Redner(in): Christina Weiss
Datum: 13.02.2004

Untertitel: Kulturstaatsministerin Weiss spricht zur Eröffnung der 3. Berlin Biennale im Martin-Gropius-Bau in Berlin
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/12/605812/multi.htm


es zeichnet die aktuelle Kunst seit einiger Zeit aus, auf einen Ort oder Kontext besonderen Bezug zu nehmen - ein bewusster Gegensatz zur Idee des "lŽart pour lŽart".

In dieser Hinsicht bezieht die diesjährige Berlin Biennale eindeutig Stellung. Die hier versammelten Arbeiten sind nämlich alles andere als "weltfremd".

Das sichtbarste Anzeichen dafür stellen die sogenannten "Hubs" dar. Dort vollzieht sich ein bemerkenswerter Wechsel der Perspektive. Statt von Künstlern ist von Kulturproduzentinnen die Rede. Sie zeigen keine Werke im herkömmlichen Sinn. Sie stellen zu einem Thema aus, meinen damit aber nicht eine thematische Ausstellung. Sondern begreifen dies als Recherche.

Damit geben sie einen Blick auf ihre Arbeitsweise frei. Dieser Blick hat eine Tradition. Er gleicht einem Atelierbesuch unter anderen Bedingungen. Im 19. Jahrhundert war die Skizze das Medium der Recherche. Aus den Ateliers sind heute Denk- und Arbeitsräume geworden, in denen Konzepte und Materialien aufeinandertreffen.

Ein Blick in diesen Raum kann Modellcharakter haben. Dort zeigt sich exemplarisch, wie Kunst Außenwelt und Kultur wahrnimmt und damit auch: wie Kunst sich reflektiert und wahrnehmbar ist.

Dem Gegensatz zwischen Selbstbezug und Weltbezug entspricht - wenn auch nicht deckungsgleich - eine Unterscheidung zweier Ausstellungsorte. Die Erfolge der Kunst verdanken sich ganz wesentlich dem Zusammenspiel zwischen Galerien und Museen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich das Verhältnis zwischen diesen beiden Orten der Kunst verschiebt.

Eine Berlin Biennale steht zwischen diesen beiden Polen. Sie ist weder Markt noch Sammlung. Das macht ihre Aufgabe keinesfalls leichter.

Vor einigen Jahren kam es zu einer regelrechten Inflation von Biennalen rund um den Globus. Die Ausstellungsform der Biennale geriet als Bühne des Kunst-Jet-Set in die Kritik und wurde als Marketingpodium verunglimpft.

Die Berlin Biennale 2004 kann weder der eine noch der andere Vorwurf treffen. Sie greift auf die künstlerischen Ressourcen vor Ort zurück, und das auf ganz selbstverständliche Weise. Sie nutzt die Vorteile einer kulturell ungemein produktiven Metropole. Und das ist Berlin ganz ohne Zweifel geworden. Damit füllt sie eine Lücke. Denn ein Großteil der Kunst, die hier entsteht, ist in der Stadt nur selten zu sehen.

Aber die eigentliche Stärke der Biennale liegt darin, dass sie Stellung bezieht. Sie zeigt eine Kunst, die der Markt oft untergewichtet und die progressive Museen auszeichnet: eine Kunst, die sich durch einen klaren Bezug auf Kultur und Welt auszeichnet. Außerdem ist die Berlin Biennale längst zu einer internationalen Marke geworden. Viele Künstlerinnen und Künstler, die hier entdeckt wurden, stellen inzwischen weltweit aus. Damit ist die Biennale auf einem guten Weg, sie ist größer geworden und wird ab der nächsten von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Und das für fünf Jahre. Dies ist ein gutes Zeichen für die aktuelle Kunstproduktion in dieser Stadt, ein klares Bekenntnis zur Idee einer Schau, die sich mit den Lebensentwürfen in einer Metropole auseinandersetzt. Ich wünsche der Ausstellung viel Erfolg. Vielen Dank!