Redner(in): Christina Weiss
Datum: 18.02.2004

Untertitel: Ab 20. Februar 2004 zeigt die Neue Nationalgalerie in Berlin 200 Meisterwerke aus dem New Yorker Museum of Modern Art. Die Ausstellung "Das MoMA in Berlin" steht unter der Schirmherrschaft des amerikanischen und des deutschen Außenministers.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/44/609244/multi.htm


heute ist ein wundervoller Tag für die Kunst - für uns alle! Das MoMA ist nach Berlin gekommen. Das MoMA, das längst zum Mythos geworden ist, zum Pilgerort für Kunstjünger, zum begehbaren Lexikon der modernen Kunst, hat seinen ersten und einzigen Standort außerhalb New Yorks bezogen - hier in Berlin: 200 Gemälde und Skulpturen von Monet und Cézanne, von Picasso und Max Beckmann, Gerhard Richter, Edward Hopper, Jackson Pollock und Andy Warhol - "Das MoMA in Berlin", das verspricht epochale Werke der besten Künstlerinnen und Künstler der europäischen und amerikanischen Moderne.

Hier, in der Neuen Nationalgalerie, dem brillanten Entwurf des späten Mies van der Rohe, passt einfach alles zusammen. Man kann es beinahe mit Händen greifen: Gegenwart und Geschichte bilden eine Einheit von ganz besonderer Qualität.

Wir eröffnen heute eine Ausstellung, die uns auch daran erinnern sollte, dass die Nationalsozialisten mit ihrer verbrecherischen Politik auch die künstlerische Moderne aus unserem Land vertrieben haben. Wir erkennen in dieser Ausstellung etwas vom europäischen Blick und vom amerikanischen Blick. Und jedes dieser Bilder, jede dieser Skulpturen verändert sich in der Wiederbegegnung im neuen europäischen Kontext. Ich freue mich darüber, dass der amerikanische und der deutsche Außenminister ihre Verbundenheit mit dieser Schau bekunden, aber sie tun dies nicht, um irgendetwas zu kitten, sie tun dies, weil es um unsere gemeinsame Kunstgeschichte geht, um unsere gemeinsamen Wurzeln, um die Neugier der Amerikaner auf "good old europe", um die Träume der Deutschen von einem Land, das Freiheit symbolisierte, dessen Malerei die Ikonen eines neuen Weltgefühls prägte. Diese gefestigten kulturellen Bande lassen sich nicht zerstören, selbst wenn es im politischen Alltag auch mal zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Die Seelenverwandtschaft gerade zwischen Berlin und New York ist sprichwörtlich, Künstlerinnen und Künstler pflegen den intellektuellen Austausch, er ist stark wie nie. Kurzum: ein politischer Dissens ist nicht imstande, die Spuren dieser fruchtbaren Tradition zu verwischen.

Die Kunst geht eigene Wege. Und ich kann mir hierfür keinen gelungeneren Beweis vorstellen als diese Ausstellung, die wir heute eröffnen wollen."Das MoMA in Berlin" ist nämlich weit mehr als nur eine Ansammlung von großartigen Meisterwerken. Die Verbindungslinien zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, die hier gezogen werden, gehen tief. Sie reichen bis in das Innerste hinein, bis in die Substanz, die Kunst selbst. Wer weiß, was aus den Malern der New York School geworden wäre, hätten sie nicht Matisse, Picasso und Kandinsky studiert, bevor sie zur ihrer eigenen Formensprache fanden.

Wer kann umgekehrt sagen, wie die Entwicklung in Europa verlaufen wäre ohne den Abstrakten Expressionismus, ohne Pop-Art und Konzept-Kunst. Sie werden sich gleich davon überzeugen können, wie eminent wichtig und kleinteilig das Wechselspiel der Einflüsse diesseits und jenseits des Atlantiks gewirkt hat und immer noch wirkt.

Für die Künstler, für uns alle sind die Vereinigten Staaten und Europa zwei Teile eines gemeinsamen Koordinatensystems der Anschauungen und Ideen, daran gibt es keinen Zweifel. Und so bietet "Das MoMA in Berlin" nicht nur ein aufregendes, anregendes kunsthistorisches Panorama, sondern einen Überblick über mehr als ein Jahrhundert große Kultur- und Geistesgeschichte. Und weil wir es dabei nicht bewenden lassen wollen, richten wir eine "american season" aus. Ein ganzes Jahr ist den Beziehungen zwischen amerikanischer und europäischer, ganz besonders aber deutscher Kultur gewidmet: in der Musik, im Film, im Theater, im Tanz, in der Literatur.

Lassen Sie mich zum Schluss allen danken, die diese wunderbare Schau möglich gemacht haben. Natürlich dem MoMA, das bereit war, seine Schätze so lange exklusiv nach Berlin zu geben. Danken möchte ich auch den Staatlichen Museen und den Kuratoren, die diese unglaubliche Ausstellung so eindrucksvoll eingerichtet haben. Ich danke dem Hauptsponsor, der Deutschen Bank, für ihr großzügiges Engagement, vor allem aber danke ich Ihnen, liebe Freundinnen und Freunde der Nationalgalerie - allen voran Peter Raue! . Ohne Sie wäre diese Ausstellung nie zustande gekommen. Die Initiative, der Mut und die Risikobereitschaft, die Sie an den Tag gelegt haben, sind beispielhaft und höchste Anerkennung wert. Ich wünsche dem "MoMA in Berlin" einen Ansturm der Neugier. Vielen Dank!