Redner(in): Christina Weiss
Datum: 14.08.2003

Untertitel: Kulturstaatsministerin Weiss erläuterte in einer Pressekonferenz die im Jahr 2003 jetzt zusätzlich an Kultureinrichtungen in Weimar vergebenen Förderungen.
Anrede: meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/74/510774/multi.htm


Weimar ist ein deutscher Ort. Aber Weimar ist kein exemplarischer deutscher Ort. Weimar ist ein außergewöhnlicher, ein außerordentlicher Ort, Weimar ist in jedem Fall ein Sonderfall, in dem Glanz und Elend unserer Geschichte auf engstem Raum verdichtet sind. Zwischen den Stätten deutschen Geistes und verbrecherischem deutschen Wahns liegen geografisch nur wenige Kilometer, manchmal auch nur wenige Meter. In diesen Spannungen, Widersprüchen, Konflikten liegt Weimars Bedeutung für Deutschland, für Europa und für die Welt. Die Stadt Weimar, der Freistaat Thüringen und der Bund sind Treuhänder jenes kulturellen Welterbes. Aber eine Kommune mit 60.000 Einwohnern, ja selbst ein Bundesland allein, kann die mit der Bedeutung Weimars einhergehenden finanziellen Verpflichtungen allein nicht schultern. Der Bund engagiert sich deshalb seit 1990 in einer der kulturellen und politischen Bedeutung der Stadt entsprechenden Weise finanziell und - ich betone: auch ideell - für Weimar und seine Vergangenheit. Vor allem aber auch für seine Zukunft.

Der Bund hat sich daher entschieden, den Kulturstandort Weimar trotz des schwierigen Haushaltsjahrs 2003 über die laufenden Förderungen in Höhe von rd. 11,2 Mio. Euro hinaus zusätzlich mit rd. 1,7 Mio. Euro zu unterstützen.

Diese Mittel kommen folgenden 3 Projekten zugute: Der Bibliothek Herzogin Anna Amalie, dem Deutschen Nationaltheater und dem Kunstfest Weimar.

Die Herzogin Anna Amalie Bibliothek ist neben dem Goethe-Haus und dem Goethe-Nationalmuseum ein Herzstück der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen und damit Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Sie ist aus der herzoglichen Büchersammlung hervorgegangen und heute mit ihren rd. 1 Million Leseeinheiten eine Schatzkammer besonderer Art.

In unmittelbarer Nähe des Schlosses und des Rokokobaus der Bibliothek entsteht ein Erweiterungsbau mit Tiefenmagazin, Informationszentrum, Freihandbibliothek und Benutzerservicebereich, für den das Land und der Bund bis zur Fertigstellung im Jahre 2004 zusammen 25,4 Mio. Euro aufbringen werden. Was noch ausstand war der Auf- und Ausbau eines Studienzentrums, das zeitgleich mit der Eröffnung des Bibliothekneubaus seine Arbeit aufnehmen soll. Für einen Grundbestand an Nachschlagewerken und Standartliteratur sowie die bibliothekarische und buchbinderische Bearbeitung des Freihandbestandes fehlten hier noch 1,5 Mio. Euro.

Sie können sich alle vorstellen, dass spätestens bei Einweihung des Neubaus der ein oder andere Medienbericht mit Überschrift "Schilda in Weimar" unvermeidbar gewesen wäre. Und so haben das Land Thüringen und der Bund gemeinsam beschlossen, diese Finanzierungslücke zu schließen, damit das Studienzentrum fristgerecht zur Verfügung stehen kann. Der Bund wird sich an diesen Zusatzkosten mit 950.000 Euro beteiligen, das Land mit 200.000 Euro. Ohne den persönlichen Einsatz meiner Kollegin, Frau Prof. Schipanski, wäre dieser Coup sicher nicht oder zumindest nicht so schnell gelungen.

Eine weiterer herausragender Erinnerungsort in Weimar ist das aus dem herzoglichen Hoftheater hervorgegangene Deutsche Nationaltheater. Nun wissen Sie, dass zu den hergebrachten Grundsätzen der Kulturförderung in Deutschland die finanzielle und rechtliche Zuständigkeit der Kommunen und Länder für die Theater gehört, die bei uns durchgängig Landes- oder Stadttheater sind.

