Redner(in): Christina Weiss
Datum: 29.10.2003

Untertitel: Kulturstaatsministerin Christina Weiss hielt am 29. Oktober 2003 beim MDR in Leipzig einen Vortrag zu den Zielen der Filmpolitik und den Perspektiven des deutschen Films.
Anrede: Liebe Frau Dr. Wille, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/88/552488/multi.htm


ich danke herzlich für die Gelegenheit, heute hier in Leipzig zu den Perspektiven des deutschen Films sprechen zu können. Wie Sie wissen, war gerade der MDR für mich ein wichtiger Partner, um die Reform der Filmförderung auf den Weg zu bringen.

Am Ende eines außergewöhnlich ertragreichen Jahres für den deutschen Film stehen wir vor einem Umbau der Fördersysteme. In spätestens vierzehn Tagen wird der Deutsche Bundestag die Novelle des Filmförderungsgesetzes beschließen - und dies wahrscheinlich mit sehr breiter Mehrheit.

Der deutsche Film beginnt durch Erfolge wie "Nirgendwo in Afrika","Goodbye, Lenin","Das Wunder von Bern" oder "Lichter" wieder - auch international - attraktiver zu werden.

Wir entdecken im deutschen Film wieder erzählerische Kraft, Momente der Kühnheit und des Mutes. Wir sind in diesem Jahr ein gutes Stück vorangekommen und haben die schärfsten Gegner des deutschen Films, Resignation, Pessimismus und Gedankenlosigkeit, zurückgedrängt.

Diesem künstlerischen Aufschwung steht eine gewachsene wirtschaftliche Potenz gegenüber. Die Mittel für die Filmförderungsanstalt können angehoben werden. Niemand hätte geglaubt, dass es in diesen schwierigen Zeiten gelingen könnte, die finanzielle Basis der Filmförderungsanstalt um rund 40 % aufzustocken, also von 46,2 auf 64,7 Millionen Euro.

Dies wäre ohne den Beitrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht möglich gewesen. Ich danke an dieser Stelle ganz besonders den Fernsehveranstaltern, die ihre Leistungen verdoppeln werden und künftig rund 22,4 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Sie waren in dieser Sache faire Verhandlungspartner! Ein besonderer Dank dabei gebührt dem MDR, namentlich Prof. Reiter.

Die Partnerschaft zwischen dem Fernsehen und der Filmförderungsanstalt gestaltet sich äußerst fruchtbar. Allein die öffentlich-rechtlichen Anstalten senden jährlich ca. 6.000 Kinospielfilme.

Zum anderen stärkt diese Kinofilmförderung die Struktur und Vielfalt der deutschen Produktionslandschaft insgesamt. Kaum ein Produzent kann es sich leisten, nur von Kinofilmen zu leben; die meisten produzieren auch für das Fernsehen.

Und wenn es, wie im Fall von Christian Petzolds "Wolfsburg" dazu kommt, dass ein Fernsehfilm ins Kino gelangt, ist die Partnerschaft noch perfekter.

Meine Damen und Herren,

trotz aller Verlockungen, angesichts aktueller Beispiele den Fernsehfilm zu rühmen, soll es in meinem Vortrag speziell um den Kinofilm gehen. Ich habe bereits ausgeführt, dass wir trotz aller Beckmesserei ein erfolgreiches Lichtspieljahr erleben. Das deutsche Kino nimmt den Zuschauer wieder ernster, es werden mit dem Medium wieder Geschichten erzählt.

Auch wenn der Erfolgsfilm in der Kritik generell meist zweifelhaft beleumundet ist, so lässt sich doch konstatieren, dass unsere Erfolgsfilme meist von höchster Qualität waren. Sie kennen alle die Beispiele. Es ist die erklärte Hoffnung, mehr solcher Filme in Deutschland zu produzieren.

Filme, die Klasse haben; Filme, die eben nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern sich erst Schicht für Schicht erschließen, Filme, die uns mit den Abgründen der menschlichen Seele konfrontieren, die uns das Menschliche, allzu Menschliche näher bringen.

Gleichzeitig verschafft sich der deutsche Film auch bei den europäischen Nachbarn Respekt. Über "Goodbye, Lenin" schrieb "Le Monde" : "Ein deutscher Film, wie man ihn selten gesehen hat - fröhlich und melancholisch, manchmal bitter. Man könnte glauben: eine italienische Komödie". In Korrespondentenberichten las man, dass die Franzosen seit dem Tode Fassbinders 1982 vom deutschen Film kaum noch Kenntnis genommen haben. Heute steht Wolfgang Beckers Meisterstück in der französischen Publikumsgunst vor der Millionenschwelle.

