Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 02.09.2003

Untertitel: Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder anlässlich des Empfangs der deutschen Teilnehmer der Berufsweltmeisterschaft am 2. September 2003 in Berlin
Anrede: Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Herr Präsident Philipp, Herr Schües, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/22/520022/multi.htm


Herzlich willkommen im Kanzleramt. Ich sehe eine Reihe von Medaillen. Das ist Ergebnis eines interessanten Wettbewerbs, keines sportlichen, wie man denen, die uns zuschauen und zuhören, einmal sagen kann, sondern eines Berufswettkampfes, der in Sankt Gallen stattfindet, eines gewiss ungewöhnlichen Wettkampfes, der aber, glaube ich, ebenso spannend wie für unsere Gesellschaft und die Entwicklung der Berufe wichtig ist.

Ich gratuliere denjenigen, die daran teilgenommen haben, insbesondere natürlich denjenigen, die für die Vorbereitung gesorgt und die die Kenntnisse, die sie selber haben, in durchaus erfreulichem Umfang weitergegeben haben. Die Kandidatinnen und Kandidaten müssen nicht nur eine Menge wissen, sondern auch eine Menge entwickeln und zeigen, nicht nur fachliche Kenntnisse, sondern, denke ich, insbesondere auch ein wirklich großes Maß an Kreativität und handwerklichem Geschick. Sie müssen sich in einem internationalen Maßstab messen, der durchaus beachtlich ist. Sicherlich ist es so, dass sie sich auf die Betreuer, deren Erfahrungen und deren Tipps stützen konnten.

Die Jury-Mitglieder hatten es, denke ich, nicht einfach. Sie mussten sozusagen die dargebrachten Leistungen objektiv bewerten, was im internationalen Vergleich sicherlich nicht ganz einfach ist. Umso mehr können wir uns darüber freuen, dass sich Deutschland in einem internationalen Feld mit etwas mehr als 700 Teilnehmern so achtbar geschlagen hat. Dieser Satz geht übrigens auch an die Angehörigen der jungen Leute, die geholfen und sicherlich nicht nur Daumen gedrückt haben, aber ganz bestimmt auch.

Ich denke, es reicht nicht, einfach nur Talent zu haben. Was notwendig ist, ist außerdem eine Leistungsbereitschaft, die über das Pflichtmaß und über das hinaus geht, was an täglicher Arbeit zu leisten ist. Das relativiert vielleicht auch manchen Satz über eine angeblich mangelnde Leistungsbereitschaft unserer jungen Leute, den man lesen und hören kann. Jedenfalls trifft er mit Sicherheit nicht auf diejenigen zu, die hier versammelt sind.

Übrigens sind - das will ich auch sehr deutlich sagen - nicht nur diejenigen Gewinner, die in Sankt Gallen gewonnen haben, sondern Gewinner ist sicherlich auch ein im internationalen Maßstab immer noch vorzügliches Ausbildungssystem, das wir in Deutschland - Gott sei Dank - haben und das man aus einem ganz einfachen Grund das duale Ausbildungssystem nennt, nämlich weil man die praktischen Tätigkeiten im Betrieb lernt, der deswegen ein ganz unerlässlicher Ort für die Ausbildung ist, und weil die theoretische Ergänzung bei uns in den Berufsschulen stattfindet, wie auch immer der Schulunterricht organisiert sein muss. Daneben gibt es überbetriebliche Einrichtungen, die vorgehalten werden. Das ist also eine wirklich interessante Vielfalt in Deutschland.

Warum erwähne ich das gerade jetzt? - Ich erwähne es nicht zuletzt deswegen, weil das duale Ausbildungssystem, das alle preisen - ich gerade wieder, aber auch all diejenigen, die noch mehr tun müssten, um es zu erhalten - , aufgrund einer bestimmten Entwicklung zwar nicht in Gefahr ist, aber ausgehöhlt werden und seine Legitimation verlieren könnte, wenn es uns nicht gelingt, auch und gerade in diesem Jahr ein zureichendes Angebot an Ausbildungsplätzen in den Betrieben und in erster Linie durch die Betriebe zur Verfügung zu stellen. Das ist die entscheidende Aufgabe, die in diesem Herbst vor uns liegt.

Ich weiß, dass das Ausbildungsgeschehen - Gott sei Dank - nicht mit dem Stichtag des 30. Septembers zu Ende ist, aber natürlich werden die Leistungen, die die Betriebe erbracht haben und die wir ihnen im eigenen Interesse abfordern müssen, am 30. September bewertet werden. So sieht es das Gesetz vor. Es wird dann bis zum Ende des Jahres eine Phase geben, in der - Gott sei Dank - immer noch Ausbildungsverträge geschlossen werden. Der 30. September ist aber schon ein Stichtag, den wir im Auge behalten müssen. Ich würde mir wünschen, dass es durch gemeinsame - ich betone das - Anstrengungen gelingt, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt in der Lage sein werden, jedem Jugendlichen, jedem Mann oder jeder Frau, der oder die ausbildungswillig und ausbildungsfähig ist, auch die Möglichkeit eines erfüllten Berufslebens zu verschaffen.

Das ist keineswegs allein eine Aufgabe der Politik, sondern das ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Dafür müssen wir alle Kräfte, die vorhanden sind, mobilisieren. Gerade in diesem Jahr, in dem es sehr eng werden wird - machen wir uns dabei nichts vor - , sind neue und über das bisherige Maß hinausgehende Anstrengungen unbedingt notwendig. Ich wünsche mir das jedenfalls.

Heute geht es nicht darum, sich über das, was noch fehlt, auszutauschen, sondern es geht darum, sich bei Ihnen zu bedanken und auch öffentlich Anerkennung für das auszusprechen, was Sie über die unmittelbare berufliche Arbeit hinaus geleistet haben, häufig in der Freizeit, die Sie dafür eingesetzt haben. Es geht auch darum, sich zu bedanken - ich tue das wirklich gerne - für Ihr Engagement, das Sie nicht nur für sich selber geleistet haben, sondern für unser Land, weil Sie damit deutlich gemacht haben, wie leistungsfähig dieses Land ungeachtet manch kritischer Einschätzung - Gott sei Dank - immer noch ist.

Drei Mal Gold, vier Mal Silber, ein Mal Bronze, 19 Diplome für herausragende Leistungen in Sankt Gallen - das sind nicht nur Anstrengungen, meine Damen und Herren, sondern das sind Erfolge, die sich sehen lassen können. Bei denen, die sie erarbeitet haben, bei denen, die dabei geholfen haben, und bei den Eltern, die dabei Unterstützung geleistet haben, bedanke ich mich recht herzlich. Für die kommende berufliche Tätigkeit, die Sie neu aufnehmen oder weiterführen werden, wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute, und ich verbinde das mit dem Dank dafür, dass Sie heute hierher gekommen sind und mir die Gelegenheit gegeben haben, auch ein bisschen zu würdigen, was Sie in Sankt Gallen, und nicht nur dort, getan haben. - Herzlichen Dank und ein herzliches Willkommen im Kanzleramt