Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 22.04.2004

Untertitel: "Erstens gibt es in unserem Land eine große Bereitschaft zu Veränderung, wenn diese Veränderung abstrakt abgefordert wird. Die Bereitschaft ist weit geringer entwickelt, wenn sie für den Einzelnen oder einzelne Gruppen in der Gesellschaft konkret spürbar wird."
Anrede: Sehr geehrter Herr Dr. Endres, sehr geehrter, lieber Herr Professor Biedenkopf, Exzellenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/12/640712/multi.htm


für das, was ihre Gründer sich vorgenommen haben, hätte die Hertie School of Governance sich kaum eine bessere Adresse aussuchen können als das ehemalige Staatsrats-Gebäude der DDR. Es ist, wie wir wissen, ein Ort mit einer außerordentlich wechselvollen Geschichte, was die Ausübung staatlicher Macht angeht. Gerade deshalb fordert dieser Ort ganz besonders zur Auseinandersetzung mit staatlicher Macht und mit der Praxis des Regierens heraus. Ich habe es während der mehr als anderthalb Jahre, in denen das Bundeskanzleramt provisorisch dort untergebracht war, immer wieder so empfunden. Das ehemalige Staatsratsgebäude erinnert nicht nur an die Diktatur in der DDR. Mit seinem Portal, das aus dem alten Stadtschloss der Hohenzollern übernommen wurde, verweist es auch auf den preußischen Staat. Jenes Preußen war nach den Reformen der Freiherrn Hardenberg und vom Stein gewiss ein um Modernität bemühtes Staatswesen. Aber ebenso sicher war es kein Staat, der unseren heutigen Anforderungen an "good governance", an "gutes Regieren" entsprechen würde.

Der demokratische Staat des 21. Jahrhunderts muss vor allem eines sein: Er muss offen sein für die demokratische Kontrolle seiner Verfahren, aber auch seiner Ergebnisse; er muss offen sein für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungsprozesse, die er kooperativ und gerecht gestalten muss, und zwar national wie international. Darin liegt, was Reformprozesse angeht, eine der Schwierigkeiten, die wir heute vorfinden. Ich empfinde eine doppelte Schwierigkeit.

Erstens gibt es in unserem Land eine große Bereitschaft zu Veränderung, wenn diese Veränderung abstrakt abgefordert wird. Die Bereitschaft ist weit geringer entwickelt, wenn sie für den Einzelnen oder einzelne Gruppen in der Gesellschaft konkret spürbar wird. Diese Differenz zwischen der abstrakten Bereitschaft zu Veränderung, die es im Volk durchaus gibt, und der weniger und manchmal gar nicht vorhandenen Bereitschaft, sich diesen Veränderungsprozessen zu stellen und sich darauf einzulassen, auch wenn man als Einzelner oder als Gruppe spürbar betroffen ist, macht gegenwärtig das Gestalten von Reformprozessen und damit Regieren so schwierig.

Zweitens. Das, was wir gegenwärtig tun müssen, hängt mit einem Gerechtigkeitsbegriff zusammen, der sich nicht nur auf die heute lebende Generation bezieht, sondern auch die nachfolgenden Generationen einbezieht. Die Belastungen der Reformen sind aktuell spürbar. Aber die positiven Folgen werden sich später herausstellen. Wer sich gegenwärtig die politische Landschaft in Europa betrachtet, wird feststellen, dass diese doppelte Schwierigkeit, Reformprozesse nicht nur anzufangen, sondern sie auch zu bewältigen, keineswegs von der politischen Farbe der Regierungen abhängt. Es ist vielmehr ein Problem des Regierens in reichen Gesellschaften generell und macht all jenen Schwierigkeiten, die es tun müssen und tun wollen.

Die Diskussion über gutes Regieren und die Modernisierung des Staates wird in der Gesellschaft seit Jahren intensiv geführt. Ich will die Debatten dieses Symposiums nicht vorwegnehmen, und schon gar nicht die Ergebnisse, die Sie im Laufe der Arbeit an dieser "Hochschule des Regierens" erzielen werden. Einige Aspekte dieser Diskussion, die wir gerade auch unter reformfreudigen Politikern und Experten im In- und Ausland führen, scheinen mir jedoch bemerkenswert.