Der deutsche Film ist dann gut, wenn er nicht bequem das Bild bedient, das sich andere von ihm machen. Wir brauchen Filme, die für die Zuschauer attraktiv sind. Wir wollen nicht nur die Produktion von Filmen fördern sondern die Filme auch und verstärkt auf dem Weg zum Markt begleiten. Das ist das Anliegen meiner Filmpolitik.

Dabei verkenne ich nicht, dass der Anteil deutscher Filme in den Kinos nach wie vor nur bei enttäuschenden 10 bis 15 Prozent liegt. Und dennoch: Die Hoffnung wächst! Erfolg ist ein wichtiges Instrument des Marketing, aber gutes Marketing ist unerlässlich für die Chance zum Erfolg.

Meine Damen und Herren,

es ist das Markenzeichen europäischer Filmpolitik, dass wir die Kunst nicht allein dem Markt überlassen. Qualitativ hochwertige Produktionen bedürfen der öffentlichen Förderung. Aber umgekehrt ist öffentliche Förderung kein Garant für einen guten Film.

Öffentliche Förderung muss stimulierend, muss lenkend und richtungsweisend sein. Sie darf nicht nach dem Gießkannenprinzip folgen, sondern einem schlüssigen Förderkonzept.

Dies wird insbesondere dann zur Herausforderung, wenn Sie bedenken, dass nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die meisten Bundesländer Filmförderung anbieten. Dies macht nur dann Sinn, wenn sich die Maßnahmen des Bundes und der Länder sinnvoll ergänzen.

Leipzig kennt einige dieser glückhaften Verbindungen. Dazu gehören z. B. die Produktionen "Bibi Blocksberg II" oder "Russian Ark", die sowohl von meiner Behörde als auch von der Mitteldeutschen Medienförderung unterstützt wurden.

Dazu gehört das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Und dazu gehört, dass ich soeben vier Leipziger Kinos mit dem Kinoprogrammpreis ausgezeichnet habe.

Filmförderung ist aber auch ein wichtiger Bestandteil der regionalen Wirtschafts- und Standortpolitik. In Deutschland gehören über 8000 Unternehmen mit rund 150.000 Beschäftigten zur Filmindustrie. Dies ist weiter ausbaufähig. Experten stellen dem Film ein jährliches Wachstumspotential von 6,6 % in Aussicht. Die neuen Länder partizipieren daran und sollten es weiter tun.

Ich betrachte die Filmpolitik unter diesen Aspekten als eine der wichtigsten und schönsten Aufgaben als Kulturstaatsministerin.

Meine Damen und Herren,

trotz schöner Erfolge dürfen wir nicht ignorieren, dass sich die Lage der deutschen Filmwirtschaft seit der letzten Gesetzesnovelle 1998 zugespitzt hat. Sie alle kennen die Ursachen dafür:

Die Börsen, vor allem aber der Neue Markt, haben eine schmerzliche Talfahrt hinter sich, das Eigenkapital der Produzenten stagniert bei steigenden Produktionskosten, viele Fernsehveranstalter verzichten auf Spielfilmproduktionen, während die Kosten für Werbung und Filmkopien in den letzten Jahren auf mehr als das Doppelte gestiegen sind. Auf der anderen Seite besitzen wir in Deutschlandein beachtliches künstlerisches und kreatives Potential: Wir haben dank unserer einzigartigen Theaterlandschaft hoch begabte Schauspieler, verfügen über talentierte Regisseure, kreative Drehbuchautoren und Techniker, die jedem internationalen Vergleich gewachsen sind.

Dennoch kann der wirtschaftliche Erfolg des deutschen Kinofilms nicht genügen. Seine Publikumsresonanz im Inland ist keineswegs befriedigend, das Echo im Ausland trotz aktueller Trends unbedingt steigerungsfähig.

Das Medium lässt sich entwickeln: mit jungen Entdeckungen und innovativen Gedanken. An diese Gegebenheiten knüpft das Fördersystem des Bundes an. Es besteht aus zwei Säulen: Die eine Säule sind die Fördermaßnahmen der Filmförderungsanstalt. Die zweite Säule ist die Förderung meines eigenen Hauses.

