Redner(in): Christina Weiss
Datum: 16.06.2004
Untertitel: Kulturstaatsministerin Christina Weiss spricht bei der Veranstaltung "Zwanzig Jahre Privater Rundfunk" der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz im Staatstheater Mainz am 16. Juni 2004.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/33/669033/multi.htm
als sich vor zwanzig Jahren der deutsche Fernsehsaal vergrößerte, ahnte man nicht, dass das frisch verlegte Kabel der Eintrittspreis zu einer wahrhaften Revolution sein könnte. Die Kraft und die Tauglichkeit des Mediums schienen eine völlige Neubewertung zu erfahren. Das Fernsehen emanzipierte sich vom Duopolfernsehen der Nachkriegszeit und zugleich auch vom rein pädagogisch-paternalistischen Anspruch der Vergangenheit.
Heftige, scharfzüngige, aber auch optimistische Debatten hatten die Einführung des privaten, kommerziellen Rundfunks in Deutschland begleitet. Wir hatten es schließlich mit einem Paradigmenwechsel zu tun.
Unsere soziale Marktwirtschaft kannte bis dahin zwar die Freiheit des Handels mit Waren und Dienstleistungen jeder Art, allein der Rundfunk schien als gesellschaftlich relevantes Instrument der Aufklärung nicht recht auf den Ladentisch zu passen.
Der Rundfunk war und ist eben keine wirkliche Ware, sondern ein Kommunikationsmittel, eine Projektionsfläche für politische Prozesse und gesellschaftliche Diskurse, im besten Fall sogar ein Vermittler von geistiger Entwicklungshilfe. Seine Kultivierungs- und Erziehungsleistung für das Gemeinwesen der jungen Bundesrepublik ist nicht hoch genug zu würdigen, seine Rolle als Medium und Faktor der freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung unbestritten.
Aus dieser besonderen Verantwortung leiten sich Rechte und Pflichten für die Programmveranstalter ab, und zwar nicht nur für die öffentlich-rechtlichen, sondern auch für die privaten. Im Rundfunkstaatsvertrag der Länder ist davon die Rede, dass im privaten Rundfunk "die Vielfalt der Meinungen im Wesentlichen zum Ausdruck" zu bringen sei.
Weiter heißt es: "Die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen müssen in den Vollprogrammen angemessen zu Wort kommen; Auffassungen von Minderheiten sind zu berücksichtigen." Anders gesagt: auch dem Privatfernsehen wird eine Autorität als Hüter kollektiver Werte zugesprochen.
Die Premiere des privaten Rundfunks vor zwei Jahrzehnten war mit Hoffnungen und auch mit Befürchtungen verbunden.
Es ging um mehr Wettbewerb in einem erst noch zu entdeckenden, bislang für Renditeerwartungen verriegelten Markt, es ging inhaltlich um Möglichkeiten und Grenzgänge. Der Aufbruch in das verheißungsvolle, neue mediale Zeitalter war mit neuen Ideen, Formaten und einem gerüttelt Maß an Kreativität verknüpft. Die öffentlich-rechtliche Betulichkeit sollte durchbrochen und zum ersten Mal ein Medienmarkt geschaffen werden.
Der Wettbewerb als tragendes Element einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung wurde nun mit harten Bandagen um die größtmögliche Zuschauerzahl geführt.
Was die einen als Erlösung von wirtschaftlichen Fesseln priesen, galt den anderen als Entfesselung der Niveaulosigkeit. Die Privaten, so hieß es damals, bedienten nurmehr den diffusen Geschmack des Massenpublikums, sie schlachteten ihn aus und kämen jeder Form von Voyeurismus entgegen.
Der Boulevard regiere den Geist und fördere hastige Berühmtheit, war zu lesen, man glaubte, dass die Schranken für Gewaltdarstellungen insgesamt sinken würden und Pierre Bourdieu beschwor gar "die demagogische Unterwerfung unter populäre Geschmacksrichtungen" herauf.
All den Kritikern ist entgegenzuhalten, dass der private Rundfunk den deutschen Zuschauer mit neuen Inhalten und Formaten vertraut gemacht und unsere Fernsehkultur insgesamt verändert hat. Ich denke dabei an Polit-Talk, an Daily Soaps, an das sogenannte Reality-TV, an die Renaissance der Quiz-Sendung, an den Film-Film, die herrlich verschrobenen Kult-Sendungen Alexander Kluges oder an die Regionalfenster.