Doch das Nationaltheater Weimar ist nicht nur eine bedeutende Bühne, auf der gutes, ja sehr gutes Theater gemacht wird, auf das ganz Deutschland stolz sein kann. Das Theater ist eben auch der Ort der ersten demokratischen Verfassung Deutschlands, die am 31. Juli 1919 in diesem Haus verabschiedet wurde. 1926 fand am selben Ort dann mit Bedacht der erste Reichsparteitag der NSDAP statt. Und während der nationalsozialistischen Schreckenherrschaft spielte das Ensemble dann vor SS Offizieren im Kasino des KZ Buchenwald.

Nach dem Krieg wurde das völlig zerstörte Nationaltheater als erstes deutsches Theater wieder aufgebaut. Und am 28. August 1949 hielt Thomas Mann eben dort unter dem Applaus der neuen Machthaber seine Aufsehen erregende Rede zu Goethes 200. Geburtstag. Sie sehen: Weimar besitzt mit dem Deutschen Nationaltheater nicht nur eine Bühne, sondern einen herausragenden Gedenkort deutscher Geschichte.

Als mir anlässlich eines Besuches des Theaters im März diesen Jahres Oberbürgermeister Germer erzählte, dass die Schließung des Hauses im Sommer unvermeidlich sei, weil der TÜV die Betriebsgenehmigung wegen einer maroden Bühnenmaschinerie nicht mehr verlängern könne, die Sanierung aber nicht vollständig finanziert sei, habe ich spontan Hilfe zugesagt. Eine Hilfe - das sei hier ausdrücklich gesagt, meine Damen und Herren - die sich auf das Gebäude als einen herausragenden deutschen Gedenkort bezieht. Sie ist weit mehr Denkmalpflege als Theaterförderung, die den Bund aus gutem Grund nicht zusteht. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben.

Nun ist eine solche Zusage, zumal wenn sie ohne Rückendeckung insbesondere der Haushaltsfachleute des eigenen Hauses bei einem Mittagessen erfolgt, immer ein wenig riskant. Umso mehr freue ich mich, Ihnen heute ganz offiziell und verbindlich mitteilen zu können, dass der Bund die Finanzierungslücke bei der Sanierung der Bühnenmaschinerie mit einem Zuschuss von 470.000 Euro schließen wird. Nicht verschweigen kann und will ich jedoch, dass das Land Thüringen mit seinem Zuschuss von 1.023.000 Euro den Löwenanteil der Baukosten trägt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Teil der weltweit gepriesenen und beneideten deutschen Kulturlandschaft sind die vielen bedeutenden Theater. Insoweit gilt der emphatische Ausspruch Jean Pauls, dass neben dem "neuen Theater in Weimar die anderen deutschen nur Kulissen" seien, wohl so nicht ganz. Aber der Glanz des Weimarer Hauses, lieber Herr Märki, kann nun Dank der neuen Technik und ihrer innovativen Ideen auch in Zukunft weit über Thüringens Grenze strahlen. Und ich freue mich besonders, dass die Sanierungsarbeiten bereits mit Ende der Spielzeit begonnen haben und bis Anfang Oktober abgeschlossen sein sollen.

Schließlich und drittens soll noch kurz die Rede sein von einer Investition in die Zukunft der Stadt. Ich spreche vom erneuten und erneuerten finanziellen Engagement des Bundes für das Kunstfest Weimar. Von 1995 bis 1999 hat der Bund dieses im Hinblick auf das Kulturstadtjahr finanziell kräftig gefördert, es dann aber in die finanzielle Verantwortung von Stadt und Land entlassen. Mit der Intendanz von Frau Wagner, die erstmals 2004 das Programm des Festivals künstlerisch verantworten wird, erhält dieses zum zweiten Mal ein internationales Profil. Um dieses zu festigen, wird der Bund das Kunstfest von 2003 bis 2005 erneut, und zwar mit einem jährlichen Betrag von 255.000 Euro finanziell fördern. Diese Mittel sollen dazu beitragen, Weimar endgültig als Ort eines Festivals zu etablieren, das im fast unübersehbar gewordenen Reigen der europäischen Sommerfestivals seinen Rang behaupten kann. Weniger der Name als die Persönlichkeit und die Erfahrungen Frau Wagners scheinen mir eine Garantie dafür zu sein, dass dies auch gelingt.

Alle diese Bemühungen von Stadt, Land und Bund zielen darauf, dass Weimar bleibt, was es war: eine kleine deutsche Stadt, die seit 200 Jahren die Welt lehrt, wie viel Licht und wie viel Schatten - symbolisch und real - nahe beieinander liegen können.