Gleichzeitig gilt es, die Rahmenbedingungen für die Filmbranche zu verbessern. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, wie illegales Raubkopieren von Filmen unterbunden wird. Ich werde mich im Rahmen der Reform des Urheberrechts dafür einsetzen, dass das Kopieren von Filmen auch für private Zwecke nicht zulässig ist. Wir müssen zudem eine Antwort auf die Frage, finden wie Medienfonds und deren Investitionen steuerrechtlich attraktiver werden; oder wie deutsche Filme von Quoten für europäische Werke in den Fernsehprogrammen der EU-Mitgliedstaaten profitieren können. Punkte, auf die ich aber an dieser Stelle nicht näher eingehen will.

Mit der "Säule I" meine ich die Instrumente des Filmförderungsgesetzes. Dieses Gesetz ist die Grundlage und zugleich die Agenda für die Filmförderungsanstalt.

Die Arbeit der Filmförderungsanstalt wird von all jenen Gruppen finanziert, die vom Kinofilm profitieren. Das sind einerseits die Kinos und Videotheken. Sie leisten gesetzliche Abgaben an die Filmförderungsanstalt. Ab kommendem Jahr soll diese für die Kinos durchschnittlich 2,7 % des Bruttoumsatzes an der Kinokasse betragen.

Weil es hier in der Vergangenheit immer wieder zu Protesten kam, will ich noch einmal deutlich beziffern, worum es tatsächlich geht.

Es geht um eine Abgabe, die wir um genau 3 Cent pro verkaufter Kinokarte erhöht haben. In Worten: drei Cent! Und davon zahlen die Kinobetreiber nur etwa die Hälfte. Die andere Hälfte zahlen die Verleiher. Drei Cent mehr für die Zukunft des deutschen Films. Das ist wahrlich moderat zu nennen. Und ich glaube nicht, dass man deswegen unsere Verfassungsrichter bemühen muss, wie das manche planen.

Zum Vergleich: In Frankreich beträgt die Abgabe auf alle verkauften Kinokarten elf, ich wiederhole, elf Prozent!

Die Filmförderung der Filmförderungsanstalt wird von der Film- und Fernsehwirtschaft getragen und nicht aus Steuermitteln finanziert.

Ich wiederhole es noch einmal: Nach dem Gesetzesentwurf wird die Filmförderungsanstalt ab 2004 über ein Fördervolumen von über 64 Millionen Euro verfügen. Das entspricht einer Budgeterhöhung um rund vierzig Prozent. Die ARD und das ZDF ebenso wie die privaten Sender verdoppeln ihre Leistungen und finanzieren mit rund 22,4 Millionen Euro rund ein Drittel des gesamten Fördervolumens. Dieses Ergebnis betrachte ich als großen Erfolg.

Der Aufgabenkatalog für die Filmförderungsanstalt umfasst ein weites Spektrum. Der Kernauftrag liegt aber in der Filmförderung im eigentlichen Sinn. Sie beginnt bei der Drehbuchförderung, setzt sich fort bei der Produktions- und Verleihförderung und schließt den Kreis bei der Unterstützung von Kinos und dem Vertrieb von Filmen.

Das novellierte Gesetz gewichtet die Förderbereiche anders. Ziel dieser Neujustierung ist, den deutschen Film im In- und Ausland erfolgreicher zu machen.

Erfolg - insbesondere ein nachhaltiger Erfolg - im Filmgeschäft setzt zwei Dinge voraus:

Erstens, Kreativität und eine hohe künstlerische Qualität der Filme und zweitens, unternehmerische Spielräume für Produzenten. Es ist also mein Ziel, das künstlerische Niveau der Filme weiter zu verbessern und zugleich die Eigenverantwortung und Eigenkapitalbasis der Produzenten erheblich zu stärken.

Ein wichtiges Instrument hierbei ist die sogenannte Referenzfilmförderung, die wir verändern und ausbauen wollen. Damit sollen künstlerische Qualität und der Erfolg einer Produktion stärker miteinander verknüpft werden. Erfolg wird künftig gemessen in Zuschauerzahlen und künstlerischer Anerkennung. Es sind die Mittel, um Erfolg zu prämieren.

