zugleich steige die Ehe- und Kinderlosigkeit bei der Erbengeneration, heißt es. Wenn wir die Zeichen richtig deuten, wäre in den nächsten Jahren ein wahrer Stiftungsboom zu erwarten. Da erscheint es zeitgemäß, folgerichtig und hochwillkommen, dass sich der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft anschickt, einen Service für Stiftungsaspiranten einzurichten. Gemessen daran, dass in Deutschland täglich drei neue Stiftungen ins Leben gerufen werden, ist diese professionelle Hilfe von weitreichender Bedeutung für unser Gemeinwohl. Wie Sie wissen, ging es mir in meiner bisherigen Arbeit immer darum, monetäre und künstlerische Potenzen aufeinander wirken zu lassen, um dann zu glückhaften Verbindungen zu kommen. Insofern war es für mich selbstverständlich, dem Kuratorium eines Gremiums anzugehören, das die Beratungstätigkeit fachlich begleitet und überwacht.

Eine Gesellschaft, die nicht mehr nur die großen Kapitalgesellschaften, sondern immer mehr auch kleine, wackere Inititativen kennt, darf stolz auf ein intaktes Gemeinwesen sein, sich aber auch über die Lebendigkeit der Demokratie freuen. Ich begrüße es sehr, dass der Kulturkreis so etwas wie ein Scharnier zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft geworden ist. Den Staat freut dieses Engagement aus mehreren Gründen. Zum einen braucht er angesichts angespannter Haushalte viele, sehr viele private Partner, um das Niveau der deutschen Kulturförderung zu halten, zum anderen bedeutet gelebte Demokratie eben auch, sich beispielsweise um den geistigen Zustand eines Landes zu sorgen. Ich sage hier ganz deutlich, dass sich der Staat nicht aus der Verantwortung stehlen darf. Ich sage aber ebenso, dass es auch Sache des Gemeinwesens ist, nicht gleichgültig zu reagieren, wenn Musikschulen zusammenbrechen, Theater vor dem baulichen Infarkt stehen, Museen sich nach einen spektakulären Ankauf sehnen. Wir kennen alle die Nöte der Kultur, wir kennen aber auch die Kreativität der Hilfe. Wir brauchen die private Initiative, wir schützen sie und wollen sie aktiv fördern. Und, auch das möchte ich hier hinzufügen, das Stiften ist keine neue Erfindung. Deutschland besitzt eine stolze Tradition in der Errichtung gemeinnütziger Stiftungen. Jeder kennt das segensreiche Wirken Jakob Fuggers, wir wissen um die Wohltaten des Frankfurter Arztes Johann Christian Senckenberg, erinnern uns an den mildtätigen Adel im 19. Jahrhundert. Die beiden Weltkriege bedrohten das Fundament vieler Stiftungen und das Leben ihrer Gründer. Der Verlust wirkt bis heute nach. Das sollte uns Verpflichtung sein.

Meine Damen und Herren, in der Bundesrepublik Deutschland existieren heute 12.000 Stiftungen. Es wäre schön, wenn es noch mehr würden. Ich hoffe sehr, dass der Service des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft - eigenschaltet ist auch der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft in Essen, der sich nun für die Kultur öffnet - animierend auf all jene wirkt, die ihren persönlichen Wohlstand gesellschaftlich verzinsen wollen. Der Stiftungswillige benötigt dafür aber eine maßgeschneiderte und effektive Beratung. Der jetzige Service des Kulturkreises wird Fragen der gemeinnützigen Zwecke ebenso kompetent beantworten wie auf Unsicherheiten bei steuerlichen Absschreibungsmöglichkeiten reagieren. Gleichzeitig gibt es guten Rat für das Stiftungskonzept. Alles in allem: Wo, wenn nicht hier, wäre erfolgsversprechendes Management und Marketing zu erwarten, um großherzigen Spendern den Weg zu weisen.

Ich wünsche Ihnen, dass all die vermeintlichen Stiftungsgründer bei Ihnen Schlange stehen, um umfassend beraten zu werden und ich wünsche uns, dass die Bürgergesellschaft weiter an Kontur gewinnt. Vielen Dank.