Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 08.03.2005

Untertitel: Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist eine gemeinsame Aufgabe von Politik und Wirtschaft. Denn der Erfolg einer gut funktionierenden Gesellschaft liege auch in der sozialen Verantwortung der Privatunternehmen, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am 8. März bei der E.ON Academy in Düsseldorf.
Anrede: Herr Ministerpräsident! Lieber Herr Dr. Bernotat! Lieber Herr Hartmann! Lieber Herr Dr. Krüper! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/03/799403/multi.htm


Einen Satz von Ihnen, Herr Dr. Bernotat, habe ich mir aufgeschrieben. Sie haben gesagt: So richtig unsere Argumente in der Sache auch sind - wir haben uns damit in der Öffentlichkeit bislang nicht so richtig durchsetzen können."

Das ist wahr. Das gilt aber nicht nur für Sie. Ein guter Satz, aber darüber ist heute nicht zu reden.

Es gibt im Deutschen, meine Damen und Herren, ein schönes und, wie ich finde, für das heutige Thema passendes Wort, nämlich "Vermögen". Zum einen geht es um Vermögen als Kapital und zum anderen - der Begriff beinhaltet ja noch etwas anderes - um das soziale Kapital, also um die Fähigkeiten der Menschen. Ich meine, dass die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, Corporate Social Responsibility, wie es jetzt heißt, viel mit diesen beiden Bedeutungen zu tun hat. Ich bin davon überzeugt, dass diese Form gesellschaftlichen und sozialen Engagements beides mehrt, sowohl das Vermögen eines Unternehmens als auch das, was die Menschen in ihm vermögen, innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Zu einer solchen Unternehmensphilosophie gehören - Sie haben das ausgeführt, Herr Bernotat - ein nachhaltiger Umweltschutz, die fortlaufende Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Verantwortung für die Ausbildung junger Menschen. Es kommt jedoch noch etwas hinzu: Ebenso gehört dazu die Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagements, von sozialen Projekten, von Kultur und gewiss auch von Wissenschaft und Sport, also das, was sich E. ON zu seiner Aufgabe im gesellschaftlichen Umfeld in einer wirklich umfassenden Weise gemacht hat.

Was Sie tun, meine Damen und Herren, ist wichtig, weil Solidarität, Bürgersinn, Zivilcourage unverzichtbar sind für unsere Gesellschaft, für eine Gesellschaft, die auf Integration und auf Teilhabe beruht. Die Philosophie, die Sie für das Unternehmen vorgeführt haben, die Teilhabephilosophie, stimmt auch für die Gesellschaft. Nur eine starke Zivilgesellschaft kann ein Gefühl von Zugehörigkeit und Zusammenhalt vermitteln. Gerade in Zeiten des raschen gesellschaftlichen Wandels - wir leben in solchen Zeiten - brauchen wir solche Formen der Beständigkeit, denn sonst besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft zerfällt. Daran kein niemand ein Interesse haben. Das liegt auch im Interesse der Unternehmen, die in dieser Gesellschaft und als Teil der Gesellschaft ihre ganz spezifischen wirtschaftlichen Ziele verfolgen. Auch die können nur auf der Basis stabiler gesellschaftlicher Verhältnisse auf Dauer und erfolgreich arbeiten.

Die Bundesregierung hat die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zu einer wichtigen politischen Aufgabe gemacht. Wir haben die steuerlichen Rahmenbedingungen für ehrenamtlich Tätige verbessert, die Freiwilligendienste - mehr als 15 000 Jugendlichen engagieren sich für unsere Gesellschaft - ausgebaut sowie das Stiftungsrecht so reformiert, dass die Stiftungsgründung finanziell attraktiver und unbürokratischer als in der Vergangenheit möglich ist. Mittlerweile gibt es rund 10 000 Stiftungen in Deutschland, darunter zahlreiche Unternehmensstiftungen.