Das Besondere an der Referenzförderung liegt darin, dass es dafür keiner Auswahl- und Juryentscheidung bedarf. Sie greift vielmehr automatisch und immer dann ein, wenn ein Produzent mit einem Referenzfilm besondere Erfolge erzielt hat. Der Produzent erhält dann Mittel, um einen nächsten Film zu drehen.

Bisher wurde der Erfolg des Referenzfilms vor allem an den Zuschauerzahlen gemessen. Dies soll sich nun ändern: Zusätzlich wird ab 2004 auch die Wertschätzung auf international erstklassigen Filmfestivals berücksichtigt.

Damit können wir Produzenten, die bewiesen haben, dass sich Kassenerfolg und künstlerische Qualität nicht ausschließen müssen, und dem deutschen Film internationales Ansehen bescheren, verstärkt unterstützen. Das wird wiederum neue positive Impulse auf die Struktur der Filmwirtschaft haben.

Lassen Sie mich kurz auf die Schwächen beim Auswärtsspiel des deutschen Films zu sprechen kommen. Wir alle kennen die Erfolge, wir alle kennen aber auch die Schwierigkeiten, die das internationale Parkett für uns bereit hält.

Gegenwärtig werden deutsche Kino- und Fernsehfilme von mehreren Organisationen getrennt und unabhängig voneinander beworben und präsentiert. Damit wird ein schlagkräftiger Auftritt des deutschen Films im Ausland torpediert.

In anderen Ländern, ich sprach bereits davon, verbindet man deutsche Filmkunst zwar schemenhaft mit den klassischen Werken Fassbinders, Herzogs oder Wim Wenders, nicht aber mit den neuen "Gütesiegeln" Wolfgang Becker, Caroline Link oder Christian Petzold.

Beim Fernsehfilm ist das etwas anders. Mit guten Produktionen wie z. B. den "Manns" ist es gelungen, deutsche TV-Filme international bekannter zu machen. Das muss endlich auch beim Kino gelingen.

Mit der Film- und Fernsehwirtschaft bin ich mir seit langem einig, dass die Außenvertretung des deutschen Films nach einer neuen Dramaturgie verlangt und stärker unterstützt werden muss. Beides ist im neuen Gesetz geregelt:

Mein Ziel ist es, neben und in Ergänzung zur Filmarbeit der Goethe-Institute die Export-Union zu einem funktionierenden Dienstleister, zu einem anerkannten Botschafter des deutschen Films zu befördern.

Das neue Konzept soll unter dem Namen "German Films Service and Marketing GmbH" firmieren. Die "German Films" wird ein gezieltes, ein wirksames Marketing für den deutschen Kinofilm betreiben. Mit ihrer neuen Aufstellung bietet sie auch für das Fernsehen eine attraktive Werbeplattform. Auf diese Weise kann sich das Kulturgut "Deutscher Film" unter einem gemeinsamen Label präsentieren.

Hierfür soll ein Budget von rund 5,8 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das ist eine deutlich bessere Finanzausstattung als die 3,5 Millionen Euro, mit denen die Export-Union bislang auszukommen hatte. Die Filmförderungsanstalt wird - ebenso wie mein Haus und weitere Partner - zum Erfolg dieses Modells finanziell und inhaltlich erheblich beisteuern. Ich sage es noch einmal, vom Marketing des deutschen Films hängt viel ab und hier kann auch viel verschenkt werden.

Ich wünsche mir, dass sich dieser Kreis für weitere Partner öffnet und sich künftig auch die Vertriebsgesellschaften des Fernsehens daran beteiligen. Schließlich geht es um den deutschen Film!

Die "Säule II" beschreibt die Filmpolitik des Bundes. Im Unterschied zur Filmförderung der Filmförderungsanstalt werden die Filmfördermaßnahmen der BKM - insgesamt über 22 Millionen Euro - aus Steuermitteln finanziert. Entsprechend unterschiedlich sind die Maßnahmen in ihrem Schwerpunkten:

In der Förderpolitik meines Hauses geht es mir in erster Linie um kreative, künstlerische Vielfalt!

Es geht mir um die Fokussierung auf künstlerisch anspruchsvolle und innovative Filme. Es geht mir um die konzentrierte Förderung von Projekten, die gesellschaftliche Anstöße geben und neue Impulse setzen. Es geht mir um mutige Projekte, um Experimente, um die Weiterentwicklung des künstlerischen Mediums. In vielen Bereichen verfolge ich auch neue und eigene Wege: Zum Beispiel in der Drehbuchförderung. Dem deutschen Kinofilm mangelt es an gelungenen Drehbüchern. Drehbücher wiederum aber sind der Humus, ohne den keine blühende Filmindustrie denkbar ist.