Zum einen ist die noch vor ein paar Jahren als geradezu unantastbar geltende Behauptung, in der Globalisierung sei die Zeit des "big government" - also eine starke, aktive Rolle des Staates - unwiderruflich vorbei, inzwischen einer realistischeren Betrachtungsweise gewichen.

Zum andern werden der "Gewährleistungsstaat" und der "aktivierende Staat" heute nicht mehr als Gegensätze, sondern als einander ergänzende Modelle gesehen. Die Verantwortung des Staates, öffentliche Güter wie Infrastruktur, Bildung, kulturelle Einrichtungen, aber auch Sicherheit, Gerechtigkeit und Teilhabe zu gewährleisten, geht einher mit der Verantwortung, effizient, aber auch transparent zu wirtschaften.

Oberstes Ziel ist demnach eine im umfassenden Sinne "kooperative" Regierungsführung. Sie muss nicht nur ein funktionierendes Gemeinwesen, öffentliche Dienstleistungen und Regeln des Wettbewerbs garantieren, sie muss als Partner der Bürgerinnen und Bürger auch die optimale Entfaltung ihrer Fähigkeiten und ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung ermöglichen.

Meine Damen und Herren, unser gemeinsames Ziel sollte es sein, Dienstleistungen der Verwaltung zu optimieren. Das ist im Übrigen auch wichtiger Bestandteil einer Politik für Wachstum und daraus folgend für mehr Beschäftigung. Ich bin sicher, dass hier private Hochschulen wie die Hertie-School oder die geplante Humboldt-Viadrina-School of Governance wichtige Anregungen für moderne Verwaltungsstrukturen entwickeln können. Schließlich wird hier zukünftig der Führungskräfte-Nachwuchs der öffentlichen Verwaltung geschult, und zwar wie an der Hertie School in privater Initiative. Das ist eine gute Ergänzung der erfolgreichen Ausbildungstätigkeit der staatlichen Einrichtungen, etwa der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer oder der Universitäten in Erfurt und Potsdam. Auch mit dieser Ergänzung wird ein weiterer Grundsatz modernen Regierens eingelöst: Der Staat ist verantwortlich dafür, dass gerade bei Bildung und Qualifikation grundlegende Angebote garantiert werden und garantiert bleiben.

Das heißt aber nicht, dass diese Dienstleistungen immer durch den Staat selbst angeboten werden müssen. Gerade auf dem Gebiet der so genannten "Public-Private-Partnerships" gibt es in Deutschland noch viel Raum für gute, intelligente Lösungen und für ebenso gute und intelligente Initiativen.

Gutes Regieren, meine Damen und Herren, kann im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr auf den klassischen Nationalstaat beschränkt werden. Auch wenn der Nationalstaat noch lange Zeit der zentrale Ort bleiben wird, an dem sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Demokratie und ihrem Gemeinwesen identifizieren, können zentrale Fragen, etwa in der Wirtschafts- und Zuwanderungspolitik, aber auch bei Umwelt und umfassender Sicherheit, heute nicht mehr nur auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden.

Für uns Deutsche bedeutet das vor allem die fortgesetzte und konsequente Orientierung auf Europa. Wir haben uns vor allem deshalb so sehr für diese europäische Verfassung eingesetzt, damit Europa transparenter und bürgernäher werden kann. Wir haben uns aber auch für diese Verfassung eingesetzt und tun das weiterhin, damit die größer gewordene Europäische Union politisch führbar bleibt. Das ist ein wesentlicher Aspekt, der in der Verfassung und in den Regeln der Verfassung zur Führung des Gemeinwesens, aber auch zur Entscheidungsfindung anklingt, keineswegs aber befriedigend gelöst ist. Es bleibt noch viel zu tun, um diese politische Führbarkeit der größer gewordenen Union sicherzustellen. Der Verfassungsentwurf sieht vor, dass das Amt eines EU-Außenministers sowie eines Europäischen Diplomatischen Dienstes zu schaffen ist und die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik deutlich ausgebaut wird. Das ist ein Zeichen dafür, dass das, was früher im nationalstaatlichen Maßstab gelöst werden konnte und musste, heute längst über den Nationalstaat hinausgeht. Daran zeigt sich auch der gemeinsame Gestaltungswillen der Europäischen Union in der internationalen Politik. Es wird oft übersehen, dass dies vor einigen Jahren noch völlig unvorstellbar gewesen ist.