Meine Damen und Herren, gesellschaftliches Engagement von Unternehmen dient auch deren eigenen Nutzen. Ich finde, man kann öffentlich und offen sagen, dass es überhaupt nicht unehrenhaft ist, wenn sich Unternehmen mit ihrem gesellschaftlichen Engagement einen guten Namen machen wollen. Das ist berechtigt und ausdrücklich erwünscht. Hegel hat es Folgendermaßen umschrieben: Meinen Zweck befördernd, befördere ich das Allgemeine, und dieses wiederum befördert meinen Zweck."

Dies wird deutlich in der Frage, wie Unternehmen ihre Beschäftigten qualifizieren. Unternehmen, die wie E. ON für herausragend ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen, können auf diese Weise ihr eigenes Entwicklungspotential bestmöglich nutzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Sie erhöhen die Identifikation der Beschäftigten mit dem eigenen Firmennamen und entwickeln so das soziale Kapital des Unternehmens.

In einem internationalen Konzern wie E. ON wird mehr gebraucht als nur Fachwissen. Es kommt ebenso auf Team- und Kommunikationsfähigkeit, auf Verantwortungsbereitschaft, auf Einsatzwillen, aber auch auf das Verständnis für andere Kulturen an. Die Auseinandersetzung damit ist ein Faktor, der immer wichtiger wird, jedenfalls je internationaler die Tätigkeit des Unternehmens wird. Auch dies sind Fähigkeiten, die von der E. ON Academy vermittelt werden und die es Mitarbeitern ermöglichen, Ideen und eigene Verantwortung noch besser einzubringen. Das ist sozusagen die Rendite des sozialen Kapitals. Dieses soziale Kapital muss sich jedoch im Unternehmen stets entwickeln und vermehrt werden, indem Teilhabemöglichkeiten eröffnet werden.

Wirtschaft und Arbeitswelt stehen nicht außerhalb der Gesellschaft. Deshalb muss die Teilhabe am Haben und am Sagen in der Gesellschaft der Teilhabe in den Betrieben entsprechen und umgekehrt. Sie, Herr Bernotat, haben das am Beispiel der hier praktizierten Mitbestimmung deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Mitbestimmung hat zum sozialen Frieden beigetragen, Strukturanpassungen erleichtert und die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Deshalb ist sie Teil der gesellschaftlichen Verantwortung eines Unternehmens, und sie soll es bleiben. Im Übrigen unterstreiche ich ausdrücklich, was Sie zur Fortentwicklung der Unternehmensmitbestimmung gesagt haben. Ich bin den Gewerkschaften dankbar dafür, dass sie sich zusammen mit der Bundesregierung daran machen werden, die Weiterungen der Mitbestimmung vor allem mit Rücksicht auf die Europäische Union anzugehen. Ich setze darauf, dass wir sehr schnell zu konsensualen Ergebnissen kommen.