Mit all diesen Farben und Formen professionalisierte sich das Privatfernsehen. Die stärkere Hinwendung zum Zuschauer wurde zum Merkmal des Medienmarktes.
Die Helden des Alltags bevölkern die Kanäle mit ihren Ängsten, ihren Sorgen, ihren Träumen, ihren Obsessionen. In den vergangenen zwanzig Jahren finden sich viele Programmentscheidungen, die vom Mut der Macher getragen waren, von Kreativität und Handwerk.
Ohne das Privatfernsehen hätten wir zum Beispiel nie gewusst, was eine Late Night Show ist und in welcher Weise sie die intellektuelle Elite eines ganzen Landes animiert, auch die Intellektuellen, die doch sonst im Fernsehen nur eine Gefahr für die kulturelle Produktion sieht. Auch die Kunst der politischen Talk-Show, die leider aus vielen Kanälen wieder verschwunden ist, brachten uns zuerst die Privaten bei.
Was gern als Revolution auf dem deutschen Medienmarkt beschrieben wird, vollzog sich nicht im luftleeren Raum. Die Einführung und Entwicklung des privaten Rundfunks erfolgte nicht rein marktgetrieben, sondern war begleitet von starken gesetzlichen Vorgaben und Sicherungsmechanismen.
Ich denke dabei auch an die errungene Sendezeit für unabhängige Dritte. Der Gesetzgeber sieht gerade hierin einen "zusätzlichen Beitrag zur Vielfalt... insbesondere in den Bereichen Kultur, Bildung und Information".
Das soll auch so bleiben, wir brauchen die anspruchsvollen Dokumentationen von "Spiegel-TV" ebenso wie das unterhaltsam anregende Magazin "Stern-TV". Dieses System hat sich bewährt und zu einer Relevanz des Wissens in den privaten Programmen geführt. Der intensive Dialog der Politik mit der Branche und verantwortlichen Verbandsvertretern darf in dieser Hinsicht als ausgesprochen fruchtbar bezeichnet werden.
Wenn ich vorhin davon gesprochen habe, dass das jüngere deutsche Fernsehen mit handwerklichem Geschick und kreativem Geist neue Sendeformate etablieren konnte, so will ich nicht verhehlen, dass sie damit Trends gesetzt haben, die auch von ARD und ZDF gern und inzwischen auch bedenkenlos übernommen, manchmal sogar kopiert werden.
Nicht immer freilich ist ein Trend auch ein guter Trend, vor allem dann nicht, wenn er dazu führt, dass die an sich gewollte Vielfalt zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern am Ende doch sehr eintönig erscheint. Die Konvergenz von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk schadet jedoch beiden. Am Ende verliert der Zuschauer.
Der Medienwissenschaftler Siegfried Schmidt sprach denn auch auf den Mainzer Tagen der Fernsehkritik über Grenzverwischungen zwischen Fiktion, Show und Information. Das sogenannte Infotainment führt zu einem verkürzten Erkenntnisgewinn, verschnipselte 1:30 -Beiträge mögen dem Boulevard zuträglich sein, der seriösen Information dienen sie nicht.
Was die F. A. Z. einen gepflegten Wirklichkeitsverlust des Fernsehens nennt, ist für mich eine Inkongruenz zwischen medialer und politischer Kommunikation. Der scheidende Bundespräsident Johannes Rau hat in seiner Rede beim Jahrestreffen des "Netzwerk Recherche" darauf hingewiesen, dass Journalisten Beobachter und nicht Handelnde sind.
Er beschrieb, dass es inzwischen zum guten Ton gehöre, ständig Exklusives zu melden und damit in eigener Sache zu werben. Doch der Anspruch, so Rau, ein Land "in einen atemlosen Zustand permanenter Dauererregung" zu versetzen, müsse auch von der Nachricht gedeckt sein und dürfe nicht allein dazu dienen, den Medien-Mechanismus in Gang zu setzen.
Ich teile diese Auffassung Johannes Raus unbedingt und gehe noch weiter: Früher machte die Politik Nachrichten, heute machen Nachrichten Politik.