Wir experimentieren derzeit erfolgreich mit neuen Förderkonzepten: Zum einen verschaffen wir den Autoren kreative Freiheit, indem sich die Produzenten erst in einer fortgeschrittenen Stufe der Drehbuchentwicklung "einmischen".

Zum anderen habe ich ein sogenanntes Drama-Department eingerichtet, das die Drehbuchautoren dramaturgisch berät.

Zwei wesentliche Ziele meiner Filmpolitik möchte ich besonders hervorheben.

Die Kinderfilmförderung genießt in meiner Behörde Priorität. Neben dem Kuratorium junger deutscher Film ist mein Haus die einzige Institution in Deutschland, die Mittel für Kinderfilme bereitstellt. Ich halte dieses Engagement in allen Ländern Europas für ungeheuer wichtig. Wenn unsere Kinder Sichtweisen und Wahrnehmung trainieren sollen, wenn wir sie kulturell sozialisieren wollen, wenn wir Werte vermitteln wollen, dann darf der Kinderfilm kein Nebenschauplatz sein. Produzenten, die sich hier engagieren, sollen stärker als bisher unterstützt werden. Für den Kinderfilm stelle ich jährlich rund 1 Million Euro bereit.

Meine Damen und Herren, wir wissen heute, wie wichtig und nötig es ist, die Sprache der Bilder zu lernen. Am Anfang dieses Bildungsweges, der sich jenseits der Schule ereignet, steht ein diffuses, ein eher gefühltes denn bewusstes Interesse; am Ende aber ein ausgeprägter, veränderter Blick auf die Welt. Gerade deshalb ist die Initiative "Lernort Kino" mit ihren Schulfilmwochen so ausgesprochen wertvoll.

Ich habe dieses Projekt deshalb so vehement unterstützt, weil man das Sehen lernen muss wie das Lesen oder das Hören. Das Publikum von morgen benötigt eine filmische Kompetenz. Nur wer die Sprache der Bilder analysieren und verstehen kann, ist in der Lage, die tägliche Bilderflut zu sondieren. Diese Fähigkeit ist erlernbar. Sie ist ein wesentlicher Teil der Erziehung junger Menschen zu kritikfähigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten in unserer Gesellschaft.

Die Urteilskraft ist gerade bei Stoffen, die Gewalt zum Gegenstand haben, besonders wichtig. Es ist gleichgültig, ob es sich um Dokumentarfilme, fiktionale Programme oder Videospiele handelt.

Beim Erlernen dieser Film- und Bildsprache leisten die Schulfilmwochen einen wichtigen Beitrag."Lernort Kino" wird seit dem vergangenem Jahr in einzelnen Bundesländern veranstaltet. Im Angebot sind spezielle Filme für Schüler und Lehrer zu einem reduzierten Eintrittspreis von nur 2,50 Euro.

Ich möchte dieses Projekt in nächster Zukunft flächendeckender anbieten und als festes Instrument der filmischen Erziehung etablieren. Dabei erhoffe ich mir die Unterstützung der Kultusminister der Länder und der Fernsehsender.

Meine Damen und Herrn, ich habe viel vom Wohl und Wehe der deutschen Filmpolitik gesprochen.

Herr Prof. Reiter hat mich gebeten, kurz zur Frage der Vielfalt im Hörfunk Stellung zu nehmen. Das will ich gerne tun.

In den letzten Monaten wurde die Frage der Einführung einer Hörfunkquote für Musik, die in Deutschland komponiert, interpretiert und aufgenommen wird, gestellt. Diese Idee wurde auch an mich herangetragen.

Nun ist der Rundfunk grundsätzlich Ländersache. Aber die Forderung nach einer Radioquote berührt nicht nur die Länder allein. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, Ministerpräsident Kurt Beck, bin ich daher der Frage nachgegangen, wie die Chancen deutscher Produktionen und deutschsprachiger Musik im Hörfunk tatsächlich stehen und warum Rundfunk, Musikwirtschaft und Interpreten in diesen Punkten bisher nicht zueinander fanden.