Meine Damen und Herren, ein positives Beispiel, mit dem die Wirtschaft in Deutschland ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommt, ist der Ausbildungspakt. Ich begrüße nicht nur, dass Sie den Ausbildungspakt ausdrücklich erwähnt haben, sondern auch, dass Sie etwas dafür tun wollen. Das ist ein Beispiel, an dem sich viele ausrichten sollten. Die Bilanz der vergangenen Jahre bestätigt, dass die freiwillige Vereinbarung ein Erfolg ist. Die Unternehmen haben mehr als 50 000 neue Ausbildungsplätze geschaffen und damit - das unterstreiche ich ausdrücklich - die eingegangenen Verpflichtungen erfüllt. Sie haben gesagt, dass Sie auch in diesem Jahr mehr tun werden als im letzten Jahr. Dafür bin ich Ihnen dankbar. Das hat übrigens auch eine internationale Dimension: Man wird auf Reisen - ich habe das in den letzten sieben Tagen wieder einmal am Golf erlebt - immer wieder auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft angesprochen. Das ist ja auch richtig so. Sie ist ja leistungsfähiger, als wir selber manchmal zugeben. In diesen Ländern wird man immer auf die Leistungen des Ausbildungssystems in Deutschland, auf das so genannte duale System, also die Mischung von Vermittlung praktischer Fertigkeiten in den Betrieben und theoretischer Kenntnisse in staatlichen Schulen, angesprochen. Das ist häufig nicht nur ein Modell für Entwicklungsländer, sondern auch für die Märkte, die für uns von sehr großer Bedeutung sind.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der zu wenig in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Die lokalen Bündnisse für Familie zeigen, dass zivilgesellschaftliches Engagement und wirtschaftliches Eigeninteresse nicht im Widerspruch zueinander stehen müssen. In diesen Bündnissen geht es um neue Wege der Kinderbetreuung, Ganztagsschulprojekte und Maßnahmen für ein familienfreundliches Wohnumfeld. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Arbeit liegt im Interesse der Wirtschaft. Wir können es uns ökonomisch nicht leisten, auf die beruflichen Fähigkeiten gut qualifizierter Frauen zu verzichten. Es gibt in diesem Bereich eine Menge zu tun. Wir stehen erst am Anfang dessen, was wir machen müssen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, über einen Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klagen zu müssen. Zu glauben, man könnte einen möglichen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern alleine durch Einwanderung ausgleichen, ist ein Irrtum. Das sage ich nicht deshalb, weil ich etwas gegen gesteuerte Zuwanderung hätte, sondern deshalb, weil ein solcher Mangel, träte er auf, die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft ernsthaft infrage stellen würde. Deswegen bleibt nichts anderes übrig, als das zu tun, was - ich hoffe, ich darf das hier zitieren - Mao Tse-tung uns vorgeschlagen hat: Nicht nur die Hälfte des Himmels, auch die Hälfte der Erde den Frauen."

Eines ist klar: Das geht nur, und zwar unter Einbeziehung der Wirtschaft und keineswegs nur als Verantwortung an den Staat delegiert, wenn wir dazu kommen, Betreuung von Kindern in einem Umfang zu realisieren, wie er bisher in Deutschland bedauerlicherweise unbekannt ist. Das hat ideologische und materielle Gründe. Eines muss einem klar sein: Hierbei geht es keineswegs nur um Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch um ökonomische Vernunft. Wer nur einen von beiden Begründungszusammenhängen gebrauchen kann, der kann sich ja den für ihn passenden aussuchen. So, wie wir bisher in diesem Bereich gearbeitet haben, kann es jedenfalls nicht weitergehen.

Meine Damen und Herren, die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist nur dann glaubwürdig, wenn sie auch in der Unternehmensrealität gelebt wird. Gerade das Scheitern dessen, was man New Economy genannt hat, die damit verbundenen Fehlleistungen, hat eine öffentliche Debatte über das Verhältnis von wirtschaftlichen Eliten heraufbeschworen, manchmal zu Unrecht, aber das kenne ich noch besser als Sie. An dieses Verhalten werden zunehmend öffentliche Maßstäbe angelegt, und die Bewertung erfolgt öffentlich. Ich glaube nicht, dass man das wird zurückdrehen können. Die Unternehmensführer sind nun einmal Teil der Eliten des Landes. Deswegen ist es richtig, dass hier ein Ordnungsrahmen gesetzt wird, der vor allem auf Transparenz, also auf Überprüfbarkeit, zielt. Mit diesem Ziel reformiert die Bundesregierung das Gesellschaftsrecht, um Vorstände und Aufsichtsräte stärker in die Pflicht zu nehmen.

Hinzu kommt das, was unglaublich viele bewegt, nämlich die Transparenz von Managergehältern. Zahlreiche Großunternehmen, darunter die E. ON, sind mit gutem Beispiel vorangegangen. Der Vorsitzende der Kommission, die den Corporate-Governance-Kodex überarbeitet, Herr Cromme, wird, so habe ich gehört, am kommenden Freitag Bilanz darüber ziehen, wie viele DAX-Unternehmen dies ebenfalls tun werden. Wir haben lange, auch gegen Widerstand im Parlament, auf Freiwilligkeit gesetzt, und ich möchte das gerne durchhalten. Nachdem, was man zwischenzeitlich hört, sieht es nicht so aus, dass das erfolgreich sein könnte. Das Maß an Freiwilligkeit ist doch nicht so entwickelt, wie wir gehofft hatten. Also werden wir entscheiden müssen, ob und - wenn ja - welche gesetzliche Regelung getroffen wird.

