Redner(in): k.A.
Datum: 28.10.2004

Untertitel: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien erläutert in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag die Schwerpunkte der Gesetzesnovelle.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/93/736293/multi.htm


dem Dichter Novalis verdanken wir eine Erkenntnis, die gut das Motto sein könnte für das Gesetz, das wir heute in 2. und 3. Lesung verabschieden:

Ohne vollendetes Selbstverständnis wird man nie andere wahrhaft verstehen lernen.

Das Deutsche-Welle-Gesetz hat viele Jahre gebraucht, um nunmehr diejenige Fassung zu bekommen, die dem deutschen Auslandssender zu Beginn des 3. Jahrtausends wirklich entspricht. Eines der modernsten Mediengesetze Europas, sicherlich das modernste in Deutschland, liegt heute zur Beschlussfassung dem Deutschen Bundestag vor. Darüber bin ich sehr glücklich, denn für mich ist die Novellierung des Deutsche-Welle-Gesetzes nicht irgendein Vorhaben, sondern ein fundamentales Anliegen, das Auskunft gibt über das Selbstbewusststein, mit dem wir in der Bundesrepublik Deutschland Rundfunk organisieren, und über die Leitideen, die wir damit verfolgen.

Die Deutsche Welle soll die Stimme Deutschlands in der Welt sein, eines modernen Deutschlands, eines Deutschlands, das wir als europäische Kulturnation ebenso verstehen wie als freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Ich bin den Fraktionen des Bundestages sehr dankbar, dass sie sich gerade auf diesen wichtigen Passus der Generalklausel des Gesetzes verständigt haben. Denn die Angebote der Deutschen Welle, also Hörfunk, Fernsehen sowie Internet sind kein Selbstzweck, und die Deutsche Welle ist kein bloßer Nachrichtensender. Sie soll die Kulturnation Deutschland in all ihren Facetten abbilden. Das will dieses Bundesgesetz bewirken. Und dies ist ein Novum von medien- und kulturpolitischer Bedeutung ( gerade passend zum Auftakt des Schiller-Jahres 2005 ) .

Vor wenigen Wochen hat sich die Enquêtekommission "Kultur in Deutschland" dafür ausgesprochen, die Kultur als Staatszielbestimmung ins Grundgesetz aufzunehmen. Dieses Bekenntnis zur Kultur erfordert ein Selbstbewusstwerden im Sinne von Novalis oder im Sinne der deutschen Aufklärung. Wir müssen in unserem Land einen neuen Dialog darüber beginnen, was uns als Deutsche eigentlich ausmacht und wie weit der ideengeschichtliche Bogen reicht. Dieser Dialog muss jedoch die Geschichte unseres Landes genauso im Blick behalten wie unsere Gegenwart im vereinten Europa. Das Deutsche-Welle-Gesetz hat also für die geistige und demokratische Verfasstheit unseres Gemeinwesens eine besondere Bedeutung, auch wenn der Sender im Inland nicht zu hören und zu sehen ist.

Das neue Gesetz präzisiert und befestigt die Autonomie des Senders als staatsunabhängiger Sendeanstalt. Wir haben uns dieser Frage besonders zugewandt, denn das neue Gesetz ist Ausdruck unseres freiheitlichen Staates und somit unseres kulturellen Selbstverständnisses.

Der Sender ist allerdings nicht auf sich selbst gestellt, sondern er wird verpflichtet, seine Vierjahres-Planungen transparent zu machen und von Jahr zu Jahr zu präzisieren. Im Dialog mit den beiden Verfassungsorganen Bundestag und Bundesregierung wird der Intendant gemeinsam mit Rundfunk- und Verwaltungsrat Zielgebiete, Zielgruppen, Verbreitungswege und Angebotsformen darstellen und mit einer Kalkulation der Betriebs- und Investitionskosten verbinden. In einem allerdings - und da sind wir uns sicherlich einig - darf es keine Kompromisse geben: In der Unabhängigkeit und Freiheit des Journalismus, der dem pädagogischen Impetus der Generalklausel des Gesetzes vorangeht. Das Innovative an dem neuen Gesetz ist, dass die Selbstverpflichtung des Senders vor der Öffentlichkeit jedem Einblick in seine Relevanz und Arbeitsweise gibt. Vor allem ist die Öffentlichkeit in den Sendegebieten auf allen Kontinenten aufgefordert, sich an der Diskussion der Aufgabenplanung des Gesetzes und dessen Effektivität zu beteiligen.

Ich bin sicher, dass der Bundeszuschuss, der vom Parlament im jährlichen Haushaltsgesetz zur Verfügung gestellt wird, zunehmend präziser den globalen Anforderungen dieses modernen und weltweit geschätzten Senders entsprechen wird. Die Probleme in der Finanzierung der Deutschen Welle sind bekannt. Für Bundesregierung und Bundestag geht es einmal mehr darum, die Kunst des Möglichen zu praktizieren und die Horizonte des Wünschbaren nicht aus dem Blick zu verlieren. Dankbar bin ich allen Fraktionen im Deutschen Bundestag dafür, dass sie noch einmal zum Ausdruck gebracht haben, die seit 1999 praktizierte Bereitstellung der Bundesmittel zur Selbstbewirtschaftung fortsetzen zu wollen. Denn dies entspricht der besonderen rundfunkrechtlichen Stellung des deutschen Auslandssenders.

Zu danken habe ich aber auch dem Intendanten der Deutschen Welle und seinen Aufsichtsgremien, dass es möglich war, in einer langen Periode der Abstimmung und Kooperation ein Gesetz zu entwickeln, das im Wesentlichen im Konsens mit dem Sender entstanden ist.

Die Deutsche Welle ist eine Angelegenheit aller Fraktionen im Deutschen Bundestag, ja aller Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Uns kann nicht gleichgültig sein, wie diese wichtige Sendeanstalt aus Bonn und aus Berlin berichtet. Der Sender bedarf der weiteren politischen und auch finanziellen Unterstützung. Er bedarf der Ermutigung und der konstruktiven Begleitung seines Sendeauftrages. Im Kosovo, in Afghanistan und in anderen Brennpunkten dieser Welt ist die Deutsche Welle eine Stimme der Freiheit. Der Sender macht deutlich, für was Deutschland steht, für welche zivilisatorische Kultur, und von welchem Freiheits- und Humanitätsideal es sich leiten lässt, nämlich von den besten Geistestraditionen aus Europas Mitte, von Schiller, Goethe, Herder und Heine, wie es in der Begründung des Gesetzes heißt. In diesem Sinne danke ich dem Deutschen Bundestag für die konstruktive Beratung und freue mich, dass dieses Gesetz zum 1. 1. 2005 in Kraft treten und damit der deutsche Auslandssender in eine neue Phase des medien- und kulturpolitischen Interesses gelangen wird.