Vor diesem Hintergrund haben wir im Frühjahr diesen Jahres Vertreter des Rundfunks und der Musikwirtschaft zu einem gemeinsamen Symposium nach Berlin eingeladen. Es begann mit Kontroversen. Die Vertreter der Musikwirtschaft bemängelten, dass ein Großteil ihrer Musik im Hörfunk nicht gesendet werde und forderten Unterstützung durch die Sender ein. Die Rundfunkvertreter wiederum reagierten reserviert. Die einen verbaten sich jeglichen Eingriff in ihre Programmautonomie, die anderen empfanden den Quotendruck als Zumutung und als Relikt des DDR-Staatsfunks.

Als Kultur- und Medienpolitikerin vertrete ich eine differenzierte Position: Ich sehe eine Aufgabe des Rundfunks darin, nicht nur die politischen und sozialen, sondern auch der kulturellen Entwicklungen im Land und in den Regionen zu reflektieren. Das bedeutet auch, die Vielfalt unserer Musikkultur angemessen wiederzugeben. Das gilt auch für die Nachwuchsförderung.

Dies ist übrigens auch der gemeinsame Nenner, auf den wir uns mit den Rundfunkvertretern verständigen konnten und der uns Basis für weitere Gespräche ist. Ministerpräsident Beck möchte zum Jahresende Bilanz ziehen und dann mit seinen Länderkollegen weitere Schritte beraten.

Dennoch bin ich gegen die Einführung einer Quote. Ich bin überzeugt, dass wir auch ohne Regulierung und auf "natürlichem" Wege zu Veränderungen gelangen. Dafür spricht folgendes:

Erstens hat bereits die Diskussion das Bewusstsein geschärft. Immerhin haben zehn Ministerpräsidenten der Länder, darunter auch der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt, bei der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages eine Protokollerklärung abgegeben. Danach erwarten sie von den Hörfunkveranstaltern eine stärkere Berücksichtigung von deutschsprachiger Musik und eine Förderung auch neuerer deutschsprachiger Musikangebote durch ausreichende Sendeplätze.

Zweitens ist der Anteil nationaler und deutschsprachiger Produktionen bei den Albumcharts im ersten Halbjahr von 23 % auf über 29 % gestiegen.

Drittens denkt die Musikszene intensiver darüber nach, wie sie aktiv das Programmangebot des Rundfunks mit bestimmen kann. Ein Beispiel hierfür ist das private Chart-Radio in Baden-Württemberg, das vor wenigen Wochen auf Sendung ging und das sich als Plattform für neue Musikproduktion versteht. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat dies durch Bereitstellung zusätzlicher technischer Frequenzen unterstützt.

Viertens glaube ich an die Kraft und heilsame Wirkung vieler "Jugend-Wellen", die seit Jahren ein engagiertes Programm verfolgen und über die lokale und regionale Musikszene berichten. Im MDR-Sendegebiet haben Sie mit "MDR-Sputnik" und "MDR Jump" sogar zwei jugendorientierte Programme, die die qualitativen Maßstäbe für das künftige Hörerverhalten mitprägen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Schluss. Es geht um das Fernsehen und die leidige Diskussion um die Kulturmagazine. Wer mich kennt, weiß, dass ich in dieser Disziplin aktiv war. Wenn wir unterstellen, dass Kultur ein Lebensmittel ist und kein Subventionszucker, dann haben wir auch dafür zu sorgen, dass Zuschauer dieses Lebensmittel nicht mitten in der Nacht einnehmen müssen. Mir wäre es sogar lieb, wenn Kultur zur nachrichtlichen Grundversorgung gehören würde. Es ist wirklich an der Zeit, dass in der "Tagesschau" nicht nur tote Dichter vorkommen. Eine Kulturnachricht pro Ausgabe erscheint mir nicht zu gewagt. Kulturnachrichten müssen für die Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein. Ich spreche mich also, wie Sie merken, für eine gemäßigte Kulturquote in den Fernsehnachrichten aus - minimal, aber regelmäßig.

Es ist die gemeinsame Überzeugung, dass nur ein kreatives und hochwertiges Programm das Publikum findet, das wir erreichen wollen; die Nachfrage hat, die wir erreichen wollen; und damit auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit hat, die es verdient. Das gilt für das Fernsehen und den Film.

In diesem Ziel unterscheidet sich der MDR wenig von meiner Behörde. Allenfalls die Mittel sind andere. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.