Eines, meine Damen und Herren, bleibt indes richtig: Gewinne sind die Voraussetzung für das gesellschaftliche und soziale Engagement. Sie sind also keineswegs nur die Voraussetzung für das, was im Kern der unternehmerischen Tätigkeit stehen sollte, denn auch in dem Zusammenhang gilt: Ohne Moos nix los. Sie sind Ausdruck von Wettbewerbsfähigkeit und Motivation der Mitarbeiterschaften. Deshalb muss der Staat die ökonomischen Strukturen so gestalten, dass sich auch die Zivilgesellschaft besser entfalten kann. Wir haben das mit der Agenda 2010 versucht und dafür wichtige Voraussetzungen geschaffen.

Es geht um auch in Zukunft bezahlbare soziale Sicherungssysteme, um die Reduzierung von Steuer- und Abgabenlast und um einen flexibleren Arbeitsmarkt. Erste Erfolge der Agenda 2010 zeichnen sich ab. Ich muss das hier sagen, damit das endlich einmal von denen, die protokollieren, aufgeschrieben wird. Es ist richtig: Die Zahl der statistisch erfassten Arbeitslosen liegt bei mehr als 5 Millionen. Das ist eine Zahl, die uns alle bedrückt. Angesichts dieser Zahl gilt es, deutlich zu machen, was das Ziel der Reform ist. Wir wollen die Menschen ohne Beschäftigung schneller und besser in Arbeit bringen. Hierbei müssen wir sie fordern. Dabei geht es insbesondere um die Sozialhilfeempfänger, die bisher keine Perspektive hatten und in keiner Arbeitslosenstatistik aufgeführt waren, obwohl sie arbeitsfähig, zumindest jedoch teilweise arbeitsfähig gewesen sind. Zwischen 1980 und 1998 ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger, aller, die so genannte Hilfen zum Lebensunterhalt bekommen, von knapp 900 000 auf rund 2,9 Millionen angestiegen. Das macht die Dimension des finanziellen Engagements des Staates auf allen Ebenen deutlich. Diese Betroffenen sind von der Gesellschaft und auch von der Politik gelegentlich an den Rand gedrückt worden; sie sind zum Teil bewusst aus den Arbeitsämtern, also aus der Vermittlung, in die Sozialämter abgeschoben worden. Wir holen sie jetzt aus dieser Sackgasse heraus, weil es nicht richtig ist in unserem Land, erwerbsfähige Menschen zu alimentieren, ohne ihnen abzuverlangen, dass sie ihre Erwerbsfähigkeit nutzen, und ohne ihnen dafür eine Perspektive zu geben.

In diesem Zusammenhang ist eines wichtig: Rund die Hälfte der Sozialhilfeempfänger ist jünger als 25 Jahre. Das muss man sich einmal vorstellen. Hier liegt der Grund, warum wir darauf setzen müssen, zu qualifizieren und diese Leute in Arbeit zu bringen. Angesichts dieser Zahlen kann es nicht sein, dass eine Gesellschaft weiterhin tatenlos bleibt.

Seit Januar sind rund 360 000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger in die Arbeitslosenstatistik aufgenommen worden. Das war übrigens gewollt, um diese nicht in der Anonymität zu lassen, sondern um das, was sie leisten können, abzuverlangen. Wenn sie aus welchen Gründen auch immer nicht arbeiten wollen, müssen sie mit Sanktionen rechnen. Das sind keine neuen Arbeitslosen. Es sind Menschen, die in unserer Gesellschaft zum ersten Mal die Chance auf Qualifikation und Vermittlung in Arbeit haben. Ich weiß, dass das ein schwieriger Prozess ist und mit wie viel öffentlicher Kritik das gemacht werden musste. Deshalb sage ich gerade angesichts der jetzigen Situation sehr deutlich: Auch wenn wir viel Gegenwind für diese Reformen am Arbeitsmarkt verspüren, sie sind richtig. Wir haben sie im vergangenen Jahr gegen großen, auch öffentlichen, auf der Straße ausgetragenen Widerstand durchgesetzt. Wir haben sie zu Beginn des Jahres erfolgreich eingeführt, und wir müssen alle Kraft darauf verwenden, dass sie gesellschaftliche Realität werden. Jetzt vor den Zahlen wegzulaufen oder den Reformprozess abzubrechen, wäre verheerend. Ich jedenfalls werde das nicht zulassen. Wir werden - im Gegenteil - diese Reformen in diesem Jahr umsetzen, auch wenn sich jetzt der Widerstand bei denen formiert, mit denen wir es gemeinsam beschlossen haben. Aber so ist es in der Politik: Wenn es eng wird, schlägt man sich gerne in die Büsche.