Darüber hinaus werden wir durch die neue Verfassung demokratische Strukturen schrittweise auf die europäische Ebene übertragen. So soll das Europäische Parlament in fast allen Bereichen der Gesetzgebung der Europäischen Union gleichberechtigter Gesetzgeber mit dem Rat, der das bislang faktisch allein gemacht hat, sein. Das Parlament wird künftig den Kommissionspräsidenten wählen, natürlich auf der Basis eines nicht komplizierten, aber doch komplexen Vorschlagwesens.

Es stimmt schon: Bürgerinnen und Bürger können heute oftmals nicht mehr erkennen, wer in Europa wofür politisch verantwortlich ist. Die Europäische Union ist mittlerweile Gesetzgeber in so unterschiedlichen Bereichen wie dem Binnenmarkt, der Justiz- und Innenpolitik, aber auch der Umweltpolitik und der Wirtschaftspolitik. Währungspolitik und gemeinsame Handelspolitik stellen ausschließliche Zuständigkeiten der Europäischen Union dar. Umso wichtiger ist es unserer festen Überzeugung nach, dass im Verfassungsentwurf verbesserte Regelungen zur Abgrenzung von Kompetenzen zwischen mitgliedsstaatlicher und europäischer Ebene verankert worden sind.

Deswegen scheue ich mich nicht, trotz aller Mängel, die diese Verfassung noch hat, selbstbewusst und entschieden für diese Verfassung zu werben. Lassen Sie mich anmerken: Unabhängig davon, in welchem Verfahren die einzelnen Mitgliedstaaten über die Verfassung entscheiden, am Ende werden demokratische Entscheidungen stehen, auf die wir in öffentlicher Debatte einwirken wollen und können. Ich halte daher wenig davon, bei der Frage der Legitimation dieser Verfassung zu unterscheiden zwischen einer Legitimation durch ein ausschließlich parlamentarisches Verfahren und einem ebenso demokratischen Verfahren durch Referenden.

In wenigen Tagen werden zehn neue, größtenteils mittel- und osteuropäische Staaten in die Europäischen Union eintreten. Die Spaltung unseres Kontinents, die nach zwei furchtbaren Kriegen die vergangenen Jahrzehnte geprägt hat, wird dann endgültig Vergangenheit sein. Ich nutze auch hier die Gelegenheit, um deutlich zu machen: Diese unglaubliche historische Chance, die wir mit diesem Prozess verbinden können und dürfen, überwiegt alles, was es an schmerzlichen Entscheidungen, an Belastungen und Schwierigkeiten, etwa beim ökonomischen Zusammenwachsen, geben könnte. Es ist wichtig, dass die wirtschaftlichen, die kulturellen und die politischen Eliten unseres Landes unablässig darauf hinweisen, dass diese historische Chance, die die heutige Generation von Politikerinnen und Politikern hat und an der sie mitarbeiten darf, dieses Europa zu einem Ort dauerhaften Friedens und dauerhaften Wohlergehens seiner Menschen zu machen, nicht verpasst werden darf. Ich bin mir sicher, dass diejenigen, für die wir das auch tun, nämlich für unsere Kinder und deren Kinder, uns schreckliche Vorwürfe machen würden, wenn wir wegen kleinlicher Bedenken, in welchen politischen Feldern auch immer, diese Chance nicht entschieden nutzen würden. Ich bin davon überzeugt, dass es notwendig und richtig ist.

Meine Damen und Herren, die immer rascher zusammenwachsende Welt stellt auch neue Forderungen an die internationale Gemeinschaft. Gute Regierungsführung im Innern ist heute nicht mehr zu trennen von guter Regierungsführung im internationalen Rahmen. Wir wollen und wir müssen die Globalisierung international so gestalten, dass möglichst viele Menschen von den Vorteilen weltweiten Handels und offenen Wirtschaftens profitieren können. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass überall in der Welt rechtsstaatliche Strukturen gestärkt werden. Zerfallende Staaten, in denen Regierungen Sicherheit und Wohlergehen ihrer Bürger nicht gewährleisten können oder manchmal auch wollen, stellen eine der größten Bedrohungen unserer Zeit dar. Deshalb engagieren wir uns in Afghanistan, um diese Prozesse nicht stattfinden lassen, die uns selber auch bedrohen, wie wir erfahren haben. Dort gibt es durchaus ermutigende Fortschritte bei der Wiedererrichtung staatlicher Strukturen und als Folge dessen auch beim zivilen Wiederaufbau. Deshalb haben wir auch - ganz unabhängig davon, welche Meinungsunterschiede es zum Irak-Krieg sowohl in der internationalen als auch in der nationalen Politik gab; die hat es ja nun tatsächlich gegeben - ein vitales Interesse an der Stabilisierung und Demokratisierung des Irak.