Das Fernsehen zwingt Politiker zudem dazu, komplizierteste Zusammenhänge in hastig knappe Statements zu quetschen. Klare Information und differenzierte Kommentare bleiben dabei auf der Strecke.
Mit einem Dienst am Bürger hat dies nicht mehr viel zu tun. Es heißt, dass dreißig Prozent der Zuschauer die normalen Nachrichten nicht mehr verstehen oder sie gleich wieder vergessen. Ich empfinde dieses Ergebnis als höchst alarmierend. Es mangelt uns offenbar an einer politischen Diskussionskultur, die auch Platz für unangenehme Fragen bietet.
Wir haben keine Zeit mehr für Diskurse und interessieren uns immer weniger für ausführliche Antworten. Pierre Bourdieu hat darauf hingewiesen, dass eines der Hauptprobleme des Fernsehens in der Frage der Beziehungen zwischen Denken und Geschwindigkeit liegt: Kann man denken, wenn man es eilig hat? Wenn das Fernsehen immer nur Denkern das Wort erteilt, die als besonders reaktionsschnell gelten, muss es sich mit fast-thinkers abfinden, Denkern, die, wie ein gewisser Westernheld, schneller schießen als ihr Schatten..."
Derlei gedankliche Schnellschüsse als Handlungsmuster - ich rede hier nicht von Geistesblitzen - sind angesichts der verfassungsrechtlich verankerten Aufgabe des Rundfunks problematisch. Die für die Bevölkerung nachvollziehbare politische Kommunikation ist ein Wesensmerkmal unserer Demokratie, eine kulturelle Errungenschaft zudem.
Mir stellt sich sehr die Frage, ob die Wahrnehmungskategorien des Fernsehens noch zum Menschenrecht auf umfassende Information passen. Wer keine Fragen mehr stellt, weil er nur noch Antworten parat haben muss, kann weder den Standort genau definieren, noch den gesellschaftlichen Fortschritt wirklich vorantreiben.
Die Privatsender haben zu einer Beschleunigung der journalistischen Berichterstattung beigetragen, was dem Fernsehen insgesamt gut getan hat. Man erreicht jedoch dann einen kritischen Punkt, wenn die Berichterstattung die Ereignisse überrunden will. Wer berichtet, braucht Distanz zum Ereignis.
Der Hang zur Verschnipselung der Wirklichkeit folgt einem veränderten Nutzerverhalten. Wir befinden uns längst auf dem Weg zu einer Event- und Häppchengesellschaft, in der die Kultur atomisiert wird, damit sie zu den vermeintlichen Neigungen des modernen Menschen passt.
Die Fernbedienung entscheidet über Wohl und Wehe von Sendungen, das angeschwollene Programmpaket führt zu einer nervösen Odyssee im TV-Universum. Das Raumschiff der Rezipienten rauscht durch das All der Television, im schlimmsten Fall kein Ankoppeln nirgends. Und wer am Ende doch irgendwo landet, entdeckt nicht selten eine Entgrenzung des Privaten und sieht sich mit einer völlig neuen Definition von Öffentlichkeit konfrontiert.
Formate wie Big Brother oder die Dschungel-Show erregen uns und lösen Diskussionen über ein gesellschaftliches Wertesystem aus. Wir erleben, wenn wir nur wollen, die hüllenlosen Erfahrungsberichte einer ganzen Gesellschaft. Brauchen wir also derlei Tabubrüche, um einen Erkenntnisgewinn davon zu tragen? Ja und nein. Das Maß ist hierbei entscheidend. Grenzerfahrungen sind akzeptabel, wenn sie die Würde des Menschen nicht verletzen. Das ist natürlich von Fall zu Fall zu beurteilen.
Ich halte es hier mit Ernst Gottfried Mahrenholz, der vom "Respekt vor der Integrität und der Subjekthaftigkeit des Einzelnen" spricht. Reißerischer, künstlich erzeugter Extrem-Voyeurismus missachtet das Ethos unserer Verfassungsordnung. Die Würde des Menschen wurde und wird immer öfter angetastet. Jetzt werden die Verantwortlichen entgegnen, dass niemand gezwungen werde, sich vorführen zu lassen.