10 Milliarden € stehen für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, also für diejenigen zur Verfügung, die Arbeitslosengeld beziehen. Diese Mittel müssen jetzt von der Bundesanstalt, die schnell in die Strümpfe kommen muss, und den Kommunen gerade für die eben genannten jungen Arbeitslosen eingesetzt werden. Ihnen kann damit eine Perspektive gegeben werden.

Meine Damen und Herren! Erstens. Es gibt gute Rahmenbedingungen für Investitionen und eine Verstärkung der Nachfrage. Wir haben - das wird gelegentlich übersehen - mit den drei Stufen der Steuerreform Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen um 56 Milliarden € jährlich entlastet. Das ist wahrlich kein Pappenstil.

Zweitens. Durch die Gesundheitsreform werden die Krankenkassen um mehr als 4 Milliarden € entlastet. Ich gönne ja jedem sein Einkommen, aber gedacht war diese Entlastung für Beitragssenkungen und nicht für Gehaltserhöhungen. Von daher gehe ich davon aus, dass diejenigen, die das offenbar missverstanden haben, sich jetzt daran begeben, die Beiträge zu senken. Zum 1. Juli tritt unter anderem die Umfinanzierung des Zahnersatzes in Kraft. Das entlastet die Unternehmen bei den Sozialabgaben um 4,5 Milliarden € zusätzlich. Auch das ist kein Pappenstil und sollte gelegentlich gesehen werden.

Drittens. Kommunen und Länder werden durch die Arbeitsmarktreformen in Milliardenhöhe entlastet. Diese Mittel müssen für Arbeitsplatz schaffende Investitionen ausgegeben werden, und zwar so schnell wie möglich.

Viertens. Wir brauchen stärkere Investitionen in Zukunftsbereiche, in Bildung, Forschung und Entwicklung. Wir haben einen Vorschlag gemacht, wie man das bezahlen kann, ohne den Leuten zusätzlich Geld abzunehmen. Unser Vorschlag zur Abschaffung der Eigenheimzulage wird leider blockiert. Damit wird verhindert, dass 12 Milliarden € für Forschung und Bildung in diesem Land ausgegeben werden können. Es ist falsch, dass man aus welchen Gründen auch immer meint, etwas, was in den 50er- , 60er- , vielleicht auch in den 70er-Jahren einen guten Sinn hatte, nämlich die Förderung des Wohneigentums, auf diese Weise weiter zu machen, obwohl sich die Marktsituation, die Versorgungssituation grundlegend geändert hat. Meiner Meinung nach muss dieses Geld dafür ausgegeben werden, um unser Land zukunftsfest zu machen.

All das, meine Damen und Herren, sind Aufgaben von Politik - wir wollen diese auch anpacken - , aber es sind auch Aufgaben der ganzen Gesellschaft. Deshalb finde ich es gut, wenn strukturbestimmende Unternehmen - E. ON gehört ohne Zweifel dazu - erkennen und es auch nach außen deutlich machen, dass es vielleicht in erster Linie eine Aufgabe der Politik ist, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufzunehmen, dass es aber auch eine Aufgabe der Wirtschaft ist, die sich gesellschaftlicher Verantwortung nicht nur rühmt, sondern die diese gesellschaftliche Verantwortung auch lebt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.