Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 03.11.2004
Untertitel: Gemeinsam mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak hat Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwochabend in Bonn die Ausstellung "Tutanchamun" eröffnet. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur des antiken Ägypten bedeute nicht allein Kunstgenuss, sondern führe an die Wurzeln unserer Zivilisation, sagte Schröder in seiner Eröffnungsansprache.
Anrede: Verehrter Herr Präsident, lieber Freund, sehr geehrter Herr Dr. Jacob, lieber Herr Ricke, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/16/739316/multi.htm
es ist mir wirklich eine Ehre, diese Ausstellung mit eröffnen zu dürfen. Es ist eine der Präsentationen von wirklich einmaligem Rang, von einem Rang, wie sie seit Jahrzehnten in Europa nicht mehr zu sehen gewesen ist. Dem Museum, dem ägyptischen Staat, verehrter Herr Präsident, danken wir ganz herzlich. Ohne Ihre Hilfe - das ist bereits erwähnt worden - wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen. Mehr als 600.000 Menschen haben - in den Grundzügen - diese Ausstellung in Basel gesehen. Dieser Publikumsandrang belegt ein großes lebhaftes Interesse in Europa an der Kunst und an der Kultur des antiken Ägyptens. Tatsächlich wird mit dieser Ausstellung der Blick frei gegeben auf eine für heute Generationen sehr fremde, aber gleichwohl beeindruckende Weltsicht im Pharaonen-Reich. Und das nicht nur, weil die Menschen von dem Geheimnis der ägyptischen Mythologie fasziniert sind, sondern auch - ich konnte mich eben bei einem kurzen Rundgang davon überzeugen - , weil die Kunstfertigkeit, ja die Vollkommenheit in der künstlerischen Darstellung unglaublich eindrucksvoll ist. Man staunt und fragt sich, wie das möglich gewesen ist. Diese Ausstellung hat alles, was sie zu einem großen Erfolg machen wird. Deswegen muss man denen, die diese Ausstellung gemacht haben - das ist Ihr Team, das sind die ägyptischen Freunde - herzlich zu diesem wirklich großartigen Werk gratulieren. Bei einer unserer Begegnungen vor einem Jahr in Kairo haben wir eben nicht nur über die engere politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen, sondern wir haben auch beschlossen, den kulturellen Dialog zwischen den Menschen in unseren beiden Länder zu verstärken. Es ist also unser gemeinsames Ziel, die Menschen in Ägypten und Deutschland näher zusammen zu bringen. Wir haben das damals durch die Einweihung der deutschen Universität in Kairo zum Ausdruck gebracht. Übrigens auch das sollte nicht in Vergessenheit geraten: Vor einem Monat hat die Frankfurter Buchmesse mit der "Arabischen Welt" als Ehrengast den Dialog der Kulturen fortgesetzt. Auch das können wir gerade in der jetzigen politischen Situation sehr gut brauchen. Ich halte also den kulturellen Austausch für weit mehr als nur die Begegnung mit Kultur, sondern auch für politisch eminent wichtig. Denn nur wer zu differenzieren weiß - und das lernt man in der Auseinandersetzung mit der Kultur - , nur wer das kann, schützt sich auch vor pauschalen Urteilen über andere und kann ein größeres Verständnis für die Verschiedenartigkeiten der Kulturen entwickeln. Und was könnte das Interesse an der reichen Geschichte, verehrter Herr Präsident, Ihres Landes besser wecken als nicht zuletzt diese Ausstellung? Meine Damen und Herren, Hochachtung vor der Kultur einer versunkenen Zivilisation war über Jahrhunderte an den Ausgrabungsorten in Ägypten leider nicht immer zu finden. Unwiederbringliche Schätze wurden für den schnellen Profit gestohlen, Grabstätten wurden zerstört. Eine Ausnahme war sicherlich Howard Carter, der Archäologe, der dank einer - man könnte fast sagen - "public private partnership" das Tutanchamun-Grab entdeckt und für die Nachwelt geborgen hat. Ich will diesem Dank eine Bemerkung hinzufügen. Schon längst sind Ausstellungsprojekte dieses Formats nur noch mit finanzieller und auch ideeller Unterstützung privater Geldgeber denkbar. Umso erfreulicher ist es, dass das Gebot, das in dem schönen Satz "Eigentum verpflichtet" steckt, in diesem Zusammenhang mehr und mehr Beachtung findet. Ich finde es gerade in diesen Zeiten wichtig und richtig zu betonen, dass große Unternehmen gewiss Betriebswirtschaft machen müssen - und zwar möglichst gut - und sie auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung haben, aber mit gutem Recht und mit Nachdruck sollten sie sich auch um kulturelle Fragen kümmern. Dass Sie das tun, finde ich gut. Mäzene und Sponsoren erweisen auf diese Weise der ganzen Gesellschaft einen Dienst. Jetzt soll aber von Geld nicht mehr die Rede sein, sondern vom Gold, nämlich vom Gold des antiken Ägypten, von der Schönheit, dem Reichtum und der Ausdruckskraft einer wirklich großartigen Kultur, der wir auch und gerade in Europa eine Menge zu verdanken haben und der wir deswegen unseren Respekt niemals versagen dürfen. Ihnen allen, meine Damen und Herren, und den Hunderttausenden, die noch kommen werden, wünsche ich einen reichen Kunstgenuss.