Das ist mir zu einfach und überzeugt mich keiner Weise. Denn öffentliche Demütigungen vor aller Augen lassen sich nur als im höchsten Maße abstoßend empfinden.
Noch einmal: Die Würde des Menschen ist unantastbar, so steht es im Grundgesetz. In dessen Verletzung kann niemand einwilligen. Wir sollten uns dies ins Gedächtnis rufen.
Wenn wir Klage darüber führen, dass uns das gut gemachte Alltagsfernsehen, die gepflegte Familienunterhaltung nur noch selten Gemeinschaftserlebnisse beschert, so hat dies auch etwas damit zu tun, dass sich der Fernsehkonsum immer stärker individualisiert.
Es ist heute vielleicht nur noch beim Fußball möglich, dass sich die Familie auf ein Programm verständigen kann. Unsere Gesellschaft zerfällt in Sparten, in kleine Gruppen mit unterschiedlichen Interessen, und so besitzt auch das Fernsehen kaum mehr die Kraft zur Integration.
Aber wie weit, so ist zu fragen, ist es denn mit der Programmvielfalt tatsächlich her, wenn es immer dieselben Trends sind, die bedient werden und der Zuschauer die Identitäten der einzelnen Sender kaum wahrnehmen kann?
Soll Programmvielfalt ein Gewinn sein, muss sie mit Versuchen der Normsetzung einhergehen. Es mangelt an einer verlässlichen, einer beständigen Basis für einen vertiefenden, gesellschaftlichen Diskurs.
Wenn Programmmacher nur danach streben, dem Sinnlosen einen Sinn zu verpassen, dann verkennen sie die Aufgabe und die Verantwortung des Fernsehens. Das Gegenteil sollte eigentlich der Fall sein: Das Fernsehen müsste Sinn stiften, es besitzt eine Monopolstellung für die geistige Ausstattung unserer Gesellschaft. Für viele Zuschauer und mündige Bürger ist das Fernsehen die allererste Informationsquelle überhaupt.
Insofern kann es uns nicht gleichgültig sein, auf welche Dinge das Fernsehen die Aufmerksamkeit lenkt.
Mut ist für mich die wichtigste Voraussetzung für Programmmacher. Das gilt nicht nur für die öffentlich-rechtlichen, sondern auch für die privaten Sender. Es hat mich sehr beeindruckt, dass es den privaten Anstalten in der Vergangenheit immer wieder gelungen ist, mit faszinierenden und künstlerisch anspruchsvollen Fernsehfilmen, Serien und fiktiven Programmen ihr Publikum zu fesseln.
Das gilt natürlich besonders für das fast schon legendär gewordene "Wunder von Lengede", aber auch für Stoffe wie "Der Tunnel","Der Tanz mit dem Teufel" oder "Der König von St. Pauli". Ich möchte Sie ausdrücklich dazu ermuntern, auf diesem Weg weiterzugehen.
Und ich möchte Ihnen ausdrücklich danken. Für eine gute, eine berechenbare Partnerschaft in der Filmförderung.
Es gehört sich so, bei Jubiläen auch in die Zukunft zu blicken. Welche Perspektive hat der private Rundfunk in Deutschland? Ich möchte an dieser Stelle der Existenz von Vollprogrammen unbedingt das Wort reden. Obwohl wir den Gedanken der Integration in diesen Programmen nicht hoch genug rühmen können, wird die Individualisierung durch Angebote der Rundfunkveranstalter, aber auch aus der Telekommunikationsbranche weiter voranschreiten.
Da müssen wir uns nichts vormachen. Den Vollprogrammen kommt eine umso wichtigere Funktion zu.
Wir brauchen ein gut ausbalanciertes Gleichgewicht unserer Fernsehlandschaft. Das ist nicht nur wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch für die Identifikation einer Gesellschaft.
Trotz aller Vielfalt im Programmangebot verlangt die demokratische Gesellschaft nach einem gemeinsamen Informationskonsens. Es geht um guten Journalismus und Glaubwürdigkeit im Nachrichtengeschäft. Aufklärung, Bildung und Wissen darf nicht nur zu einer Domäne öffentlich-rechtlicher Kulturkanäle werden. Es sind Qualitätsansprüche, die für das Fernsehen allgemein zu gelten haben.