Dabei gilt allerdings - ganz genau so wie im Konflikt um Israel und Palästina - , dass einseitige, unilaterale Lösungen zumeist nicht die beste Art von "Global Governance" sind. Wir brauchen wirksame und möglichst breit abgesicherte internationale Konzepte, Regelwerke, aber auch funktionierende Institutionen. Das geht nur in internationaler Partnerschaft. Für uns als Deutsche sind dabei starke und handlungsfähige Vereinte Nationen zentral. Notwendig sind aber auch verantwortlich handelnde internationale Wirtschafts- und Finanzinstitutionen sowie ein starkes und von allen beachtetes Völkerrecht. Mit der Millenniums-Erklärung hat sich die Staatengemeinschaft vor dreieinhalb Jahren hierfür ein Programm gegeben. Es begründet eine globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung. Damit ist es die beste und zugleich, wie wir jedenfalls finden, unabdingbare Voraussetzung für Frieden und Sicherheit eben auch bei uns und keineswegs nur in den Staaten, in denen wir uns engagieren.

Meine Damen und Herren, gutes Regieren bedeutet national wie international, dass vorausschauend auf neue Herausforderungen reagiert und Zukunft auf diese Weise sicherer gemacht wird. Auch deshalb ist es so wichtig, dass die Politik in Deutschland Antworten auf die Globalisierung einerseits und die demografische Entwicklung andererseits gibt. Mit der "Agenda 2010" wollen wir die Grundlagen sichern, damit die sozialen Systeme auch in Zukunft bezahlbar bleiben und gleichzeitig ihrer Sicherungsfunktion gerecht werden können. Mir liegt daran, dass klar wird: Nur wenn wir diesen Umbauprozess schaffen, haben wir eine Chance, angesichts der Globalisierung und der demografischen Entwicklung Systeme, die hier in Deutschland die ganze Nachkriegszeit über mit Erfolg praktiziert worden sind, auch in Zukunft wirksam werden zu lassen. Wir wollen damit aktuell die Lohnnebenkosten senken, damit die Beschäftigungsschwelle in Deutschland gesenkt werden kann. Wir schaffen mit dem Reformprozess die notwendige Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. So erhalten die Erwerbstätigen bessere Chancen, am Arbeitsleben teilzuhaben. Wir fördern die Ganztagsbetreuung von Kindern. Beruf und Familie können damit besser in Einklang gebracht werden. Schließlich setzen wir konjunkturelle Impulse, damit die Chancen für einen neuen Aufschwung verstärkt werden.

Wir wollen eine Umverteilung weg von Vergangenheitssubventionen, hin zu Zukunftsinvestitionen. Wir wollen und müssen Ressourcen frei bekommen, um Zukunft wirklich besser sichern zu können. Das geht eben nur, wenn wir Altes aufhören, um Neues beginnen zu können. Wir haben gemeinsam mit Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften die Initiative "Partner für Innovation" ins Leben gerufen. Auch damit setzen wir übrigens das Prinzip um, dass der Staat zwar politisch führen, aber auch gemeinsam mit den Akteuren der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft partnerschaftlich handeln soll. Deshalb haben wir mit der "Agenda 2010" auch den Anstoß zu einer, wie wir hoffen, umfassenden Bildungsdebatte gegeben. Trotz Haushaltskonsolidierung haben wir die Ausgaben für Bildung und Forschung in den vergangenen sechs Jahren um 25 % gesteigert. Wir haben uns in Europa das Ziel gesetzt, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3 % des Bruttoinlandprodukts zu steigern. Wir liegen in Deutschland bei 2,5 % . Andere vergleichbar große Industrieländer liegen deutlich darunter. Das Ziel, das wir auch aus ökonomischen Gründen verfolgen, muss sein, diese Drei-Prozent-Grenze möglichst rasch zu erreichen. Das heißt, wir müssen die Verstärkung der Investitionen in diesem Bereich fortsetzen, soweit es den Staat angeht. Aber wir müssen auch an die Wirtschaft appellieren, das ihre dazu zu tun.

Deutschland hat viele gute Universitäten. Mir liegt daran, dass deutlich gemacht wird, dass auf sehr breiter Basis in Deutschland hervorragende Leistungen erbracht werden, und zwar nahezu in allen Forschungsbereichen. Was fehlt und was wir entwickeln müssen, sind Spitzenuniversitäten, die durchaus weltweit ausstrahlen und deswegen attraktiv für die Besten sind. Das heißt, wir können ruhig noch internationaler werden. Deshalb haben wir einen Wettbewerb für solche Spitzenuniversitäten ausgerufen. Alle unsere Universitäten können sich daran beteiligen. Ich freue mich darüber, dass auch die Länder diesen Wettbewerb unterstützen. Gemeinsam mit den Ländern haben wir uns auf ein Maßnahmenpaket verständigt, das herausragende Leistungen an den Hochschulen fördern soll und wird. Spitzenuniversitäten werden ebenso gefördert wie Exzellenz-Zentren in speziellen Fachgebieten. Zudem unterstützen wir unseren wissenschaftlichen Nachwuchs durch den Ausbau von Graduierten-Schulen.

Meine Damen und Herren, für die Modernisierung unserer Gesellschaft ist es aber auch notwendig, die Gesetzgebungsverfahren in unserem Land möglichst einfach und transparent zu gestalten. Zurzeit berät darüber die Kommission von Bundesrat und Bundestag zur Reform des deutschen Föderalismus. Gemeinsames Ziel dieser Kommission ist es, den deutschen Föderalismus dynamischer und effizienter zu gestalten. Das ist übrigens auch notwendig, wenn er Europa-tauglich bleiben soll. Wir müssen überprüfen, ob die Zuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen auch wirklich den Anforderungen noch entsprechen. Schnellere Gesetzgebungsverfahren und eine klarere Verteilung der Kompetenzen auf die unterschiedlichen staatlichen Ebenen sind wichtige Voraussetzungen für ein modernes, handlungsfähiges und effektives Staatswesen. Wir müssen also die Entscheidungsprozesse beschleunigen und die jeweiligen politischen Verantwortlichkeiten auch erkennbarer machen, damit die Bürgerinnen und Bürger auch eine Chance der Zuordnung und damit die Chance der Unterscheidung im demokratischen Prozess haben.

Der Modernisierung des Staates muss ein neues Verständnis von Freiheit, aber auch von Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger entsprechen. Wir wollen deshalb die Zivilgesellschaft stärken. Deshalb bemühen wir uns z. B. um ein leistungsfähiges Stiftungswesen. Die positiven Ergebnisse sind hier zu spüren und werden sich als großer Erfolg herausstellen. Weniger Staat und eine starke Zivilgesellschaft, meine Damen und Herren, kann man nicht nur fordern. Das geht nur, wenn es auch eine verantwortungsvolle Privatwirtschaft gibt, die nicht nur in betriebswirtschaftlichen Kategorien denkt, sondern auch um die gesamtwirtschaftliche Verantwortung weiß. Denn nur sie kann für Investitionen und Arbeitsplätze, vor allem aber für eine qualifizierte Berufsausbildung junger Menschen sorgen.

Globalisierung und demografische Entwicklung erfordern eben nicht nur umfassende strukturelle Veränderungen im Sozialbereich, auf dem Arbeitsmarkt, bei Bildung und Ausbildung. Sie stellen auch vielfältige Anforderungen an ein modernes Regierungshandeln. Gefordert sind dabei Verantwortungsbewusstsein und Mut auch zu schwierigen Entscheidungen. Ich kann mir also nur wünschen, dass auch die Hertie School of Governance in diesem Sinne zusätzliche Impulse für ein modernes Regieren geben wird. Dem Ersten Internationalen Symposium der Hertie School wünsche ich einen guten Verlauf.