Eine Gefahr für den Rundfunk sehe ich in der zunehmenden Verbindung von Werbung und Programm.
Das duale System erkennt natürlich die Werbung als Finanzierungsquelle des kommerziellen Fernsehens ausdrücklich an. Gleichwohl halte ich auch in diesem Bereich eine "Wertediskussion" für überfällig. Ich appelliere dringend an die Macher, die Qualität der Sendungen vor rein wirtschaftlichen Überformungen zu schützen.
Aus kultureller Sicht und aus der Perspektive des Verbraucherschutzes ist es nicht hinnehmbar, dass der Werbeindustrie Einfluss auf das Programm zugestanden wird. Wer Drehbücher nur nach der Maßgabe schreiben kann, welche Automarken in einer Serie vorzukommen haben, hat seine geistige Unabhängigkeit längst verloren.
Und wo wir schon bei den guten Wünschen für die Zukunft sind, lassen Sie mich bitte auch noch einen persönlichen Wunsch formulieren.
Wie Sie wissen, habe ich mich gegenüber den öffentlich-rechtlichen Anstalten dafür engagiert, dass dort der etwas ausgefranste Kulturauftrag ernster genommen wird. Zwar ist für die Privatsender ein solcher Auftrag nicht zwingend vorgeschrieben, dennoch beeinflussen auch sie Bildung und Kultur. Und das nicht zu knapp.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle zumindest an die moralische Verpflichtung der privaten Medienmacher appellieren, nach angemessenen und ansprechenden Formaten und Darstellungsformen für Kultur in einem kommerziellen Rahmen zu suchen. Dem Mut und der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Kulturelle Sendungen können sehr wohl einen hohen Unterhaltungswert haben. Ich denke, dass es mit kulturellen Sendungen gelingen kann, ganz neue Zielgruppen zu erschließen, die dann auch wieder für die Werbebranche relevant wären. Kultur könnte also einen "Mehrwert" für die privaten Rundfunkveranstalter darstellen.
Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zur Zukunft des dualen Rundfunksystems in Deutschland sagen. Ohne Übertreibung lässt sich konstatieren, dass dieses System ein Garant für die Fernsehqualität in Deutschland ist. Wer diese robuste Konstruktion erhalten will, muss sie verteidigen. Und zwar immer und überall. Das setzt aber auch das Zusammenwirken aller beteiligten Partner voraus.
Die Existenz von ARD und ZDF bildet das Fundament für diesen Mechanismus. Nur mit einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann diese Balance auf dem künftigen Medienmarkt gehalten werden. Privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind gleichberechtigte, wenn auch ihrem Wesen nach unterschiedliche Partner. Dennoch bedingen sie einander, sie stützen sich und fordern sich im positiven Sinne heraus.
Nur wenn diese Partnerschaft wirklich stabil bleibt, bleibt auch künftig gewährleistet, dass der Zuschauer der Gewinner in diesem Wettstreit ist. Und nur darum geht es ja letztlich beim Fernsehen machen. Das muss so bleiben!
Beleumundet werden diese beiden Partner von der Grundakzeptanz innerhalb der Gesellschaft. Die Einschaltquote ist eine Sanktion des Marktes, aber sie ist nicht heilig. Die privaten Veranstalter haben in den Bereichen Information, Politik und Bildung einen verfassungsrechtlichen Auftrag gegenüber dem Zuschauer zu erfüllen.
Schließlich geht es auch darum, einen mündigen Bürger zu erziehen, der Gesetze versteht, seine Rechte begreift und dazu befähigt ist,"sich das Universelle anzueignen" ( Bourdieu ) .
Zwanzig Jahre Privatfernsehen in Deutschland, das war und das ist eine Gratwanderung zwischen Kommerzialisierung und gesellschaftlicher Verantwortung.
Am Ende entscheiden nicht die schwarzen Zahlen in den Wirtschaftsberichten, ob ein Sender erfolgreich ist, sondern die Kreativität der Künstler, die das Programm gestalten. Managementtalente allein werden die Kanäle nicht zu neuen Höhen führen.
Noch einmal: Trauen Sie den Zuschauern etwas zu, haben Sie Mut zum Experiment und zum Wagnis, schaffen Sie Identität und entscheiden Sie im Zweifel für Ihr Publikum. Vielen Dank!